Filmfest 1289 Cinema – Werkschau Charles Chaplin (14) – Die große Rezension
Caught in the Rain ist eine US-amerikanische Stummfilmkomödie aus dem Jahr 1914 mit Charlie Chaplin in der Hauptrolle. [1] Dieser Film war der erste von vielen Filmen, in denen Chaplin sowohl Regie führte als auch die Hauptrolle spielte. Der Kurzfilm wurde von Mack Sennett für die Keystone Studios produziert und hat eine Laufzeit von 16 Minuten.[1]
Wir lernen also vorab, dass dies ein historisches Werk ist, denn ihm wird zugeschrieben, dass Chaplin hier gleichzeitig vor und hinter der Kamera in Aktion war. Oh doch, das ist möglich gewesen, für manche Magier des Kinos. Bei den großen Komikern fallen uns allerdings nur zwei ein, Buster Keaton und eben Charles Chaplin, die Autorenfilmer und ihre eigenen Hauptdarsteller waren. Es gibt verlorene Filme, Chaplin ist glücklicherweise beinahe komplett erhältlich. Und es gibt verlorene Rezensionen. Zum Beispiel unser Original nach der ersten Sichtung von „Caught in the Rain“ aus dem vergangenen Jahr. Also haben wir uns den Film noch einmal angeschaut. Und wir sind etwas weiter, inzwischen. Freilich wussten wir schon 2024, dass die obige Aussage, die nur Keaton und Chaplin einschließt, nicht ganz stimmt. Chaplin wurde auch von Mabel Normand, dem größten weiblichen Comedian der 1910er, unter die Fittiche genommen, als er seine ersten filmischen Gehversuche machte, und sie hatte bei einigen ihrer Filme selbst Regie geführt. Auch in solchen, in denen Chaplin ihr Partner war. Und da wir mittlerweile auch die Keaton-Werkschau gestartet haben, wissen wir, dass der nach Chaplin bekannteste und einflussreichste Komiker von 1914 bis 1918, Roscoe „Fatty“ Arbuckle, ebenfalls seine eigenen Filme dirigiert hat. Er wiederum war der Künstler, der Buster Keaton das Handwerk beibrachte bzw. ihm das Lernen ermöglichte. Und damit wieder zum ersten Regiewerk von Charles Chaplin.
Handlung (1)
Die Handlung beginnt in einem Park, in dem ein Mann versucht, eine Romanze mit einer mütterlichen Frau zu machen, die eine Pelzstola trägt.
Der Ehemann der Frau geht zu einem Imbissstand, Cornucopias, und Charlie kommt in seinem berüchtigten Tramp-Kostüm vorbei und versucht, ihr eine Rose zu geben. Er bringt die Frau zum Lachen, indem er sich fast am Trinkbrunnen durchnässt. Dann setzt er sich neben sie auf die Bank. Der Ehemann kehrt zurück und ist wütend. Er packt Charlie am Gesicht. Er streitet mit der Frau, fuchtelt mit den Armen herum und schlägt Charlie bei jeder Bewegung. Sein letzter Schlag wirft Charlie sauber über die Bank. Sie verlassen das Hotel und kehren in ein Hotel zurück.
Charlie ist niedergeschlagen. Er verlässt den Park und geht in eine Bar. Draußen trifft er auf einen Polizisten. Er taumelt, nun offenbar betrunken, über eine breite Straße und wird fast von einem Auto angefahren. Er kommt im selben Hotel an, und nachdem er einem Mädchen draußen einen Heiratsantrag gemacht hat, tritt er ein und fällt an der Rezeption über das gichtkranke Bein eines Mannes. Er schaut in das Gästebuch, um zu ermitteln, in welchem Raum sich das Paar befindet, das sich währenddessen selbst betrinkt. Er eilt die Treppe hinauf, rutscht aus und rutscht auf dem Bauch auf den Fuß zurück. Er unternimmt mehrere gefährlich ausbalancierte, komische Versuche und trifft dabei den gichtkranken Mann und seine beiden Freundinnen.
Er nähert sich dem Hotelzimmer, in dem sich das ursprüngliche Paar streitet. Sein Schlüssel passt nicht, aber die Tür ist offen und er tritt ein, ohne das Paar aufgrund seines betrunkenen Zustands zunächst zu sehen. Der Mann wirft ihn raus. Charlie versucht es in einem anderen Raum und gelangt hinein. Er beginnt sich auszuziehen und geht zu Bett.
Währenddessen verlässt der Mann auf der anderen Seite des Flurs seine Frau, um auszugehen. Uns wird gesagt, dass sie eine Schlafwandlerin ist. Sie überquert den Flur, um sich auf Charlies Bett zu setzen. Doch es beginnt zu regnen und der Ehemann kehrt ins Hotel zurück, wo sein Zimmer leer ist. Charlie, der nun wach ist, trifft ihn vor seiner Tür und behauptet, nicht zu wissen, wo seine Frau ist. Während der Mann zur Rezeption hinuntergeht, nimmt Charlie sie mit in ihr Zimmer, wird aber gefangen, als der Mann zurückkehrt. Er landet im Regen auf dem Balkon. Doch dann entdeckt ihn ein Polizist und stellt ihn mit einer Waffe zur Rede. Hier kommen die Keystone Cops ins Spiel. Im Flur kommt es zu einer komischen Schlacht. Der Ehemann landet in Charlies Zimmer und bricht betrunken auf dem Bett zusammen. Die Bullen verschwinden. Die Frau kommt in den Flur und sie und Charlie fallen betrunken auf den Boden.
Analyse und Rezension
Eine weitere Veränderung gegenüber 2024 ist, dass wir mittlerweile die Recherche und Analyse zu Filmen auch KI einbinden. Das ist ein ausschließlicher Vorteil, denn unsere Eindrücke gehen ja nicht verloren und wir stellen sie teilweise der Analyse gegenüber. Allerdings ist Wachsamkeit immer noch notwendig, wie sich im Folgenden zeigen wird. Wer weiß, vielleicht ist dieser Text spannender als der Film.
Analyse von Charles Chaplins „Caught in the Rain“ (1914): Innovation, Kontext und Überlieferung
Charles Chaplins Kurzfilm Caught in the Rain aus dem Jahr 1914 markiert einen entscheidenden Wendepunkt in der frühen Karriere des Filmkomikers. Als einer der ersten Filme, bei denen Chaplin sowohl Regie führte als auch das Drehbuch verfasste, zeigt das Werk bereits Ansätze der narrativen und charakterlichen Tiefe, die später sein Œuvre prägen sollten. Im Vergleich zu anderen Komödien des Jahres 1914 hebt sich Caught in the Rain durch seine strukturierte Handlungsführung und die Betonung von Situationskomik über reinen Slapstick heraus. Die heute erhaltene Fassung von etwa elf Minuten Länge wirft jedoch Fragen zur Vollständigkeit des ursprünglichen 16-minütigen Werks auf, das durch Schnittentscheidungen und Überlieferungslücken geprägt ist.
Auch der im weiteren Verlauf zitierte Blog „Chaplin, Film für Film“ weist nur die 11-Minuten-Fassung als Grundlage seiner Rezension aus, aber es gibt spannende Ansätze, das Werk auch ohne weitere laufende Bilder zu vervollkommnen. Eines kann gar nicht aufsbleiben, wenn ein Drittel eines Films fehlt: Dass die oben gerühmte Struktur leidet. Nicht in der Form, dass man das aufeinander aufbauen der Szenen nicht mehr erkennen kann, aber die Schnitte sind ruckig, die Szenen nicht richtig ausgespielt. Demnach wirkt Chaplins erste Regiearbeit (offenbar ist die Mehrheit der der Ansicht, dass „Caught in the Rain“ der erste vollständige Chaplin-Film ist) nicht feinfühlig geschnitten, sondern ebenso schnipselhaft wie viele andere Komödien dieser Zeit, auch die übrigen von Chaplin aus den ersten Monaten seiner Filmtätigkeit.
Sehr seltsam, dass ein Produzent das so gewollt haben will. Vielleicht stimmt es aber doch, die Klage Chaplins, dass Henry Lehrman Chaplin sozusagen kleinhalten wollte, kann man durch den rüden Schnitt von Szenen, in denen Chaplin möglicherweise glänzt, geradezu wörtlich nehmen. Wenn man eine Stufe höher geht, bleibt es verwunderlich, dass Mack Sennett, der Chef des Ganzen, das so durchgehen ließ. Entweder hat er es nicht mitbekommen – oder dieses Ruckige, das Abrupte, war eben auch von ihm gewollt, weil es den Situationskomödien „Keystone Cops“ gemäß war, mit denen das Studio berühmt wurde. Das Publikum, so dachte man möglicherweise, mag es, wenn Situationen nicht richtig ausgespielt werden, sondern überraschend und ohne Übergang die nächste Aktion kommt. Der Jump Cut ist demnach uralt und nicht etwa durch die Nouvelle Vague eingeführt worden. Die Intention war in den verschiedenen Filmepochen freilich nicht die gleiche.
Qualität im Vergleich zu Chaplins frühen Werken und zeitgenössischen Komödien
Chaplins künstlerische Entwicklung bei Keystone
Chaplins frühe Filme für die Keystone Film Company, darunter Making a Living (1914) und Kid Auto Races at Venice (1914), waren stark von der typischen Keystone-Ästhetik geprägt: hektische Verfolgungsjagden, physische Gags und minimalistische Handlungsgerüste. In Caught in the Rain zeigt Chaplin erstmals einen subtileren Ansatz. Statt sich auf reinen Slapstick zu verlassen, konstruiert er eine kohärente Geschichte um einen Herumtreiber (gespielt von Chaplin), der eine verheiratete Frau im Park umwirbt, in deren Hotelzimmer eindringt und schließlich in eine nächtliche Balgerei verwickelt wird6. Diese Fokussierung auf eine durchgehende Handlung war neu für Chaplin und unterschied den Film von seinen vorherigen Arbeiten, die oft als „Szenenfolgen ohne dramatischen Zusammenhang“ kritisiert wurden5.
Hier muss ich etwas relativieren. Ja, die allerersten Chaplin-Komödien hatten diesen Keystone-Touch, den ich schon im vorherigen Absatz referiert habe, und „Kid Auto Race in Venice“ war ein Experiment im Filmen on Location mit echten Zuschauern als Statisten, unmöglich zur damaligen Zeit, das in eine komplette Handlung einzubinden. In „Mabel at the Wheel“ aber war das schon ganz anders, die Symbiose zwischen Szenen nur mit den wenigen Keystone-Stars, die darin spielten, den Massenszenen, in denen sie kurz auftraten und sogar Original-Filmmaterial von einem Autorennen funktionierte bereits. Und der Film ist älter als „Caught in the Rain“ und bereits ein Zwei-Reeler – den wir allerdings als epochal und wirklich nach vorne weisend identifiziert haben. Bezüglich seines Tempos, der Originalität und des Variantenreichtums der Gags darin sollte Chaplin noch einige Filme an Erfahrung benötigen, bis ihm derlei auch bei den eigenen Regiearbeiten gelang. Im Grunde gelang es ihm niemals vollständig, weil er seine Komik in eine andere Richtung entwickelte, die ihm die komplette Kontrolle über jede Szene erlaubte und keine Zufälle zuließ. Auch andere Filme vor „Caught in the Rain“ und nach „Kid Auto Race“ wirken schon nicht mehr wie Sketche, aneinandergereiht, sondern durchaus handlungsorientiert. Wenn auch mit einer gewissen Sprunghaftigkeit inszeniert, wie bei „Caught in a Cabaret“, dem direkten Vorgänger.
Vergleich mit anderen Komödien des Jahres 1914
Die meisten Komödien des Jahres 1914, darunter Keystone-Produktionen wie Shot in the Excitement (1914), setzten auf übertriebene Gestik, einfache Konflikte und absurde Situationskomik. In Shot in the Excitement etwa eskaliert eine Liebesrivalität in einer absurd-lauten Kanonenschlacht, bei der die Darsteller bewusst überzeichnet agieren, um die Komik zu verstärken7.
So übertrieben ist „Caught in the Rain“ in der Tat nicht, und Chaplin ist deutlich subtiler gewesen als etwa Ford Sterling, sein Vorgänger als beliebtester Keystone-Komiker, und zwar von Beginn an. Aber hier haben wir auch ein gutes Beispiel dafür, dass die KI abirren kann.
„Chaplin hingegen nutzte in Caught in the Rain subtilere Mittel: Seine Figur, ein eleganter aber trunksüchtiger Dandy, entwickelt durch kleine Gesten wie das Zurechtrücken der Krawatte oder das Stolpern über eigene Füße eine psychologische Tiefe, die über das rein Physikalische hinausgeht3. Dieser Ansatz wurde zeitgenössisch als „vitaler als bloßes Clowning“ gelobt und unterstrich Chaplins wachsendes Gespür für Charakterisierung5.“
Im weiteren Verlauf wird behauptet, dass Chaplin hier nicht in der Tramp-Figur unterwegs ist, das stimmt nach unserer Ansicht aber nicht. Sie ist nicht so extrem ausgeformt wie in anderen Filmen, was die zu enge Jacke und die zu weiten Beinkleider angeht, aber doch vorhanden. Und er trägt auch nicht, wie später noch behauptet werden wird, einen Zylinder, sondern die typische Melone des Tramps, die auch von seinem Rivalen eingebeult wird. Natürlich habe ich in die Quelle geschaut, die an der Stelle zitiert wird, und daraus ergibt sich der Fehler: Es handelt sich um einen Webframe, der eine ganze Reihe von Chaplin-Filmen nacheinander beschreibt, nicht um „ein Film, eine Seite“, wie bei uns und den meisten Filmrezensenten. Bei einer Kompilationsseite kann man schon mal durcheinanderkommen.
Bedeutung für Chaplins Gesamtwerk
Erstmals Regie und Drehbuch
Caught in the Rain war Chaplins erster Film, bei dem er offiziell als Regisseur und Drehbuchautor fungierte. Zwar hatte er zuvor bereits unerwünscht in Mabel’s Strange Predicament (1914) Regieanweisungen gegeben, doch erst hier übernahm er vollständige kreative Kontrolle6. Dies ermöglichte ihm, Szenen länger zu proben und Gags präziser zu choreografieren – ein Bruch mit der Keystone-Methode, die oft auf Improvisation und schnelle Drehtage setzte. Chaplin selbst beschrieb die Erfahrung später als „leichten Panikanfall“, der sich legte, nachdem Produzent Mack Sennett die erste Rohfassung lobte6.
Dass Chaplin in seinem dritten Film bereits unerwünscht Regieanweisungen gegeben hat, ist mir neu, wir haben es in der betreffenden Rezension nicht referiert. Daran kann man sehen, dass Mabel Normand nicht wie Chaplin selbst war, der hätte diesen Eingriff eines damals noch ganz neuen Mitspielers übel vermerkt, während Mabel Normand Chaplins Potenzial erkannte und weiterhin gerne mit ihm zusammenspielte. U. a. in dem oben erwähnten „Mabel at the Wheel“ und weiteren Filmen, zu denen wir noch kommen werden.
Vorläufer des Tramps
Obwohl Chaplin in Caught in the Rain noch nicht den ikonischen „Tramp“ verkörperte, zeigen sich bereits Elemente, die später für diese Figur prägend wurden. Sein Charakter trägt einen Frack, einen Zylinder und ein Monokel – eine Kostümierung, die an den Tramp erinnert, jedoch noch bürgerlich-affektiert wirkt3. Die physische Komik, etwa das Stolpern auf einer Hotelbalustrade oder das Verheddern in einem Vorhang, wurde in abgewandelter Form in späteren Filmen wie The Immigrant (1917) wiederaufgenommen.
Nach meiner Ansicht wird hier Chaplins Auftritt in „One A. M.“ beschrieben, in dem er einige Gags aus „Caught in the Rain“ übernimmt und verfeinert, etwa die Unmöglichkeit, eine Treppe unfallfrei aufwärts zu gehen, wenn man sehr stark betrunken ist. Ein Monokel und einen Zylinder und einen Frack trägt Chaplin in „Caught in the Rain“ jedenfalls nicht, und auch hier dürfte wieder das Problem gewirkt haben, das wir oben beschrieben haben, die KI ist beim Abgreifen einer Seite, auf der mehrere Filme beschrieben sind oder auf der in der Rezension zu einem Film auf einen anderen verwiesen wird, durcheinandergekommen.
Innovationen und „Firsts“
Narrativer Fokus statt Gag-Sequenzen
Anders als in frühen Keystone-Komödien, die oft als Aneinanderreihung isolierter Gags strukturiert waren, baute Chaplin in Caught in the Rain eine logische Handlungskette auf: Die Flirtversuche im Park führen zur Konfrontation mit dem Ehemann, die wiederum mündet in eine nächtliche Verfolgungsjagd und einen finalen Sturz ins Wasser6. Diese kausale Verknüpfung von Ereignissen war neu für Chaplin und hob den Film von zeitgenössischen Werken ab, die Handlung oft zugunsten von Slapstick opferten.
Bis zur Konfrontation stimmt das von der KI Verfasste, aber der Sturz ins Wasser stammt nicht aus „Caught in the Rain“. Da die verlinkte Quelle, deren Auswertung weiter oben schon zu Verwirrung geführt hat, sich auf die uns bekannte 11-Minuten-Fassung bezieht, kann es auch nicht sein, dass penible Standbild-Ergänzungen hier zu einem anderen Ende geführt haben. Chaplin fällt am Ende einfach auf dem Flur um, sein Eben-doch-Tramp ist total betrunken, und so enden viele der frühen Chaplins: ohne eine dramatische Anhebung in der letzten Szene, ohne großes Finale.
Experimente mit nächtlichen Szenen
Technisch innovativ war die Darstellung nächtlicher Szenen, die durch überbelichtete Sets und Schatteneffekte simuliert wurden. Chaplin nutzte dies, um surreale Momente zu schaffen, etwa wenn seine Figur im Halbschlaf über einen Balkon balanciert – eine Szene, die an späteren Traumsequenzen in The Kid (1921) erinnert6.
Ebenfalls nicht aus Caught in the Rain! Wir recherchieren jetzt auch nicht, aus welchem Film diese Szene stammt, aber eine Licht- und Schatten-Dramturgie, also quasi Ansätze von Expressionismus visueller Art, gibt es in diesem Film nicht. Vielmehr muss hier einmal festgehalten werden: Chaplin nutzte nicht gleich seine erste Regiearbeit, um visuell oder gagmäßig groß zu experimentieren, sondern verließ sich auf das, was er schon konnte – zumal er ohnehin eines nicht war: Ein Innovator der Kinotechnik und der Visualität von Filmen. Nein, die Sets sind immer gleichmäßig und sehr hell ausgeleuchtet, um das damals noch recht unempfindliche Filmmaterial nicht dadurch zu sehr auszureizen, dass das ohnehin vorhandene Flimmern noch durch Low-Key-Filming verstärkt wird.
Hingegen möchte ich die Gelegenheit nutzen, eine echte Innovation ins Spiel zu bringen. Keystone und bei Keystone wiederum Chaplin waren Spezialisten für Parkbank-Komödien, und so beginnt auch „Caught in the Rain“ (noch ohne Regen). Chaplin auch zugeschrieben, dass er gesagt haben soll, alles, was ich für eine Komödie brauche, ist ein Mädchen, ein Kerl und einen Parkbank (sinngemäß wiedergegeben). Und damit kommen wir zur Innovation. Die Parkbank kippt um und mit ihr Chaplin nach hinten! Wenn das nicht bahnbrechend ist und die Action auf ein neues Niveau hebt, weil Chaplin dabei nicht seinen eigenen Fallvorgang im Blick haben konnte, weiß ich’s auch nicht. Vielleicht hatten sie hinter der Bank ein dickes Kissen versteckt. Buster Keaton hätte sich spektakulär auf einen sichtbaren Betonboden fallen lassen. Aber Chaplin ging insgesamt etwas vorsichtiger mit sich um, auch das kennzeichnet die Unterschiedlichkeit der beiden Komiker.
Überlieferung: Die Lücke zwischen Original und erhaltener Fassung
Ursprüngliche Länge und Kürzungen
Der Originalfilm hatte eine Länge von 16 Minuten (einem vollen Filmrollen-Format), während heutige Versionen auf etwa 11 Minuten gekürzt sind. Grund dafür waren Schnittentscheidungen von Henry Lehrman, der Chaplins bevorzugte Takes zugunsten eigener Ideen strich3. Chaplin kritisierte dies später in seiner Autobiografie und betonte, dass Lehrman „absichtlich seine besten Gags entfernt habe, um ihn zu sabotieren“3. Zudem ging vermutlich Material im Laufe der Jahrzehnte verloren, da Keystone Negative oft nicht archiviert wurden.
Hierzu: siehe oben, wir haben uns erlaubt, dies vorwegzunehmen.
Rekonstruktionsversuche
Moderne Restaurierungen, darunter die Version des British Film Institute, kombinieren überlebende Kopien mit Standfotos und Drehbuchnotizen, um die ursprüngliche Struktur anzudeuten. Szenen wie ein längeres Intermezzo im Hotelbar, in dem Chaplins Figur betrunken mit einem Schirm balanciert, existieren heute nur noch in fragmentarischer Form6.
Fazit: Ein Schlüsselwerk der frühen Filmkomödie
Caught in the Rain steht an der Schwelle zwischen Chaplins Lehrjahren bei Keystone und seiner späteren Meisterschaft. Der Film demonstriert erstmals jene narrative Disziplin und charakterliche Nuance, die Chaplin zum einflussreichsten Komiker der Stummfilmära machen sollten. Trotz der Kürzungen in den erhaltenen Fassungen bleibt das Werk ein Beleg für Chaplins schnelle künstlerische Reifung – ein Prozess, der nur ein Jahr später in Meisterwerken wie The Tramp (1915) gipfelte. Im Kontext der Komödien von 1914 ragt Caught in the Rain als frühes Beispiel für eine Komik heraus, die nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche ihrer Figur ins Zentrum stellt.
Finale
Womit die psychologische Komödie geboren wurde. Ich halte diese Beschreibung für etwas übertrieben – Chaplin hat sich im Wesentlichen keine Dinge erlaubt, die er nicht schon zuvor erprobt hatte, eben, weil er bei seiner ersten Regiearbeit durchaus nervös war und sich lieber einen mittelmäßigen Film erlaubte, als mit zu viel Innovation auf einmal – im Regen baden zu gehen. Schlimm genug, dass er nass wird. Wir geben heute gerne etwas Einblick in die Mühsamkeit der Erinnerungsarbeit. Kein Wunder, dass Menschen, die sich nicht erinnern könne, was sie am Tag zuvor in einem Film gesehen haben, auch vergessen, dass es in Deutschland einmal Nazis gab und wohin das geführt hat: Also noch einmal – nicht von vorne, aber etwa ab 9:50 der 11:04-Version:
Gibt es in Caught in the Rain wirklich eine Szene, in der Chaplin auf einem Balkon oder Fenstersims balanciert? Ich habe keine solche Szene bemerkt.
Ja, in Caught in the Rain gibt es tatsächlich eine Szene, in der Charlie Chaplin auf einem Fenstersims oder Balkon balanciert. Nach der Handlung und mehreren Filmbeschreibungen muss Chaplins Figur, nachdem er die schlafwandelnde Frau zurück in ihr Zimmer gebracht hat, aus Angst vor dem zurückkehrenden Ehemann auf den Balkon beziehungsweise das Fenstersims ausweichen. Dort wird er im strömenden Regen von einem Polizisten entdeckt und für einen Einbrecher gehalten, was schließlich die Keystone Cops auf den Plan ruft1234.
Diese Szene ist ein zentrales Element des Finales und wird sowohl in offiziellen Inhaltsangaben als auch in mehreren Filmversionen erwähnt. Sie ist zwar relativ kurz, aber sie existiert in den heute verfügbaren Fassungen und bildet den Übergang zur abschließenden Verfolgungsjagd im Hotel. Wenn Sie die Szene beim Ansehen nicht bemerkt haben, könnte das an der schnellen Abfolge der Ereignisse oder an Schnittvarianten der jeweiligen Fassung liegen, aber nach übereinstimmenden Quellen gehört sie fest zum Film1234.
Es stimmt und es stimmt doch nicht. Ich habe noch einmal nachgeschaut: Ja, Chaplin steht kurz auf dem Balkon, wird nass, ein Polizist schießt auf ihn – aber er strebt daraufhin gleich wieder zurück ins Zimmer, von Balancieren auf dem Balkongeländer oder einem Sims kann keine Rede sein. Wer hat nun Recht? Das dürfen Sie entscheiden. In Frack und Zylinder und mit Monokel ist er aber ganz bestimmt nicht aufgetreten, in dieser seiner ersten Regieleistung. Das schwöre ich beim Barte der Großmutter meiner miserablen Merkfähigkeit. Eine KI, die durcheinandergerät und ein humaner Rezensent, der selbst bei einem 11-Minüter, den er vor weniger als 20 Stunden angeschaut hat, noch einmal nachschauen muss, was er wirklich gesehen hat, das reizt eigentlich zu Komik und Satire. Schade, dass es keinen modernen Chaplin gibt, der zudem so subtil ist, die wirklich modernen Zeiten entsprechend aufzuarbeiten, inklusive der notwendigen Sozialkritik, die sich gut mit Individualkritik bezüglich der nachlassenden Kognition des Menschen durch zu viel Delegation an die Maschinen verbinden lässt.
Die IMDb-Nutzer:innen geben dem Film 5,6/10. Das liegt am oberen Ende der Chaplin-Filme, die bis zu dem Zeitpunkt entstanden sind (Spitze: 5,7/10, u. a. für den Vorgänger „Caught in a Cabaret“), aber es wird im Laufe des Jahres noch zu Werken mit über 6/10 kommen. Steigerungen sind voprogrammiert, wenn wir weiter Film für Film über Chaplin schreiben. Bleiben Sie also dran, wie sehr auch immer die mangelhafte Perfektion damaliger laufender Bilder mit dem Können von Personen, die mehr als 110 Jahre später darüber schreiben und dabei auch noch mit maschinellen Stützen arbeiten, die ebenfalls noch etwas von der Vollkommenheit entfernt sind, eine unheilvolle Allianz eingehen. Aber eines müssen Sie zugeben: Niemals zuvor haben Rezensenten so viele Quellen benennen können, die sie niemals alle lesen können, wenn sie mit einem solchen Text irgendwann mal fertig werden wollen. Wir finden, die IMDb-Bewertung trifft es ganz gut, aber wir haben vier Punkte für ein weiteres First zugegeben: Chaplin directs for the first time (officially and with credit). Oder auch zwei für die Regie und zwei für das Drehbuch (ohne Credit).
60/100
2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
| Regie | Charlie Chaplin |
|---|---|
| Drehbuch | Charlie Chaplin (im Abspann nicht aufgeführt) |
| Produzent | Mack Sennett |
| Besetzung | Charlie Chaplin Mack Swain Alice Davenport Alice Howell |
Quellen zur Fensterszene
- https://www.youtube.com/watch?v=DRHsvdoYqXo
- https://www.charliechaplin.com/en/films/58-caught-in-the-rain
- https://www.youtube.com/watch?v=3b6XjMwcDeQ
- https://en.wikipedia.org/wiki/Caught_in_the_Rain_(film)
- https://opus.bibliothek.uni-augsburg.de/opus4/files/119221/Gro%C3%9Fe+Werke+des+Films+III.pdf
- https://www.youtube.com/watch?v=aoQVUaFX02k
- https://www.youtube.com/watch?v=bF8LxFitlNU
- https://www.youtube.com/watch?v=zFcyeQgZe6Q
Quellen zur Analyse
- https://en.wikipedia.org/wiki/Charlie_Chaplin_filmography
- https://theravensridgeemporium.com/products/caught-in-the-rain
- https://www.charliechaplin.com/en/films/keystones
- https://www.youtube.com/watch?v=clsZU3rlfX8
- https://www.nitrateville.com/viewtopic.php?t=7940
- https://chaplinfilmbyfilm.wordpress.com/2014/05/04/caught-in-the-rain-4-may-1914/
- https://silentology.wordpress.com/2016/08/12/obscure-films-shot-in-the-excitement-1914/
- https://thetwingeeks.com/2019/02/04/modern-times-aversion-to-innovation/
- https://www.last.fm/music/Various+Artists/Golden+Oldies+Rain+Songs+for+a+Rainy+Day:+50+Hits+About+Rain+from+the+50s,+60s,+And+70s+Like+Raindrops+Keep+Fallin’+on+My+Head,+Over+the+Rainbow,+Here’s+That+Rainy+Day,+Don’t+Rain+on+My+Parade,+&+More!
- https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_American_films_of_1914
- http://www.philposner.com/chaplin_at_keystone.htm
- https://www.charliechaplin.com/en/articles/212-Chaplin-at-Keystone-The-Tramp-is-Born?category=filming
- https://en.wikipedia.org/wiki/Caught_in_the_Rain_(film)
- https://www.nitrateville.com/viewtopic.php?t=6742
- https://www.imdb.com/title/tt0003760/
- https://nickredfern.wordpress.com/wp-content/uploads/2009/09/nick-redfern-shot-length-distributions-in-the-chaplin-keystones1.pdf
- https://www.youtube.com/watch?v=DRHsvdoYqXo
- https://www.charliechaplin.com/en/films/58-caught-in-the-rain
- https://www.criterion.com/current/posts/3004-a-smile-and-a-tear
- https://letterboxd.com/film/caught-in-the-rain/
- https://en.wikipedia.org/wiki/Caught_in_the_Rain_(song)
- https://www.silentera.com/video/collChaplinKeystoneHV.html
- https://de.wikipedia.org/wiki/Wunderbares_Leben
- https://archive.org/details/CAUGHTINTHERAINCharlieChaplinSilentAMackSennettKeystoneComedy
- https://www.poppassionblog.com/post/review-caught-in-the-rain-alvin-weise
- https://www.youtube.com/watch?v=LYMLh66POfo
- https://www.youtube.com/watch?v=oIUuq3yEBds
- https://www.youtube.com/watch?v=zFcyeQgZe6Q
- https://www.youtube.com/watch?v=wQQE8DBjwhQ
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- https://www.youtube.com/watch?v=GHUrOJSgJ8Q
- https://werk.re/2010/12/10/chaplin-at-keystone-review/
- https://www.charliechaplin.com/en/films/keystones
- https://en.wikipedia.org/wiki/A_Fool_There_Was_(1914_film)
- https://www.catalign.in/2016/02/charlie-chaplins-modern-times-turns-80.html
- https://www.chaplin-at-keystone.com/en
- https://www.apocalypselaterfilm.com/2014/05/caught-in-rain-1914.html
- https://silentology.wordpress.com/2015/08/20/thoughts-on-the-knockout-1914/
- https://www.youtube.com/watch?v=JpaIB5Qfjvg
- https://brucebennett.uk/2022/03/19/repetition-and-difference-three-faces-of-chaplin/
- https://en.wikipedia.org/wiki/Caught_in_the_Rain_(film)
- https://silentlondon.co.uk/2018/10/15/sisters-in-slapstick-two-books-on-silent-comediennes/
- https://pluralism.org/chaplaincy-innovation-lab
- https://www.youtube.com/watch?v=aoQVUaFX02k
- https://en.wikipedia.org/wiki/Singin’_in_the_Rain
- https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_lost_silent_films_(1910%E2%80%931914)
- http://www.silentcomedymafia.com/viewtopic.php?t=447
- https://soundcloud.com/ferreckdawn/ferreck-dawn-x-guz-x-lit-caught-in-the-rain?in=msklnko%2Fsets%2F7-july
- https://en.wikipedia.org/wiki/The_Rain_Song
- https://en.wikipedia.org/wiki/Category:British_silent_comedy_film_stubs
- https://soundcloud.com/revisofficial/caught-in-the-rain-album
- https://hitparade.ch/song/Fleetwood-Mac/Caught-In-The-Rain-131640
- http://www.silentera.com/video/info/shortComedyFilms.html
- https://mookseandgripes.com/reviews/2015/08/13/flicker-alleys-chaplin-at-keystone/
- https://johnbaumgartner.com/pay-day-1922-chaplin/
- https://silentlocations.com/2014/05/04/chaplin-caught-in-the-rain-100-years-ago-by-the-2nd-st-tunnel/
- https://en.wikipedia.org/wiki/Modern_Times_(film)
- https://www.pbs.org/wgbh/americanexperience/features/pickford-charlie-chaplin-1889-1977/
- https://www.charliechaplin.com/en/films/58-caught-in-the-rain
- https://therealnews.com/charlie-chaplins-enduring-legacy
- https://www.pbs.org/wgbh/amex/pickford/peopleevents/p_chaplin.html
- https://deeprootsmag.org/2014/01/19/charlie-chaplin-on-filmmaking/
- https://www.keystonefirstpa.com/provider/initiatives/icmccp/index.aspx
- https://www.youtube.com/watch?v=Rq97e-luN3o
- https://open.spotify.com/track/1aWjCUq4KU7wCdQ2AuGeB7
- https://open.spotify.com/track/1GvyPmmkOxcrnLBjpgFBPX
- https://community.thegrimescene.com/topic/7449-caught-in-the-rain/
- https://www.imdb.com/title/tt0003760/
- https://en.wikipedia.org/wiki/Charlie_Chaplin
- https://www.thegibsonreview.com/blog/charlie-chaplins-feature-films
- https://www.circus-dance-festival.de/en/programm-2024/cinema-mosieur-chocolat-arte/
- https://www.charliechaplin.com/en/articles/210-Essanay-Chaplin-Brand?category=filming
- https://chaplinfilmbyfilm.wordpress.com/2014/05/04/caught-in-the-rain-4-may-1914/
- https://www.reddit.com/r/movies/comments/29e1wt/charlie_chaplin_made_his_first_film_one_hundred/
[1] Gefangen im Regen (Film) – Wikipedia
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