Agentenpoker / Bluff Poker – Ein Schlitzohr packt aus / Hopscotch – Der Aussteiger (Hopscotch, USA 1980) #Filmfest 961

Filmfest 961 Cinema

Agentenpoker ist eine US-amerikanische Agentenkomödie aus dem Jahr 1980 mit den Hauptdarstellern Walter Matthau und Glenda Jackson. Der Alternativtitel ist Bluff Poker – Ein Schlitzohr packt aus, weiterer Titel Hopscotch – Der Aussteiger. Der Film basiert auf dem 1975 erschienenen Roman Hopscotch von Brian Garfield.

„Agentenpoker“ hat für uns einen hohen Wiedererkennungswert. Nicht nur wegen des so vertrauten Walter Matthau in der Hauptrolle, sondern auch wegen der Locations – Salzburg in einer Zeit, als wir die Stadt auch gerade kennengelernt hatten, England kurz davor. Es ist ein großer Vorteil, dass der Film tatsächlich überwiegend an Originalschauplätzen gefilmt wurde, unter anderem während des Münchener Oktoberfests, das bekanntlich bald wieder stattfinden wird, er wirkt dadurch für uns sehr stimmungsvoll und authentisch. Allerdings wurde wohl während der Wiesn 1979 gefilmt, denn 1980 kam es zu dem schrecklichen Terroranschlag, der 13 Menschenleben kostete. Mehr zu Film aber finden Sie in der –> Rezension.

Handlung (1)

Nach 20 Jahren als CIAAgent im Außendienst soll Miles Kendig ins Archiv versetzt werden. Doch der alte Hase lässt sich von seinem neuen Chef Myerson nicht so leicht abschieben. Statt sich um die alten Akten zu kümmern, verschwindet er, um in Salzburg die Zeit mit seiner Geliebten, der verwitweten ehemaligen Geheimdienstmitarbeiterin Isobel von Schönenburg, zu genießen und ein Buch über die Machenschaften der Geheimdienste zu schreiben.

Kendig sendet den Text des ersten Kapitels an die wichtigsten Geheimdienste der Welt. Als die ersten Leseproben in Washington eintreffen, setzt der wütende Myerson die Agenten Cutter und Ross auf den Verräter an. Doch Kendig narrt seine Verfolger und lockt sie in einem Katz-und-Maus-Spiel um die ganze Welt – es geht von Österreich über die Schweiz und Frankreich zurück in die USA und über die Bermudas weiter nach London.

In London hat Kendig mit Parker Westlake einen mutigen Verleger gefunden, der bereit ist, das brisante Buch zu veröffentlichen. Die Geheimdienstleute verfolgen Kendig bis zur Kanalküste und werden Zeugen, wie sein Fluchtflugzeug nach Schüssen von Myerson direkt vor Beachy Head explodiert. Der Fall Kendig scheint damit abgeschlossen zu sein. Doch auch diesmal hat Kendig alle genarrt. In der Schlusseinstellung sieht man ihn, wie er als einen Dastar tragender Sikh verkleidet mit einer Angestellten in einem Londoner Buchladen über den Bestseller Hopscotch plaudert.

Rezension

Walter Matthau als schlitzohriger CIA-Mann, der mit seinen Memoiren den eigenen Chef unter Druck setzt und andere Geheimdienste gleich mit, über die er eloquent plaudern kann, schlägt die Brücke ins Heute – nur, dass seine Leaks vielleicht ein wenig amüsanter waren als die oft furchtbaren Hintergründe, die nunmehr aufgedeckt werden.

Der Inhalt seiner niedergeschriebenen Lebens- oder Berufsgeschichte wirkt, als ob er den darin Vorkommenden peinlich sein könnte – es scheint aber auch Geheimnisse zu geben, die dadurch öffentlich würden. Am Ende wird das Buch wirklich veröffentlicht und natürlich ein Bestseller.

Das Hin und Her zwischen den verschiedenen Locations macht einen Teil des Reizes aus, diese Hyperflexibilität von Miles Kendig. Der Film kommt etwas langsam in Fahrt, aber wenn man die Figur Kendig angenommen hat und sich über jede ihrer Winkelzüge freut, tritt Isobel hinzu und verdoppelt das Vergnügen. Glenda Jackson spielt die Geliebte und Kollegin aus früheren Tagen und gibt ihr die Unverwechselbarkeit mit, die aus einem patenten Charakter eine echte Persönlichkeit macht.

Ein tolles Paar, die beiden, bei dem man nie Bedenken hat, es könnte etwas schiefgehen. Aus dem Ruder läuft die weitsichtige Planung von Kendig nur ein einziges Mal, und da wird der Film, der zuvor in erster Linie vergnüglich war, auch spannend: In dem Moment, in dem Kendig aus einer Telefonzelle kommt und sein blauer Ford Escort-Mietwagen einen Plattfuß hat, der die wie immer eng getimten folgenden Abläufe stören könnte.

Das passiert auch, beinahe wird Kendig geschnappt – doch im Grunde kann ihm nichts Besseres passieren, als dass sein Chef ein paar Sekunden zu spät mit dem Hubschrauber einfliegt – und mitbekommt, wie Kendigs Maschine ins Wasser stürzt. Damit kann dieser für tot gelten, seine Memoiren erarbeiten ihre Tantiemen postum und er kann sich irgendwohin zurückziehen – wo man unwahrscheinlicherweise sein unverwechselbares Knautschgesicht nicht kennt, vielleicht. Oder er verkleidet sich so wie in der Schlussszene, was fast wie eine Hommage an Sherlock Holmes wirkt, der sich in „Das Spinnennest“ ebenfalls als Turban tragender Inder verkleidet hatte.

Nicht nur für heutige Verhältnisse ist „Agentenpoker“ eher sanft gefilmt und zeigt, bis auf Kendigs Chef, nur mehr oder weniger sympathische Figuren, man hat darüber hinaus sehr darauf geachtet, dass die Zuschauer nicht das Wohlgefühl verlieren. Ob man mit dieser Pflege etwas übertrieben hat – die meisten werden das in unserer Zeit der allfälligen filmischen Exzesse wohl bejahen. Wir fanden den Film schön nostalgisch und natürlich gut gespielt. Er war auch der vorletzte des Regie-Veteranen Ronald Neame, dessen Karriere bereits in den 1920ern als Kameramann begann, und das gleich im richtigen Genre, nämlich bei Alfred Hitchcocks „Erpressung“ („Blackmail“, 1929) und der an einigen herausragenden britischen Filmen, z. B. David Leans „Begegnung“ (1945) u. a. als Drehbuchautor mitwirkte, bevor er Ende der 1940er ins Regiefach um- oder aufstieg.

Finale

Es gibt sicher noch immer viele Fans von Walter Matthau, für sie ist der Film ein Fest. Wir hatten einen schönen Abend damit, es gab so gar nichts, woran wir uns hätten stören können und dafür danken wir den Machern und natürlich den wundervollen Schauspieler*innen.

76/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2020)

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie Ronald Neame
Drehbuch Brian Garfield,
Bryan Forbes
Produktion Otto Plaschkes,
Edie Landau,
Ely A. Landau
Musik Ian Fraser
Kamera Arthur Ibbetson,
Brian W. Roy
Schnitt Carl Kress
Besetzung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

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