Dressed to Kill (USA 1980) #Filmfest 964

Filmfest 964 Cinema

Dressed to Kill ist ein US-amerikanischer Psychothriller des Regisseurs Brian De Palma aus dem Jahr 1980. De Palma erweist mit diesem Spielfilm seinem Vorbild Alfred Hitchcock seine Reverenz.

Viele Filme von Brian de Palma kenne aus den 1970ern, bevor er einige Klassiker wie „Scarface“ oder „Die Unbestechlichen“ drehte, zu denen wir im Rahmen der laufenden US-Kino-Chronologie 2/3 auf dem Filmfest noch kommen werden, kenne ich noch nicht, zuletzt wurde für den Wahlberliner „Schwarzer Engel“ rezensiert, der sich stark an Hitchcocks „Vertigo“ anlehnt. „Dressed to Kill“ nun ist eine Reminiszenz an „Psycho“. Der Titel wiederum kam 1946 in einem Film der Sherlock-Holmes-Reihe mit Basil Rathbone schon einmal vor.

De Palma hat sich in jener Phase seines Schaffens, also von Mitte der 1970er bis in die 1980er hinein, durch Hitchcocks hindurchgearbeitet. Chronologisch, wie es scheint, aber 1984 mit „Der Tod kommt zweimal“ dann unter Bezugnahme von „Das Fenster zum Hof“, der älter ist als die beiden oben erwähnten Hitchcocks. Wie auch immer, die enge Anlehnung kennt viele Befürworter und eine Menge Gegner. Ausdruck davon ist, dass de Palma häufig für Preise nominiert war und einige erhalten hat, aber auch immer wieder samt den Darstellern in seinen Filmen für die Goldene Himbeere infrage kam. Wie ging es sich mit „Dressed to Kill“ aus? Es steht in der –> Rezension.

Handlung (1)

Die sexuell frustrierte Hausfrau und Mutter Kate Miller sucht in New York ihren Psychiater Dr. Robert Elliott auf, um mit ihm über ihr unausgefülltes Liebesleben zu reden. Bald darauf trifft sie bei einem Museumsbesuch einen ihr unbekannten Mann, folgt ihm und schläft mit ihm. Beim Verlassen des Hotels wird sie im Lift brutal mit einem Rasiermesser ermordet. Die Prostituierte Liz Blake wird zufällig Zeugin des Mordes – sie sieht eine blonde Frau vom Tatort flüchten.

Die Polizei glaubt ihr nicht und verdächtigt Liz selbst, da sie die Tatwaffe aufgehoben hatte und sich an dieser nunmehr ihre Fingerabdrücke befinden. Liz wendet sich an Dr. Elliott, da sie eine Verbindung zwischen dessen Praxis und der Mörderin vermutet. Schließlich wird sie selbst gejagt. Doch mit Hilfe des Sohnes der Ermordeten kann sie sich von dem Verdacht, eine Mörderin zu sein, befreien und das Geheimnis um die blonde Frau mit dem Rasiermesser lösen. Zusammen finden sie heraus, dass Dr. Elliott, ein Transsexueller, sich hinter der blonden Frau verbirgt. Immer wenn Dr. Elliott sexuell erregt wird, „übernimmt“ sein weibliches Alter Ego. Als er auch Liz ermorden will, wird er von der Polizei angeschossen und überwältigt. Er landet schließlich in einer Nervenheilanstalt.

Kurz darauf entkommt Elliott aus der Anstalt und greift Liz in ihrem Badezimmer an. Liz wacht schreiend auf – der Angriff war nur ein Albtraum.

Rezension

Der Film ist noch schräger als Hitchcocks Original, und dieser war schon das vielleicht nicht ganz ernst gemeinte Trash-Opus im Schaffen des Altmeister, der für mich auch nicht zu den besten Hitchcocks zählt (im Gegensatz zum oben in Bezug genommenen „Vertigo“). Wenn man etwas genauer hinschaut, sind auch die Hitchcock-Filme, die sehr ins Psychologisch-Traumatische gehen, ziemlich auf Kante genäht, weil psychologische Vorgänge darin ganz schön spekulativ dargestellt werden. Aber kein Vergleich zu de Palmas „Dressed to Kill“. Vielleicht hätte Hitchcock, wäre er später geboren worden, etwas Ähnliches gemacht, aber eines muss man de Palmas Film lassen …

Was ist seine Stärke? Spannend, schaurig. Mich hat es mehrfach überlaufen. Ob er auch spannender ist als „Psycho“, ist leider für mich nicht mehr feststellbar, denn „Psycho“ habe ich über lange Jahre hinweg mehrmals gesehen und kann heute nicht mehr das Fühlen von jemandem zurückgewinnen, der die Handlung nicht kennt. Aber die Schockeffekte in „Dressed to Kill“ funktionieren, selbst in der albernen Schlusssequenz, die sich als Traum herausstellt. Man denkt, als Liz und Warren im Restaurant sitzen, jetzt ist es gut, jetzt ist es zu Ende – und dann geht es abrupt von vorne los. Und weil man nicht weiß, was wirklich läuft, kommt man in die Klemme. Man weiß, Dr. Elliott ist in Verwahrung, aber entweder ist er ausgebrochen oder es wurde irgendetwas übersehen.

Der rüde Umgang mit der Psychotherapie ist einer meiner Hauptkritikpunkte an dem Film. Jemand, der in einem solchen Dilemma gefangen ist wie Dr. Elliott, kann nicht therapieren, und die Art, wie die Frauen ihn anmachen, ist vielleicht der Wunschtraum vieler Männer, aber in einer professionellen Situation würden diese Grenzüberschreitungen der Rollen nie einfach so weiterlaufen und würde sich der Therapeut so darauf einlassen, dass er die Kontrolle freiwillig aufgibt. Sicher ist es schon zu Beziehungen gekommen, die dann eine Aufgabe der ursprünglichen Rollenverteilung Behandler-Patient mit sich gebracht haben, aber wie das in diesem Film abläuft, wirkt trashig.

Damit ist auch die Möglichkeit beschnitten, die Probleme Transsexueller mit ihrer Identität ernsthaft darzustellen. Vielmehr wirken sie wie hoch gefährliche Freaks. Heute wäre eine solche quasisatirische Darstellung für mich kein Problem, aber man muss sich vorstellen, wie neu das Thema für den Mainstream-Kinogänger im Jahr 1980 noch war und wie sehr er sich vielleicht in seiner Haltung gegenüber Transsexuellen darin beeinflussen ließ. Die Witze über Transen, die man aus dem Film ziehen kann, sind für mich gut vorstellbar.

Hitchcock hat mit „Psycho“ auch die eigenen Obsessionen vertrasht, ob das für de Palma mit „Dressed to Kill“ auch gilt, kann ich nicht sagen, über ihn habe ich keine Biografie gelesen. Aber wenn nicht, ist es fast noch fragwürdiger, denn was bei Hitchcock auch „Relief“ war, wäre bei ihm eine zugegebenermaßen wirksame, aber auch despektierliche Art von Hommage.

Außerdem ist der Hitchcock-Film doch weitaus logischer und zielt nicht ganz so vordergründig darauf, uns als Zuschauer manipulativ durch die Mangel zu drehen. Das geschieht zum Beispiel durch den Sohn der toten Kate Miller mit seinem Elektro-Tick und wie er und die im Lauf des Films in den Vordergrund tretende Liz sich zueinander verhalten und wie Liz als Hure in den Gegensatz zu Kate gestellt wird und natürlich dem Zuschauer sexuellen Anreiz bietet. Überhaupt ist der Film recht freizügig, was man aber im Kino- und Sozialkontext der späten 1970er, denen der Film mehr als den kommenden 1980ern zuspricht, nicht so erstaunlich finden muss.

Die anfängliche Duschszene, bei der ich nicht weiß, ob man wirklich Angie Dickinsons Brüste und Vagina sieht, oder ob für die damals schon über 40jährige Schauspielerin ein Körperdouble eingesetzt wurde, ist klar an Hitchs berühmten Duschmord angelehnt, aber die Szene endet hier in der Fantasie einer quasi gewaltsamen sexuellen Annäherung. Ich habe diese Szene nicht als sehr erotisch empfunden, da hat später Liz‘ Darbietung besser funktioniert, inklusive des Tricks, den Zuschauer quasi auf Dr. Elliotts Stuhl zu setzen und mit ihm sein Spiegelbild als ein Genießer und Leidender mit gruseligem Grinsen zu betrachten. Dass diese Szene überhaupt zustande kommen konnte, liegt daran, dass es  zu lange dauern würde, bis man sich seitens der Polizei einen Durchsuchungsbefehl beschafft hätte, um Dr. Elliotts Unterlagen sicherzustellen.

Der Polizist Marino hingegen darf sich rüden sexuellen Wortschatzes bedienen und die Aura eines Straßendealers haben, damit der Film auch schön gepfeffert ist. Die Dialoge darin sind alle nicht schlecht, aber auch ziemlich darauf ausgerichtet, eine aufgeladene Stimmung zu erzeugen.

Einen Talking Head gibt es auch, aber anders eingesetzt als in Hitchcocks Vorbildfilm. Während in „Psycho“ am Ende ein Shrink alles für uns zusammenfasst, was Norman Bates ausmacht und wir nur noch dieses regressive Wesen dasitzen sehen, das keiner Fliege etwas kann, wird Dr. Levy in das krude Spiel mit dem Zuschauer eingebunden. Obwohl er weiß, dass „Bobby“ und Dr. Elliott eine Person sind, spricht er mit ihm über diesen Patienten so, dass jeder nach diesem Gespräch sicher annehmen muss, es handele sich um einen Dritten.

Finale

De Palmas Umgang mit Hitchcock ist kreativ und witzig, aber er bricht auch mehrfach den Vertrag mit dem Zuschauer, der grundsätzlich immer lautet, dass das, was gezeigt wird, mindestens als eine Möglichkeit die Interpretation zulässt, die sich nachher als Wahrheit herausstellt. Das kann man aber wegen dieses Gesprächs zwischen Therapeuten nicht für „Dressed to Kill“ geltenl lassen. Das gilt ebenfalls für die blonde Polizistin, die als zweite Person Liz folg, auf diese diese Idee kann schlicht niemand kommen, der das Bisherige verfolgt hat. Es gibt keinerlei Andeutung dahingehend, dass Marino Liz beschatten lässt.

Auf der Spannungs- und Unterhaltungsebene macht der Film durchaus großen Spaß, und wenn man grundsätzlich eine humorige Sicht auf die menschliche Psyche hat, was sie auch immer an Qualen verursachen mag, kann man auch über den abgedrehten Dr. Elliott schmunzeln, aber gerade unter dem Gesichtspunkt, dass es immer noch zu viele Leute gibt, die innere Vorgänge als Humbug und darauf basierende Krankheiten als ebensolchen abtun, ist meine Einstellung zur hiesigen Darstellung solcher Vorgänge zwiespältig. Wir sind heute einerseits weit genug, unsere Meinungen nicht einem solchen Film anzupassen, andererseits nicht weit genug, um das, was man nicht sofort sehen kann, hinreichend in unsere Überlegungen einzubeziehen, wenn wir auf Menschen treffen, und ihnen dementsprechend Raum zu geben.

Trotzdem und trotz der deutlich auf Effekt gequetschten Handlung, aber gerade wegen der erfrischend freakigen Schauspielkunst von Michael Caine und den anderen gibt es keine schlechte Wertung. Auf „Vertigo“ spielt „Dressed to Kill“ übrigens auch noch einmal an, und zwar ganz deutlich in der Museumsszene.

69/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2016)

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie Brian De Palma
Drehbuch Brian De Palma
Produktion George Litto
Musik Pino Donaggio
Kamera Ralf Bode
Schnitt Gerald B. Greenberg
Besetzung

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