Hat Die Linke Ihrer Meinung nach auf Bundesebene eine Zukunft? (Umfrage, Civey) | Frontpage | Parteien, Personen, Politik

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Auch uns hat diese Frage häufiger beschäftigt und wir geben Sie jetzt anhand einer aktuellen Civey-Umfrage an Sie weiter, liebe Leser:innen:

Hat die Linkspartei Ihrer Meinung nach auf Bundesebene eine Zukunft?

Haben Sie schon abgestimmt oder möchten Sie erst den Civey-Begleittext lesen? Wir haben oben den Titel geändert, denn Die Linke heißt nicht mehr Linkspartei, das sollte auch bei Civey angekommen sein. In der Frage haben wir die Original-Begriffsverwendung belassen.

„Wir sind in einer existenzbedrohenden Situation“ konstatierte die Linken-Vorsitzende, Janine Wissler kürzlich in Berlin. Bei der Bundestagswahl 2021 schaffte es die Partei allein durch drei gewonnene Direktmandate knapp in den Bundestag. Bei den diesjährigen Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen scheiterte die Linke jeweils an der Fünf-Prozent-Hürde und ist nicht mehr in den Landesparlamenten vertreten.

Seit April belasten Vorwürfe sexualisierter Gewalt die Partei. Kürzlich trat Susanne Hennig-Wellsow u.a. deshalb als Co-Parteichefin zurück. Aber auch generell habe die Linke zurzeit Probleme ihr Profil abzugrenzen, erklärte Politikwissenschaftler Torsten Oppelland im Deutschlandfunk. Angesichts des Krieges würde der linke Pazifismus nicht besonders überzeugen. Zudem schöpfe der Erfolg der Regierungspartei SPD Teile der linken Wählerschaft ab.

Eine Chance sieht der Ostbeauftragte der Linksfraktion, Sören Pellmann, im Osten. Bei dortigem Erfolg, könne die Partei es auch bundesweit über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Oppeland sieht zudem Potenzial in einem möglichen Scheitern der Ampelkoalition. Die Linke könne ein Auffangbecken für unzufriedene Wählerinnen und Wähler bieten. Voraussetzung sei jedoch die Beilegung innerer Kämpfe und ein Personal, das dieses Klientel erreichen kann.

Hier noch einmal die Frage:

Hat die Linkspartei Ihrer Meinung nach auf Bundesebene eine Zukunft?

Falls Sie noch nicht abgestimmt haben, dürfen Sie gerne auch unseren Kommentar lesen. Das gilt selbstverständlich auch dann, wenn Sie schon votiert haben, ohne unsere profunde Meinung zu kennen. Um es vorwegzunehmen: Wir haben mit „unentschieden“ gestimmt. Doch nicht weniger als knapp 70 Prozent geben der Linken entweder eine geringe oder gar keine Chance, bundesweit eine Kraft von Relevanz zu bleiben. Leider sehen wir die kurz- und mittelfristigen Perspektiven auch negativ und schon vor dem Ukrainekrieg haben wir persönliche Konsequenzen aus zuweilen unerträglichen Fehlern dieser Partei im Umgang mit der Basis, der Funktionär:innen untereinander und mit den Wähler:innen gezogen. Wenn die meisten Wähler:innen wüssten, welche utopischen und vorsinftflutlichen Diskussionen und Frontlinien es in der Linken wirklich gibt, wäre das Votum vielleicht noch dramatischer negativ ausgefallen als das, was wir aktuell sehen (die Umfrage ist gerade erst gestartet).

Alles, was wir sehen und was uns entsetzt oder traurig macht, abstößt oder bei allem Verständnis mit Kopfschütteln zurücklässt, ist aber von unserer Seite ganz sicher kein Beleg dafür, dass linke Politik ausgedient hat. Ganz im Gegenteil. Im Moment ist es für den Mittelmainstream vor allem in den Medien leicht, die Linke anzuschießen und dabei noch der Querfrontblockflöte schrille Töne zu entlocken, aber die Sorgen der Menschen wachsen, die Ungerechtigkeiten wachsen und wir sind ganz und gar nicht überzeugt davon, dass die Ampelkoalition dafür eine passende Antwort finden wird. Ganz im Gegenteil und schon gar nicht mit der FDP. Es wird eher so laufen, dass sich die Gräben weiter vertiefen. Eine moderne, gut aufgestellte Linke findet dabei im politischen Spektrum immer ihren Platz. Auch bundesweit.

Dass der Ostbeauftrage Sören Pellmann, einer der drei Direktmandatgewinner der Linken bei der Bundestagswahl 2021 (sein Wahlkreis liegt in Leipzig), der dafür gesorgt hat, dass Die Linke überhaupt noch im aktuellen Bundestag sitzt, m. a. W. sagt, man solle doch den Westen quasi drangeben und sich auf den Osten konzentrieren, ist das, in einem Wort: dumm. Denn um wirklich Einfluss auf die deutsche Politik gewinnen zu können, muss auch im Westen eine gesicherte Basis vorhanden sein. Der Westen hat nun einmal viermal mehr Einwohner als der Osten und im Osten selbst scheint man vor allem auf AfD-Wähler:innen zielen zu wollen und fördert damit die Anwendung der Hufeisentheorie: Das Wählerpotenzial der Linken und der AfD wird offenbar für weitgehend austauschbar gehalten, deswegen war es ja für die AfD auch so leicht, auf Kosten der Linken aufzusteigen. Das ist eine wirklich gefährliche Ansicht, selbst dann, wenn man einige zur Rückkehr bewegen könnte. Das Spiegelbild dazu ist die geradezu verächtliche Art, in der manche Linke über die Innenstadtmilieus reden.

Tut uns ja sehr leid, aber dort liegt die linke Zukunft, nicht in den traditionell rechtsgestrickten Landmilieus, die im Westen die Union und im Osten eben häufig auch die AfD wählen.

Der Kampf mit den Grünen um das bessere Konzept muss also geführt werden. So schwierig ist das gar nicht, man muss nur unter die Leute bringen, dass die Linke das kann, was die Grünen können, aber nicht solches Kriegsgeheul veranstalten und außerdem viel mehr auf Solidarität und Gerechtigkeit setzen. Nur so lässt sich auch ein ökologischer Wandel gestalten, der gesamtgesellschaftlich getragen wird. Der Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ hat bewiesen, dass linkes Gedankengut ohne Ende zieht, wenn man es richtig anstellt, dieses Gedankengut an die Menschen zu vermitteln, die es betrifft und auch an viele, die nicht (in diesem Fall) vom Berliner Mietenwahnsinn betroffen sind.

Aber wenn man viele Wähler:innen, die sich durchaus von grün nach links bewegen können (wie das etwa bei uns der Fall war) gar nicht haben will, sie permanent beleidigt, nur, weil sie ein wenig mehr „woke“ sind als ihre Vorfahren, weil sie Klassenkampf und Gesellschaftspolitik nicht zwingend als Gegensatz begreifen, oder, in der anderen Richtung, weil sie weiß und männlich sind, einerseits im Gestern, Vorgestern, in der Steinzeit kommunistischer Prägungen verharrt, die Marx vermutlich nur abscheulich fände, weil sie eher an Stalin und an russischem Imperialismus als an ihm orientiert sind, diese Fraktion zeigt sich ja im Ukrainekrieg gerade wieder deutlich, dann wird das nix mit einer Neuaufstellung der Linken. Andererseits wird es auch nichts, wenn Identätspolitik missbraucht wird, um persönliche, exzeptionalistisch wirkende Machtpositionen aufzubauen. Der Begriff Solidarität und was er wirklich bedeutet, muss erst einmal wieder in die Köpfe derer, die linke Politik machen oder machen wollen. Die Wähler:innen sind da teilweise weiter und wenden sich im Moment ab, weil sie ihre Stimmen nicht wegwerfen wollen.

Große Städte sind links, das Land ist es nicht. Das ist nicht einmal wertend gemeint, aber links erfordert eine progressive Einstellung, die nun einmal eher in den Städten anzutreffen ist. Das klassische Arbeitermilieu war ebenfalls schon mehr städtisch als ländlich, daran darf man sich heute gerne erinnern. Es aus vielen auf den ersten Blick sehr unterschiedlich wirkenden Clustern zusammen zu klamüsern, die heute die Arbeitswelt prägen – ja, das ist mühsam, aber gerade deswegen liegen in der Gesellschaftspolitik auch Chancen und die Grünen machen vor, wie man die Akzente so setzt, dass man auch diese Milieus einsammeln kann. Viele PDS- und Linke-Wähler der Nachwendezeit waren hingegen nicht linksorientiert, sondern DDR-Nostalgiker:innen. Hoffentlich versteht das noch jemand, bevor es ganz zu spät ist, denn diese Leute sterben langsam aus oder wählen AfD. Wir in den Städten hingegen warten darauf, dass die Linke uns endlich wieder überzeugende Angebote macht, hinter denen sie auch selbst steht und die uns dazu anregen, etwas aufzubauen. Das letzte Mal, dass das in Berlin vorkam, war, als 2017 die erste 2RG-Koalition geschmiedet wurde. Derzeit aber steht das Menetekel einer Enteignungskommission an der Wand, die auch von den Linken in den Sand gesetzt wird´, weil sie dem antidemokratischen Vorgehen der SPD nicht viel mehr Widerstand entgegenbringen. Aber vielleicht gehört Berlin ja nicht zum Osten und man will hier auch die Segel streichen.

Die Politik und die Zivilgesellschaft können nur gemeinsam wirken, insofern erwarten wir mehr Solidarität von der linken Politik, wenn wir sie nicht nur wählen, sondern auch tatkräftig und an wirklich wertvollen Projekten orientiert unterstützen und ihr helfen sollen. Wir werden hingegen nicht den Untergang der Linken sozusagen aktiv begleiten, weil wir sowieso keine Möglichkeiten erhalten, etwas zum Besseren zu bewirken. Und jetzt noch einmal die Frage:

Hat die Linkspartei Ihrer Meinung nach auf Bundesebene eine Zukunft?

Hätte sie gelautet: Hat linke Politik eine Zukunft?, hätten wir mit „eindeutig ja“ gestimmt und drei Ausrufezeichen dahintergesetzt. Jeden Tag kommen gute Gründe hinzu und kein Grund fällt weg.

TH

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