Alle sagen: I love you (Everyone Says I Love You, USA 1996) #Filmfest 953 #Top250

Filmfest 953 Cinema – Concept IMDb Top 250 of All Time (119)

Alle sagen: I love you (Everyone Says I Love You) ist ein US-amerikanischer MusicalSpielfilm aus dem Jahr 1996 von Woody Allen, der auch das Drehbuch schrieb. Der Film erhielt sehr gute Kritiken, er wurde u. a. in TV Movie 17/1997 als amüsant und herrlich nostalgisch bezeichnet, in TV Spielfilm 17/1997 als ein Highlight. Besonders gelobt wurden die Gesangs- und Tanzszenen. Roger Ebert glaubt, dass der Film möglicherweise der beste ist, den Woody Allen je gedreht hat:

Die IMDb-Nutzer:innen sind anderer Ansicht. Sie vergeben für „Alle sagen: I love you“ durchschnittlich 6,7/10. Dadurch steht eine ganze Reihe anderer Woody-Allen-Filme deutlich vor diesem Werk aus dem Jahr 1996, das der Nachfolger von „Geliebte Aphrodite“ ist, den wir kürzlich hier besprochen haben (dazwischen liegt „Sunshine Boys“, für den Allen aber nur das Drehbuch verfasst hat). Die Wahrheit über die Qualität von „Alle sagen: I love you“ lesen Sie in der –> Rezension. (1) Warnung: Diese Rezension enthält ausnahmswiese kulturell veraltete Ansichten, Anspielungen und Aussagen und ist für woke Menschen nicht durchgängig geeignet. Eine noch größere Ausnahme ist, dass wir das anlässlich der Veröffentlichung des Textes nicht geändert haben, denn die Duo-Rezensionen der Jahre 2016 bis 2017 waren diesbezüglich ein Sonderfall unter den Wahlberliner-Artikeln, wurden aber in der Regel dann geglättet, wenn sie erst später publiziert wurden. 

Handlung (1)

Der abwechselnd in New York und Paris lebende Schriftsteller Joe Berlin kann nach der Scheidung von Steffi keine passende Frau finden. Steffi und ihr neuer Ehemann Bob Dandridge unterstützen ihn nun als seine Partnerschaftsberater. Sie hören auch geduldig zu, als der neurotische Joe von seinen Plänen erzählt, vom Eiffelturm zu springen, und dabei überlegt, einige Stunden früher tot sein zu können, würde er von New York nach Paris statt mit einem normalen Flugzeug mit einer Concorde fliegen.

Dandridges Tochter Skylar will unterdessen heiraten, ihr Verlobter Holden Spence versteckt jedoch den Verlobungsring im Wert von 8.000 US-Dollar in einer Portion Eiscreme, weshalb Skylar den Ring verschluckt.

Eines Tages trifft Berlin in Venedig die verheiratete New Yorker Kunsthistorikerin Von Sidell und verliebt sich in sie. Es stellt sich heraus, dass seine Tochter die Psychiaterin kennt, die Von Sidell behandelt. Gemeinsam mit zwei Freundinnen belauscht sie die Therapiesitzungen und notiert sich die Träume und Vorlieben der Patientin. Joe arrangiert weitere Treffen, bei denen er Von mit seinen Kenntnissen ihrer geheimsten Wünsche verzaubert, und lädt sie schließlich in eine eigens von ihm angemietete romantisch gelegene Pariser Wohnung ein. Nach einer kurzen Affäre verlässt Von ihren Liebhaber schon bald nach ihrer Ankunft in Paris. Sie teilt ihm mit, dass er für sie die Verkörperung eines Traummannes gewesen sei. Nachdem dieser Traum nun aber in Erfüllung gegangen sei, habe er an Bedeutung verloren. Joe erwidert, sie sei verrückt, und deutet an, dass er sie getäuscht habe. Von, die nicht versteht, was er ihr sagen will, antwortet, wenn dem tatsächlich so wäre, sei er verrückt.

Der liberal und fortschrittlich denkende Dandridge schlägt sich derweil mit anderen Problemen herum. Sein Sohn propagiert plötzlich republikanische Wahlkampfthemen und spricht sich für das Recht auf Waffenbesitz, das Schulgebet und die Todesstrafe aus. Nachdem dies Bob in eine Krise gestürzt hat, löst sich das Problem jedoch von allein. Ein Blutpropfen hat verhindert, dass das Gehirn des Sohnes ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird. Nachdem dieser entfernt worden ist, kann er wieder klar denken. Die Familie Dandridge verbringt Weihnachten in Paris im Hôtel Ritz. In der letzten Szene sprechen Joe und Steffi Dandridge über die gemeinsam verbrachte Zeit. Sie tanzen am Seineufer

Annie und Tom über „Alle sagen: I love you“

Anlässlich der Veröffentlichung der Rezension im Jahr 2023 müssen wir einen Voraus-Text beifügen: Gerade noch, bevor uns die Nummerierung durcheinander gekommen wäre, haben wir festgestellt, dass nicht nur Roger Ebert den Film einmal sehr gut fand. Er war nach seinem Erscheinen kurzfristig in der IMDb-Liste der 250 besten Filme aller Zeiten zu finden. Diese wurde damals eröffnet, sodass viele Filme aus den Mitt-1990ern darin zu finden waren, die heute längst keine Chance mehr auf eine Platzierung in dieser Liste hätten. Doch ein Abstieg von einem Listenmitglied auf 6,7/10 ist so bemerkenswert, dass wir den Film zunächst als listenunverdächtig eingestuft und daher nicht mitgezählt hatten. Hat er den Test der Zeit nicht so recht bestanden? Lesen wir, was Anni und Tom 2015 dazu geschrieben haben:

ANNI: So ein Eye Candy, Soul Candy, Heart Candy. Ein süßer Film. Du hättest aber heute anfangen müssen, denn du hast einmal gesagt, die klassischen Hollywoo-Filmmusicals seien der Auslöser für dein Interesse an diesem Medium gewesen. Und „Everyone says I love you“ ist ja schließlich eine Hommage, eine Parodie, eine liebevolle Nostalgie auf ebenjenes Genre.

TOM: Ja, meine Haltung zu diesen Muscials hat sich aber inzwischen relativiert und nicht alle haben den „Test of Time“ bestanden, auch wegen ihrer oft sehr flachen, standardisierten Handlungen. Allerdings haben alle Genres ihre Standards. Groucho Marx steht jedoch außerhalb jeder Diskussion und die Parodie „Hurrah for Captain Spaulding“ auf Französisch ist mit das Schönste, was ich im Retro-Musical bisher gesehen habe. Was natürlich auch am Original liegt, aber die Parodie einer Parodie geht eben doch, vor allem, wenn sie unverkennbar als – sic! – Hommage gedacht ist. Aber auch die Krankenhaus-Tanznummer und die Funeral-Geister-Tanznummer sind herrlich. Bei den nur gesungenen Stücken läuft es für mich nicht ganz so gut, und die Dialoge gehören zu den schwächsten, die ich bisher in einem Woody Allen-Film gehört habe.

ANNI: Wirklich? Klar, mit „Annie Hall“ („Der Stadtneurotiker“) können sie nicht mithalten und auch nicht mit denen in „Manhattan“. Aber das gehört ja sicher auch mit zur Parodie, die eigenen ewig gleichen Beziehungsdiskussionen, die Allen in seinen Filmen führt, gleich mit auf die Schippe zu nehmen und auf die oft sehr simplen Wahrheiten oder Unwahrheiten  zu reduzieren, die hinter all den pseudointellektuellen, rein auf vorgeblich hochwertiger, nur Akademikern zugänglicher Sprachverwendung basierenden Wortkaskaden stecken.

TOM: Dann hätte etwas schärfer rüberkommen dürfen. Und ich weiß nicht, diese alberne Gegenüberstellung des neokonservativen Sohns mit seinem liberalen Umfeld hat mich auch gestört.

ANNI: Jetzt geht das wieder los. Sorry, aber man merkt doch, dass beide Seiten hier nicht ernst genommen werden, so what? Glaubst du, Allen wählt dieses Jahr Donald Trump und ist in Wirklichkeit von seinem eigenen jüdischen New Yorker Milieu angewidert? Der Film ist außerdem 20 Jahre alt, und er ist in diesen leuchtenden Farben und dieser Üppigkeit gefilmt, die damals einfach in waren. Verdammt, ich will lieber die 1990er zurück und Präsident Clinton und seine Moncia Lewinsky und Filme wie diesen, als diese immer mehr um sich greifende Düsternis unserer Zeit, in der selbst Komödien in grau-grau gefilmt werden. Der Film ist einfach herrlich, und so schlecht sind die Dialoge auch nicht, wenn du sie mal nicht mit den besten Allen-Filmen, sondern mit dem vergleichst, was sonst auf den Markt kommt. Und, um dein vermutlich nächstes Argument gleich mit zu bearbeiten: Der Plot mit seinen simplen Elementen, die irgendwie so vor sich hinplätschern, ist doch besser, als künstlich Dramatik herzustellen. Das hat Allen noch nie gemacht. Zumindest nicht in Filmen, in denen er selbst mitspielt, weil seine Persona das irgendwie verbietet, echt und nicht nur ironisiert pathetisch zu werden.

TOM: Himmel, ich hab ja noch gar nichts in der Art gesagt. Ich geb zu, ich hab gerade über etwas ganz anderes nachgedacht. Nämlich, welchen Film und welche Szene sie mit der hübsch getricksten Szene an der Seine hofiert haben. Die Seine-Tanszene mit Gene Kelly und Leslie Caron in „An American in Paris“ kann es nicht gewesen sein, denn nicht nur hier, sondern im ganzen Film gibt es keine Songs von George Gershwin. Und auch keine von Irving Berlin übrigens, von dem sich Joe Berlin den Nachnamen geliehen hat.

ANNI: Vielleicht ist es mehr die Tanzszene von Fred Astaire und Cyd Charisse in „The Band Wagon“, die aber im Central Park von New York stattfindet. Die soll ja zu den besten Paar-Tänzen der klassischen Musical-Ära gehören.

TOM: Ja, das tut sie ganz sicher. Und ich glaube auch, darauf bezieht sich die Seine-Sequenz. Die unglaubliche Leichtigkeit und Anmut der Originalszene hat Allen parodiert, indem er seine Ex richtiggehend wie eine Feder schweben lässt. Außerdem könnte das auch eine Anspielung auf die Astaire-Rogers-Filme sein, wo Astaire seine Partnerin auch gerne so bewegt, als hätte sie quasi kein Gewicht. Und natürlich auf ihr berühmtes Federkleid, das ihr den Spitznamen „Feathers“ von ihm eingebracht hat.

ANNI: Aus welchem Film ist das denn nun?

TOM: „Top Hat“ (1935), einer von ihren besten Filmen. Woody Allen hat da eh die komplette Klaviatur drauf, was die Aufhübschung seiner Filme mit Erinnerungen an das alte Hollywood und auch an die Pop Standards der 1930er angeht. Das ist eh einer seiner besten Tricks, die manchmal etwas dröge Sprache und die nicht selten sehr alltagsangenäherten Handlungen seiner Werke mit diesen Standards zu verknüpfen, damit sie eine emotionalere Färbung bekommen. Als er damit in den 1970ern begann, hatte das Publikum ja auch häufig noch Original-Jugenderinnerungen an diese Songs und diese Filme und er hat es damit glänzend verstanden, modernes Quasselkino eigener Art mit einer beschwingten Note zu unterlegen, wie sie nur Songs aus der Swing-Ära schaffen können – und damit auch eine gewisse Brechung des modernen Sprechs und der angeblich so viel mehr sophisticateden Figuren seiner Filme zu erreichen. In „Alle sagen: I love you“ hat er sich dann wohl gedacht, wenn ich schon Musik aus alten Musicals verwende, warum nicht auch den Tanz parodieren? Und das ist ihm übrwiegend gelungen. Ich bin gar nicht so weit von dir weg, wie du denkst.“

ANNI: So, denke ich das? Ich wollte nur bremsen, als du schon wieder auf die politische Schiene wolltest. Die ist in dem Film erkennbar ein Nebenschauplatz. Ich frage mich sowieso, ob Allen sich je wirklich für Politik interessiert hat oder sie eher für Zeitverschwendung hält, wie auch die oft absurden Dialoge, die seine Figuren führen, anstatt es unkompliziert und nett miteinander zu haben. Ich glaube sogar, eine Aussage, die Politik komplett ernst nimmt, wäre nicht Allen-mäßig. Gleiches gilt übrigens für die Religion, die ja hier auch immer mal wieder etwas einträufelt. Ganz sicher sieht er Weltanschauungen nicht als Schlüssel für die Lösung persönlicher Probleme an. Und das ist eine gute Botschaft, auch in diesem Film.

TOM: Wenn man diese Botschaft gerade aus diesem Film herauslesen kann. Naja, das Lied der Geister, das in etwa den Tentor hat „Es ist schon sehr spät, mach endlich was aus deinem Leben“, weist schon darauf hin. Ich hab mal meine Punkte notiert.

ANNI: Ich geb 7,5/10. Der Swing ist auf mich übergegangen und die Gags mit den seltsamen Beziehungen zwischen höchst ungleichen Menschen und wie sie zustande kommen, fand ich auch überwiegend gut.

TOM: Und ich bin auch nicht eifersüchtig, weil ein Typ wie Woody Allen Julia Roberts küssen darf. Wenn ich sie sehe, denke ich an Woody Allens Worte in diesem Film, die übrigens deine obige These stützen: „Wenn es wirklich Gott gibt, müssten die Menschen angesichts seiner Performance eine Sammelklage gegen ihn einreichen“ (sinngemäß wiedergegeben).

ANNI: Wie bitte?

TOM: Naja, insbesondere bei der ästhetischen Gestaltung von menschlichen Mündern ist noch Raum nach oben, etwas mehr weg von den Fischen … wenn man bedenkt, dass Roberts als schönste Hollywoodschauspielerin der 1990er galt und sie demnach der Maßstab für das war, was Gott bis dahin zuwege gebracht hatte. Gut, alles Geschmacksache.

ANNI: Boah, so fies würde Allen nie auf äußerliche Merkmale von Menschen abheben.

TOM: Doch. Hat er in vielen Filmen getan, und sich dabei auch selbst ironisiert. Allerdings immer mit so einem gewissen hinterlistigen Grinsen: Und ich krieg sie doch, die tollen Weiber. Was ja auch stimmte. Insofern ist diese dysfunktionale Beziehung zu Roberts gar nicht so weit hergeholt. So, nun aber endlich  meine Punkte: 7/10.

ANNI: Was, so nah bei mir? Ich hätte gedacht, jetzt kommt ein richtiger Daumen nach unten. Okay, nach der Viertel-Abwertungsmethode setzt du dich ja quasi durch und wir landen bei 7/10.

70/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke

(1) Warnung: Diese Rezension enthält ausnahmswiese kulturell veraltete Ansichten, Anspielungen und Aussagen und ist für woke Menschen nicht durchgängig geeignet. Eine noch größere Ausnahme ist, dass wir das anlässlich der Veröffentlichung des Textes nicht geändert haben, denn die Duo-Rezensionen der Jahre 2016 bis 2017 waren diesbezüglich ein Sonderfall unter den Wahlberliner-Artikeln, wurden aber in der Regel dann geglättet bzw. gekürztwenn sie erst später publiziert wurden. Ursprünglich handelt es sich hier sogar um eine der seltenen „Mimi & Linux“-Rezensionen, die Namen allerdings haben wir auf die spätere Kenntlichmachungsversion „Annie und Tom“ geändert. Ein weiteres Kuriosum der Rezension ist, dass darin „Annie Hall“ erwähnt wird, den wir erst später gesichtet haben. Es stimmt aber, er ist, etwa gleichwertig mit „Manhattan“ trotz schöner späterer Filme von Allen spitze.Wo

(2), kursiv und tabellarisch: Wikipedia

Regie Woody Allen
Drehbuch Woody Allen
Produktion J.E. BeaucaireJean Doumanian
Musik Dick Hyman
Kamera Carlo Di Palma
Schnitt Susan E. Morse
Besetzung

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