Die Firma (The Firm, USA 1993) #Filmfest 835

Filmfest 835 Cinema

Ziehst du als Absolvent in die Provinz

Die Firma (Originaltitel: The Firm) ist ein US-amerikanischer Spielfilm aus dem Jahr 1993. Der Regisseur war Sydney Pollack, das Drehbuch schrieben David RabeDavid Rayfiel und Robert Towne anhand des gleichnamigen Romans von John Grisham. Die Hauptrollen spielten Tom CruiseJeanne Tripplehorn und Gene Hackman.

Selbst, wenn man noch keine Anwaltszulassung hatte, konnte man in den frühen 1990er Jahren in den USA bereits 100.000 Dollar im Jahr verdienen und die Topfirmen gaben sich die Klinke in die Hand, um Topstudenten zu werben. Ein Traum. Aber Havard ist ja auch nicht irgendeine Universität und Mitch McDeere nicht irgendein Student, sondern wird von Tom Cruise gespielt, was den Verdacht nahelegt, dass es sich um einen besonders begabten Jungjuristen handelt. Mehr lesen Sie in der -> Rezension.

Handlung (1)

Mitch McDeere absolviert sein Jurastudium an der Harvard University mit hervorragenden Noten, woraufhin er zahlreiche Arbeitsangebote von renommierten Steuer- und Wirtschaftskanzleien im ganzen Land erhält. McDeere entscheidet sich für die Kanzlei Bendini, Lambert & Locke mit Sitz in Memphis, die sich als finanziell sehr großzügig und familienfreundlich präsentiert und sich offensichtlich auch um das Privatleben ihrer Mitarbeiter kümmert. McDeere und seine Frau ziehen nach Memphis und fühlen sich zunächst wohl.

Kurz nach seinem Arbeitsbeginn sterben zwei Anwälte der Kanzlei und erste Seltsamkeiten fallen McDeere auf. Durch das FBI erfährt er, dass nun insgesamt schon vier Anwälte der Kanzlei auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen sind. Das FBI teilt ihm auch mit, dass McDeeres Kanzlei für eine Mafiafamilie tätig ist und irgendwann zerschlagen werden soll. Er soll Akten beschaffen und durchstecken, die die Kanzlei auf den Cayman-Inseln lagert, und dadurch eine geplante Zerschlagung unterstützen. McDeere weiß, dass ein Verrat der Mandantengeheimnisse ihn seine Zulassung als Anwalt kosten könnte. Bei seinen Nachforschungen bemerkt er, dass die Vorwürfe des FBI zutreffend sind. Zudem muss er sehr vorsichtig sein, da er durch das FBI weiß, dass er von der Firma überwacht und abgehört wird. (…)

Rezension 

Wenn man selbst ein wenig im Thema ist und auch die Unterschiede zwischen dem amerikanischen Rechtssystem und dem hiesigen spannend findet, sich deswegen auch nicht an den vielen Fakten stört, die der Film nennt, kommt man mit der routinierten Inszenierung von Sidney Pollack gut klar. Dass Bücher fast immer mehr bieten als Filme, schärfer und hintergründiger sind, ist mittlerweile ein alter Hut, besonders, wenn die Bücher so richtig dick sind, wie die von John Grisham, von dem die Vorlage stammt. Aber sie sind auch auktorial und stilistisch eher moderat geschrieben, wenn man so will, die einfachste Variante, um Fakten und Situtionen schnell und oft am Rande der psychologischen Stimmigkeit zu produzieren und Dialoge sehr kontemplativ und umfangreich zu gestalten. Daraus wird ein Beststeller, weil das Hineinschauen in eine Anwaltskanzlei faszinierend ist. Das kann ein Film im Grunde nur besser machen, und er muss das Maß der Verdichtung abwägen.

Sydney Pollack hat sich für eine sehr ausgedehnte Version der Verdichtung entschieden, in der viele Dialogsätze noch dem Original entsprechen. Die Handlung konnte durch die lange Spielzeit viel von ihrer Komplexität bewahren, allerdings hat man ein ganz neues Ende erfunden, das legalistischer ist als im Buch: Mitch findet einen Weg, das FBI und die Firma und die Mafia gleichzeitig in den Sack zu stecken und ohne Verlust der Anwaltzulassung und mit dem Leben davonzukommen.

In dem Moment spätestens haben wir uns doch gefragt, ob ein in der Praxis ganz unerfahrener Student so clever mit Leuten umgehen kann, die seit vielen Jahren in ihrem jeweiligen Geschäft sind und darin absolute Spezialisten. Das Unrealistische ist auch mit das Spannendste an der Sache, denn wäre Mitch nicht so überaus findig, dann wäre er schnell erlegt gewesen. Da der Film seinen Thrill nicht aus den einzelnen Situationen, sondern aus dem Zusammenspiel einer komplizierten Handlungsmechanik bezieht, wäre unter realistischen Umständen kein Thriller entstanden. Es ist ein Roman, der nicht auf einer wahren Begebenheit beruht, der dem Film zur Vorlage dient.

Trotzdem gibt es einige erinnerungswerte Einzelszenen: Etwa die, als Mitch in den Sitzungssaal von BLL gebeten wird, alle Anwälte dort versammelt sind und der Seniorchef anhebt mit den Worten, dass Mitch sich wohl für besonders schlau gehalten habe. Zu dem Zeitpunkt ist Mitch bereits voll im Aktenklau verstrickt und man denkt, jetzt wird er geschlachtet. Dass dies wohl kaum in einer so pathetischen Szene und vor allen Anwälten, sondern eher diskret stattfinden würde, hat man durch den Thrill der Szene gar nicht vor Augen. Und richtig, es geht nur um sein glänzend bestandenes Anwaltsexamen, bei dem eben noch ein anderer Absolvent besser war.

Man könnte mehr solcher Momente verlangen, aber wir haben ja auch die zwischenmenschlichen Beziehungen, über die vieles in diesem Film läuft. Da ist Mitchs Ehefrau Abby, gespielt von Jeanne Tripplehorn (wenige Jahre zuvor, in „Basic Instinct“, war sie die brünette Gegenspielerin von Sharon Stone), deren Loyalität gegenüber ihrem Mann auf eine schwierige Probe gestellt wird, als dieser bei einem Besuch auf den Cayman Islands zum Fremdgehen verführt wurde. Letztlich bleibt sie nicht nur an seiner Seite, sondern hilft ihm sogar sehr aktiv, indem sie Akten der Firma BLL von den Cayman Islands entwendet. Diese Beziehung ist glaubwürdig, routiniert und mit sicherer Hand inszeniert.

Es ist der Anwalt Avery Tolar, der Mentor von McDeere innerhalb der Kanzlei BLL, den Abby umgarnt, um an die Dokumente zu kommen, und dieser wird verkörpert von Gene Hackmann. Es war wohl nicht einfach für diesen sehr guten Schauspieler, einen Mann zwischen Baum und Borke zu verkörpern. Nicht eine zerrissene Persönlichkeit, obwohl fair und korrupt zugleich, sondern jemanden, der  in seiner Berufssituation gefangen ist, eine Geisel der Firma. Aus  dieser Figur hätte man noch mehr herausholen können. Die Spannung zwischen ihm und Mitch bezieht sich beinahe auf eine einzige Szene, in der Avery mit einem Mandanten nicht klar kommt, weil die Chemie nicht stimmt – und Mitch diesen Kunden dann mit Leichtigkeit überzeugt. Diese Szene wiederum hätten wir uns ausgeglichener gewünscht, denn durch sie wirkt Avery wie ein Mann, der sich von einem Youngster locker ausstechen lässt. Für einen weiteren Besuch will er Mitch denn auch nicht mehr auf die Inseln mitnehmen, weil er die Konkurrenz fürchtet. Das wirkt nicht besonders souverän, wenn man es in Relation dazu setzt, dass Avery Jahrzehnte in diesem gefährlichen Laden überstanden hat.

Es gibt schöne Nebenrollen, wie die von Mitchs Bruder Ray oder die Frau des Detektivs, den Mitch anheuert, um dem eigenen Arbeitgeber auf den Zahn zu fühlen, und der gleich darauf von Killern umgelegt wird. Dabei sitzt unter dessen Tisch die Geliebte und wird mit Blut bespritzt. Die Killer bemerken ihre Anwesenheit allerdings nicht. Eine ziemlich seltsame Szene, aber sie hilft später Mitch und dessen Frau, die Akten der Firma zu beschaffen und weiterzuleiten, und sie wird immerhin von Holly Hunter (die kurz zuvor in „Das Piano“ brilliert hatte) gespielt. Sie ist eine der besten Figuren des Films, dezidiert, vulgär und ganz auf Aktion ausgerichtet.

Ein wenig wie ein emotionales Pendant wirkt der FBI-Mann Wayne Terrance (Ed Harris), der brutal und immer gleich auf 180 ist und sich dadurch austricksen lässt, indem eine verbale Drohung gegenüber Mitch von der patenten Tammy (Hunter) mitgeschnitten wird. Ed Harris spielt diesen Typ, der so schnell ein rotes Gesicht bekommt, wenn etwas nicht nach seinen Vorstellungen läuft, ausgezeichnet und schafft so eine der prägnantesten Figuren im Film. Seine Wirkung lässt uns vestehen, warum Mitch sich nicht nur gegenüber seiner Firma, sondern auch gegenüber den Behörden so vorsichtig wie möglich verhält und herumtrickst, anstatt die Akten vertrauensvoll ans FBI auszuhändigen.

Finale

„Die Firma“ ist ein überwiegend gelungener Film, der trotz seiner Länge gut unterhält und hin und wieder kommt der Thrill auf, der einem Thriller eignen sollte. Dadurch, dass man nicht zu viel vom Buch eingedampft hat, sind alle Zusammenhänge, und das sind ja recht viele, verständlich wiedergegeben. Das geht zulasten der Dynamik, keine Frage, und diesbezüglich erwartete man von einem Film nun einmal mehr als von einem Buch, das man über Tage oder eine Woche liest, weil Anfang und Ende in derselben Sitzung erfolgen und man dadurch ein viel stärkeres Gefühl für die Authentizität jeder noch so kurzen Szene bekommt und besser nachvollziehen kann, ob die Handlung logisch ist. Das ist sie, bis auf einige Kleinigkeiten und einige Aspekte, die wir nicht ohne Weiteres überprüfen können, da sie landesspezifisch sind: Etwa die falsche Überstundenabrechnung, die angeblich durch Postversand erst zu einem schweren Bundesdelikt wird.

Eine solche Konstruktion gibt es in Deutschland trotz seiner föderalen Gliederung nicht, Straftat ist Straftat und das Strafrecht eines jener Gebiete, die zumindest im materiellen Bereich keine landestypischen Unterschiede kennen. Für Juristen und Jurastudenten sicher ein besonders interessanter Film, auch für alle, die in Steuerkanzleien oder Firmen areiten, die viel mit Vermögensverwaltung zu tun haben und die genau wissen, dass nicht immer alles mit rechten und gesetzlichen Dingen zugeht. Und die Mafia gibt es hierzulande auch, und sie tut das Gleiche wie in den USA und wie es im Film erwähnt wird: Sie kauft sich mit Geld aus dem Drogenhandel in legale Geschäftsfelder ein und braucht dazu Geldwaschmaschinen. Das können eigene Firmen sein, aber warum nicht eine treuhänderisch arbeitende Steuer- oder Anwaltskanzlei als diskretere Variante?

74/100

© 2022 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)

(1), kursiv und tabellarisch: Wikipedia

Regie Sydney Pollack
Drehbuch David Rabe,
David Rayfiel,
Robert Towne
Produktion John Davis,
Scott Rudin,
Sydney Pollack
Musik Dave Grusin
Kamera John Seale
Schnitt Fredric Steinkamp,
William Steinkamp
Besetzung

 

 

 

 

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