Wagenknecht zum Russland-Ukraine-Krieg? | Geopolitik / PPP | Kommunikation, Aufmerksamkeit, Spaltung

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Ganz kalt lässt es uns nicht, was in der deutschen Linken geschieht, schon gar nicht in diesen heißen Kriegszeiten. Nun hat Sahra Wagenknecht mal wieder für Aufruhr gesorgt und Civey hat flugs eine Umfrage daraus gemacht. Eines ist sicher: Das Spiel von SW mit der Aufmerksamkeitsökonomie funktioniert immer noch ganz gut. Wie man auch an diesem Artikel sieht. Wir stellen allerdings Umfragen von Civey (unabhängig, es gibt diesbezüglich keine Kooperation) zu sehr unterschiedlichen Themen aus, die wir interessant finden, an denen wir uns selbst beteiligen, zu denen uns die Meinung anderer interessiert. Hier der komplette Satz mit Link zur Umfrage:

Wie bewerten Sie Sahra Wagenknechts (Linke) Kommunikation zum Russland-Ukraine-Krieg?

Begleittext aus dem Civey-Newsletter:

Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht sorgt mit einem Beitrag in den sozialen Medien für Aufruhr. Auf Twitter schrieb sie am Montag, dass der „wahnsinnige Krieg gegen Russland für frühere Ökopartei Top-Priorität” habe. Sie warf den Grünen zudem vor, Klimawandel und Diplomatie zu vernachlässigen. Hintergrund ist die Reaktivierung der Kohlekraft, die Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) jüngst wegen des Gasmangels verkündete.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte Verhandlungen mit Wladimir Putin zuvor als unmöglich bezeichnet. Im Stern beklagte sie seine mangelnde Gesprächsbereitschaft für die Schaffung humanitärer Korridore. Während mehrere Linken-Mitglieder etwa Waffenlieferungen an die Ukraine und die Russland-Sanktionen verurteilen, eckt Wagenknecht mit ihrer Russlandpolitik teils auch parteiintern an.

Mit einer Gruppe versuchte sie auf dem letzten Parteitag Passagen aus dem Leitantrag streichen zu lassen, die den russischen Krieg gegen die Ukraine verurteilen. Sie plädierten dafür von „Aggression” zu reden und kritisierten die „wortbrüchige Nato-Osterweiterung“. Gregor Gysi (Linke) war damals entsetzt über ihre „die völlige Emotionslosigkeit hinsichtlich des Angriffskrieges“. Er warf der Gruppe vor, die Nato und die Bundesregierung aus ideologischen Gründen zu kritisieren.

Wir müssen da etwas richtigstellen. Diejenigen, bei denen Wagenknecht aneckt, aber die gegen Russland-Sanktionen sind, dürften eher wenige sein, ansonsten geht es um Strömungen in der Linken, die immer weniger miteinander können. Erinnert uns ein wenig an Monty Pythons „Das Leben des Brian“, die separatistischen, sektiererischen Volksfrontbewegungen. Falls Sie den Film nicht kennen, unbedingt anschauen, da kann man viel über zerstörerisches Klein-Klein unter Befreiungskämpfer:innen lernen und auch über falsche Propheten und Erlöser, denen die Menge so leicht hinterherrennt. Ist Wagenknecht eine solche falsche Prophetin oder tut man ihr mit der Zuschreibung schon zu viel Ehre an? Immerhin muss jemand einen gewissen Status erreicht haben, um die Massen ins Verderben ziehen zu können.

Der stellvertretende Parteivorsitzende der Linken Lorenz Gösta Beutin sieht die Sache mit SW so:

Wagenknecht ist jedenfalls ein Aufmerksamkeitsjunkie. Wir hatten lange genug Zeit, ihr Wirken aus der Parteiinnensicht heraus zu betrachten. Man muss aber ein wenig Abschichtung betreiben bezüglich des Neidkomplexes: Sie ist die mit Abstand am besten verdienende linke Politikerin, dank ihrer viel gelesenen Bücher. Auch das ist unzweifelhaft. Das Wann, das Wie, das Warum, das ist alles interessant, vor allem aus psychologischer Sicht. Gerade Aussagen in ihrem letzten Buch, ausgerechnet während des Wahlkampfauftakts 2021, die sie über ehemalige Parteivorsitzende traf, haben der Linken eindeutig geschadet. Schon deshalb, weil die Emotionen so hochgingen und die Risse auch für Nicht-Insider deutlich sichtbar wurden. So einer konfusen und aufgebrachten Partei vertraut man seine Stimme nicht an. Wir haben das bei der BTW 2021 und der gleichzeitigen Berlinwahl noch einmal gemacht, aber derzeit würden wir anders abstimmen. Nicht für die Grünen, die Wagenknecht in weiten Teilen zu Recht kritisiert. Früher wirkte das auch konsistent, unabhängig davon, welche eigenen Ambitionen sie damit verband, aber seit ihrem Abdriften in Sachen Ukrainekrieg macht sie sich die schwierige Sachlage zunutze, um die Linke weiter zu spalten. 

Und diese bedingungslose Russland-Unterstützung lässt uns daran denken, dass sie früher keine Mühe damit hatte, bei Interviews vor Bücherregalen zu sitzen, in denen Stalins gesammelte Werke aufgereiht waren. Klar, so kann man es auch sehen: Im Vergleich diesem paranoiden Massenmörder ist Putin nur ein Bärchen, das ein wenig Imperialist spielen will. Ein bisschen paranoid ist er auch, wie SW und viele in ihrer Anhängerschaft. Und vor allem wie der Herr OL, mit dem Wagenknecht zusammenlebt. Wer sich ihn als Lebenspartner aussucht, kann nicht zimperlich sein mit anderen, sonst wäre das Leben mit diesem extremen Querkopf, welcher er immer schon war, nicht zu meistern.

Auch bezüglich dieses Politikers hatten wir aufgrund gemeinsamer regionaler Herkunft viel Zeit zur Beobachtung aus relativer Nähe, u. a. durch Freund:innen bei den Jusos an der Saar. Die narzisstischen Kränkungen von OL und SW, die sie nicht im Zaum halten und nicht bewältigen können, vereinigen sich zu einem Gebräu, vor dem wir nur warnen können. Sie setzen nicht mehr darauf, der Partei zu dienen oder den Benachteiligten in der Gesellschaft zu helfen, sondern auf einen Crash, auf möglichst viel Chaos. Darin unterscheiden sie sich nicht von den Rechten, auch das ist leider wahr und das macht es für uns so gut wie unmöglich, richtige sozialpolitische Positionen aus dieser Ecke noch wertzuschätzen. Da ist mittlerweile nur noch ein wenig Richtiges im Falschen, nicht umgekehrt.

Insofern hatte auch Gregor Gysi bezüglich der Emotionslosigkeit von SW auf dem letzten Parteitag der Linken recht. Die beiden konnten einander eh nie leiden. Schwamm drüber? Nicht, solange die Linke durch Ausfransungen aller Art und durch Fraktionsangehörige im Bundestag wie SW geschädigt wird, die es schick finden, auch bei den Formulierungen dermaßen zu provozieren, dass Protest gar nicht ausbleiben kann. Uns wundert es beinahe, dass die Fraktion der Linken im Bundestag nicht schon in 1/3 oder etwas weniger Wagenknecht-Anhänger:innen und einen überwiegenden Anteil „Gesellschaftslinker“ auseinandergebrochen ist. Vermutlich ist das deshalb nicht der Fall, weil es diese Fraktion nur gibt, weil die Linke bei der BTW 2021 drei Direktmandate erringen konnte. Misslich oder nicht, das rettende Mandat aus Leipzig kam von einem Kandidaten, den wir eher ihrer Richtung zuordnen als der Gegenseite. Zum Glück gibt es in der Linken noch den einen oder anderen „Parteisoldaten“, im positiven Sinne gemeint, wie den Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch, die versuchen, das fortzusetzen, was sie seit Jahren hauptsächlich tun: den Laden zusammenhalten und, wenn sie Kritik üben, auf eine Weise, dass die Linke nicht zu schräg wahrgenommen wird und dass nicht intern zusätzlicher Zündstoff entsteht. Freilich wird dieses Vermitteln bei so viel Freidrehen einzelner, man kann es auch Sabotage nennen, schwieriger und schwieriger.

Es wird, das zeichnet sich ab, bei der Umfrage zu einer klaren absoluten Mehrheit jener kommen, die Wagenknechts Kommunikation als sehr schlecht bewerten. Wir sagen: Der Lage nicht angemessen. Sehr schade. Hätten wir vor ein paar Jahren nicht gedacht, dass es einmal so kommen würden, aber wir sind eigentlich nur noch angewidert. Zu offensichtlich ist der Spin, und der hat nichts mit Menschenfreundlichkeit zu tun. Zu deutlich sind die persönlichen Intentionen und eine Mentalität, die u. a. jedem der eigenen Weltanschauung verbundenen Aggressor auf der Welt freien Lauf lassen würde, solange er z. B. über Atomwaffen verfügt. Das kann noch  heiter werden mit Menschen, die so argumentieren, wo doch immer mehr Schurken sich in den Besitz dieser Waffen setzen. Die Wahrheit ist: Weder die USA noch Russland haben bisher auch nur eine Atomrakete im Krieg abgeschossen. Und wenn man Putin wirklich für so schlau hält, wie Sahra Wagenknecht das zweifelsohne tut, dann sollte man ganz beruhigt sein: So weit wird er nicht gehen. Denn er wäre derjenige, der den verbrecherischen Erstschlag auslösen müsste, der Westen wird es im Ukrainekrieg bestimmt nicht tun.  

Wie viel SW wirklich von Putin versteht, darüber darf diskutiert werden. Sie und einige andere aus ihrem Dunstkreis hatten noch wenige Tage vor dem Kriegsausbruch behauptet: Niemals wird Putin einen solchen Schritt unternehmen. Jetzt versuchen sie, wieder hinter den politischen Ball zu kommen, indem sie die in der Tat schwierigen Anti-Russland-Sanktionen angreifen. Kein Wort mehr über die totalen Fehleinschätzung vor einigen Monaten, das versteht sich ja von selbst. Sogar die bereits vom falschen Ansatz her gescheiterte „Bewegung“ Aufstehen versucht, auf diesem Wege doch noch lebendig zu werden.

Wenn wir gegen die sozialen Probleme, die uns die Bundesregierung einbrockt, auf die Straße gehen, müssen wir höllisch aufpassen, mit wem.

Wir haben es noch vergleichsweise einfach, wir dokumentieren dann vor allem, was ist, was wir sehen, welche Schlüsse wir daraus ziehen. Es gilt aber für Linke, die sich unbedingt, was immer sie nun auch planen, strikt von Rechten und von Putinist:innen abgrenzen und trotzdem ihr Linkssein klar zeigen sollten. Uns ärgert es erheblich, dass einfache Dinge, dass berechtigte soziale Proteste von Menschen aus der Linken selbst so kompliziert gemacht werden. Deswegen muss leider auch ein Wort an die andere Seite gerichtet werden: Die „Gesellschaftslinke“ sollte aufpassen, dass sie nicht das Geschäft der Neoliberalen und der Klassisten bei den Grünen besorgt, indem sie die Proteste generell als rechts und als Putins fünfte Kolonne bezeichnet. Wenn wir zum Beispiel auch als Teilnehmer an kommenden Demos auf die Straße gehen sollten, dann sicher nicht aus einer rechten oder putinistischen Gesinnung heraus.

Ja, keine Abgrenzung ist auch keine Lösung und das ist das Frustrierendste an allem: Es kommt keine Wucht in das Aufbegehren gegen eine antisoziale Politik, weil zu viele ihr eigenes Süppchen kochen. Diesen Spruch verwendet Sahra Wagenknecht übrigens sehr gerne. Wir haben mittlerweile auch eine Ahnung davon, dass sie weiß, was sie sagt. Sind ja alles Feinschmecker und Meisterköche, im Hause OL, die vielen Leuten auch noch die Spaltpilzsuppe als Gedicht von einem linken Gericht verkaufen möchten.

Deswegen eine große Bitte an die linke Basis: Augen auf beim Einkauf im politischen Feinkosteladen. Schaut etwas genauer hin, welche vorgeblichen Verlockungen ihr vor euch habt. M. a. W., ob dieses politische Angebot und die dahinter stehenden Menschen, die der militärischen Gewalt das Wort reden, sie siegen sehen wollen, wirklich für euch und für eine friedliche, solidarische Welt kämpfen.

TH

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