Was das Herz begehrt (Something’s Gotta Give, USA 2003) #Filmfest 1099

Filmfest 1099 Cinema

Was das Herz begehrt ist eine US-amerikanische romantische Filmkomödie von Regisseurin und Drehbuchautorin Nancy Meyers.

Wir hatten doch diesen Film schon einmal im Kino gesehen – in einem Alter damals weit weg von dem der Hauptpersonen, also was war die Idee dahinter? Sicher nicht, dass wir in jeden Film rennen. Das Wiedersehen im Fernsehen lässt uns einerseits schmunzelnd zurück, andererseits zwiespältig. Das liegt daran, dass der Film unausgeglichen ist. Tolle Schauspielleistungen von Jack Nicholson und Diane Keaton stehen einem leicht verschwendeten Ensemble von Nebendarstellern gegenüber und die tröstliche Botschaft für Menschen über 50 oder gar über 60, die hier ausgestrahlt wird, hat gleichzeitig eine typisch amerikanische Unterminierung, wie sie besonders in Zeiten von konservativen Rückwärtsbewegungen wie in den 1980ern und den 2000ern nach 9/11 und unter dem Regime von George W. Bush deutlich wahrnehmbar ist. Mehr dazu lesen Sie in der Rezension.

Handlung (1)

Harry ist ein alternder Musikproduzent von 63 Jahren, der sein bisheriges Leben ohne längere feste Bindungen als Womanizer verbracht hat. Seine neue Eroberung ist die junge Marin, die mit ihm zum Strandhaus ihrer Mutter fährt, wo die beiden ihr erstes gemeinsames Wochenende verbringen wollen. Wider Erwarten werden sie dort jedoch von Marins Mutter Erica, einer Theaterautorin, und deren Schwester Zoe überrascht.

Nach dem ersten Schock zeigt sich Erica, die Harry zunächst für einen Einbrecher hält, von ihrer liberalen Seite: Sie, ihre Tochter und deren mehr als doppelt so alter Liebhaber beschließen, das Wochenende gemeinsam im Strandhaus zu verbringen.

Schon am ersten gemeinsamen Abend erleidet Harry einen Herzinfarkt und muss in die Notaufnahme des Krankenhauses eingeliefert werden. Dort treffen die Frauen auf den jungen Arzt Julian Mercer, der auf den ersten Blick von Erica, deren Theaterstücke er kennt, fasziniert ist. Harry weigert sich, im Krankenhaus zu bleiben, allerdings ist er auch nicht reisefähig. Ehe Erica weiß, wie ihr geschieht, quartiert ihre Tochter Harry in ihrem Strandhaus ein, wo er sich unter der Obhut ihrer Mutter einige Tage lang erholen soll. Nach ein paar Tagen trennt Harry sich von Marin.

Julian nutzt einen Patientenbesuch, sich mit Erica zu verabreden. Doch auch Harry knüpft erste zarte Bande zu der Theaterautorin. Aus dem vorübergehenden Zusammenleben der beiden scheint sich eine echte Liebesbeziehung zu entwickeln. Doch kaum ist Harry wieder genesen, sieht Erica ihn mit einer deutlich jüngeren Frau in einem Restaurant. Erica ist verletzt. Sie trennt sich von Harry, der sich nicht an sie binden will, und verarbeitet ihre Gefühle in einer Liebeskomödie, die sie für das Theater schreibt. Auch Julian tritt wieder in ihr Leben.

Sechs Monate später kommt es zu einer Begegnung in Paris: Julian und Erica feiern in einem Restaurant Ericas Geburtstag. Harry kommt hinzu und wird gebeten zu bleiben. Im Laufe des gemeinsamen Abends zeigt sich, dass zwischen ihm und Erica noch immer mehr ist als eine freundschaftliche Verbundenheit. Das erkennt auch Julian, der den beiden Zeit gibt, sich über ihre Gefühle im Klaren zu werden. Nun endlich gesteht Harry Erica seine Liebe. 

Rezension 

Eitel ist Jack Nicholson nicht, und wir haben uns in die Hand versprochen, dass unser Arsch und unsere gesamte Figur mit 63 nicht die Form angenommen haben werden wie bei ihm. Es wird demnach schon langsam Zeit, etwas dafür zu tun, dass wir dieses Versprechen auch einlösen können. Trotzdem ist der Mann attraktiv und bringt das auch rüber. Diese Virilität und Eloquenz sind ja nicht bloßer Ausdruck irgendeiner Rolle, sondern diese wurde gemäß Regisseurin Myers eigens für ihn geschrieben und er wollte diese Rolle spielen. Deshalb glauben wir auch nicht, wie eine US-Kritikerin schrieb, dass er innerlich mit den Augen gerollt hat, als er sie dann zu einer seiner üblichen, großartigen Leinwandpräsenzen entwickelte. In seiner Figur selbst ist ja schon eine gewisse Ironie angelegt, und die Ironie hinter der Ironie ist im Grunde unsinnig. Diane Keaton, die jeder als Partnerin von Woody Allen in einigen seiner besten Filme kennt, ist die perfekte Ergänzung für Nicholson, weil sie noch genug Weiblichkeit und Charme hat, um einen alten Partylöwen in den Hafen der Ehe zu bringen.

Die Rollenfiguren im Film haben exakt das Alter der Hauptdarsteller zu dem Zeitpunkt (63 bzw. 56), was den Authentizitätsgrad erheblich befördert. Damit handelt es sich hier schon beinahe um eine Lebensherbst-Romanze zwischen einem alternden Musikproduzenten und Großstadt-Playboy und einer Schriftstellerin, die in einem weißen Strandhaus am weißen Strand lebt und auch meist weiß gekleidet ist. Vermutlich geht es auch in den Erfolgsstücken, die sie schreibt, eher weiß als kontrastreich und kritisch zu, aber sie ist eine Art Gesamtkunstwerk, ihre Art und ihren Lebensstil betreffend. Da stimmt eigentlich alles, und das macht es auch so leicht für Harry Sanborn, diese Erica Barry anzunehmen. Im Grunde ist sie ja das, was sich jeder Mann ab einem Alter über 60 nur wünschen kann, nachdem er sich 40 Jahre lang ausgetobt hat. Irgendwann holt jeden die Erkenntnis ein, dass man sich mit sehr viel jüngeren Frauen leicht zum ausgenutzten Idioten machen kann. Was ist da als Happy End eines angefüllten Lebens besser, als eine beinahe gleichaltrige Frau zu treffen und lieben zu lernen, die so wenig Anlass zur Besorgnis gibt, dass dieses Experiment einer konventionellen Spätbeziehung schiefgehen könnte?

Sie hat im Grunde keine Macken und keine Anforderungen, die ein Mann erst einmal stemmen müsste. Beide sind finanziell längst unabhängig und abgesichert, alles kann sich frei von sachlichen Zwängen entwickeln und es kommt nur darauf ein, charmant und witzig zu sein. Eine klassenlose Komödie, deren klassische Vorbilder sich weit zurückverfolgen lassen.

Den richtigen Ton zu treffen ist das, was Harry selbstverständlich nicht auf Anhieb gelingt, schließlich kommt er als Freund von Ericas Tochter erstmalig in deren Strandhaus. Diese heißt Marin und wird dargestellt von Amanda Peet. Als Gegenstück gibt es Julian, den jungen Arzt, der von Keanu Reeves verkörpert wird. Wir erinnern uns noch, dass uns besonders die Peet-Rolle im Kino mehr zugesagt hatte, sodass wir zunächst geradezu ärgerlich waren, als ihre Beziehung zu Harry so leicht über den Jordan ging – in den elf oder zwölf Jahren seit der Kinoaufführung in Deutschland hat sich eben auch bei uns die Sichtweise etwas verändert. Mag schon sein, dass wir mittlerweile auch genug erlebt haben und uns ganz gut in Harry hineinversetzen können, der noch seine Rolle als Womanizer spielt und sich tief innen schon nach Ruhe und dem großen, endlichen Ankommen sehnt.

Außerdem sind die Nebenrollen nicht besonders gut ausgespielt. Frances McDormand, die Muse der Coen-Brüder, kommt in einem Kurzeinsatz kaum zur Geltung, vielleicht ist sie auch zu zahm synchronisiert. Das Gleiche gilt im Grunde für Keanu Reeves und Amanda Peet, die beide wesentlich mehr Text haben und doch klischeehaft und wenig individuell spielen müssen. Der Film ist eben ein Vehikel für Keaton und Nicholson, die übrigen Rollen hätte man mit wem auch immer besetzen können, der in Hollywood zu jener Zeit das richtige Alter und einen Namen hatte.

Es ist nur konsequent, dass die Dialoge gut werden, wenn sie von Keaton und Nicholson gesprochen werden, dass die Szenen schön designt sind, dass der Film am Strand so etwas wie ein impressionistisches Strahlen gewinnt, das genau auf die Entwicklung der Dinge zwischen den Hauptfiguren abgestimmt ist, dass alles, was sie tun, bedacht und sorgfältig überlegt daherkommt. Und natürlich, dass die Chemie stimmt. Ohne diese würde allerdings auffallen, dass der Film eben doch doppelbödig ist.

Finale

Einerseits ist „Something’s Gotta Give“, wie der Originaltext nach einem Lied aus den 1950ern heißt (und nach einem nicht vollendeten Marilyn-Monroe-Film aus dem Jahr 1962), eine Aufforderung, sich jenseits der 50 noch auf neue Pfade zu begeben, sich einzulassen und all die Komik auszuhalten, die ein Verliebtsein zweier Menschen beinhalten kann, die schon viel erlebt haben, andererseits – die Art, wie Beziehungen zwischen Menschen, die eben nicht gleichaltrig sind, vereinfacht als infarkttreibend und im Grunde als Gefühlschimären dargestellt werden, ist doch sehr einseitig und negiert die Tatsache, dass auch zwischen Menschen verschiedener Generationen etwas mehr als sexuelle Anziehung einerseits und Bewunderung des Erfolgs andererseits entstehen kann. Es gibt selbstverständlich viele Filme, in denen diese nicht immer so leicht zu durchschauenden Beziehungen radikal vereinfacht und dadurch diskriminierend dargestellt werden, schließlich wissen die Hollywood-Produzenten, was das Mainstream-Publikum im ländlichen Amerika moralisch für gangbar hält, und obwohl die Hauptfiguren Kulturjobs haben, darf man nicht auf die Idee kommen, der Film solle vorrangig New Yorker Intellektuelle ansprechen.

Dem steht sowieso die Tatsache gegenüber, dass in Hollywood traditionell männliche Stars viel länger als Leading Men eingesetzt wurden als Frauen. 

Schon die zu vernehmende Bewertung von Musikrichtungen (Harry ist u. a. Eigentümer eines Hiphop-Labels), die der Film so süffisant unterschiebt, sagt, wo der Hase langläuft, nämlich weg von den Macho-Cabrios und den dunklen Hemden, den Sonnenbrillen, den Bunnys und sowas alles, hin zum weißen Strand, wo nur die Wellen ein ganz natürliches und in Harrys Alter sehr bekömmliches, beruhigendes Grundrauschen abgeben, mit dem man vertiefte Gespräche über die wahren und wichtigen Dingen exzellent hinterlegen kann.

Aber es führt nichts daran vorbei, dass „Was das Herz beghert“ funktioniert. Das liegt an den beiden Hauptrollen und natürlich daran, dass ihnen aus den Nebenrollen keine ernsthafte Konkurrenz erwächst, die zum Beispiel auch das ungleichaltrige Beziehungsmodell attraktiver erscheinen lassen könnte: Eine ältere Frau lässt sich auf einen jüngeren Mann ein (zwanzig Jahre Unterschied zwischen dem Arzt Julian und Erica). Der Typ ist zwar sehr nett, aber auch sehr glatt und bietet bei weitem nicht so viel zum Lachen und Nachdenken wie Harry.

Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung des Textes im Jahr 2024: Da wir selbst gefährlich  nah an Harrys Alter herangerückt sind, würde es sich dieses Mal, weil das Alter in dem Film so stark thematisiert wird, anbieten, anstatt der üblichen politischen Beigabe in Moll, die wir zuletzt häufig angefertigt haben und die auf die Entwicklung der USA und dem, was dort gesellschaftlich jetzt Mainstream ist, abzielen, zusätzliche Erkenntnisgewinne beizusteuern – allein, es gibt auf dem Beziehungsgebiet, anders als auf dem politischen Feld, welche, seit 2015, und deshalb lassen wir es.

70/100

© 2024 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)

Regie Nancy Meyers
Drehbuch Nancy Meyers
Produktion Bruce A. Block
Nancy Meyers
Musik Hans Zimmer
Kamera Michael Ballhaus
Schnitt Joe Hutshing
Besetzung

Hinterlasse einen Kommentar