Nur ein Spiel – Tatort 598 #Crimetime 1135 #Tatort #München #Batic #Leitmayr #BR #Spiel

Crimetime 1135 Titelfoto © BR / Tellux Film, Bauriedl

Nur ein Spiel ist ein Fernsehfilm aus der Krimireihe Tatort. Der vom Bayerischen Rundfunk produzierte Beitrag ist die 598. Tatort-Episode und wurde am 22. Mai 2005 im Ersten Programm der ARD erstgesendet. Das Münchner Ermittlerduo Batic und Leitmayr ermittelt seinen 40. Fall im Umfeld einer Werbeagentur.

In vieler Hinsicht hat „Nur ein Spiel“ immer noch ein modernes Outfit, sicher unterstützt durch den Porsche Cayenne, von dem ich immer dachte, es habe ihn erst ab etwa 2007 gegeben, durch das Haus der Eheleute Klaes, durch die Inszenierung, die bis heute eine Spielart des Tatorts kennzeichnet, die sich vor allem im Milieu des gehobenen Mittelstands aufhält. Warum das erwähnenswert ist und mehr zum Film lesen Sie in der –> Rezension.

Handlung (1)

Beseelt von klassischer Musik fährt Rolf Mading mit seinem Porsche Cayenne zu einem Termin mit Stephan Toczec in die Wendelstraße in München. Auf dem Weg dorthin versucht er, seinen Schwiegersohn Michael Klaes telefonisch zu erreichen. Kurze Zeit später ruft ihn seine Tochter Ellen zurück. Das einseitige Gespräch, in dem es nur um Toczec ging, passt Ellen überhaupt nicht. Mit einer Flasche Champagner in der Hand geht Mading ins leere Büro von Toczec. Dann wird er mit drei Schüssen eines Bärentöters niedergestreckt.

Bernd Telwang stellt den beiden Kommissaren das stattliche Anwesen Madings vor. Dann muss er zugeben, dass es sich beim genialen Stephan Toczec um ein Phantom handeln muss, von dem Rolf Mading begeistert war. Telwangs Alibi scheint plausibel zu sein. Gunda Laux, die potenzielle, neue Geschäftsführerin der Agentur, hat es eilig, Ellen und Michael Klaes vom Flughafen abzuholen. Sie sagt Batic, dass Michael Klaes vor kurzem von Mading entlassen wurde. Zu Hause findet sie eine Waffe im Spülkasten.

Unterdessen recherchiert Leitmayr im Internet nach der Model-Ikone Verena von Hellberg, der ersten Frau Madings, die vor exakt 15 Jahren durch einen Autounfall verstarb. Herr Stolze, der damals ermittelnde Streifenpolizist, berichtet von ihrem Fahrer und Freund Guido Harras, der schwer verletzt überlebte und immer wieder stammelte, Rolf Mading hätte sie von der Fahrbahn abgedrängt. Staatsanwalt Dr. Dreistätter konnte die Mordanklage gegen Mading abwehren, woraufhin Harras zu 7 Jahren verurteilt wurde. Da ihm dies alles merkwürdig vorkam, habe Stolze alle Akten kopiert. Er übergibt sie Leitmayr.

Telwang sagt Gunda Laux auf den Kopf zu, dass sie Toczec gewesen sein muss. Die Obduktion ergibt, dass Mading angesichts eines weit fortgeschrittenen Lymphdrüsenkrebs nur noch etwa ein halbes Jahr zu leben hatte. Laux und Klaes-Mading geben an, nichts davon gewusst zu haben. Guido Harras versucht, sich dem Zugriff der Polizei zu entziehen und mimt den Unschuldigen. Bernd Telwang soll ihm einen Anwalt vermitteln.

Die Testamentseröffnung bringt eine große Überraschung: der Löwenanteil geht an eine von Dr. Dreistätter verwaltete Stiftung, Ellen und Michael Klaes erhalten den Pflichtanteil und Gunda Laux geht leer aus. Die Tatwaffe wurde von einem von ihnen während einer Sommerfeier bei Freunden entwendet. Und nun zeigt Gunda Laux sie Ellen Klaes im Spülkasten. Außerdem gibt sie zu, Michael Klaes‘ Werbekonzepte als Toczec an Mading verkauft zu haben. Die polizeilichen Recherchen weisen nun auf Klaes nicht nur als Ideengeber hin, sondern er ist auch mit einem Privatflieger westlich von Fürstenfeldbruck gelandet. Seine Triumph Thunderbird stand dort auf dem Parkplatz. Im Finale lockt Ellen Klaes ihren Mann ins Büro von Toczec und zückt die Waffe. Kurz vor dem Ende kommen Batic und Leitmayr und nehmen Klaes fest.

 Rezension

Für die Filme der Tatort-Ära Ära Batic / Leitmayr sind diese Settings nicht so häufig wie man denken sollte, angesichts des Sozialpanoramas der bayerischen Hauptstadt, aber vermutlich haben Reihen wie „Der Kommissar“ und „Derrick“ schon zu sehr in diese Richtung tendiert, als dass man das in den Tatorten unbeirrt fortsetzen wollte. Das Milieu, die Baulichkeiten, die Menschen, da ist aber ein Echo dieser alten Filme drin, obwohl diese ruhige und erlesene Bildgestaltung, die stellenweise von etwas banalen Momenten wie der Waffe im Spülkasten gebrochen wird, ganz anders sind als in den 1970ern.

Dass der Film im Vergleich zu anderen Tatorten mit dem Superduo aus München, das damals noch ein Trio war (mit Michael Fitz als Carlo Menzinger, der bald nach diesem Fall eine Erbschaft machte und nicht mehr die Rolle als Assistent und Puffer für die beiden anderen spielen musste) sehr elegisch oder melancholisch und zurückgenommen wirkt, liegt daran, dass andere Tatortstädte eher auf solche Sorgen der Wohlhabenden spezialisiert sind und man dort hätte sagen können, dieser Plot und die gezeigten Figuren reihen sich nahtlos ein. Im Ergebnis führt das allerdings dazu, dass dieses Werk keinen bleibenden Eindruck hinterlässt. Wenn die Münchener schon ins gehobene Milieu gehen, dann besser mit Filmen wie „Unsterblich schön“, die eine stark satirische Note haben. Das passt besser zur Schickeria als ein Werbecluster, der zwar die Hohlheit des eigenen Seins nicht verbergen kann, aber doch Menschen zeigt, die man in jedem beruflichen Umfeld hätte ansiedeln können. In faste jedem. Die Personen wirken nicht speziell werbefuzzigmäßig, von Terwang vielleicht abgesehen, aber das ist auch eine Zuschreibung, die man nur vornimmt, wenn man weiß, was er tut.

Was die Münchener aber auch auszeichnet, ist normalerweise das Bemühen um saubere Plotgestaltung oder das, was man als Verengung der als psychologisch stimmig empfundenen Möglichkeiten in einem Filmplot gegenüber der oft absurden Realität ansieht. Man legt höhere Maßstabe an das an, was man im Film sieht, als beispielsweise an die Vorgänge im eigenen Leben. Der Wunsch nach Ordnung, Struktur, Kategorisierungsmöglichkeit spielt dabei eine große Rolle. Unter diesem Gesichtspunkt leidet die Handlung von „Nur ein Spiel“ darunter, dass ein Typ wie Mading wohl kaum seine Agentur von einem Anonymous abhängig machen würde, der erst nach einem halben Jahr Arbeit bereit ist, sich mit ihm persönlich zu treffen, wobei man nicht erfährt, von wem der Wunsch ausgeht. Eine Schwäche bei Whodunits im Tatortstil ist leider generell, dass wir jemanden nur kurz zu Gesicht bekommen, bis er tot ist, danach müssen andere Figuren seinen Charakter beschreiben. Dadurch kann man mit der subjektiven Sicht von Menschen auf andere Menschen zwar spielen, aber man ist nicht in der Rolle des Beobachters, der selbst bewerten kann, ob diese Wahrnehmungen zutreffen. Mading wird so wenig gezeigt, dass sich sein eitler und rücksichtsloser Charakter nur aus den Erzählungen von dessen engerem Umfeld erschließt. Authentizität wird dadurch suggeriert, dass alle ähnlich tendieren und dadurch, dass alle Beteiligten gewisse Abläufe gleich beschreiben. Es gibt kein Auseinanderfallen. Was insofern klar ist, als die Figuren entweder ahnungslos oder beteiligt sind und daher ihre Aussagen abstimmen konnten.

Der Plot hat aber auch einige objektive Problemzonen wie etwa den Mallorca-Flug. Abgesehen von der kürzeren Boarding-Zeit, die es bei Privat-Charterflügen geben kann, sind die verwendeten Maschinen sicher nicht schneller als ein üblicher Passagierjet, dass also Klaes von einem Hafen auf Mallorca hätte rechtzeitig zur Tatzeit hätte zurück in München sein können, hätte unbedingt sachgerecht überprüft werden müssen. Auch der Hund, der den Platzhalter für seinen Herrn spielt und quasi dessen Alibi darstellt, ist etwas albern, nicht witzig, zumal es Mumpitz ist, wenn die Wirtin vom Forellenhof erst sagt, sie kann sich an den Hund erinnern und erst viel später damit rausrückt, dass der Herr seinen Hund manchmal allein dortlässt. Warum tut er das? Und warum erwähnt die Wirtin es nicht gleich bei der ersten Befragung?

Die Darstellungen der Figuren liegt auf angemessenem Niveau bei den Episodenrollen, wenn auch nicht gleich gut: Chiara Schoras als Ellen stellt Alexander Beyer als ihren Ehemann Michael deutlich in den Schatten; das mag dazu passen, dass Michael immer mit seiner Anerkennung zu kämpfen hat und nicht der Kämpfertyp zu sein scheint, aber trotzdem hätte man sich ihn dezidierter gewünscht. Warum Frau Klaes auf der Beerdigung von Seiten Michaels Mutter quasi als Geldopfer dargestellt wird, erschließt sich aus ihrem Verhalten an keiner Stelle, sie ist immer loyal zu ihrem Mann und blickt nicht auf ihn herab, weil sie mit mehr Geld ausgestattet ist. Routiniert Sybille Canonica als Mading offenbar hörig, aber im Schatten der toten Ehefrau, die Mading selbst auf dem Gewissen hat. Das Duo Batic / Leitmayr sehe ich heute schauspielerisch, sagen wir, differenzierter als vor sechseinhalb Jahren, als ich begann, über Tatorte zu schreiben, die Darstellung der beiden liegt dieses Mal im mittleren Bereich ihrer Möglichkeiten und auf der Humorskala ebenfalls mittig –  und ob „Don Johnson für Arme“ jetzt wirklich ein guter Spruch ist, kann man als Geschmacksache bezeichnen. Der Satz betrifft Carlo Menzinger mit Sonnenbrille und hellem Outfit, aber jener Menzinger wirkt manchmal wie der heimliche Star des Trios, der sich nur deshalb nicht ganz in den Vordergrund spielen kann, weil er zu wenig Spielzeit hat.

Finale

Der Film ist nicht so einfach zu bewerten, weil er keine großen Mängel, aber auch keine beachtlichen Stärken aufweist. Manches am Drehbuch musste erkennbar gequetscht werden, damit die Handlung flüssig läuft, wie etwa die verspätete Weiterleitung von Informationen innerhalb des Teams. Da hat die Redaktion wohl Löcher entdeckt, die notdürftig geflickt wurden, aber immerhin gab es eine Redaktion oder wie auch immer verortete Überarbeitung oder Ausfeilung, das ist dann auch wieder typisch für den Umgang des BR mit den Tatort-Stoffen. Wenn es nicht richtig passt, wird es wenigstens halbwegs passend gemacht.

6,5/10

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2017)

unternehmen Bayerischer Rundfunk
Regie Manuel Siebenmann
Drehbuch
Produktion
Musik Fabian Römer
Kamera Jochen Stäblein
Schnitt Anja von Rüxleben
Premiere 22. Mai 2005 auf Das Erste
Besetzung


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