Crimetime 357 - Titelfoto © ORF, Petro Domenigg
Wieder die Ostmafia und wer die besseren Gesetze hat
Der Plot in einem Satz: Innenministeriums-Ermittler Moritz Eisner kommt nach Linz und wird mit der Reproduktionsmedizin konfrontiert. Nebenbei geschehen mehrere Morde und es gab selten so viele mittelständische Wohnungen in einem einzigen Tatort zu sehen. Außerdem lernen wir, dass gut Klavier spielen und den Kriminaler umgarnen nicht immer auf echte Absichten oder berechtigte Hoffnungen und friedfertiges Künstlerdasein schließen lassen und dass schwangere Polizistinnen sich resolut in Lebensgefahr begeben, anstatt auf ein SEK zu warten, das ohnehin nicht eintrifft. Nach der ausführlicheren Handlungsbeschreibung kommt die -> Rezension.
Handlung
Als an einem nebligen Herbstmorgen in Linz die Leiche der bekannten Enthüllungsjournalistin Sandra Walch in der Donau aufgefunden wird, löst das im Wiener Innenministerium Alarm aus und Moritz Eisner wird sofort als Sonderermittler losgeschickt. Vor Ort erfährt Eisner, dass die Reporterin an einer brandheißen Geschichte recherchiert hatte, die sie jedoch dann völlig überraschend nicht mehr veröffentlichen wollte.
Von Astrid Heidegger (Martina Theresia Stilp), der besten Freundin der Toten, erhalten Chefinspektor Moritz Eisner und seine Kollegin Karin Brandstätter (Fanny Stavjanik) sowie deren Assistent Wolfgang Rohrmoser (Michael Menzel) von der Linzer Mordkommission einen ersten konkreten Hinweis – offenbar ging es Sandra Walch um die Aufdeckung schmutziger Geschäfte mit künstlichen Befruchtungen.
Ermittlungen in einem Fitness-Studio und in einem weiteren Mordfall, bei dem der Gentechniker Max Biro (Arthur Klemt) erschossen wird, führen zu einer Klinik, in der künstliche Befruchtungen durchgeführt werden. Mit der Erfüllung des Kinderwunsches von verzweifelten Paaren lässt sich offenbar viel Geld verdienen. Doch was ist das dunkle Geheimnis dieser Klinik, das schon zwei Todesopfer forderte? Wer sind die Drahtzieher im Hintergrund und welche Rolle spielt die schöne Musikerin und Pianistin Maria Drenkow (Dorka Gryllus), die auch mit Eisners Herz spielt?
Als der Chefinspektor bei der Durchsuchung einer Wohnung nur um Haaresbreite einem Mordanschlag entgeht, wird ihm blitzartig klar, dass der Killer offenbar genau Bescheid gewusst und auf ihn gewartet hatte. Kurz darauf werden die Besitzer eines Fitness-Studios, Stefan Weber (Daniel Keberle) und seine Frau Julia (Tamara Metelka), denen die Klinik regelmäßig Patientinnen zur Schwangerschafts-Gymnastik schickte, durch die Entführung ihres Sohnes erpresst. Moritz Eisner weiß jetzt, dass den ausländischen Auftraggebern jedes Mittel recht ist, um in den Besitz von brisanten Dokumenten zu kommen, die die kriminellen Machenschaften aufdecken würden.
Rezension
Viele der Eisner-Tatorte der letzten Jahre zählen zu den besseren der Reihe, zumal die Qualität an vielen deutschen Standorten nachließ (besonders in 2013) (1). Aber jetzt gibt es Bibi Fellner, die prächtig asymmetrisch mit dem Grantler aus Wien harmoniert. Mittlerweile haben sie sich auch getraut, die Ansätze zum Überdrehten, die „Kinderwunsch“ bereits zeigt, voll auszuspielen. Realistisch ist das alles nicht, aber es ist konsequent, was zum Beispiel „Kein Entkommen“ zum ersten Top-Eisner gemacht hat – gemäß Rangliste des Tatort-Fundus (2).
Doch an „Kinderwunsch“ gibt es einiges zu bemängeln. Da ist zum einen das Thema selbst bzw. der Umgang damit. Ausgerechnet da, wo man mit Tatbeständen dealt, die nicht jedem geläufig sind, wir zu wenig Grundinformation geliefert. Es wird gezeigt, wie Eizellen künstlich befruchtet werden, es wird etwas von Gesetzen zum Embryonenschutz gemunkelt, die in unterschiedlichen Ländern einerseits unterschiedlich streng, andererseits unterschiedlich gut sind. Das eine ist das Gegenteil vom anderen, wenn wir richtig folgen konnten. Falls Sie diesen Satz nicht verstanden haben, uns ging’s beim Anschauen des Tatorts nicht besser. Es wird seine Gründe haben, dass das Thema als solches von den Tatort-Fans auf oben genannter Plattform kaum referiert wird, sondern dass man sich eher auf den Eindruck von der Handlung und deren Verlauf und auf Eisner als Ermittler konzentriert – das ist bei so emotionalen Themen in der Regel anders und belegt, was wir schon während des Films dachten: Die Angelegenheit ist halb und halb verschenkt durch einen zunächst Halb-Whodunnit und dann Halb-Thriller.
Viele der Eisner-Tatorte der letzten Jahre zählen zu den besseren der Reihe, zumal die Qualität an vielen deutschen Standorten nachließ (besonders in 2013) (1). Aber jetzt gibt es Bibi Fellner, die prächtig asymmetrisch mit dem Grantler aus Wien harmoniert. Mittlerweile haben sie sich auch getraut, die Ansätze zum Überdrehten, die „Kinderwunsch“ bereits zeigt, voll auszuspielen. Realistisch ist das alles nicht, aber es ist konsequent, was zum Beispiel „Kein Entkommen“ zum ersten Top-Eisner gemacht hat – gemäß Rangliste des Tatort-Fundus (2).
Doch an „Kinderwunsch“ gibt es einiges zu bemängeln. Da ist zum einen das Thema selbst bzw. der Umgang damit. Ausgerechnet da, wo man mit Tatbeständen dealt, die nicht jedem geläufig sind, wir zu wenig Grundinformation geliefert. Es wird gezeigt, wie Eizellen künstlich befruchtet werden, es wird etwas von Gesetzen zum Embryonenschutz gemunkelt, die in unterschiedlichen Ländern einerseits unterschiedlich streng, andererseits unterschiedlich gut sind. Das eine ist das Gegenteil vom anderen, wenn wir richtig folgen konnten. Falls Sie diesen Satz nicht verstanden haben, uns ging’s beim Anschauen des Tatorts nicht besser. Es wird seine Gründe haben, dass das Thema als solches von den Tatort-Fans auf oben genannter Plattform kaum referiert wird, sondern dass man sich eher auf den Eindruck von der Handlung und deren Verlauf und auf Eisner als Ermittler konzentriert – das ist bei so emotionalen Themen in der Regel anders und belegt, was wir schon während des Films dachten: Die Angelegenheit ist halb und halb verschenkt durch einen zunächst Halb-Whodunnit und dann Halb-Thriller.
Die österreichischen Tatorte der frühen und mittleren Eisner-Phase waren manchmal ganz schön artifiziell, und dann gab’s doch immer wieder Schmäh. „Kinderwunsch“ wirkt ebenso künstlich wie die Befruchtung der Frauen aus hier gezeigten Paaren, die an Kinderlosigkeit leiden. Da wurde mit zu vielen Personen agiert, was für zu viele Wohnungsbegehungszenen sorgt, diese Begehungen sind aus Vereinfachungsgründen meistens illegal. Das passt wieder zur Tatsache, dass der Sonderermittler Eisner außerhalb des Rechts zu stehen scheint und sich demgemäß bewegen darf. Macht schon Spaß, ihm dabei zuzuschauen, vor allem, wenn er schon körperlich verletzt ist und dann erst richtig aufdreht.
Nicht nur sein Handeln erinnert stark an amerikanische Polizeiserien, sondern auch die große, böse Mafia mit dem gewissenlosen Killer in Schwarz, manchmal auch mit Mütze und Sonnenbrille. Und da ex oriente das Böse, kommen die Jungs natürlich aus der Ukraine, ebenso, wie die Geldgeber der dunklen Reproduktionsklinik aus verschiedenen östlichen Ländern stammen. Eigentlich schade, dass die Österreicher mit solch übertriebenen Klischees immer wieder an ihrem eigentlich guten Verhältnis zu den mittelosteuropäischen Ländern kratzen – zumindest im Film. Dafür haben sie nicht so auf die PC zu achten wie unsere Sender.
Wie auch auf die Schleichwerbung. Ja, damals, als der 5er Golf noch neu war, dazu als rassiger GTI. Dass VW in Österreich so beliebt ist, freut uns ja, denn das ist immerhin eine der sozialsten Autofabriken weltweit, zumindest, was die Produktion in Deutschland betrifft. Bei uns müssen aber mittlerweile sogar die Marken-Logos verdeckt werden, obwohl eh jeder sieht, um welches Produkt es sich bei einem Ermittler-Dienstwagen handelt.
Trotzdem war’s etwas aufgetragen, zumal auch sonst fast nur Wolfsburger Autos zu sehen waren, bis auf ein paar kleinere und ältere Modelle. Ein solches fuhr die schöne Pianistin, die sich auf eine zunächst grundlos scheinende Weise ins Leben des Ermittlers und in sein schönes Linzer Quartier schleicht, in dem es ein Piano gibt. Was für ein Glück, aber offenbar hat die Ostmafia das gewusst und eine Pianistin auf Romantik-Tour zu Moritz geschickt. Dass daraus nix werden kann, ist so klar wie bei allen Polizisten-Romanzen. Auch, dass ein Cop sich in eine Frau verguckt, die auf der bösen Seite steht, sehen wir hier nicht zum ersten Mal und menschlich ist es ja, dass sowas passieren kann. So richtig wird nicht klar, was das Ganze soll, denn sie klaut ja offenbar nicht seine Ermittlungsarbeiten, und dafür, ihn umzulegen, hätte es weniger aufwendige Ansätze gegeben.
Zumal Eisner beweist, dass er die direkte Konfrontation nicht scheut, ebenso wie seine Kollegen aus Linz. Eine schusssichere Weste wirkt dabei Wunder. Allerdings ist der Aufprall der Kugel doch recht heftig, und dass eine schwangere Polizistin so locker in eine Schießerei geht, zumal solch brutale Ost-Killer ja auch auf ihren Kopf hätten zielen können, gehört zu den vielen fragwürdigen Momenten in diesem Tatort.
Finale
In deutschen Tatorten ist der schlussendliche Einsatz des SEK schon ein Ritual, selbst wenn er übertrieben erscheint. Hier ist es umgekehrt, die Übertreibung liegt angesichts der Gefährlichkeit und Skrupellosigkeit des Gegners darin, dass drei brave Ermittler sich aufs Mafia-Flussschiff begeben und dort ein entführtes Kind befreien. Im realen Leben ist beinahe zu 100 % garantiert, dass so etwas schiefgeht.
Ebenso hoch dürfte der Wahrscheinlichkeitsquotient sein, dass auch eine betrügerische Fortpflanzungsklinik, die Kuckuckseier verkauft, sich nicht auf eine so rabiate Weise aller Kritiker zu entledigen sucht. Weiterhin können wir uns nicht vorstellen, dass bei derart vielen Vertauschungen nicht längst etwas ans Tageslicht gekommen wäre, besonders, wo doch die braven Bauern in der Umgebung zuweilen den Verdacht haben, diese dunkeläugigen Kinder könne nicht die ihren sein. Ein Gag wäre ein Kind mit schwarzafrikanischem Aussehen gewesen, aber auch so wirkt die Szene, in welcher erklärt wird, warum die Journalistin, die das erste Mordopfer darstellt, die Story über die manipulativen künstlichen Befruchter nicht bringen wollte.
Auch wenn Eisner das unmoralisch findet, die Journalistinnen-Kollegin, die dann doch für die Veröffentlichung sorgen will, tut im Grunde ihre Pflicht. Es geht ja nicht nur um Leute, die sich bereits haben hereinlegen lassen, sondern auch und vor allem darum, weiteres illegales Handeln zu unterbinden.
Uns hat’s nicht besonders hereingezogen, was einerseits wohl daran liegt, dass uns das Thema nicht so nah ist, andererseits an der Machart des Films.
6/10
(1) Die vorliegende Rezension wurde 2013 verfasst und 2015 veröffentlicht.
(2) Obwohl besonders in 2014 neue Tatorte vordere Plätze besetzt haben, ist „Kein Entkommen“ immer noch unter den Top 20 zu finden (Stand März 2015).
© 2019, 2015, 2013 Der Wahlberliner, Thomas Hocke
Besetzung
Chefinspektor Moritz Eisner – Harald Krassnitzer
Gruppeninspektor Karin Brandstätter – Fanny Stavijanik
Astrid Heidegger – Martina Theresia Stilp
Max Biro – Arthur Klemt
Maria Drenkow – Dorka Gryllus
Melanie Kubicek – Sabine Haupt
Julia Weber – Tamara Metelka
Philipp Weber – Calvin Claus
Dr. Beck – Johannes Zeiler
Chefredakteur – Gerhard Naujoks
Josef Koltay – Julian Sharp
Adelheid Hausner – Gerti Drassl
Katlovski – Manuel Rubey
Gebhard Hausner – Holger Schober
Dr. Ziegler – Serge Falk
Stefan Weber – Daniel Keberle
Gerlinde Biro – Ursula Strauss
Kriminalassistent Wolfgang Rohrmoser – Michael Menzel
u.a.
Buch – Thomas Braun und Walter Bannert
Regie – Walter Bannert
Kamera – Duli Diemannsberger
Musik – Ludwig Eckmann
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