Nevada-Pass (Breakheart Pass, USA 1975) #Filmfest 842

Filmfest 842 Cinema

Nevada Pass (Originaltitel: Breakheart Pass) ist ein US-amerikanischer Western von Tom Gries aus dem Jahr 1975 mit Charles Bronson in der Hauptrolle. Das Drehbuch schrieb Alistair MacLean anhand des eigenen gleichnamigen Romans aus dem Jahr 1974.

Der Film wurde nach einem Roman des Mannes gedreht, der auch für „Die Kanonen von Navarone“ und „Agenten sterben einsam“ verantwortlich war, die Verfilmungen dieser beiden Werke wurden große Kassenschlager. Außerdem ist „Nevada-Pass“ im Grunde kein Western, sondern ein Zug-Krimi, der mit einigen Versatzstücken des Westerns angereichert wird. Natürlich denkt man dabei an „Mord im Orient-Express“ aus dem Vorjahr, nach einer Vorlage von Agatha Christie, aber auch an Hitchcocks „Eine Dame verschwindet“ (1938). War der Film so spannend? Darüber mehr in der –> Rezension.

Handlung (1)

Vereinigte Staaten, 1873: In Myrtle City, einem einsamen Rocky-Mountains-Städtchen im Bundesstaat Nevada, macht ein Zug der WASATCH & NEVADA RAILROAD (W. & N. R. R.) mit einem Transport der US Army halt. Dieser ist mit Versorgungsgütern zum Stützpunkt Fort Humboldt unterwegs, da dort angeblich die Diphtherie ausgebrochen sein soll. In Myrtle taucht auch der örtliche Marshal Nathan Pearce auf, welcher im Saloon den gesuchten Verbrecher und Falschspieler John Deakin festnimmt. Da dieser für einen Anschlag auf einen Armeetransport verantwortlich sein soll, geht Pearce trotz der Missbilligung durch den leitenden Offizier Major Claremont mit Deakin an Bord des Zuges, um ihn vor ein Militärgericht zu bringen.

Im Zug befinden sich neben den Militärs noch der Gouverneur von Nevada, Richard Fairchild, der Arzt Molyneux, Reverend Peabody sowie Marica Scoville, die Tochter des Kommandanten von Fort Humboldt. Es mehren sich merkwürdige Zwischenfälle: Zwei Offiziere werden vermisst, auf der Weiterfahrt bricht die Telegraphenverbindung nach Myrtle zusammen und Doktor Molyneux verstirbt. Als dann auch noch der Heizer aus dem Zug fällt und die Begleit-Soldaten einem Anschlag zum Opfer fallen, schaltet sich Deakin ein, der über medizinische Kenntnisse verfügt. Schon bald steht für diesen fest: Molyneux wurde umgebracht, im Zug befindet sich ein Mörder.

Deakin beginnt – misstrauisch beäugt als Mörder – den Zug nach Hinweisen zu durchsuchen. Neben immer mehr Mordopfern findet er eine große Waffenladung und Dynamit. Seinen beiden einzigen Vertrauten, Marica und Claremont, teilt er dies mit und schließlich vertraut er ihnen auch an, er sei tatsächlich Regierungsagent und schon länger auf der Spur der gestohlenen Waffen gewesen. Sein Partner war der ebenfalls ermordete Reverend Peabody. Drahtzieher des Unternehmens ist Fairchild, der mit der Waffenlieferung Indianer bezahlen will. Diese haben mit dem Gauner Calhoun das Fort eingenommen und die Epidemie vorgetäuscht. Fairchild will ein Lager, das die Gold- und Silbererträge aus ganz Nevada beherbergt, mit Hilfe der Indianer überfallen und die Edelmetallvorräte rauben.

Fairchild steckt zudem mit dem Lokführer, O’Brien und Marshall Pearce unter einer Decke. Das Treffen mit Calhoun und den Indianern soll am Nevada-Pass stattfinden. Deakin und Claremont können jedoch die Strecke mittels des Dynamits sabotieren und den Zug zum Stillstand bringen. Major Claremont holt nun militärische Unterstützung herbei und kann zusammen mit Deakin die Verschwörer überwältigen und töten.

Rezension

Vincent Canby schrieb in der New York Times vom 6. Mai 1976, entweder seien die Filme mit Charles Bronson besser geworden oder er habe den Widerstand aufgegeben. Der Film sei eine „sehr wirkungsvolle Unterhaltung“ („highly efficient entertainment“).[1]

Optisch effektvolle, mäßig spannende Mischung aus Western und Kriminalfilm.“ – Lexikon des internationalen Films[2]

Kniffliger Krimi nach einem Roman von Alistair MacLean, toll gefilmt. Fazit: Agatha-Christie-Krimi im Wilden Westen.“ – Cinema[3]

Tom Gries, der schon das letzte Bronson-Vehikel Der Mann ohne Nerven mit routiniertem Desinteresse über die Runden brachte, verschwendet hier das Talent eines der besten amerikanischen Kameramänner: die flauen Bilder von Lucien Ballard lassen nur selten ahnen, daß sie von dem gleichen Mann stammen, der einige der schönsten Western von Budd Boetticher und Sam Peckinpah photographiert hat.“ – Die Zeit, 1976[4]

Wie man sieht, gehen die Meinungen über „Nevada-Pass“ weit auseinander, das spiegelt sich auch in der aktuellen Durchschnittsbewertung von 6,7/10 in der IMDb, die der Film erhält. Ich fand ihn durchaus spannend und es kommt ihm zugute, dass er nicht sehr lang ist und innerhalb der 91 Minuten Spielzeit doch einiges passiert. Vielleicht liegt es an den Büchern von Alistair McLean, aber ich fand auch in Nevada-Pass wieder logische Unzulänglichkeiten und Fragwürdigkeiten, wie sie mir schon bei den heute noch so gut rezipierten Kriegsfilmen nach dessen Werken auffielen. Es sind natürlich nicht dieselben, aber ein gemeinsames Charakteristikum ist das absolut nicht Zwingende der Handlungsverläufe. Nur zwei besonders prägnante Beispiele: Wieso darf Deakin plötzlich frei im Zug herumlaufen? Weil die Gangster meinen, er sei für sie nicht gefährlich, weil ebenfalls ein Verbrecher?

Der Senator scheint echt zu sein, nicht mit einer falschen Identität unterwegs. Offenbar wirken Watergate & Co. nach, aber meines Wissens hat sich niemals ein US-Politiker persönlich an einem solchen Coup beteiligt, es hätte doch viel zu viele Mitwisser gegeben. Und außerdem hat er seine Geliebte bzw. künftige Ehefrau an Bord, obwohl klar ist, dass es gefährlich werden könnte. Aber wie hätte anders Charles Bronson seine Ehefrau Jill Ireland hier als sein Love Interest platzieren können? Am Ende des Films steht er nur vor dem Zug und sie ist froh, wieder mit ihrem Vater, einem aufrechten Soldaten, vereint zu sein, aber man ahnt, dass es mit dem Mann, der sich als Detektiv herausstellt und der Frau noch weitergehen wird. Es passiert nach dem Ende.

Am krassesten aber ist, wie Deakin sich Zugang zum Zug verschafft, ohne „aufzufallen“, nämlich, indem er den Falschspieler gibt und genau in dem Moment enttarnt wird, als es optimal passt, um vom Marshal festgenommen zu werden, der wiederum von den begleitenden Militärs nur widerwillig mitgenommen wird. Wenn diese sich damit durchgesetzt hätten? Und wenn Deakin nicht genau im passenden Moment „aufgeflogen“ wäre? Und wenn nicht zufällig die offenbar gefakte Zeitung im richtigen Moment beachtet worden wäre, die er mitgebracht hat und in der ein Lösegeld auf seinen Kopf ausgesetzt wird? Außerdem wir der Mann erschossen oder angeschossen, der Deakin ans Leder will, weil er ihn beim Pokern betrogen hat. Nun ja, Kollateralschäden und wo gehobelt wird, fallen nun einmal Späne. Und wie haben die paar Banditen das ganze Fort in ihren Besitz gebracht, obwohl doch gar keine Armeeangehörigen der Diphterie erlegen sind? Mit Hilfe der Indianer offensichtlich, aber die sind ja dann alle dabei, den Zug zu überfallen und lassen die Kavalleristen einfach so dort?

Klar ist hingegen, dass die Bande alle im Zug aus dem Weg räumen muss, die nicht zu ihr gehören, sonst ließe sich der Coup nicht durchführen und spätere Zeugen, siehe oben, konnte man nicht brauchen. Aber was, wenn einer von ihnen überlebt hätte und gegen die Verbrecher hätte aussagen können? Das ist schon toll und sehr kühn, was man hier geplant hat und umzusetzen versucht. Es soll komplexer angelegt sein als bei einem der typischen Überfälle auf Postkutschen und Züge im Westen, deswegen wird es hier in den Mittelpunkt gerückt und detailliert dargestellt. Aufgrund dieses Detailreichtums bemerkt man aber auch die Haken und zweifelhaften Elemente der Handlung besser.

Moderne Filme sind ja oft ein solcher Mindfuck, dass man es hinterher schwer hat, ihre Schwächen zu erkennen, während des Anschauens ist das manchmal sogar unmöglich, weil man so in Atem gehalten wird. Man muss sich auf die IMDb verlassen, in der viele viele Kinofans alles an Filmfehlern zusammentragen, was über einem Streifen diesbezüglich zu schreiben ist. Ähnlich wie einem der von uns erwähnten Fehler hier ein Statement aus der IMDb:

The villains in the plot commit a large number of murders, including the mass murder of the relief troops in the rear cars of the train. Levi Calhoun kills the Army telegrapher at Fort Humboldt in cold blood. Yet they keep all the remaining soldiers in the fort as live captives, conveniently allowing them to be quickly freed and re-armed in time to aid Deacon and Major Claremont.

Der Film enthält auch für seine Länge viele Continuity- und andere Fehler, die darauf schließen lassen, dass Präzision nicht oberstes Gebot hatte. Das wiederum würde auf einen eher gelangweilten oder nachlässigen Umgang mit dem Stoff schließen lassen – wüsste man nicht, dass auch manches Meisterwerk alles andere als frei von Schwächen bei der Ausführung.

Finale

Ethische, politische und kulturelle Gesichtspunkte wollen wir hier nicht zu umfassend besprechen, aber man sieht schon, dass auch die Beteiligung eines Politikers an Morden und Großraubzügen nicht unbedingt bedeutet, dass man es mit einem progressiven Werk zu tun hat. Dass dem nicht so ist, zeigt schon die Darstellung der „Indianer“, der indigenen Menschen, die hier mitmischen und denen Verhaltensweisen einerseits untergeschoben werden, sich aber nicht bewahrheiten, denn sie betätigen sich sogar als Schienenleger, als Deakin den Zug mit der Sprengung von Gleisen bremst, damit der Major Zeit hat, seine Truppen in Stellung zu bringen.

Kein Makel fällt hingegen auf die Armeeangehörigen, die wir sehen, auch wenn sie ein etwas loser Haufen zu sein scheinen, sogar Desertieren scheint möglich, damit die Handlung nicht aus dem Gleis getrieben wird. Die Politik ist schlecht, das Militär ist ehrwürdig, so die Tendenz, wobei man hier nichts sieht, was über die Tradition des Genres hinausgeht oder sie wirklich infrage stellt. Am Ende ist die Ordnung wiederhergestellt, und das traf Mitte der 1970er nicht mehr so konsequent auf alle Filme zu wie während der klassischen Epoche Hollywoods. Das Spiel ist okay, aber nicht herausragend und die Fotografie, die so unterschiedlich bewertet wird, bietet durchaus ein paar Momente, die reizvoll sind, aber überwiegend, das trifft also auch auf diesen künstlerischen Aspekt zu, ist sie ebenfalls konventionell.

63/100

© 2022 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie

Tom Gries

Drehbuch

Alistair MacLean

Produktion

Jerry Gershwin
Elliott Kastner

Musik

Jerry Goldsmith

Kamera

Lucien Ballard

Schnitt

Byron Brandt

Besetzung



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