Briefing 209 | Wirtschaft, BA, Mangelberufe, Engpassberufe, Fachkräfte, Expert:innen, Spezialist:innen
Sie kennen sicher den Fachkräftemangel. Wie ein Alpdruck legt er sich auf die Wirtschaft und schafft eine Lage der Verzweiflung. Sollte er tatsächlich in der unten gezeigten Größenordnung vorhanden sein, könnte dies bedeuten, dass nach Urzeiten die Arbeitnehmer:innen wieder in der Position sind, ihre realen Einkommensverluste der letzten Jahre wettzumachen, indem sie darauf hinweisen, dass sie Mangelware sind. 200 Berufe soll es geben, in denen Engpässe herrschen, heißt, Stellen sind offen und können nicht besetzt werden.

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz Creative Commons — Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International — CC BY-ND 4.0 erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
Auch hier geht’s zur Grafik und zum folgenden Begleittext.
Bei der letzten Engpassanalyse hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) 200 Berufe mit Anzeichen eines Engpasses in Deutschland gezählt – das sind deutlich mehr als 2021. Die BA „bewertet einmal jährlich die Fachkräftesituation am Arbeitsmarkt. Anhand von 6 statistischen Indikatoren (u.a. Vakanzzeit, Arbeitsuchenden-Stellen-Relation) wird dabei für alle Berufsgattungen […], soweit belastbare Daten vorliegen, ein Punktewert ermittelt. Ist dieser größer gleich 2,0 handelt es sich um einen Engpassberuf.“
Im Bereich der Fachkräfte (89 Engpassberufe) fehlt beispielsweise in vielen Handwerksberufen Nachwuchs, aber auch in der Pflege und im Gesundheitswesen ist die Lage schwierig. Auch auf höheren Qualifikationsstufen fehlt Personal. Bei den Spezialst:innen (56 Engpassberufe) sind unter anderem Erzieher:innen und IT-Fachkräfte gelistet. Die 39 Expert:innen-Engpässe beziehen sich teilweise auf Ärzt:innen und andere medizinische beziehungsweise pharmazeutische Berufe.
Ja, 200 Berufe, in denen der Bedarf an Arbeitskräften nicht gedeckt werden kann. Angebot und Nachfrage, you know, und die Nachfrage ist eben größer. Während Corona ging die Zahl der Mangelberufe auf Fachkräfte- und Spezialist:innenebene etwas zurück, jetzt sieht es schlimmer aus als zuvor, obwohl die Wirtschaft alles andere als rundläuft und in Deutschland, anders als in den meisten europäischen Ländern, noch nicht das Vor-Corona-Niveau wieder erreicht hat. Seltsam, oder? Vielleicht ist es das ja. Das mögliche Wachstum wird gebremst durch den Fachkräftemangel.
Gemäß EUROSTAT und ILO hat Deutschland eine verschwindend geringe Arbeitslosenquote von nur ca. 3 Prozent. Dass das nicht stimmt, weiß jeder, sogar die BA, die auch die Mangelberufe untersucht, kommt auf über 5 Prozent im Mai 2023. Die reale Unterbeschäftigung ist damit noch lange nicht abgebildet. Die ILO-Quote kaschiert, dass Angebot und Nachfrage teilweise nicht zusammenpassen. Und dass die Wirtschaft erhebliche Fehler bei Ausbildung und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden, beim Arbeitsklima, bei der Bezahlung, eigentlich bei allem gemacht hat. Die Politik soll es richten, indem die Anwerbung von Menschen aus dem Ausland erleichtert werden soll. Erhöhung des Angebots, damit die Arbeitnehmer:innen wieder nichts zu melden haben und keine Forderungen nach angemessener Behandlung und Bezahlung an das klotzig wie nie zuvor verdienende Kapital stellen können. Wir kennen ähnliche Bewegungen am Wohnungsmarkt.
Mit den neuen Fachkräften will man ja nicht den Fehler wiederholen, den man einst mit den „Gastarbeitern“ gemacht hat, nämlich anzunehmen, dass sie wieder gehen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, ihnen daher die Integration so schwer wie möglich machen. Damit sie auch wirklich gehen. Sie sind aber nicht gegangen, wurden teilweise auch weiterhin gebraucht und ihre Nachkommen sollten im Grunde ausreichen, um den Fachkräftemangel zu beheben, der immer wieder so auffällig in den Vordergrund gerückt wird. So in dargestellt wird, als ob er vom Himmel gefallen wäre oder aufgrund von Arbeitsverweigerung ganzer Generationen zustande käme.
Wir greifen im Moment immer nur Einzelaspekte kurz heraus, eine Analyse aller Gründe für die heutige Situation am Arbeitsmarkt, inklusive einer Betrachtung der Statistiken, die von einem riesigen Mangel kündigen. Wie ist eigentlich der Mangel oder Engpass laut BA definiert, wäre dann eine der Fragen, die man sich auf der nächsten Vertiefungsebene zu stellen hätte. Heute nur diese Infos mit der Einladung, selbst einmal zu hinterfragen, wer ein Interesse daran hat, der Politik und uns Bürger:innen mit dem Fachkräftemangel Angst zu machen. Vielleicht sind Sie auch genau die Frachkraft, gesucht wird und die helfen kann, zu besseren Konditionen als bei ihrem aktuellen Arbeitsverhätlnis.
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