Filmfest 766 Cinema
Young at Heart ist ein US-amerikanischer Musicalfilm von Gordon Douglas aus dem Jahr 1955 mit Doris Day und Frank Sinatra in den Hauptrollen. Zu den Nebendarstellern gehören Gig Young, Ethel Barrymore, Alan Hale Jr. und Dorothy Malone. Der Film war der erste von fünf Filmen, bei denen Douglas mit Sinatra Regie führte, und war ein Remake des Films Vier Töchter von 1938.
Einer der Filme, den Douglas mit Sinatra und dem gesamten Ratpack und Bing Crosby sieben Jahre später drehte, ist der in Deutschland um einiges bekanntere „Sieben gegen Chicago“, eine Art Gauner-Komödien-Musical. Ich war recht erstaunt, dass 3Sat den Film mit dem wieder einmal unsinnigen deutschen Titel „Man soll nicht mit der Liebe spielen“ an Ostern auspackte, aber eine nette Überraschung, denn wer kennt nicht bereits 90 Prozent aller Osterfilm-Klassiker?
Handlung (1)
Als der Songwriter Alex Burke in das Leben der musikalischen Tuttle-Familie tritt, verliebt sich jede der drei Töchter in ihn. Die Familie lebt in der fiktiven Stadt Strafford, Connecticut. Alex‘ Persönlichkeit passt zu Laurie Tuttle, da sowohl sie als auch Alex scheinbar füreinander gemacht sind.
Als ein Freund von Alex, Barney Sloan, ins Haus von Tuttle kommt, um bei einigen musikalischen Arrangements zu helfen, treten Komplikationen auf. Barneys düstere Lebenseinstellung könnte nicht widersprüchlicher zu der von Alex sein, und Laurie versucht, seine negative Einstellung zu ändern. Währenddessen haben Lauries zwei andere Schwestern, Fran, die mit Bob verlobt ist, und Amy, Gefühle für Alex.
Die Familie heißt Barney in ihrem Leben willkommen, aber Selbstwertgefühl entsteht bei ihm nicht, obwohl er sich in Laurie verliebt. Alex macht Laurie einen Heiratsantrag, den sie annimmt, was dazu führt, dass Fran endlich Bob heiratet und Amy am Boden zerstört ist. Tante Jessie ist die einzige, die weiß, dass Amy Alex liebt.
Als Laurie zu Barney geht, um an der Hochzeit teilzunehmen, sagt er ihr, dass er sie liebt und dass Amy Alex liebt, aber Laurie glaubt ihm nicht, bis sie nach Hause geht und Amy weinen sieht. Dann lässt sie Alex am Altar zurück und flieht mit Barney. Zu Weihnachten fahren Laurie und Barney für die Feiertage nach Hause. Laurie erzählt Amy, wie sehr sie Barney liebt und dass sie schwanger ist, obwohl sie es Barney noch nicht gesagt hat. Amy hat sich seitdem in Ernie verliebt. Alex ist auch für den Urlaub da und hat Erfolg gefunden. Mit einer schwarzen Wolke, die ständig über seinem Kopf hängt, beschließt Barney, mit Bob zu gehen, um Alex zum Zug zu bringen.
Er setzt Bob im Laden ab und nachdem er Alex am Zug abgesetzt hat, beschließt er, sich umzubringen, da er das Gefühl hat, dass Laurie mit Alex besser dran wäre, da er ein besserer Versorger wäre. Barney fährt während eines Schneesturms in den Gegenverkehr, wobei seine Scheibenwischer ausgeschaltet sind. Barney überlebt jedoch und schreibt mit einer neu gefundenen Bestätigung des Lebens endlich den Song, an dem er gearbeitet hatte, und findet sein Selbstwertgefühl in den Armen von Laurie und ihrem neuen Baby.
Rezension
Ich konnte niemanden in dem Film entdecken, der mit der Liebe spielt. Allenfalls waren sich Menschen ihrer Gefühle nicht sicher und dachten darüber nach, sich an Partner zu binden, die nicht die ganz große Liebe waren. In einem Fall geschieht das auch, aber was wäre passiert, wenn sich alle drei Mädchen voll auf Alex gestürzt hätten? So, wie er gestrickt ist, wirkt der Film einigermaßen realistisch und verfügt über eine Eigenschaft, die Mitte der 1950er offenbar geradezu aus dem Ärmel geschüttelt wurde: Emotionale Präsenz.
Einige der besten Melodramen bis heute entstanden in dieser Zeit und speziell über meine Beziehung zu den Filmen des Jahres 1955 habe ich hin und wieder geschrieben. „Young at Heart“ wird mal diesem, mal dem Produktionsjahr 1954 zugeordnet und basiert auf einem Film aus dem Jahr 1938, der schlicht „Vier Töchter“ hieß, es gab also in der Familie eine junge Frau mehr und die Familie hatte einen deutsch klingenden Nachnamen, was den ideologischen Streit zwischen der Musik von Wagner und der von Mozart, falls es ihn im Original auch gab, authentisch wirken ließ. Wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ließ man diese Zuschreibung der Familie zu einer bestimmten Einwanderergruppe lieber weg und reduzierte die Zahl der Töchter ebenfalls, um wohl etwas mehr Raum für die Entwicklung der übrigen Charaktere zu haben. Immerhin sind die Töchter alle blond und blauäugig, was sie im Originalfilm nicht waren und die älteste von ihnen, gespielt von Dorothy Malone, sieht so gut aus, dass es im Film nicht, wie bei Doris Day, eigens erwähnt werden muss, um der Imagination des Zuschauers auf die Sprünge zu helfen.
Im Original wurden drei von ihnen tatsächlich von Schwestern gespielt, die bekannteste von ihnen war Priscilla Lane, die alsbald Hauptrollen in „The Roaring Twenties“ und in „Arsen und Spitzenhäubchen“ erhalten sollte. Zu den Stars von „Young at Heart“ muss man nicht mehr viel schreiben. Doris Day war noch nicht auf dem Gipfel ihrer Karriere angelangt, aber sehr wohl schon vor allem als Sängerin bekannt. Im Jahr darauf sollte sie im Mittelpunkt eines Biopics über die Sängerin Ruth Etting stehen und wenige Jahre später die beliebteste Komödienschauspielerin des Landes werden.
Frank Sinatra hatte ein Jahr zuvor mit „Verdammt in alle Ewigkeit“, wo er den Oscar für die beste Nebenrolle erhielt, zurück in die Spur gefunden, nachdem seine Karriere zuvor stagniert war. In „Young at Heart“ wirkt er auch noch sehr mager und angeschlagen, anders als wenige Jahre später. Die Rolle des Kette rauchenden, erfolglosen Musikers sitzt ihm perfekt und wurde sicher auch von ihm persönlich mitgestaltet. Es heißt, er habe neben Gordon Douglas quasi Co-Regie geführt. Ganz sicher konnte er aus der Tiefe seiner jüngeren Vergangenheit und aus der gescheiterten Ehe mit Ava Gardner schöpfen, als er seinen Barney interpretierte. Im Original war diese Rolle der Durchbruch für John Garfield geworden, einem der interessantesten Filmschauspieler der 1940er, den ich erstmals in seiner Hauptrolle eines Heimatlosen, der sich von einer Femme fatale (Lana Turner) zum Mord verführen lässt, in dem sehr düsteren Film noir „The Postman Always Rings Twice“ (1946) gesehen hatte.
Durch die Verkleinerung der Zahl an Töchtern entsteht ein Ungleichgewicht, denn nachdem Barney aufgetaucht ist, geht es um vier Männer und drei Frauen. Was soll man schreiben? Tatsächlich ist es, Spoiler ahead, der charmante und gutaussehende Alex, der am Ende leer ausgehen wird, während wir als allererstes lernen, dass Geld haben nie falsch sein kann, der vielen Geschenkkartons wegen, mit denen man andere glücklich machen kann.
Die IMDB-Nutzer:innen bewerten „Young at Heart“ aktuell mit 6,7/10 (das Original aus dem Jahr 1938 mit 6,9/10). Das ist nicht besonders viel für einen Film, der so hochkarätig besetzt ist, aber viele Musicals teilen heute dieses Schicksal, nur wenige sind große Klassiker geworden. Außerdem ist es immer noch gewagt, Musik und Drama oder gar Tragödie miteinander zu verbinden, wenn es sich nicht gerade um eine verfilmte Oper handelt. Deswegen gibt es zum Film aus dem Jahr 1938, der vermutlich auch kein Musikfilm war, einen wichtigen Unterschied: Der Musiker, der kein Glück zu finden scheint, überlebt, damit er genau dies finden kann. Dieser Move kommt im Film etwas zu spät, weil sich das Drehbuch wohl eng am Vorbild orientiert und der Tod dort quasi den Schlusspunkt setzte.
Was in der Musikversion etwas seltsam wirkt: Es ist doch erkennbar, dass Laurie (Doris Day) gut singen kann. Warum versucht sie nicht, damit sich und Barney über Wasser zu halten, anstatt mit ihm durch die Niederungen des Prekariats zu gehen und dabei seine Kompositionen vielleicht sogar populär zu machen?
Filme wie dieser geben immer wieder gerne Einblick in das harte Leben der Komponisten und Texter, bevor sie erfolgreich werden, weil man mit ihnen wie mit kaum einem anderen Genre amerikanische Erfolgsgeschichten veredeln kann: Der Durchbruch beruht auf Talent, auf Fleiß, auf Tälern, die man durchschreiten muss, bevor man es schafft, auf Schicksalsschlägen und am Ende darauf, dass man Millionen von Menschen Melodien für Millionen schenkt, also etwas tut, was andere erfreut und das Applaus verdient; nie jedoch beruht derlei auf Ausbeutung oder schlichtem Glück. So müsste es immer sein, aber es handelt sich um Ausnahmen, die sich nicht nur deshalb gut verfilmen lassen, weil die in ihnen entstehenden Stücke und Songs allen Amerikanern und über die USA hinaus bekannt waren. Frank Sinatra singt mehrere dieser Songs auch in „Young at Heart“, natürlich auch diesen selbst. Während seiner Performance vno „Poor little Lamb“, die Tuttles zugegen, das Publikum im Lokal ignoriert seine Darbietung aber komplett, hatte ich für einen Moment den Eindruck, es wird doch etwas mit der Schmalzigkeit übertrieben. In dem Moment muss man sich ins Gedächtnis rufen, dass Laurie erst erwachsen werden wird, wenn sie ihr Anfangscredo „Humor ist für eine Ehe wichtig“, weshalb sie für den ebenfalls zum Albernen neigenden Alex geradezu gemacht scheint, überwindet und sich dem trübsinnigen Barney zuneigt.
Wie erfolgreich dieser auch immer im Musikbusiness sein wird, Sandburgen bauen und sich gegenseitig ins Wasser schmeißen wird es mit ihm nicht geben, schon deshalb nicht, weil Frank Sinatras Körper nackt nicht ähnlich eindrucksvoll und leichthändig die dralle Doris Day tragend sein kann kann wie sein blauer Blick alle Frauen einfängt, wenn er tiefdüster und verletzt-verletzend unter einem Hut hervorschaut. Bezüglich der Strandszenen hatte im Vorjahr Burt Lancaster den Standard gesetzt, in der berühmten Sequenz mit Deborah Kerr, die eine verheiratete Frau spielte, die mit ihm eine Armee-Affäre einging. Ausgerechnet in dem Film, für den nicht er, nicht der hervorragend aufspielende Montgomery Clift, sondern eben Sinatra einen Darsteller-Oscar erhalten hatte. „Verdammt in alle Ewigkeit!“ wird sich wohl vor allem Clift angesichts dieses Ergebnisses gesagt haben und mit seiner Karriere ging es in die andere Richtung wie bei Frank Sinatra.
Filme wie „Young at Heart“ stehen immer dicht an der Grenze zum Kitsch und eher ironisch veranlagte Naturen finden in ihnen einiges zum Lachen, besonders an Stellen, an denen es nicht vorgesehen ist. „Young at Heart“ versucht das zu vermeiden, indem er einen konventionellen Ansatz gut ausspielt: Anfangs ist die Melodramatik gar nicht abzusehen, der Film steigt wirklich als Komödie, in der es nur darum geht, welches Mädchen welchen Mann heiraten wird und in dem die Musik eine wichtige Rolle spielt, verdüstert sich jedoch im Laufe der Zeit, nicht nur durch das plötzliche Ungleichgewicht, das durch Barney geschaffen wird, sondern auch durch dessen Persona, die Laurie vor große Herausforderungen stellt.
Er ist auch nicht komplett vorhersehbar, sondern handelt die Gefühle, die man füreinander entwickeln kann, durchaus variantenreich ab, ohne seine Figuren zu diskreditieren. Die Balance ist also gar nicht so schlecht, obwohl Frank Sinatras Figur sich von der Darbietung John Garfields im Original, ohne dass ich es gesehen habe, schreibe ich das mal, geradezu anders akzentuiert werden musste, weil es sich nicht um einen jungen Wilden, sondern um einen Mann in mittleren Jahren mit einer allen Amerikaner:innen bekannten Biografie handelt. Man sieht mehr unweigerlich die Realperson hinter der Figur, deswegen war es sicher eine gute Idee, diese Realperson durchscheinen zu lassen. Ihm als optimistisches und charakterlich handfestes Gegenstück die leicht pausbäckig-propere Doris Day entgegenzusetzen, ist ebenfalls ein gelungener Ansatz, finde ich, denn dieser Gegensatz ist notwendig und sie wird ansatzweise sogar als nicht besonders sensibel dargestellt, weil ihr z . B. die Nöte ihrer Schwester entgehen, damit nicht alles doch im Desaster endet. Es kommt auf die Standhaftigkeit an, und die hatte Day auch beim Aufbau ihrer Karriere bewiesen.
Finale
Am meisten beeindruckt hat mich das Geschenk von Alex an seinen nunmehr Schwiegervater und Mentor, das in der deutschen Originalsynchronisation tatsächlich schon als „Soundsystem“ bezeichnet wird. Eine Stereoanlage mit riesigen Lautsprechern für jede Ecke des Wohnzimmers und mit einer Gerätegliederung in Verstärker, Tuner usw., die sich in Deutschland erst in den 1970ern mit dem Siegeszug der japanischen HiFi-Geräte-Produzenten durchsetzte. Vermutlich war diese Anlage auch in den USA Mitte der 1950er eher etwas für Profis, die Musiksäle zu beschallen hatten und im Haus einer Mittelstandsfamilie nicht unbedingt üblich. Der Vorbildfilm war im Jahr 1939 für mehrere Oscars nominiert, unter anderem für das beste Drehbuch. Die Dramaturgie ist tatsächlich gelungen und vor allem im ersten, noch eher komödienhaften Teil fallen die überdurchschnittlichen Dialoge auf, die nicht so sehr durch literarische Qualität, sondern durch Frische und Originalität bestechen.
74/100
© 2022 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
(1), kursiv und tabellarisch: Wikipedia (en)
Regie: | Gordon Douglas |
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Geschrieben von | Lenore J. Coffee, Julius J. Epstein, Fannie Hurst (Geschichte) |
Produziert von | Henry Blanke |
- Doris Day – Laurie Tuttle
- Frank Sinatra für Barney Sloan (OT: Barney Sloan)
- Gig Young – Alex Burke
- Ethel Barrymore für Jessie Tuttle (OT: Jessie Tuttle)
- Dorothy Malone für Fran Tuttle (OT: Fran Tuttle)
- Elisabeth Fraser – Amy Tuttle
- Robert Keith – Gregory Tuttle
- Alan Hale Jr. – Robert Neary
- Lonny Chapman – Ernest „Ernie“ Nichols