So viel Rente gibt es nach 45 Jahren | Briefing 252 | Gesellschaft, Wirtschaft

Briefing 252 | Rentensystem, Ost, West, Frauen, Männer

Wie lange haben Sie gearbeitet und wieviel Rente haben Sie zu erwarten? Statista hat ein komplettes Arbeitsleben von 45 Jahren „harmonisiert“  und  für Ost und West, für Frauen und Männer in den Jahren 2018, 2022, 2022 dargestellt:

Infografik: 1.543 € Rente nach 45 Jahren Arbeit | Statista

1.543 Euro Rente pro Monat bekommen Senior:innen in Deutschland – wenn sie mindestens 45 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben. Das geht aus einer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vorliegenden Antwort des Bundesarbeits­ministeriums auf eine schriftliche Frage des Linken-Bundestagsfraktionschefs Dietmar Bartsch hervor.

Dabei gibt es einen deutlichen Geschlechterunterschied. Männer bekommen 1.637 Euro, Frauen 1.323 Euro. Erhebliche Unterschiede bestehen auch zwischen alten und neuen Bundesländern, wie der Blick auf die Statista-Grafik zeigt. Bartsch nennt das gegenüber dem RND eine „eine beschämende Bilanz der Rentenpolitik der letzten zwei Jahrzehnte“ die zeige, „dass wir weit entfernt sind von einem gerechten System auskömmlicher Renten“.

Indes weist die Deutsche Rentenversicherung darauf hin, dass die Daten nur die von der Rentenversicherung ausgezahlten Netto-Altersrenten zeigen. Im Einzelfall würde vielen Menschen im Alter ein höherer Betrag zum Leben zur Verfügung stehen, da oft zusätzliche Ansprüche über eine Beamtenversorgung, eine private Altersvorsorge oder Zahlungen aus einer berufsständischen Versicherung erworben worden sind.

Die Entwicklung der Renten zeigt immerhin, dass der Gap sich langsam schließt. Sowohl der zwischen Männern und Frauen als auch der zwischen Ost und West. Er war in früheren Zeiten wesentlich größer. Die Frage ist ohnehin, ob man im Rentensystem ausgleichen kann, was in der Arbeitswelt angelegt ist, nämlich, dass Männer immer noch durchschnittlich um ca. 20 Prozent besser bezahlte Jobs haben und dass im Westen eher die Spitzengehälter zu finden sind. Die Unterschiede bei gleicher Tätigkeit sind hingegen relativ gering (ca. 6 Prozent zugunsten der Männer abzüglich dem Öffentlichen Dienst, im Osten gibt es keine niedrigeren „Ost-Tarife“, sofern Tariflöhne bezahlt werden).

Eine wesentliche Ungerechtigkeit besteht in der Bewertung einzelner Tätigkeiten. Während einiges Bullshit-Business hoch bezahlt ist, werden systemrelevante Berufsfelder immer noch eher bescheiden vergütet – und in diesen wichtigen, aber von der Gesellschaft merkwürdig gering honorierten Berufen sind überwiegend Frauen tätig.

Der Blick richtet sich also auf eine Gesellschaft, die dort versagt, wo es um die Abschichtung der Relevanz und von Schein und Sein geht. Es gibt seit vielen Jahren eine Entwicklung, die Hokuspokus und Geschäftemacherei, Spekulation und Ausbeutung gegenüber ehrlicher Arbeit privilegiert, und darunter leiden vor allem der Wert dessen, was Frauen zum Funktionieren der Gesellschaft tatsächlich beitragen, weil sie seltener auf den vier genannten Feldern und häufiger auf der anderen Seite zu finden sind.

Es bedarf einer breiten Diskussion darüber, was der Markt bestimmen darf, wer über den Marktwert von Arbeit bestimmt und was das über diese Gesellschaft und ihre sozioökonomische Verfassung aussagt.

Ein weiteres Problem sind die in Deutschland generell zu niedrigen Renten. Da hilft es nicht, dass die DRV darauf hinweist, dass zu ihren Leistungen bei manchen Rentner:innen weitere Bezüge hinzutreten. Es sind in der Regel auch diejenigen, die schon hohe gesetzliche Renten haben, die noch über Zusatz-Alterseinkommen verfügen.

Was den Vergleich mit anderen Ländern angeht, der zumindest angedeutet werden muss: Es wird von den Freunden der Ungleichheit gerne angeführt, dass es immer diese oder jene systemischen Unterschiede zu berücksichtigen gibt, wenn Deutschland so erschreckend schlecht dasteht – per Saldo ist es aber wirklich so, dass die Menschen hierzulande viel mehr von Altersarmut bedroht sind als im europäischen Ausland. 

TH

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