Mars Attacks! (USA 1996) #Filmfest 956

Filmfest 956 Cinema

Mars Attacks! ist eine Science-FictionFilmkomödie des Regisseurs Tim Burton aus dem Jahr 1996. Produziert wurde sie von Warner Bros. Der Film wurde in Deutschland erstmals auf der Berlinale am 22. Februar 1997 gezeigt. Der Film basiert auf einer Sammelkartenreihe von Topps unter dem gleichen Namen, die 1962 veröffentlicht und, aufgrund der Gewaltdarstellung, kontrovers aufgenommen wurde.

Für einige Werke von Tim Burton empfinden wir sehr viel Zuneigung, wie „The Big Fish“ oder den ersten der neueren Batman-Filme von 1989, sicher gehört er zu den fantasievollsten Kinomachern unserer Zeit. Aber manchmal vergaloppiert er sich auch, so konnten wir etwa seiner überladenen Inszenierung von „Charlie und die Schokoladenfabrik“ nicht viel abgewinnen. Wie sieht es nun mit dem, das schicken wir vorweg, schrillen Angriff der Marsianer auf die Erde aus? Es steht in der –> Rezension.

 Handlung (1)

Tausende fliegende Untertassen steuern auf die Erde zu. Das Weiße Haus wird darüber von Professor Donald Kessler informiert. Kessler kann den US-Präsidenten James Dale davon überzeugen, die Marsianer angemessen auf der Erde zu empfangen, statt sie anzugreifen. So schickt Dale ein Begrüßungskomitee in die Wüste von Nevada, wo vor den Augen der Weltpresse und Hunderter Zivilisten ein UFO landet und einige Außerirdische aussteigen. Die menschenähnlichen, jedoch mit überproportional großem, frei sichtbarem Gehirn ausgestatteten Wesen verkünden, dass sie friedliche Absichten verfolgen. Einer der Anwesenden lässt daraufhin eine Friedenstaube aufsteigen, worauf die Marsianer empört reagieren und ein Massaker unter den Anwesenden anrichten. Das US-Militär ist gegen die Strahlenwaffen der Außerirdischen machtlos.

Präsident Dale ist entsetzt, doch Kessler geht von einem kulturellen Missverständnis aus, und so werden die Marsianer noch einmal eingeladen, um im Kapitol vor dem Kongress zu sprechen. Doch auch dort löschen die Marsianer alles Leben aus. Kessler wird von den Marsianern in deren UFO entführt, wo man an ihm und an der Reporterin Natalie Lake medizinische Experimente durchführt. Als die Marsianer auch das Weiße Haus stürmen und dabei unter anderem First Lady Marsha Dale getötet wird, lässt sich Dale von dem von Anfang an misstrauischen General Decker überreden, eine Nuklearrakete ins All zu schießen. Die Marsianer fangen die bereits explodierende Rakete jedoch ab und inhalieren das bei der Kettenreaktion entstehende Helium, um daraufhin mit erhöhter Stimme zu sprechen.

Nun beginnen die Außerirdischen, in die ganze Welt einzufallen, Städte einzuäschern und unzählige Menschenleben auszulöschen. Es gelingt ihnen, den Präsidenten-Bunker zu stürmen und dort General Decker und die anderen Mitarbeiter umzubringen. Dale bleibt zunächst am Leben und versucht noch, eine diplomatische Lösung auszuhandeln, wird jedoch ebenfalls getötet. Als ein junger Mann namens Richie Norris mit seiner senilen Großmutter Florence vor der Invasion flüchtet, entdeckt er zufällig, dass die Gehirne der Marsianer bei den Jodlern von Slim Whitmans Indian Love Call explodieren und dies bei jeglicher lauter Musik mit hohen Tönen der Fall ist. Diese Methode verbreitet sich rasch, und so verteidigen sich die Menschen und feiern schließlich Richie Norris und Großmutter Florence in den Trümmern von Washington, D.C. als Retter der Welt. 

 Rezension

Mit „Mars Attacks“ haben wir eher ein anderes Problem. Wir würden gewiss nicht unterschreiben, dass wir humorlos sind, aber man merkt dem Film sehr an, dass er in einer Zeit entstanden ist, in der sich beim besten Willen niemand mehr vorstellen konnte, dass es einmal wieder so gefährlich auf der Welt zugehen würde wie im Moment. Diese optisch ohne Frage gelungene Hommage auf die schrill-trashigen SF-Filme von Ed Wood (dem Burton zwei Jahre von „Mars Attacks“ selbst ein filmisches Denkmal gesetzt hat) und dem Originalfilm „Krieg der Welten“, in dem eine fliegende Untertasse ins Kapitol von Washington D. C. rast kam zu einem Zeitpunkt, als Bill Clintons Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky in etwa der maximale Aufreger war. Den Balkan-Konflikt gab es auch noch, aber der war schon im Abklingen und für die Amerikaner ohnehin weit weg, auch wenn sie dort involviert waren. Im Film wird dieser Krieg einmal kurz erwähnt.

Als 1951 der Original-„Krieg der Welten“ herauskam, war die antikommunistische Paranoia auf ihrem Höhepunkt und der Film war keine Komödie. Und genau das ist das Problem. Seit den frühen 2000ern haben durch Terror und alle möglichen zunehmenden Konflikte die Verhältnisse sich wieder so sehr geändert, dass jedem, der nicht vollkommen ignorant ist, beim Anschauen von „Mars Attacks“ eher mulmig wird, als dass man die witzigen Elemente so richtig zum Ablachen verwenden kann. Ganz sicher kommt die Bedrohung, die wir mittlerweile (fast) alle fühlen, nicht vom Mars, sondern von der Erde selbst, und die denkbaren und tatsächlich schon eingesetzten Waffen sind bekannt, aber das macht es nicht besser, zumal etwa die zunehmend auf Drohneneinsätzen basierende Kriegführung etwas Unheimliches und SF-mäßiges hat. Dass die Marsianer noch selbst in die Schutzanzüge steigen und mit Strahlenwaffen auf einzelne Erdlinge schießen, wirkt dementgegen richtig konservativ.

Es gibt aber auch Dinge im Film selbst, die zwar heute relevant sind, aber die schwarze Komödie, die sich darin verbirgt, politisch mehr als fragwürdig wirken lässt. Man kann den Film nämlich so lesen, dass einzig der Kriegstreiber General Decker überhaupt die Gefahr erkennt, die von den Marsmenschen ausgeht. Die Mittel, die gegen sie eingesetzt werden, erweisen sich zwar als untauglich, aber mehr als den Widerstand versuchen kann man nun einmal nicht, und was stellt schon eine einzelne Atomrakete dar, die nichts nützt, angesichts des weltweiten Waffenarsenals? Sicher würde ein Mann wie Decker, ein Oberfalke sozusagen, bei jeder politischen Konfliktlage so reagieren wie hier, und wäre es noch so unangemessen.

Man wird das Gefühl nicht los, dass die demokratischen Institutionen, der vorsichtig agierende Präsident eingeschlossen, als ein Haufen von Waschlappen dargestellt werden, die versuchen, eine komplett fremde, außerirdische Kultur mit hiesigen Maßstäben zu messen und ihnen übliche Zeichen der Völkerverständigung anzubieten, anstatt von vorne herein klar zu machen, dass hier kein Platz für die immerhin grün ummantelten Marswesen ist. Es fehlt den Erdlingen eindeutig am angebrachten Misstrauen – besonders der Wissenschaftler Donald Kessler mit seiner im Grunde positiven Neugier steht für die Erdenbürger, die fälschlicherweise an das Gute in Allem glauben, obwohl sie es als Wissenschaftler besser wissen müssten, denn die Wissenschaft an sich ist nicht moralisch, sondern faktisch, und der Umgang mit ihren Früchten ist bekannterweise nicht selten unmoralisch. Trotzdem ist die Besetzung der Kessler-Rolle mit Pierce Brosnan gelungen und eine der echten Ironien im Film, denn zu jener Zeit, in der „Mars Attacks“ entstand, war er der aktuelle James Bond-Darsteller und als solcher ganz anders drauf als der gutmütige Alien-Forscher.

Ob Jack Nicholson seine Doppelrolle als Präsident und Las Vegas-Tycoon genossen hat, wissen wir nicht, aber wir müssen Roger Ebert beipflichten, wenn er schreibt, dass die Bedrängnis, in die der Anführer der freien Welt gerät, eben nicht komisch ist. Nicholson kann alles, natürlich auch Komödie und Satire, aber wie er hier hilflos versucht, Contenance im Alien-Chaos zu bewahren, das ist zu dicht an der Wahrheit. Das lässt sich heute leichter schreiben als zur Entstehungszeit des Films, aber schon damals haben viele Kritiker diesem bunten Treiben unter Tim Burtons Regie nicht getraut – das Publikum übrigens tut es auch nicht, wie die heutigen Wertungen zeigen (6,3/10 in der IMDb, 53 % bzw. 52 % von 100 bei Rotten Tomatoes (Kritiker und Nutzer) und ein Metascore von 52/100).

Wir erinnern uns noch gut, dass wir  „Mars Attacks“ beim ersten Anschauen, und das war bereits einige Jahre nach seiner Premiere und unter dem Eindruck neuer politischer Bedrohungen, noch um einiges witziger fanden als gestern. Mittlerweile ist wohl die Erkenntnis des Ernstes der Lage zu tief in unser aller Bewusstsein vorgedrungen, und das macht es nicht nur für eine hochpreisige Trash-Komödie wie diese schwer, sondern generell für die leichte Unterhaltung. Irgendwie ist in allem, was vor einigen Jahren noch flockig wirkte, jetzt ein falscher Ton drin und nur die wirklich großen Komödien überstehen den Wandel der Zeitstimmung, den es mittlerweile gegeben hat, unbeschadet.

Diese großen Komödien sind auch meist nicht mit einer zweifelhaften Botschaft befrachtet und auf ein so unwahrscheinliches Ende angewiesen, in dem die Erde dadurch gerettet wird, dass durch Zufall herauskommt, dass die Außerirdischen platzen, wenn sie den „Indian Love Call“ von Countrysänger Slim Whitman hören. Sicher ein Gag und eine Anspielung auf die Popkultur der 1950er, in denen fliegende Untertassen sehr en Vogue waren, aber da fehlt uns schon ein wenig von dem Zugang, den die Amerikaner sicherlich zu diesem Gag haben. Das wäre bei hierzulande bekannteren Stars wie Frank Sinatra Vielleicht anders, sich andererseits aber auch verbieten würde, weil diese nicht so eindeutig einer bestimmten, provinziell-schmalzig wirkenden Musikrichtung zuzuordnen sind.

Musik spielt auch sonst eine wichtige Rolle. Wie für die meisten Burton-Filme hat Danny Elfman auch für „Mars Attacks“ den Score geschrieben, und das bedeutet, es handelt sich nicht um eine beiläufige, sondern sehr dominante Orchestrierung, die sich aber erfolgreich an die SF-Filme der 1950er anlehnt, in denen das Instrument Theremin verwendet wird. Es wurde in den 1940ern erstmalig eingesetzt und dann charakteristisch für die SF-Scores der frühen 1950er. Natürlich wirkt der Sound in den 1990ern noch um einiges großvolumiger.

Finale

Wenn man die politische Aussage des Films, wie wir sie herausgearbeitet haben, und, wenn man so will, unter Auslassung der Ironie, mit der sie wieder hinterlegt sein könnte, nicht nur wegen seiner allgemeinen Tendenz und wegen der aktuellen Weltlage in Frage stellen will, sondern ganz eng auf dieses Jahr und unsere Situation hierzulande beziehen will, kann man in gefährliches Fahrwasser kommen. Denn dann muss man auch darüber nachdenken, was passiert, wenn man allzu naiv mit Menschen umgeht, die zu uns strömen, deren Gedankenwelt man kaum kennt und die zu erforschen  nicht an technischen Übersetzungsfehlern scheitern wird, aber vielleicht an einem Mangel an echtem Interesse und echtem Willen zur Einbindung Fremder in ein freiheitliches System – jenseits wohlfeiler Bekundungen und eines Machbarkeitswahns, der nicht einmal die Vorstufe zur Realität übersteht. 

Die Oberflächenerkundung des Mars durch Sonden, lernen wir zu Beginn des Films, konnte nicht dazu führen, dass man erkannte, was in den tiefen, tiefen Spalten verborgen ist, die es auf diesem Planeten gibt. Eine ganze, technisch hochstehende, aber moralisch auf tiefstem Niveau stehende Kultur, deren Exemplare nicht umsonst eine Mimik, Sprache und Lache haben, die der von Beavis und Butt-Head nachempfunden scheint – auch diesen Vergleich haben wir übrigens bei Roger Ebert entdeckt, und er hat uns verblüfft, weil wir darauf nicht selbst gekommen sind. Wer Beavis und Butt-Head kennt, weiß, dass des keine Marsianer braucht, um Primitivität und Brutalität in die Welt zu bringen.

Anlässlich der Veröffentlichung des Textes acht Jahr nach dem Entwuf fühlen wir uns zu einer kleinen Ergänzung veranlasst: Wir befürchten, dass wir auch heute komplett humorlos mit dem Film umgehen würden, denn ist seit 2015 irgendetwas besser geworden? Es ist nicht der Terrorismus, der uns aktuell am meisten beschäftigt, sondern wieder der Krieg. Vielleicht muss man doch die Ironie hinter dem in „Mars Attacks!“ vermittelten Weltbeld bemühen, wenn man so eindeutig seltsam fremde, leider gut vertraute Schurken und überforderte, ehrbare, in der Realität schwer auffindbare Demokraten voneinander scheiden will.

60/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)

(1), kursiv und tabellarisch: Wikipedia

Regie Tim Burton
Drehbuch Jonathan Gems
Produktion Tim Burton,
Larry J. Franco
Musik Danny Elfman
Kamera Peter Suschitzky
Schnitt Chris Lebenzon

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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