Wolfsland – Polizeiruf 110 Fall 340 / Crimetime 407 // #Polizeiruf110 #Polizeiruf #Krause #Lenski #Wolf #Wolfsland #RBB #Brandenburg

Crimetime 407 - Titelfoto © RBB, Oliver Feist

Der Mensch ist dem Mensch ein Wolf

Diese Landschaft. Und diese wunderbaren Tiere. Es ist ein Unrecht ihnen gegenüber, dass sie herhalten müssen, um negatives Verhalten von Menschen gegenüber anderen Menschen zu illustrieren. Aber so geht es ja vielen Tierarten. Warum nur? Kommen wir dem Geheimnis im 340. Polizeiruf auf die Spur? Mehr dazu in der -> Rezension.

Handlung

Kriminalhauptkommissarin Olga Lenski und Polizeihauptmeister Horst Krause werden an eine entlegene Stelle in Brandenburg gerufen. Am vermeintlichen Tatort befindet sich allerdings nur ein totes Tier, nicht wie polizeilich über Funk gemeldet eine menschliche Leiche. Dennoch sind sie ganz froh zum richtigen Zeitpunkt eingetroffen zu sein, denn die Gutsbesitzerin Elisabeth von Taupitz bedroht gerade den Tierschützer Stefan Waldner mit einem Gewehr. Er hatte ihr einfach einen erschossen Wolf vor die Tür gelegt, da er sie für die Auftraggeberin dieser Tat hält. Da „Wolfsmord“ unter Strafe steht, hatte er die Polizei alarmiert. Kommissarin Lenski erklärt dem aufgebrachten jungen Mann, dass sie nur bei Mord an Menschen zuständig ist. Doch dann entwickelt sich schneller als gedacht ein richtiges Mordverbrechen. Noch während sie im Dorf den Fall erörtern, wird in der Nähe auf Waldners Wohnwagen geschossen. Darin wartete gerade sein Freundin Jule Sobowski, die durch Splitter leicht verletzt wird. Jules Vater ist empört, schließlich gehört er mit zum Jagdvorstand des Dorfes und ist von der Ansiedlung des neuen Wolfsrudels wenig begeistert. Demzufolge missfällt es ihm, dass sich ausgerechnet seine Tochter mit diesem Naturschützer einlässt, den er für einen Parasiten hält, der sich nur sein Aussteigertum vom Staat bezahlen lässt.

Auch Jules Vater hält Waldner für den Mörder an Hagen Stamm, denn er weiß, dass seine Tochter nicht die Nacht bei dem Tierschützer verbracht hat, sondern zu Hause war. Als Sobowski Waldner im Wald begegnet, schlägt er ihn mit einem Knüppel nieder und entwendet ihm das GPS-Gerät, womit er das Wolfsrudel finden kann. Er hofft, dass mit den Wölfen auch Waldner wieder verschwinden würde, wenn er ein wenig nachhilft, denn er war mit ihm zusammen hier im Ort in die Schule gegangen und hatte noch eine alte Rechnung mit Waldner offen. Nachdem Waldner ihm folgt und Sobowski beginnt auf die Wölfe zu schießen, stürzt sich der Tierschützer auf ihn. Zum Glück war Kommissarin Lenski den beiden gefolgt und kann verhindern, dass Waldner noch einen Menschen der Wölfe wegen erschlägt.

Für Waldner stellt die Arbeit mit den Wölfen ein Lebenswerk dar und er ist wild entschlossen, seine Tiere vor den Menschen zu schützen. Als am nächsten Tag der Tierarzt Hagen Stamm erschlagen aufgefunden wird, gerät Waldner unter Mordverdacht. Nach der kriminaltechnischen Untersuchung wurde aus dem Gewehr des Tierarztes der Wolf erschossen und der Anschlag auf Waldners Wohnwagen verübt. Jule erklärt zwar die ganze Nacht mit Waldner zusammen gewesen zu sein, doch überzeugt das die Kommissarin nicht. Sie bemerkt immer mehr, wie wichtig Waldner diese Tiere sind, zu denen er sich geflüchtet hat, da von den Menschen enttäuscht ist. Um sie zu schützen, würde er wahrscheinlich auch töten.

Rezension

Am Ende gewinn die Wölfe mehr als Symbol dafür an Wert, was Menschen gerade nicht sind: soziale Wesen. Denn die Auseinandersetzungen der Dörfler mit dem, der mit den Wölfen zurückkehrt, haben tiefere Ursachen in einer Zeit, in der es in dieser Gegend von Brandenburg gar keine Wölfe gab. Nicht mehr. Und noch nicht wieder. Es ist ein ruhiger Film, in dem Tiere von Menschen beobachtet werden, mit Kameras, Feldstechern und Gewehren liegen sie auf der Lauer. Jeder dieser Menschen hat gemäß seiner sozialen Stellung und seinem Charakter eine genau darauf zugeschnittene Behausung. Auch die Wölfe. Sie leben in der großen, wilden Natur und sind ein integraler Bestandteil von ihr, anders als die Nutztiere, die ihretwegen eingezäunt werden. 

Was hat uns am besten gefallen? Die Landschaft mit den Wolfsrudeln, die da durchstreifen und wie sie nachts auch mal in die Dörfer kommen – sind sie wirklich so scheu oder doch auch neugierig? 

Was fanden wir am nervigsten? Etwas, das gar nichts mit der Handlung und der Haltung des Films zu tun hat. Wir verstehen nicht, warum Rollen immer wieder so besetzt werden, dass man eine Störung im Gleichgewicht der Natur empfindet. Das bereits ausgewachsene Mädchen, das sich in Wolfsmenschen namens Waldner verknallt hat, ist nicht nur 20 cm kleiner als ihre Mutter, sondern auch ein ganz anderer Typ als beide Eltern. Wenn wir bei einem Film Regie zu führen hätten, würden wir eine solche Besetzung verweigern, weil es schwierig ist, bei einem Miscasting Authentizität herzustellen. 

Hier hatte Ed Herzog die Inszenierung zu leisten und auch am Drehbuch mitgearbeitet – wobei wir es immer spannend finden, uns vorzustellen, ob er nun mehr am Plot oder an den Dialogen gefeilt hat. Die Schauspielerführung ist gut, aber nicht auffällig besser als in anderen Polizeirufen dieses Teams, das ohnehin eine sehr hohe Präsenz hat. Horst Krause hatte zwar nach dem Start der Zusammenarbeit mit Olga Lenski etwas mehr zurückzutreten, so jedenfalls unser bisheriger Eindruck, aber Lenski-Darstellerin Maria Simon schafft auch, was ihrer Vorgängerin Imogen Kogge verwehrt blieb: Dass man ihre Polizistinnenfigur per se interessant findet und sie in jedem Plot funktioniert, weil sie bei aller Individualität so weit anpassungsfähig ist, dass sie als integraler Bestandteil des Szenarios erscheint und nicht wie ein Fremdkörper, der außerdem  noch ständig am Bewerten ist. 

Lenski verschmilzt hier nicht so mit dem weiten, starken Land wie in „Käfer und Prinzessin„, den wir kürzlich rezensiert haben und der ebenfalls unser Verhältnis zur Natur thematisiert hat – aber sie ist dieses Mal auch nicht durch die alte Freundschaft zu einer Verdächtigen eingebunden. Wenn hingegen Horst Krause mit seinem Motorrad + Beiwagen und dem süßen Hund im Beiwagen durch die Gegend fährt, ist er ohnehin Teil des Ganzen und eine der schönsten Figuren, die je als Dauerrolle in einer Polizeiruf- oder Tatortschiene angelegt wurde. Die Identität zwischen Darsteller und Figur dürfte nicht nur wegen der Namensgleichheit sehr hoch sein.

So dramatisch die Handlungen auch sein mögen, die Brandenburg-Schiene des Polizeirufs war immer auch zum Genießen, wegen der optischen Reize, die man ausgespielt hat, wegen der interessanten Charaktere, die man dort ansiedeln konnte. Allerdings ging Krause zwei Jahre nach „Wolfsland“ in den Ruhestand und Lenski hat nun im deutsch-polnischen Kommissariat in einem viel spannungsreicheren Verhältnis zum jungen Kollegen Raczek zu agieren. 

Finale

Wer möchte nach diesem Film nicht mit den Wölfen heulen? Selbst wenn deren Verteidiger nicht vor Gewalttaten zurückschreckt, um sie zu schützen. Der Mann lebt in einem kleinen Bauwagen, ist zu Fuß unterwegs, sein biologischer Fußabdruck ist mäßig, seine Anstellung beim Staat ehrenhaft, während seine Gegner das böse Gestern repräsentieren und in einem verfallenden Gebäude von gestern wohnen (die adelige Jagdpächterin) oder ein seelenloses, protziges Neubauhaus bewohnen, wie der Jugendfeind mit dem Rasenmäher-Roboter. Wir verstehen schon, wer im Einklang mit dem großen Draußen lebt und wer davon entfremdet ist und eben kein Wolf ist, sondern ein intrigantes Arschloch, das seinerzeit dem Waldnerz einem Heimaufenthalt verholfen hat, weil er die republikfluchtbereiten Eltern denunzierte. Sehr interessant, dass das alles stattgefunden haben soll, als Waldner und sein Gegner etwa 13 Jahr alt waren, immerhin wurde der Film 23 Jahre nach der Wende gedreht und so betagt, dass das gut hinkommen könnte, wenn man von 1988-89 als Zeitraum des Geschehens ausgeht, wirken die beiden nicht.

Schwamm drüber, auch über die alle zu plane und allzu abgedroschene Plot-Karte mit den Verrätern und den Verratenen in Sachen Ostwest, die man schon in unzähligen Tatorten und Polizeirufen und natürlich in vielen weiteren Filmen gezogen hat. Es ist ein Krimi für Wolfsliebhaber_innen. Das heißt, wer die Schäferposition einnimmt, wird daran nicht so viel Spaß haben, Städter wie wir schon, obwohl wir Füchse und Wildschweine in Berlin haben, die hier auch irgendwie fremd wirken. Aber es gib ja auch Heuschrecken und Haie, wer hätte das gedacht?

© 2019 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

Regie Ed Herzog
Drehbuch Rainer Butt
Produktion Mario Krebs
Musik Martin Probst
Kamera Sebastian Edschmid
Schnitt Vera Theden
Besetzung

 


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