Julian Assange in Freiheit – ein Deal, kein Sieg, und der Druck auf die Demkratie bleibt | Briefing 568 | Pressefreiheit, Gesellschaft, #DiG #Demokratie in #Gefahr, Medien, Grundrechte #Wikileaks

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Heute hat es im Fall des Wikileaks-Gründers Julian Assange eine überraschende Wendung gegeben – nach 14-jährigen Auseinandersetzungen und 5 Jahren in einem britischen Hochsicherheitsgefängnis. Das Wichtigste zusammengefasst, weiter unten gehen wir mehr ins Detail:

  1. Julian Assange, der Gründer von WikiLeaks, soll freigelassen werden, nachdem er sich in einer Anklage wegen Spionage durch die USA für schuldig bekannt hat.
  2. Die Vereinbarung sieht vor, dass Assange zu einer Haftstrafe von maximal sechs Monaten verurteilt wird, die er bereits in Großbritannien verbüßt hat.
  3. Assange wird sich schuldig bekennen, geheime Informationen der US-Regierung veröffentlicht zu haben, aber nicht schuldig in Bezug auf den Vorwurf, diese Informationen unrechtmäßig erlangt zu haben.
  4. Die Vereinbarung muss noch von einem US-Bundesrichter genehmigt werden.
  5. Assange befindet sich seit 2019 im Belmarsh-Gefängnis in London, nachdem er zuvor sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft Zuflucht gesucht hatte.
  6. Die US-Regierung wirft Assange vor, durch die Veröffentlichung geheimer militärischer und diplomatischer Dokumente auf WikiLeaks die nationale Sicherheit gefährdet zu haben.
  7. Assanges Unterstützer sehen in ihm einen Journalisten, der wichtige Informationen über Kriegsverbrechen und andere Missstände aufgedeckt hat.
  8. Die Vereinbarung könnte einen jahrelangen juristischen Kampf beenden und Assange vor einer möglichen lebenslangen Haftstrafe in den USA bewahren.

Am 24. Juni veröffentlichte ein US-amerikanisches Bezirksgericht auf den Nördlichen Marianen Gerichtsunterlagen, wonach sich Assange dort am 26. Juni in einer Anhörung der „unrechtmäßigen Beschaffung und Verbreitung von Verschlusssachen im Zusammenhang mit der Landesverteidigung der Vereinigten Staaten unter Verletzung von 18 U.S.C. § 793(g)“ schuldig bekennen, noch am selben Tag dafür verurteilt werden und anschließend nach Australien weiterreisen werde.[175][176] Laut Wikileaks gingen der Verständigung lange Verhandlungen mit dem US-Justizministerium voraus, und sie sei das Resultat von Kampagnen von „Basisbewegungen, Aktivisten für die Pressefreiheit, Gesetzgebern und Politikern aus dem gesamten politischen Spektrum bis hin zu den Vereinten Nationen“.[177] Am 25. Juni vermeldeten die Plattform WikiLeaks und seine Ehefrau Stella, dass Assange aus der Haft entlassen worden sei und das Vereinigte Königreich verlassen habe.[178] (Wikipedia).

 Hier sind die wichtigsten Reaktionen und Einschätzungen zu dieser Entwicklung:

  1. Stella Assange (Julian Assanges Ehefrau):

Sie äußerte sich „überglücklich“, aber auch besorgt. Sie betonte, dass sie eine Begnadigung anstreben werden, zeigte sich jedoch beunruhigt über das Schuldeingeständnis im Zusammenhang mit dem Espionage Act[2][3].

  1. Anthony Albanese (Australischer Premierminister):

Er betonte, dass der Fall zu lange gedauert habe und dass Assanges fortgesetzte Inhaftierung keinen Nutzen bringe. Er bekräftigte den Wunsch, Assange nach Australien zurückzubringen[2][3].

  1. Jodie Ginsberg (CEO des Committee to Protect Journalists):

Sie begrüßte das Ende von Assanges Inhaftierung, warnte aber vor den schädlichen rechtlichen Präzedenzfällen, die der Fall für Journalisten geschaffen habe[2][3].

  1. Gabriel Shipton (Assanges Bruder):

Er deutete an, dass es für die Millionen von Assange-Unterstützern Zeit sei zu feiern[2][3].

  1. Robert F. Kennedy Jr. (US-Präsidentschaftskandidat):

Er bezeichnete Assange als „Helden seiner Generation“ und verwies auf gesundheitliche Bedenken[6].

  1. James Ball (ehemaliges WikiLeaks-Mitglied):

Er kritisierte die Strafverfolgung als Bedrohung für die Pressefreiheit, äußerte aber auch Skepsis gegenüber allen Parteien, die einen Sieg beanspruchen[6].

  1. James Clapper (ehemaliger US-Geheimdienstdirektor):

Er kommentierte Assanges Entscheidung, sich schuldig zu bekennen[7].

Die Entwicklung wird generell als bedeutender Wendepunkt in einem langjährigen, kontroversen Fall gesehen. Während Unterstützer die bevorstehende Freilassung Assanges begrüßen, bleiben Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen auf die Pressefreiheit und den Schutz von Whistleblowern bestehen. Der Fall hat wichtige Fragen zur Balance zwischen nationaler Sicherheit und Informationsfreiheit aufgeworfen, die wahrscheinlich auch in Zukunft diskutiert werden.

In der Tat sehen auch wir es als Problem an, dass Assange sich in einem Punkt schuldig bekennen musste, um freizukommen. Rein sachlich ist es nicht zu beanstanden, wenn der Ex-Vertreter einer betroffenen US-Behörde (James Clapper) durch Assanges Tätigkeit nationale Sicherheitsinteressen als gefährdet ansieht – aber die Einschätzung, ob Transparenz und Pressefreiheit wichtiger sind als Geheimhaltung von Informationen, die zum Beispiel illegale Methoden der Kriegsführung betreffen.

Assanges Handlungen sind nicht ausschließlich unumstritten und die Gründe dafür, warum bestimmte Gruppen innerhalb der Linken (oder besser: putinfreundliche Gruppen, die sich selbst als links bezeichnen) sich besonders für in einsetzen: Er steht im Verdacht, den der Beeinflussung des US-Wahlkampfes 2016 zulasten der demokratischen Bewerberin Hillary Clinton beteiligt gewesen zu sein, indem er aus russischer Quelle stammende gehackte Mails an die Öffentlichkeit gegeben hat, andererseits Daten der Republikaner, die ihm zugänglich waren, zurückgehalten hatte. Er stand der Tea-Party nah und musste trotzdem anerkennen, dass sich Donald Trump nach seiner Wahl zum Präsidenten nicht für ihn einsetzte.

Im Gegenteil, unter seiner Ägide kam es im Jahr 2019 zu einer erheblich erweiterten Anklage gegen Assange, die deshalb so gefährlich war, weil sie nun auch Verstöße gegen den seinerseits umstrittenen „Espionage Act“ von 1917 umfasste. War Assange also für Putin ein nützlicher Idiot, in Sachen Einflussnahme auf den US-Wahlkampf 2016?

Andererseits hat er durch seine Leaks offengelegt, dass es in der demokratischen Partei im Jahr 2016 zu Manipulationen kam, um Hillary Clinton gegenüber Bernie Sanders als Präsidentschaftskandidatin durchzusetzen. Auch wir hätten damals Bernie Sanders eindeutig bevorzugt und es wäre möglicherweise mit ihm als Kandidat nicht zu einer Präsidentschaft von Donald Trump gekommen, weil er zwar für US-Verhältnisse sehr linke Positionen vertritt, aber die in der US-Politik damals noch wichtige persönliche Integrität innehatte, die weder Clinton noch Trump für sich beanspruchen konnten.

Unzweifelhaft sind Assanges Verdienste um besseren investigativen Journalismus; Methoden von Wikileaks wie das anonyme Whistleblowing, haben große Medien übernommen. Deren Aufgabe ist es dann, die Informationen, die ihnen zugespielt werden, mit ihren Rechercheapparaten zu überprüfen und sie im Fall ihrer Verifizierbarkeit und Relevanz der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Persönlich teilen wir nach jüngsten Erfahrungen seine Kritik an den Socia-Media-Konzernen, besonders an Facebook, die uns mittlerweile rigide und unsachgemäß zensieren. Wir haben kein Problem damit, zuzugeben, dass wir uns bisher zum Fall Assange nicht geäußert hatten und dass dieses Vorgehen von Meta den vorliegenden Artikel mit ausgelöst hat.  

Unstreitig ist weiterhin, dass gegen ihn massive Menschenrechtsverletzung in Sachen Verfolgung vor der Haft und Missbrauch während der Haftzeit begangen wurden, dies ist ausführlich und widerspruchsfrei dokumentiert und stellt die Rechtsstaatlichkeit gleich mehrere Demokratie in ein ungünstiges Licht, besonders natürlich diejenige der USA und Großbritanniens, aber auch Schweden, eine der Messlatten für die Demokratie in der Welt, hat offenbar einen fingierten Vorwurf gegen Assange vorgebracht, um ihn zu diskreditieren und psychisch unter Druck zu setzen.

Aus diesem Grund wird die Freilassung Assanges nichts daran ändern, dass Journalist:innen eine negative Bewertung der Vorgänge um seine Person vornehmen werden. Vielmehr hat sich durch ihn gezeigt, wie repressiv auch in Demokratien vorgegangen wird, wenn jemand Spielregeln zu verletzen scheint, die ihrerseits fragwürdig und gegen demokratische Transparenz und Rechtsstaatlichkeit ausgerichtet sind. In der Wikipedia wird zitiert, wie in den US-Medien unumwunden zur Ermordung von Assange aufgerufen wurde, ohne dass die Betreffenden dafür jemals zur Rechenschaft gezogen wurden.

Bleibt nun eine Sensibilisierung für die Belange von Menschen, die um der Wahrheit oder der Freiheit willen erhebliche persönliche Nachteile und Risiken auf sich nehmen? Ob langfristig der Journalismus von Assange und Wikileaks profitieren wird, bleibt abzuwarten, denn selbstverständlich wird, gerade in den aktuellen Zeiten, von Seiten staatlicher Stellen daran gearbeitet, Vorgänge wie den Fall Assange so selten wie möglich aufkommen zu lassen und die Gesellschaften in vielen westlichen Ländern sind weit nach rechts gerückt und damit weit weg von einer Priorisierung der Rechtsstaatlichkeit.

Wenn man den Zustand der Demokratien insgesamt betrachtet, vom Beginn des Falls Assange im Jahr 2007, als seine Wikileaks-Veröffentlichungen begannen aus gesehen bis heute, kam es weit überwiegend zu Verschlechterungen. Das gilt auch für Europa und für die USA. Eine Einzelperson kann ohnehin nur Anstöße geben, um die Einhaltung von Grundrechten wie der in komplexen System so wichtigen Informationsfreiheit zu verbessern und wir können hier den Fall Assange, insbesondere seine Wikileaks-Veröffentlichungen, nicht detailliert analysieren, aber wir nutzen die heutige Entwicklung, um darauf hinzuweisen, dass Grundfreiheiten und demokratische Rechte weltweit unter Druck sind. Das Freikommen von Julian Assange ist ein Anlass, dazu wieder einen Artikel mit #DiG #Demokratie in #Gefahr zu taggen, gleich, was Facebook & Co. davon halten. Wir sind uns schon jetzt beinahe sicher, dass wir diesen Beitrag auf Facebook nicht „durchbekommen“ werden, obwohl in ihm und allen vorherigen, die gesperrt wurden, keinerlei sicherheitsrelevante Informationen enthalten sind und obwohl keiner der gegen uns vorgebrachten, pauschal-elektronisch generierten Anwürfe auch nur ein wahres Wort enthält, die Tatsache höchst ungenauer Formulierungen schon berücksichtigend. Der Standardvorwurf: „Anscheinend hast du versucht, auf irreführende Art und Weise „Gefällt mir“-Angaben, Follower, geteilte Inhalte oder Videoaufrufe zu generieren.“ Auf diese weise wird auch vertuscht, dass es sich in Wirklichkeit um umfassende inhaltiche Zensur handelt. Bis vor Kurzem hatten wir mit wesentlich dezidierteren Beiträgen keine Probleme.

Es ist ein bisschen tricky, einen so prominenten Fall wie den von Julian Assange mit Kleinigkeiten wie unseren eigenen Angelegenheiten zu verknüpfen, aber wir wissen, dass unzählige Menschen von solchen undemokratischen Manipulationen betroffen sind, die zu einer unzulässigen Einschränkung der Meinungsfreiheit führen. Unsere ca. 5.000 Freunde auf zwei Facebook-Accounts werden also von diesem Artikel vermutlich nichts mitbekommen (16).

Umso mehr freuen wir uns, dass jemand, ungeachtet der konkreten Umstände und des bisherigen Verlaufs staatlicher und medialer Agitation gegen diese Person, heute jemand die Freiheit wiedergewonnen hat und wünschen Julian Assange alles Gute.

TH

Zitate

[1] https://www.telegraph.co.uk/news/2024/06/25/julian-assange-latest-wikileaks-uk-plea-deal/

[2] https://www.investing.com/news/world-news/reactions-to-julian-assanges-flight-to-freedom-after-us-plea-deal-3495143

[3] https://www.straitstimes.com/asia/reactions-to-julian-assanges-flight-to-freedom-after-us-plea-deal

[4] https://www.bbc.co.uk/news/articles/crgggyvp0j9o

[5] https://www.reuters.com/world/reactions-julian-assanges-flight-freedom-after-us-plea-deal-2024-06-25/

[6] https://www.independent.co.uk/news/world/americas/julian-assange-plea-deal-reaction-b2568220.html

[7] https://www.cnn.com/2024/06/25/world/video/julian-assange-plea-deal-james-clapper-lcl-digvid

[8] https://www.theguardian.com/media/article/2024/jun/25/julian-assange-australia-reaction-wikileaks-founder-plea-deal

[9] https://fortune.com/2024/06/25/wikileaks-founder-julian-assange-plead-guilty-espionage-act-charge-deal-us-australia/

[10] https://www.bbc.com/news/live/world-69145409/page/2

[11] https://www.washingtonpost.com/world/2024/06/25/julian-assange-reaction-plea-deal-wikileaks/

[12] https://www.euronews.com/2024/06/25/wikileaks-founder-julian-assange-stops-in-bangkok-on-his-way-to-a-us-court-and-later-freed

[13] https://www.ft.com/content/465b6f96-65db-4295-9aee-ef9c1339a992

[14] https://www.theguardian.com/media/live/2024/jun/25/julian-assange-prison-release-live-updates-plea-deal-return-australia-wikileaks-leaves-uk?page=with%3Ablock-667a34e28f08aef7f0047c81

[15] https://theweek.com/law/julian-assange-free-plea-deal

(16) Wie vorausgesehen: Facebook sperrt den Beitrag mit fadenscheiniger „Spam“-Anschuldigung.

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