Echte Kaufhaus-Fans sind selten geworden | Briefing 210 | Wirtschaft, Einzelhandel

Briefing 209 | Wirtschaft, Konsum, Einzelhandel, Kaufhäuser

Mit dem Shoppen in all seinen Facetten, mit dem Konsum im weiteren Sinne, haben wir uns zuletzt häufiger befasst – aus guten Gründen, denn die Konsumwelt ist im Umbruch. Der Präsenzhandel hat mit den Online-Giganten zu kämpfen, der Inflation macht dem Einzelhandel generell zu schaffen, weil gerade die Masse der weniger Betuchten, auf die es ankommt, weniger Geld in der Tasche hat. Gerade traditionelle Warendistributionskonzepte stehen besonders unter Druck, weil sie zusätzlich dem Strukturwandel ausgesetzt sind.

Wegen der Schließung von 52 Galeria-Häusern Ende Juni 2023 haben wir die folgende Grafik für eine Zeit ins Archiv gestellt, gezeigt wurde sie von Statista bereits am 14. März 2023.

Infografik: Echte Kaufhaus-Fans sind selten geworden | Statista

 

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz Creative Commons — Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International — CC BY-ND 4.0 erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Galeria Karstadt Kaufhof will 52 seiner noch verbliebenen 129 Warenhäuser schließen – die ersten 21 machen bereits Ende Juni zu. Tagesschau.de schreibt, dass weit über 5.000 Arbeitsplätze in Gefahr sind. Und weiter: „Es würden nicht nur Stellen in den Schließungsfilialen wegfallen. Geplant seien auch Flächenreduzierungen und ein Personalabbau in den verbleibenden Häusern und in den Zentralfunktionen“. Dass das Konzept Kaufhaus schon seit längerem an Attraktivität verliert zeigen Daten der Verbrauchs- und Medienanalyse. In deren 2023er-Ausgabe geben 4,1 Prozent an, wöchentlich in Kaufhäuser wie Karstadt zu gehen. Damit ist der Kreis der regelmäßigen Kund:innen kleiner als beispielsweise bei Unverpackt-Läden. Deutlich beliebter sind da Shopping-Malls, wie der Blick auf die Grafik zeigt. Ein wichtiger Aspekt beim Kaufhaussterben ist sicher auch der Online-Handel. Wer etwas Kleidung oder Schuhe kauft, meidet den stationären Einzelhandel oft vollständig.

Wir machen es heute nicht so lang, verfallen nicht in Nostalgie oder nur ein wenig, aber – dieses Karstadt auf unserem Schulweg. Nach der Schule waren wir manchmal dort und schauten uns alles, was das Kinderherz oder Jugendlichenherz begehrt, x-mal an und waren uns klar darüber, dass wir den ganzen Laden leerkaufen würden, wenn wir erst einmal eigenes Geld haben würden. So ungefähr jedenfalls. Vielleicht stimmt das alles auch gar nicht, aber damals waren Kaufhäuser die Pracht des Konsums an sich. Es gab für fast alle Produkte feinere, kleinere Geschäfte, aber die Vielfalt war atemberaubend.

Nichts anderes sind heute Amazon und Co., mit dem Unterschied natürlich, dass sie noch mehr in die Breite gehen können, aufgrund einer Logistik, die nicht mehr alles an einem Ort deponiert wissen muss. Wie schnell diese Sachen und präzise die Ware dann oft geliefert wird, das ist – atemberaubend. Was fehlt ist der Glanz der versammelten Produktwelt, aber wir sind ja auch aus dem glänzenden, faszinierenden Zeitalter des stetigen Aufwärts und des mehr ist mehr längst raus und schauen, dass wir so günstig wie möglich über die Runden kommen. Selbst die Online-Händler haben derzeit Einbußen. Aber das Konzept ist das aktuelle und wir sehen nichts, was es ablösen könnte. Es sei denn, im High-End-Bereich, in dem das Kauferlebnis tatsächlich noch eine Rolle spielt, da könnten Fachgeschäfte noch richtig punkten, wenn sie einen guten Mix anbieten, auch den zusätzlichen Online-Handel mit exklusiven Produkten, möglichst sogar mit selbst Hergestelltem, das man einigermaßen als nachhaltig hergestellt bezeichnen kann. Ob man es schafft, ohne einen der Riesen als Partner durchzukommen, ist wiederum eine andere Frage.  

Die Welt wandelt sich und die Innenstädte brauchen Ideen für die Immobilien, die durch das Nachlassen des Präsenzhandels frei werden. Die Malls sind zwar nach den Angaben aus der Grafik noch nicht so sehr vom Rückgang betroffen, aber nach unserer Ansicht ist das nur eine Frage der Zeit, bis auch sie die Umschichtung auf den Onlinehandel zu spüren bekommen werden. Die Malls selbst sind noch kein so altes Konzept, es hat sich in Deutschland, bis auf einige Ausnahmeprojekte, erst seit den 1990ern etabliert. Und wer hätte gedacht, dass es einmal weitaus mehr Menschen in Baumärkte als in Kaufhäuser ziehen würde? Was für Zeiten.

TH

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