Wo die Kindergrundsicherung am dringendsten gebraucht wird (Statista + Kommentar) | Briefing 231 | Gesellschaft, Wirtschaft, Soziales

Briefing 231 | Kindergrundsicherung, Kinderarmut, Armutsquoten

Zum zweiten Mal für heute befassen wir uns mit den Kindern in diesem Land. Nachdem wir anhand einer Statista-Grafik, die zentral die Einkommensklassenverteilung in Deutschland spiegelt, ein paar Informationen zum Elterngeld geliefert und die Kindergrundsicherung erwähnt haben –

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Zur Kindergrundsicherung.

Es ist ein Skandal, dass in diesen herausfordernden Zeiten kein Geld für die Kindergrundsicherung da ist, aber die FDP hat sich in der Ampelkoalition mit ihrer menschenfeindlichen Politik wieder einmal durchgesetzt. Damit überhaupt etwas Geld für die Kinder da ist und trotzdem Aufkommensneutralität herrscht, so wirkt es jedenfalls, musste das Elterngeld gekürzt werden. Für die Reichen, okay, aber am anderen Ende tut sich viel, viel zu wenig. Die folgende Grafik verdeutlicht, wie dramatisch die Lage vieler Kinder in Deutschland ist.

Infografik: Wo die Kindergrundsicherung am dringendsten gebraucht wird | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz Creative Commons — Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International — CC BY-ND 4.0 erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Drei von zehn Kindern unter 18 Jahren in Bremen leben in einer Familie, die von Hartz IV beziehungsweise Bürgergeld abhängig ist. Das geht aus einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit zum Stichmonat Dezember 2022 hervor. Wie unsere Grafik zeigt, gibt es nur noch ein Bundesland, das an die Werte aus der Hansestadt heranreicht.

So sind in Berlin etwa ein Viertel der unter 18-Jährigen Teil von Bedarfsgemeinschaften sprich Haushalten, die SGB-II-Leistungen beziehen. Auch der dritthöchste Wert findet sich in einem deutschen Stadtstaat; in Hamburg liegt die Quote bei knapp 20 Prozent. Besonders gering ist der entsprechende Prozentsatz in Süddeutschland. In Bayern sind es beispielsweise nur rund sieben Prozent, in Baden-Württemberg 8,6 Prozent.

Insgesamt sind laut Auswertung des Statistischen Bundesamts deutschlandweit etwa 25 Prozent der Kinder unter 18 Jahren von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Demgegenüber stehen Werte von jeweils rund 20 Prozent bei den 18- bis 65-Jährigen sowie den über 65-Jährigen. Um betroffene Familien besser zu unterstützen, soll 2025 die sogenannte Kindergrundsicherung analog zur Grundsicherung beziehungsweise dem Bürgergeld für Erwachsene in Kraft treten. Ein erster Entwurf der Familienministerin Lisa Paus aus dem Januar 2023 bezifferte die nötigen Kosten auf zwölf Milliarden Euro, Finanzminister Christian Lindner veranschlagt laut Medienberichten im kommenden Bundeshaushalt derzeit etwa zwei Milliarden Euro pro Jahr für das Programm.

Die Kindergrundsicherung soll die Stellung von Anträgen für verschiedene Leistungen bei verschiedenen Stellen entbürokratisieren und vereinfachen. Laut Bericht des Deutschlandfunks wird das Programm „Kindergeld und Kinderfreibetrag, den Kinderzuschlag, Teile des sogenannten Bildungs- und Teilhabepakets sowie Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch“ bündeln und aus einem Grundbetrag, der mindestens dem Kindergeld entsprechen soll, und einem nach Einkommen der Eltern gestaffelten Zusatzbetrag bestehen.

Grundsätzlich sind wir dagegen, dass Menschen in Armut leben müssen, seien sie 0 bis 18 Jahre alt, 18 bis 65 oder über 65 Jahre. Aber besonders ekelhaft ist die neoliberale Politik bei Kindern, weil sie sich bei ihnen am besten selbst entlarvt. Der typische Spin der Reichenvertreter in dieser Regierung, dass jeder seines Glückes Schmied ist, ist bei ihnen so zynisch, dass man sich nur noch gruseln kann.

Lange hat uns keine Grafik mehr so berührt wie die obige – wegen des Teddys links im Bild. Zu unseren Zeiten war das so: Wir hatten auch einen Teddybär, der so ähnlich aussah, angeranzt, stellenweise kaum noch Fell. Das kam aber daher, weil wir ihn einfach nicht weggeben wollten, weil wir ihn geliebt haben. Nicht, weil man ihn aus Kostengründen nicht hätte ersetzen können. So wie uns ging es damals fast allen Kindern: Wir durften unsere Herzen verschenken, ganz unbekümmert, weil wir keine Not gelitten haben.

Etwas zu behalten, es zu bewahren, aus emotionalen Gründen, das ganz jenseits der Perfektion war, haben wir nicht als Mangel empfunden, weil wir nicht ausgegrenzt und nicht in jeder Hinsicht marginalisiert waren. Da war keine Sehnsucht nach etwas Besserem, weil es im Ganzen gut war, wie es war. Das war so bei den Spielsachen, das war so bei dem, was wir mit den Eltern unternehmen konnten und sogar die Bildung war für die meisten von uns noch auf auskömmlichem Niveau organisiert, ohne dass die Eltern Unsummen dafür investieren mussten. Ein paar gute Bücher haben ausgereicht, der Rest war im Wesentlichen Schulsache.

Was ist bloß seitdem aus diesem Land geworden?

Die Reallöhne sinken massiv, die Armutsquote steigt und steigt und in den Stadtstaaten leben 20 bis 30 Prozent der Kinder in Armut. Kleine Menschen, die aber auch gar nichts für dieses Schicksal können. Wie die Politik eines Landes mit der Zukunft umgeht, das spiegelt am besten, wie es in diesem Land aussieht. Mit den Menschen, die diese Zukunft gestalten sollen. In Deutschland sieht es miserabel aus, mit sich verschärfender Tendenz. Wir werden demnächst auch eine Grafik zu den Armutsquoten in Europa zeigen.

Deutschland schickt sich allen Ernstes an, zu den Ländern mit den meisten armen Menschen zu gehören, während der Corona-Pandemie und bis 2022 hat die Armut hier so sehr zugenommen wie nirgends sonst in Europa. Die Ampel verschärft nun dieses Problem und erwartet allen Ernstes, dass die Menschen progressiv bei jeder neuen Belastung, die auf sie zukommt, mit in eine Zukunft watscheln, die auch durch handwerkliche Fehlleistungen bei der Normensetzung und hochriskanten wirtschafts- und außenpolitischen Akzentsetzungen verdüstert wird.

Noch wäre Geld da, um soziale Missstände zu beseitigen, aber wenn es so weiterläuft, wird die FDP am Ende sogar richtig liegen, die Kassen werden leer sein. Natürlich in erster Linie, weil die Reichen kaum etwas beisteuern müssen. Schon jetzt sind die Haberer wieder unterwegs, die Steuersenkungen für Reiche verlangen, weil einige andere Länder so irre waren, eine neue Steuersenkungswettlaufrunde in Gang zu setzen.

Innerhalb der EU herrscht diesbezüglich ein gnadenloser Wettbewerb, anstatt dass man aus sozialen Gründen an einem Strang zieht. Das ist dann auch nicht das Europa, das wir uns wünschen, denn es macht die Menschen ärmer und in Deutschland ist das gerade besonders stark zu spüren. Sicher sind die meisten Fehler hausgemacht, aber es gibt auch keine hinreichende Solidarität zwischen den Staaten, die abfedernde Wirkung entfalten könnte.

Am Ende werden dadurch die Demokratien scheitern, und es gibt genug böse Zungen, die sagen: genau so ist es gewollt, damit die ökonomisch Mächtigen endlich frei durchregieren können. Auf den Kosten der meisten Kinder, auf Kosten der Zukunft von uns allen sind die neoliberalen Reiter der Apokalypse unterwegs und sorgen mit eiserner Konsequenz schon seit vielen Jahren dafür, dass sich sozial nichts mehr nach vorne bewegt. Aber dass der Rückschritt ein solches Tempo aufgenommen hat, das ist noch einmal eine neue Dimension des Staatsversagens.

Wenn Medien das noch schönzureden versuchen, sind sie Teil dieses Versagens. Wenn sie gar das Lied des Großkapitals singen, dann sind diese Medien ganz klar demokratiefeindlich, da können sie sich noch so mittig geben.

Denn die Eigner des Kapitals haben keine Probleme damit, ihre Kinder bestens zu versorgen, zu jedwedem Preis und so überdeutlich in der Absicht, ihnen von Geburt an Privilegien zu verschaffen, gegen die nicht nur die obigen 25 Prozent chancenlos sind. Es trifft viele weitere Kinder, aufgrund der schlechten staatlichen Bildung. 

Hier geht es um die Kinder und den Kampf um die Zukunft, aber es geht auch darum, der Zerstörung der Demokratie nicht einfach zuzusehen, die von sogenannten demokratischen Parteien massiv vorangetrieben wird. Die Kindergrundsicherung ist bereits für sich genommen ein eminent wichtiges Thema, aber wie sie von den Liberalen zerstört wird, weist darüber hinaus und ist ein Symbol für ganz vieles, was in diesem Land schiefläuft.  

TH

 

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