Filmfest 1332 Cinema – Werkschau Buster Keaton (17)
Flitterwochen im Fertighaus (Originaltitel: One Week; Alternativtitel: Buster Keatons erste Flitterwoche) ist eine US-amerikanische Stummfilmkomödie aus dem Jahre 1920 von Edward F. Cline und Buster Keaton. Es war der erste veröffentlichte Solofilm des späteren Starkomikers Keaton, nachdem dieser zuvor nur als Nebendarsteller von Roscoe Arbuckle gearbeitet hatte.
Wir müssen zu dieser Rezension die Einleitung neu schreiben und auch im weiteren Verlauf einiges ändern, weil wir noch nicht viel über Buster Keaton wussten, als wir uns im Jahr 2019 spontan entschlossen haben, die kleine Werkschau von ihm zu verfolgen, die Arte damals im Programm hatte. Zunächst die Handlung.
Handlung (1)
Montag: Zu ihrer Hochzeit erhalten Buster und Sybil von einem Onkel als Geschenk ein in Kisten verpacktes Haus zum Selberbauen (zuvor wurden sie noch vom Fahrer daran gehindert, ihr Grundstück zu erreichen), das sich angeblich ohne Handwerker innerhalb einer Woche errichten lassen soll. Das Paar geht mit Feuereifer ans Werk, doch Busters eifersüchtiger Rivale Hank, der beim Werben um Sybil der Unterlegene war, ändert die Nummerierung der Bauteile, was zusätzlich zur Tollpatschigkeit der jungen Eheleute den Bau des Hauses erschwert.
Nachdem das Paar während der Woche mit viel Hingabe, Improvisationstalent und Akrobatik gezimmert hat, kommt noch vor Ablauf der Bauzeit am Freitag, dem 13., ein wundersames, furchtbar schiefes Bauwerk dabei heraus, das sich als wind-, wetter- und auch recht wohnuntauglich erweist: Ausgerechnet während der Einweihungsfeier regnet es in Strömen durchs Dach, und bei einem aufziehenden Sturm beginnt das Haus sich wie ein Karussell zu drehen.
Eine im ersten Stockwerk an falscher Stelle ins Freie führende Tür kommt Buster jedoch sehr gelegen, um sich an Hank für dessen Sabotageakt zu rächen. Am Samstag erhalten die Eheleute nun zu allem Übel noch die Mitteilung, dass sie das Haus durch einen Zahlendreher auf der falschen Seite der Bahnschienen errichtet haben und sie mit dem ohnehin wackeligen Bretterbau umziehen müssen. Und so verklemmt sich das Machwerk am Sonntag beim Transport mitten auf den Gleisen. Panisch will das Paar sein Haus vor einem ankommenden Zug retten, der aber fährt, für alle überraschend, auf dem Nachbargleis vorbei. Ein aus der Gegenrichtung kommender Zug jedoch erfasst das Gebäude und zerstört es doch noch. Buster stellt neben der Ruine ein „Zu verkaufen“-Schild auf und hinterlässt die Bauanleitung des Hauses, dann gehen er und Sybil davon.
Rezension
„Flitterwochen im Fertighaus“ war nicht Buster Keatons erster eigenständiger Film als Produzent, wie 2019 geschrieben – aber er führte ihn als ersten dem Publikum vor. Den echten ersten eigenen Film, „The High Sign“, hielt er für nicht gut genug. Die heutige Rezeption gibt ihm Recht und Unrecht zugleich. „Flitterwochen im Fertighaus“ ist gemäß IMDb-Nutzerwertungen sein am dritthöchsten bewerteter Film überhaupt, nach „Sherlock Holmes Jr.“ (1924), Wertung 8,2/10, knapp nach „The General“ (1927) (dieser und „One Week“ haben 8,1/10) und vor „Limelight“ (1952) (8,0/10), in dem er mehr oder weniger als Relikt vergangener Zeiten in einem Film auftritt, den Charles Chaplin sich selbst und dem Vaudeville-Theater widmete und wo sowohl er als auch Buster Keaton die künstlerischen Wurzeln hatten.
Wir haben schon „Cops!“ und „Der Koch“ rezensiert, Letzterer noch mit seinem früheren Partner „Fatty“ Roscoe Arbuckel, „Cops!“ („Buster und die Polizei“) ebenfalls ein Werk aus seiner Zeit als unabhängiger Produzent, das von der Metro Pictures Corporation verliehen wurde. Ähnlich wie bei Charles Chaplin ist Buster Keatons Stummfilmwerk nahezu komplett erhalten, sodass wir mittlerweile eine so vollständige Werkschau wie möglich erarbeiten wollen. 2019 gingen wir davon aus, dass viele seiner Filme nicht mehr einsehbar sind.
Im Jahr 2019 hatte „Flitterwochen im Fertighaus“ noch eine Wertung von 8,2/10, das hätte ausgereicht, um ihn in die berühmte Top-250-Liste zu bringen – wenn er nicht zu wenige Bewertungen hätte. Nach unserem letzten Kenntnisstand sind für den Eintritt in die Liste etwa 15.000 Stimmen notwendig, diese Zahl verfehlt „Flitterwochen im Fertighaus“ auch heute noch, er steht aktuell bei knapp 9.000 Bewertungen. Das ist eigentlich nicht viel, wenn man bedenkt, wie hell der Stern dieses Films im Universum der Stummfilm-Slapstick-Komödien leuchtet, da hätten wir eine umfangreichere Rezeption erwartet.
2019 las sich unser Report so:
Ein furioses Werk, keine Frage – aber ein bisschen überrascht waren wir doch. Es ist möglich, dass kleinere Teile fehlen, aber die Schnittfolge insbesondere in der ersten Hälfte ist alles andere als logisch und stimmig. Das fällt gerade bei schnellen, physischen Gags, bei denen die Szenen passgenau sein müssen, damit auch das Timing stimmt, besonders auf. Wir gehen davon aus, dass es keine Version gibt, die besser restauriert oder länger ist als diejenige, die ARTE gezeigt hat.
Ein bisschen sind wir aus dem Tritt gekommen, weil wir nach den beiden ersten Keaton-Filmen eine längere Pause einlegen mussten – um unseren Crimetime-Verpflichtungen nachzukommen und wir werden uns vorbehalten, seine recht kurzen Filme aus jener frühen Phase der Eigenproduktionen noch einmal zu sichten. Eines kann man dem Film trotz seiner Kürze ganz sicher nicht absprechen. Eine gekonnte Dramaturgie. Die Gags werden immer schneller und wilder, und natürlich eskaliert alles am Freitag, dem 13. Es ereignet sich der Wirbelsturm, der das Haus doch nur um die eigene Achse dreht. Keaton und seine junge Frau haben es falsch zusammengebaut, weil ein Konkurrent, den er im Rennen um die gerade Angetraute ausgestochen hat, die Bausatzkisten falsch beschriftet hat.
Mit diesem Mädchen hat Buster aber einen guten Fang gemacht – sie erträgt alles, was passiert, ganz optimistisch, wie Jungverliebte es manchmal tun. Selbst, als am Ende das ohnehin stark ramponierte Haus durch einen Zug zerstört wird, hat man nicht den Eindruck, dass sie ihn verlassen könnte. Auf dem richtigen Grundstück wird man es wohl noch einmal versuchen. Wir sind nämlich in den frühen 1920ern, als die Vereinigten Staaten vor Energie geradezu aus den Nähten platzten.
Seiner jungen Frau verdanken wir auch die Szene, die uns am meisten erstaunt hat – ihr Bad in der Wanne. Als ihr die Seife ausrutscht und man weiß, sie muss aussteigen, um das Stück wieder an Bord zu holen – ein Moment des Luftanhaltens. Und dann die Hand vor der Kamera. Das ist frech und kokett, für die Verhältnisse eines Mainstream-Films von 1920. Das hätte es bei Charles Chaplin nicht gegeben, und der hatte doch in der Realität ein viel obsessiveres Verhältnis zu Frauen, als man das Buster Keaton allgemein zuschreibt. KeatonsKomik, Frauen betreffend, gilt als eher unkompliziert und sachlich und romantisiert das Leben der Geschlechter miteinander wenig und dramatisiert es auch nicht.
Anders als viele Kritiker sind wir aber nicht der Ansicht, das ist moderner. Die Frauen wirken oft eher nebensächlich und werden nicht sehr stark personalisiert, das ist bei Chaplin ebenfalls anders, auch wenn er sie überhöhen mag. Den oben erwähnten „Limelight“ haben wir, zufällig, just als letzten Film gesehen, der noch zu rezensieren ist, und da kommt die Romantisierung und Dramatisierung chaplinscher Geschlechterrollen, vermischt mit vielen anderen Elementen natürlich, wohl mehr als in jedem seiner anderen großen Filme zur Geltung, außer vielleicht in „City Lights“ (1931).
Keatons Braut in „Flitterwochen im Fertighaus“ ist einfach nur süß und eben unkompliziert, sie malt sogar Herzchen auf die Bretterwand des Anti-Traumhauses und tröstet ihn immer wieder. Sie hat keine Funktion als jemand, den man erobern, halten oder anschmachten muss. Es gibt aber auch in Keatons Werk eine Ausnahme: „Der General“. Dort wird Keaton abgewiesen und die gesamte Handlung entspinnt sich mehr oder weniger deswegen. Es soll aber weitere Keaton-Werke geben, in denen „Stoneface“ zurückgewiesen wird und die Frauen damit ein widerständiges Eigenleben bekommen.
Nachdem ich seine Filme mit Fatty Arbuckle gesehen habe, kann ich festhalten: In ihnen ist es eher nicht so, denn Keaton ist da noch mehr der Sidekick, während der Rivale von Roscoe Arbuckle regelmäßig von Al St. John gespielt wird. In weiteren eigenständigen Keaton-Filmen werden wir das Verhältnis seines Filmcharakters zu Frauen selbstverständlich beleuchten, wo es sich anbietet. Analyse von Buster Keatons „One Week“ („Flitterwochen im Fertighaus“)
Stellung im Werk Keatons
„One Week“ markiert einen Wendepunkt in Buster Keatons Karriere: Es ist der erste eigenständig veröffentlichte Kurzfilm nach seiner Zeit als Partner von Roscoe Arbuckle und gilt als künstlerisches Manifest seiner späteren Soloarbeiten12. Der Film setzte die ästhetische und komödiantische Vision Keatons, die er in den folgenden Jahren weiterentwickelte, erstmals konsequent um2. Charakteristisch ist dabei die Verbindung aus spektakulären, selbst ausgeführten Stunts, einer durchdachten Inszenierung und dem berühmten stoischen Gesichtsausdruck („Stoneface“), mit dem Keaton auf die absurden Herausforderungen reagiert32.
„One Week“ etablierte Keatons Markenzeichen: Der Protagonist – ein scheinbar gewöhnlicher, aber findiger und unbeirrbarer junger Mann – wird in eine surreale, von Missgeschicken und Zufällen bestimmte Situation geworfen, aus der er sich mit Einfallsreichtum und Beharrlichkeit befreit2. Die filmische Nutzung von Objekten und Räumen, hier am Beispiel des Hauses, wurde zu einem zentralen Element in Keatons Werk und findet sich später etwa in „The Electric House“ oder „The Navigator“ wieder4.
Bedeutung für die Stummfilmkomödie um 1920
In der Stummfilmkomödie der frühen 1920er Jahre setzte „One Week“ neue Maßstäbe in mehrfacher Hinsicht:
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Innovative Gag-Architektur: Das Haus als zentrales Requisit ist nicht nur Kulisse, sondern aktiver Teil der Komik. Türen, Fenster, Wände und selbst der Grundriss werden zu Werkzeugen für Slapstick und visuelle Gags, die weit über das hinausgehen, was auf der Bühne oder bei anderen Komikern der Zeit zu sehen war54.
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Formale Experimentierfreude: Keaton nutzt filmische Mittel wie das bewusste Verdecken der Kamera, um mit der Wahrnehmung des Publikums zu spielen, und setzt auf lange, statische Totalen, die die physische Komik und die Präzision der Stunts hervorheben56.
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Realismus und Expressivität: Trotz aller Absurdität bleibt der Film in Kostüm, Ausstattung und Schauspiel im Alltagsrealismus der Zeit verankert, was die Komik umso wirkungsvoller erscheinen lässt6. Gleichzeitig werden filmische Mittel expressiv eingesetzt, um Bedeutung und Atmosphäre zu erzeugen.
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Einfluss auf das Genre: „One Week“ gilt als Prototyp für Keatons spätere Filme und als Meilenstein der Slapstick-Komödie. Die kreative Verbindung von Technik, Timing und filmischer Erzählweise inspirierte nicht nur Keatons eigene Features, sondern prägte das Genre insgesamt25.
„One Week“ ist weit mehr als ein gelungener Slapstick-Kurzfilm: Er steht am Beginn von Keatons künstlerisch einflussreichster Phase und gilt als stilbildend für die Stummfilmkomödie der 1920er Jahre. Die Mischung aus technischer Innovation, physischer Komik und lakonischem Humor macht den Film bis heute zu einem der meistgeschätzten Werke Keatons und zu einem Schlüsselwerk der Filmgeschichte3524.
Finale
Wir haben darauf verzichtet, den Film noch einmal anzuschauenm, um ihn für die Eingliederung in die Keaton-Werkschau neu zu rezensieren oder die Rezension wesentlich zu überarbeiten, dafür haben wie die kurze Form einer KI-Analyse beigefügt. Wir haben einfach nicht die Zeit für Wiederholungen, auch wenn es nur um Kurzfilme geht, denn das Verfassen der Rezension ist ja in diesen Fällen der größere Aufwand. Die Rezension mit all ihren Ergänzungen ist jetzt aber 120 Prozent länger als üblich und fügt sich dadurch besser ins aktuelle, ausführlichere „Werkschau-Schema“ ein.
Welcher Hobbyhandwerker, der gerne murkst, wäre nicht froh für eine solche Frau, wie wir sie in „Flitterwochen im Fertighaus“ sehen. In jenen Jahren wurden sehr viele Slapstickfilme produziert und es war wohl gar nicht so einfach, sich herauszuheben. Das gelang Buster Keaton mit „Flitterwochen im Fertighaus“ auf jeden Fall, denn die Gags sind vergleichsweise spektakulär.
Eine Szene, die als besonders berühmt gilt und später in einem anderen Film wiederholt wurde, ist allerdings nicht ganz so exorbitant, wie man denken mag. Der Moment, in dem die Wand umfällt und Keaton genau im Fensterloch steht. Boah! Wenn er da um wenige Zentimeter den markierten Punkt nicht eingehalten hätte. Rückwärts ist die Szene nicht gefilmt, das sieht man daran, dass die Wand beim Umfallen viel Staub aufwirbelt. Allerdings ist der Gag bereits ein Remake, er wurde von Roscoe Arbuckle in „Back Stage“ (1919) eingesetzt, den er mit Keaton gedreht hat – und möglicherweise hat Keaton diese Szene entworfen.
Aber: Wir gehen doch stark davon aus, dass Keaton sich zuerst an diesen Platz gestellt hat, bei liegender Wand, eine Markierung angefertigt hat, sodass man wusste, wo der Türausschnitt ist, die Wand dann aufgestellt hat und wieder fallen ließ. Und vermutlich mehrfach geprobt hat, ohne dass Keaton am Platz war, ob es auch genau passt. Es ist eine tolle Szene, die damals gewiss viele Ah! und Oh! hervorgerufen hat, aber er war Profi genug, solch einen Moment zu planen. Sicher, er hat bei Stunts, auch hier beim Fallen aus dem ersten Stock, einige Blessuren davongetragen, im Lauf der Jahre. Dort, wo er die Gefahr eingrenzen konnte, hat er das wohl auch getan, sonst wäre er nicht durch so viele Slapsticks einigermaßen heil hindurchgekommen.
76/100
2025 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2019)
| Regie | |
|---|---|
| Drehbuch | |
| Produktion | Joseph M. Schenck |
| Kamera | Elgin Lessley |
| Schnitt | Buster Keaton |
| Besetzung | |
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(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia
Quellen zur kurzen KI-Analyse
- https://rumble.com/v2y3b2k-buster-keatons-one-week-1920-public-domain-movie.html
- https://picturesthatmove.substack.com/p/buster-keaton-builds-a-home-in-one
- https://www.loc.gov/static/programs/national-film-preservation-board/documents/one_week.pdf
- https://www.glennadamson.com/work/2017/8/2/busteroneweek
- https://scenebygreen.com/2022/03/20/one-week-1920/
- https://filmstudiestaylorj.wordpress.com/2018/03/08/buster-keaton-one-week/
- https://resource.download.wjec.co.uk/vtc/2019-20/KO19-20_1-20/KO-buster-keaton.pdf
- https://filmstudiesleeb.wordpress.com/2018/03/17/one-week-buster-keaton-1920/
- https://faroutmagazine.co.uk/buster-keaton-one-week-poetics-of-space/
- http://davesmoviesite.blogspot.com/2014/06/the-films-of-buster-keaton-one-week.html
- https://vintagestardust.wordpress.com/2020/08/16/one-week-1920-art-direction/
- https://silentology.wordpress.com/2014/03/23/thoughts-on-keatons-one-week/
- https://hannahbuttonsalevelfilmstudiesblog.wordpress.com/2022/05/16/one-week-buster-keaton-1920/
- https://en.wikipedia.org/wiki/One_Week_(1920_film)
- https://en.wikipedia.org/wiki/Buster_Keaton
- https://www.youtube.com/watch?v=HqDw-aNMIrQ
- https://www.youtube.com/watch?v=-47ZdY1y3GE
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