Sachsen, erste Hochrechnung:
CDU 32 (-7,4) Prozent, Linke 10,6 (-8,3) Prozent. SPD 7,9 (-4,5) Prozent, AfD 27,3 (+17,6) Prozent, Grüne 8,8 (+2,1), FDP 4,8 (+3,3), andere 8,2 Prozent
Keine CDU-SPD-Regierung, Schwarz-Grün wäre knapp möglich, 2RG bei Weitem nicht.
Brandenburg, zweite Hochrechnung:
SPD 27,2 (-4,7) Prozent, CDU 15,4 (-7,6) Prozent, LInke 10,8 (-7,8)Prozent, AfD 22,7 (+12,6), Grüne 10,4 (+4,2) BVB/FW 5,0 (+3,3), FDP 4,8 (+3,3) Prozent, Andere 3,6 Prozent.
Rot-Rot ist nicht mehr möglich, wohl aber R2G, wie in Berlin – oder eine SPD-CDU-Grüne-Regierung.
Sehr starke Verluste für DIE LINKE in beiden Ländern, hohe Wahlbeteiligung hat auch der AfD geholfen, entgegen unserer Hoffnung aus dem Ausgangsbeitrag. Die Regierungsparteien CDU (Sachsen) und SPD (Brandenburg) schneiden nicht ganz so desaströs ab, wie noch vor Kurzem befürchtet.
Unser erster Eindruck von diesem Ergebnis, das sich noch um ein paar Zehntelprozentpunkte verändern mag, konzentriert sich auf einige Aspekte, die von der ARD grafisch dargestellt wurden und die widersprüchlich wirken: Auf der einen Seite wählen in Sachen immer noch 60 Prozent die AfD aus Protest, nicht aus Überzeugung. Dass sie in den Regionen des Niedergangs stärker abschneidet als in den Wachstumsregionen, stimmt damit überein und stärkt diejenigen, die behaupten, die AfD sei vor allem eine Partei, die gewählt wird, weil die anderen nicht überzeugen. Mithin: Mehrheitlich nicht von stramm rechtsorientierten Menschen, das wären in Sachsen nur etwa 10 bis 11 Prozent der Wähler*innen, sofern sie nicht bei den „anderen“ verortet sind.
In Brandenburg wird die SPD wohl weiterhin den Ministerpräsidenten stellen und im Kompetenzvergleich erhält die AfD ganz schwache Werte bei den sozialen Themen – im Vergleich mit der SPD, die aber auch bei weitem nicht gut abschneidet. Das würde auch bedeuten, dass die Protestwähler sich sehr wohl der Tatsache bewusst sind, dass sie mit der AfD nicht etwa eine bessere Alternative wählen, wenn sie aus strukturschwachen Regionen kommen und Angst vor der Zukunft haben, sondern sehenden Auges eine Rechtspartei.
Alle anderen Parteien haben damit ein massives Problem – außer den Grünen. Zwischen ihnen und der AfD dürfte es kaum Wählerwanderungen gegeben haben. Die SPD kann zwar ihre Verluste mit jeweils etwa 5 Prozent einigermaßen in Grenzen halten, aber fünf Prozent in Sachsen von über 12 auf knapp 8 – das ist das schwächste Ergebnis der SPD in der Geschichte der Bundesrepublik bei Landtagswahlen. Auch andere Parteien haben historisch schlechte Ergebnisse eingefahren. Die SPD auch in Brandenburg, die CDU in Sachsen und in Brandenburg.
Am schockierendsten für uns ist aber nicht, dass Parteien die Quittung für eine nicht an den Interessen der Menschen orientierte GroKo-Politik auf Bundesebene bekommen, sondern dass die Oppositionspartei DIE LINKE prozentual noch stärker verliert als die CDU und die SPD. Weil sie nicht den Protest gegen die CDU-SPD-Politik auffangen konnte, sprechen wir von einem Rechtsruck, ein paar Grünwähler*innen mehr ändern nichts an diesem Trend. In beiden ostdeutschen Flächenländern, in denen heute gewählt wurde, wurde die AfD jeweils klar zweitstärkste Partei, jeweils nur ca. 5 Prozent von der SPD bzw. der CDU entfernt.
Es war lange vorauszusehen, dass die AfD stark zulegen würde, wir hatten gehofft, dass die AfD wenigstens in Brandenburg unter 20 bleiben und in Sachsen die 25 nicht überschreiten möge. Dann hätte man wenigstens von einem Stopp des Rechtstrends sprechen können. Diese Hoffnung wird sich nicht bewahrheiten. Was wir aber auch gehofft hatten: Dass es die SPD und die CDU als Auslöser der großen Unzufriedenheit stärker treffen wird und dass DIE LINKE davon profitieren kann, dass sie u. a. gerade in Berlin versucht, tatsächlich ein wenig linke Politik zu machen. Das ist natürlich übersetzt, der Mietendeckel ist derzeit kein Thema in Brandenburg oder Sachsen. Aber es geht ums Grundsätzliche. Um den Eindruck, den Parteien vermitteln. Und im Osten vagabundiert die Sehnsucht nach sozialer Sicherheit frei umher und sucht sich falsche Freunde. Leider hat sich auch diese Hoffnung nicht bestätigt.
Nun denken wir uns hinzu, dass die Wirtschaft in letzter Zeit ins Stocken geraten ist. Nehmen wir an, das wächst sich zu einer handfesten, mehrjährigen Rezession aus. DIeses Szenario halten wir angesichts der Probleme in die Zukunft verschiebenden Fails bei der Krisenbewältigung nach 2008 nicht für ausgeschlossen.
Die GroKo-Parteien werden dann sicher bei den nächsten Bundestagswahlen im Osten nicht als sicherer Hafen angesteuert, DIE LINKE kann die Kompetenz, es besser zu machen, nicht vermitteln, die Suche nach Schuldigen wird die Falschen am meisten treffen – die Schwächsten, diejenigen, die neu ins Land kamen und kommen, weil es woanders noch schlechter aussieht. Die Landesregierungen konnten sich heute ein wenig von Berlin absetzen, sich aber dem Trend nicht entziehen. Der Bundestrend und der Landestrend liefen fast parallel, mit einem kleinen Gap am Ende zugunsten beliebter Ministerpräsidenten.
In Berlin, auf Landesebene, wird zuletzt einiges richtig gemacht, deswegen machen wir uns auch keine Sorgen, dass in Berlin die AfD ebenfalls in Umfragen und dann bei Wahlen durchmarschieren könnte, solange 2RG den eingechlagenen Kurs nicht nur hält, sondern verstärkt. Diese Ansicht basiert aber auch darauf, dass wir nicht nur glauben, Berliner*innen halten Krisen gut aus, wenn sie denn kommnen, sondern auch, dass sie mehrheitlich nicht gesellschaftlich nach rechts tendieren. Diese beiden Aspekte sind nicht so leicht voneinander zu trennen, wie manche glauben. Es ist eine Mentalität, die bestimmte Dinge wichtiger ansieht als andere; die also andere Prioritätensetzungen verursacht. Hier dreht nicht jeder am Rad, wenn Solidarität gefragt ist.
Wenn die Aufstiegsstory auch in den stärkeren Ostregionen zum Erliegen kommt und trotz aller statistischen Tricks die Arbeitslosigkeit wieder zunimmt, sehen wir das, was wir seit Langem befürchten: Die AfD als stärkste Partei in diesen Bundesländern. Fünf Prozent Abstand derzeit, das sind nur 2,5 weniger für die CDU oder die SPD und 2,5 mehr für die AfD. Das ist fast nichts, solche Verschiebungen können sich innerhalb weniger Wochen ergeben. Und wenn es so kommt, dann wird das Regieren mit einer Volksfront notwendig sein, in der auch die CDU und DIE LINKE nicht mehr sagen können, wir gehen nicht miteinander. Oder die CDU geht nach rechts und macht damit den Rechtsruck komplett und gibt ihre Ansprüche auf, eine „Partei der Mitte“ zu sein. Das Ergebnis wäre, dass die CDU ihren Kern verliert, siehe SPD auf Bundesebene seit vielen Jahren und die AfD davon massiv profitiert.
Es gibt zwei Dinge, die nun endlich angegangen werden müssen: Die SPD muss raus aus der Bundes-Groko, um auf Landesebene mehr Power und insgesamt mehr Glaubwürdigkeit zu vermitteln und DIE LINKE muss sich endlich selbst ins Auge schauen und sich nicht mehr, wie wir das gerade beim MIthören wieder erleben, die Lage schönreden, sondern anerkennen, dass sie den Bezug zu den Menschen weitgehend verloren hat.
Sie ist eingeklemmt zwischen den Grünen, die ihr die Jungwähler wegnehmen und der SPD, die auf Landesebene stärkere Angebote zu machen scheint und der AfD, an die sie viele frühere Wähler verloren hat. Das gegenwärtige Personal, das für alles Mögliche steht, aber sicher nicht für eine Politik, die Menschen in schwierigen Lagen Vertrauen schenkt, wird dazu nicht in der Lage sein sondern sich darauf verlassen müssen, dass im Westen links sein etwas schicker wird als bisher. Gut möglich, dass diese Rechnung aufgeht, aber dort sind die Grünen eine übermächtige Konkurrenz, das ist im Osten noch nicht so.
Eine Möglichkeit gibt es für DIE LINKE und auch für die SPD, dafür muss DIE LINKE aber in Brandenburg in der Regierung bleiben: Sich mit offensiven Ideen für Menschen und gegen Konzerne und das Großkapital einen Namen zu machen und der SPD so die Aufgabe abnehmen, wirklich voranzugehen. Es spielt offensichtlich keine Rolle, ob sie in der Opposition ist, wie in Sachsen, oder schon regiert, wie in Brandenburg, 2019 wird es zu dramatisch schlechten Ergebnisse kommen. Daher: Auf das Profil kommt es an und Personen, die das repräsentieren, was wichtig ist.
Alles andere ist leider im Moment Quatsch. Denn gesellschaftspolitisch werden die Grünen als maßgeblich angesehen – obwohl sie in einigen Punkten bei weitem nicht so weit in die Utopie hineingehen wie mittlerweile DIE LINKE. Vielleicht auch deswegen. Ansonsten wird sich das fortsetzen, über was der grüne Aufschwung hinwegtäuscht und von Berlin abgesehen, wo der Kampf um die Stadt linke Kräfte mobilisiert: Das Land tendiert mehr nach rechts. Die AfD gewinnt mehr, als die CDU verliert, die SPD und DIE LINKE verlieren ebenfalls. Wenn das nicht hingenommen werden soll, muss die Bundespolitik endlich einen Wechsel vollziehen. Die CDU wird ihn nicht angehen, warum auch, in ihrer sicheren Machtposition? Also muss er von der SPD kommen, die offenbar immer noch nicht gemerkt hat, dass sie um ihr Überleben kämpfen muss.
TH
Ausgangsbeitrag von 15 Uhr
Wenn der Erfolg von Demokratie sich an der Wahlbeteiligung messen lässt, dann werden die heutigen Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen ein Erfolg für die Demokratie sein.
Eine fast doppelt so hohe Neigung wie 201,4, zur Urne zu gehen, wurde am Mittag aus Dresden gemeldet.
Un so sieht es in Leipzig aus. Das nochmal um einiges höhere Ergebnis in Dresden könnte darauf hindeuten, dass alle, die keinen AfD-Durchmarsch wollen, dort auf den Beinen sind. In Leipzig ist das bekanntlich ein nicht ganz so großes Problem.
Nicht ganz so großartig sieht es in Brandenburg aus, aber auch hier zeichnete sich um 14 Uhr eine deutlich höhere Wahlbeteiligung ab als 2014.
Wir hoffen an dieser Stelle inständig, dass die hohen Wahlbeteiligungen auf die Mobilisierung aller AfD-Gegner*innen zurückzuführen sind, die begriffen haben, dass man um die Demokratie kämpfen muss, wenn man Ansprüche an die Demokratie stellen will.
TH
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