Die Faust – Tatort 1043 #Crimetime 1157 #Tatort #Wien #Eisner #Fellner #ORF #Faust

Crimetime 1157 – Titelfoto © ARD Degeto / ORF / E&A Film, Hubert Mican

Die Faust ist ein Fernsehfilm aus der Krimireihe Tatort, der erstmals am 14. Jänner 2018 im ORF, im Programm Das Erste und auf SRF 1 ausgestrahlt wurde. Es ist die 1043. Folge der Reihe, der 42. Fall des österreichischen Ermittlers Moritz Eisner und der 18. gemeinsame Fall des Ermittlerteams Eisner / Fellner.

Wem hat der Tatort 1043 „Die Faust“ am besten gefallen? Den Verschwörungstheoretikern, für die alles, was auf der Welt passiert, exakt eine Ursache hat: Die CIA, respektive die US-Elite, die dahintersteht. Ist das realistisch? Oh ja. Ich kenne persönlich einige von diesen Verschwörungstheoretikern. Das Szenario war gemeint. Das muss man in zwei Aspekte teilen. Dass die CIA munter die Welt manipuliert, während die Leute vom russischen Geheimdienst alle in Rente sind und im Gorki Park Murmeln spielen, weiß sowieso jeder, obwohl der Chef vom Ganzen selbst Geheimdienstler ist. Aber die Welt ist zu kompliziert geworden für realistische Einschätzungen, da muss ein simples, monokausales Muster her. Wie aktuell ist dies alles? (Ergänzung 2023 anlässlich der Veröffentlichung des Textes.) Sehr, und in der –> Rezension gibt es mehr.

Handlung

Mit einem absoluten Profi bekommen es Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) angesichts einer rätselhaften Mordserie zu tun. Erst tötet der maskierte Killer einen tätowierten Serben, dann den unscheinbaren georgischen Mitarbeiter (Sebastian Pass) einer Großgärtnerei und schließlich eine junge Mutter. Jedes Mal hinterlässt der Täter keine Spuren, jedoch eine schockierende Inszenierung: Er stellt die geschändeten Leichen spektakulär an Orten zur Schau, wo so viele Menschen unterwegs sind, sodass die Polizei keine verwertbaren DNA-Spuren finden kann.

Ritualmorde, Sexualdelikte oder gar ein Geheimdienst-Killerkommando – Fellner und Eisner müssen in alle Richtungen ermitteln. Nicht einmal bei den Opfern, die allesamt unter falscher Identität in Wien lebten, gibt es Klarheit. Als die Ermittler auf einen gemeinsamen Bekannten der Opfer stoßen, den auf Osteuropas Bürgerrechtsbewegungen spezialisierten Universitätsprofessor Nenad Ljubic (Mišel Maticevic), kommt endlich Bewegung in den Fall. Auch den eiskalten Killer erwartet in dem Verwirrspiel eine Überraschung: Ihm ist unbemerkt eine Verwechslung passiert, die seine perfekt getarnte Aktion gefährdet. Unterdessen stoßen Eisner und Fellner auf eine Spur, deren Tragweite sie schon bald staunen lässt.

Rezension

Das andere ist, dass ein Mensch, der als Nahtstelle zwischen den osteuropäischen Revolutionen der 2000er und der CIA fungiert, ein Familienvater, Professor, wegen eines Buchprojekts mit Entlarvungstendenz so austickt, dass er einen Serienmörder mit biblischen Motiven spielt. Dies, obwohl er politisch-persönliche Motive hat: die Bedrohung seiner getarnten Existenz. Mir kam das vor, als ob der Mann eher bei Stephen King als bei der CIA in die Lehre gegangen wäre. Denn, wie der Mann vom BVD richtig sagt, solch einen Zinnober hat die CIA nicht nötig, wenn sie Leute um die Ecke bringen lässt, folgerichtig muss ihn auch jemand nicht nötig haben, der bei ihr geschult wurde. Das Ganze wirkt schön schräg, wie in den Wiener Tatorten üblich. Aber eben doch an einem wichtigen Punkt nicht, und das ist ein Mangel von „Die Faust“.

Welcher Punkt ist anders oder fehlt? Die Wiener sind prädestiniert für Szenarien mit osteuropäischem Hintergrund. Ich mag es gerne, wenn sie das ausspielen. Gerade die Kracher mit den vielen Toten und den ganz schnellen, wirren Handlungen haben auch eine Ironie, die man kaum übersehen kann. Und die wird wiederum vom Team Eisner / Fellner super gespiegelt. Dieses Mal fällt es aber auseinander. Die Inszenierung suggeriert einen Ernst, den die Handlungselemente kaum wiedergeben, während Moritz und Bibi die sind, die sie sind. Und selbst die beiden mit Abstrichen, vor allem Adele Neuhauser als Bibi Fellner.

Kritik an Bibi? Mir war diese bei wirklich jeder Bemerkung einer anderen Person so furchtbar ausgiebige Mimik-Reaktion von Bibi dieses Mal zu viel, dieses Grimassieren, das Geäuge. Neuhauser unterspielt ja nie, aber sie hat normalerweise Dialoge, die sie wirklich gut kann, und muss nicht zu viel Zeit mit zu bedeutungsschwangeren Gesichtsaudrücken zubringen. Deswegen ist es gut, dass die ORF-Tatorte, seit sie dabei ist, an Tempo erheblich zugelegt haben, das taugt dem gegensätzlichen Temperament der Figuren Eisner und Fellner besser, als wenn es so zäh abläuft wie dieses Mal.

Aber es gab doch auch witzige Momente? Das Bullshit-Bingo zu Beginn war gewiss einer und im Verlauf einige weitere schöne Szenen, wie immer und abgesehen davon, dass auch sie Schwankungen haben, sind sie immer relativ gut. Relativ aber auch deswegen, weil vieles, was wir für Schauspielerei halten, Wiener Alltagsverhalten darstellt. Die müssen nicht so viel tun, um bei uns als Top-Acts wahrgenommen zu werden. Die Österreicher selbst können da vermutlich besser differenzieren. Aber es ist schon klasse, wie viele kapable Darsteller ein so kleines Land immer wieder hervorbringt. Davon kommen die meisten ja wirklich aus Wien, das als Ganzes schon ein Theater darstellt, somit auch eine Schauspielschule.

Auch witzig: Die Bewertung von Nr. 1043 seitens der Fans vom Fundus. Als Moritz Eisner noch allein ermittelte, hatte er es ziemlich schwer, sich in die Herzen der Zuschauer zu spielen, auch und vor allem in Deutschland, aber seit Bibis Eintritt ins Team können beide nicht mehr viel falsch machen. Diese Ansicht teile ich so nicht, und zwar zugunsten der früheren Solo-Eisners, die auch oft sehr viel Schmäh hatten und sicher keine schlechteren oder langatmiger inszenierten Drehbücher als das von „Die Faust“.

Aber ein Spyfan-Flick muss doch auch kompliziert sein, vielleicht wirkt das in Konsequenz langweilig. Dieses „Revolutionäre verschiedener osteuropäischer Länder, vereinigt euch in Wien!“, fand ich eher absurd als kompliziert, zumindest auf Basis des Jahres 2018 und mit der Prämisse, dass die Tatsache, dass einige aus ihrem Leben erzählen wollen, aber nicht einmal verlegt werden, und nach vieljähriger Ruhe im Teich plötzlich eine fabelhaft überdimensionierte und überinszenierte Mordserie ausgelöst wird.

Das ist ein psychologisches Stimmigkeitsproblem. Das andere betrifft die Art, wie Aussagelogik hier manchmal angewandt wird, nämlich quasi rückwärts, vom Ergebnis aus gesehen, was besonders bei den technischen Ortungen und ganz raschen Ermittlungserfolgen in diesem Bereich auffällt. Dies kann nur funktionieren, wenn z. B. zum Auftakt des Finales eine einzige These, die ziemlich steil ist, wie die von Bibi bezüglich des Handys (es muss ausgeschaltet sein, dann wird es gefährlich) sich als wahr herausstellt. Wenn nicht, blöd gelaufen. Und die Zugriffe. Wie neulich in Saarbrücken („Mord ex Machina“), die Zugriffsszenarien werden aufgrund von Verkürzung und Auslassung wichtiger Details immer märchenhafter. Ich habe aber nichts dagegen, dass die Tatortfans auch diesen Wiener mögen, dann wird meine Bewertung mal ausnahmsweise knapp unter dem Fundus-Durchschnitt liegen.* Wirklich schlecht finde ich die Wiener Tatorte ja auch nie, was vor allem eben an diesem hochsympathischen und authentisch wirkenden Team liegt.

*Hier haben wir im Wege der Veröffentlichung der Rezension im Jahr 2023 den Link entfernt, da man auf den Tatort-Fundus nicht mehr zugreifen kann.

Und damit wohl zum größten Schockmoment. Nachdem nun solche Größen wie Stellbrink (Saarbrücken) und Kopper (Ludwigshafen, Rang 2) aufhören, dachte ich, es kann doch nicht sein, dass auch noch Bibi zum K2 wandert, wie leer soll unser Leben als Tatortzuschauer denn noch werden? Aber für zehn Minuten Sendezeit war das Gezerre um Bewerbung oder nicht am Ende gut und auch gar nicht dumm aufgezogen. Dass ein Typ wie Eisner seine geliebte Co-Ermittlerin halten will, dies ihr gegenüber ausdrückt und sich dennoch beim Chef dafür stark macht, dass sie den neuen Leitungsjob bekommt, halte ich durchaus für denkbar, so, wie Eisner gestrickt ist. Dazu braucht man eine gewisse innere Stärke, die hat der Moritz aber wohl und man kann sich auch darauf verlassen, dass er nach vielen Jahren so bekannt und ausdifferenziert ist, dass man ihm ein herzhaftes Sowohl-als-auch-Verhalten abnimmt.

Finale

Unter den Eisner-Fellner-Tatorten seit 2010 fand ich die meisten überzeugender als „Die Faust“, insgesamt für mich ein durchschnittlicher Tatort, und die bekommen ja etwa 7/10. Nicht 5/10, vielleicht ist es Zeit, das mal wieder zu erklären: Mein Wertungsschema beginnt erst bei 4 bis 5, weil ich das Wort „Schrott“ im Zusammenhang mit einem Film dieses doch hochwertigen Formats nicht vergebe. Da sind viele Tatortfans weniger zimperlich, aber es ist eben eine Frage der Herangehensweise. Daher:

7/10.

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2018)

Regie Christopher Schier
Drehbuch Mischa Zickler
Produktion
Musik
Kamera Thomas W. Kiennast
Schnitt Alexandra Löwy
Premiere 14. Jan. 2018 auf ORFDas ErsteSRF 1
Besetzung

 


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