Der Regenmacher (The Rainmaker, USA 1997) #Filmfest 965

Filmfest 965 Cinema

Der Regenmacher (Originaltitel: The Rainmaker) ist ein Film von Francis Ford Coppola aus dem Jahr 1997, der auf dem gleichnamigen Roman von John Grisham basiert. Die Hauptrolle ist mit Matt Damon besetzt.

Die 1990er waren die große Zeit der Verfilmungen von John Grishams Justiz-und-Anwälte-Romanen. Das heißt auch, es war die große Zeit seiner Bücher, denn in den USA werden Bestseller in der Regel spätestens nach zwei bis drei Jahren verfilmt. Die Adaptionen seines Erstlings „Die Jury„, von „Die Firma“ und „Die Akte“ haben wir bereits für den Wahlberliner rezensiert. Verschiedene Filmemacher haben dabei Ergebnisse von verschiedener Qualität produziert, aber der Hauch einer niemals adäquaten Umsetzung seiner Bücher umweht bis heute den Meister des modernen Justizthrillers, der selbst zehn Jahre als Anwalt und Strafverteidiger praktiziert hatte, bevor er seinen ersten Roman begann. Wie steht nun mit der Verfilmung von Grishams nächstem Nr.-1-Bestseller nach den genannten Bücher, „Der Klient“, der 1996 erschien? Kein Geringerer als Francis Ford Coppola nahm sich des Stoffes an und verfilmte ihn mit Matt Damon als sympathischem Junganwalt. Ob auch der Film sympathisch ist, klären wir in der –> Rezension.

Handlung (1)

In einem Rechtsseminar während seines letzten Semesters an der Memphis State University wird der angehende Anwalt Rudy Baylor, der kurz zuvor in der Kanzlei des zwielichtigen Bruiser Stone eingestellt wurde, mit einem Fall von bösartiger Leistungsverweigerung durch eine Versicherungsgesellschaft betraut. Seine Mandantin Dot Black hatte für ihren Sohn Donny Ray eine Krankenversicherung bei der Great Benefit Life Insurance abgeschlossen. Als Donny Ray an Leukämie erkrankt, verweigert die Versicherung jedoch die Zahlung der Behandlungskosten für eine Knochenmarkstransplantation.

Rudy Baylor reicht schließlich eine Klage über 10 Millionen US-Dollar gegen das Versicherungsunternehmen ein, nur um sich bei Prozessbeginn als blutiger Anfänger einer Übermacht von erfahrenen Anwälten, allen voran Staranwalt Leo F. Drummond, gegenüberzusehen.

Über Umwege gelingt es Rudy mit seinem Kollegen Deck Shifflet, mit dem er sich von Bruiser Stone unabhängig macht und der ihm mit seiner Erfahrung behilflich ist, an belastendes Beweismaterial zu gelangen, und er kann die Jury vom rechtmäßigen Anspruch der Blacks sowie einer systematischen böswilligen Leistungsverweigerung durch Great Benefit überzeugen: Nur etwa 12 % der Ansprüche wurden im Vorjahr ausgezahlt. Die Jury verhängt eine Strafzahlung von 50 Millionen Dollar über die Versicherungsgesellschaft, das höchste derartige Urteil in Memphis, weshalb Rudy Baylor als Regenmacher bezeichnet wird.

Die Versicherungsgesellschaft jedoch meldet kurze Zeit später Insolvenz an, auch weil Geld von der Firmenspitze unterschlagen wurde, um sich der Zahlung der 50 Millionen Dollar zu entziehen. So gehen sowohl die Blacks, die das Geld an einen gemeinnützigen Verein für Leukämiekranke spenden wollten, Baylor und sein Partner, denen ein Drittel des Geldes zugestanden hätte, als auch die Anwälte der Versicherungsgesellschaft leer aus. Dot Black ist trotzdem zufrieden, weil der betrügerischen Versicherung das Handwerk gelegt wurde.

Baylor entscheidet sich aus persönlichen Gründen, momentan nicht weiter als Anwalt tätig zu sein, und erwägt stattdessen, Rechtswissenschaften zu unterrichten.

Rezension

Sicher sind all die jungen Anwälte, die Grisham in seinen Romanen in kritische Situationen bringt, in denen sich zwischen Ethik, Recht und der verbreiteten Mentalität des Abzockens entscheiden müssen, ein Stück weit sein alter ego, und wo kann man besser abzocken als mit den gigantischen Schadensersatzprozessen, die in den USA tatsächlich geführt werden, gegen Produktionsunternehmen, gegen Versicherungen.

ie Basis ist immer zivilrechtlich, wie bei uns, aber die Sammelklage gab es hierzulande lange Zeit nicht für Privatleute, und sie treibt die Schadenssumme ins Astronomische. Aber auch in Einzelfällen wurden spektakuläre Schadensersatzsummen erstritten. Immerhin geht es in „Der Regenmacher“ um einen Todesfall, der sich hätte vermeiden lassen, wenn die sachgerechte, medizinisch beste Behandlung eines jungen Mannes nicht durch die Machenschaften seiner privaten Krankenversicherung torpediert worden wäre. Nebenbei wird ein Blick auf das amerikanische Krankenversicherungssystem geworfen, das Menschen zwingt, sich zu undurchschaubaren Bedingungen auf windige Verträge einzulassen. Ob es wirklich die Situation gab, dass eine Versicherung 80 Prozent aller Leistungen ablehnte, wie wir das hier sehen, rein aus Prinzip, um die Patienten mürbe zu machen, ist mir nicht bekannt, aber die Kritik des Demokraten Grisham an diesem System ist so eindeutig, wie man es selten sieht, und so ist der Film.

Matt Damon ist genau der richtige Typ, um den jungen Anwalt darzustellen, der bis zum Schluss seinen Prinzipien weitgehend treu bleibt und sich nicht kaufen lässt, die Anwälte der Gegenseite sind fies, aber noch fieser sind die Versicherungsmanager und das Opfer ist ein Opfer. Differenzierung ist nicht das Ding dieses Films, aber vielleicht ist das gut so, denn im Turbokapitalismus gibt es nicht viel zu differenzieren. Die 1990er hatten enorm viel Licht und Schatten und zu den Schattenseiten gehörte die Entfesselung des Kapitalismus mitten in einem auf den ersten Blick demokratischen Zeitalter unter Präsident Bill Clinton. Die eine oder andere Blase platzte dann, aber das System wirkte stabil. So sprechen die meisten der Grisham-Verfilmungen auch vom Glanz des Anwaltsstandes, seinen Möglichkeiten und viele werden sich, wie schon beim Anschauen von „Wall Street“ (1987) gedacht haben, hier und da geht es schief, aber muss das bei mir auch so sein, wenn ich mit dem Jura-Studium fertig bin? Und ist es nicht den Versuch wert, angesichts des Füllhorns, das über allen schwebt, die auf Kosten anderer sehr schnell reich werden wollen? Mir sind persönlich einige Bewunderer dieser dunklen Macht bekannt und was dabei herauskommt, wenn man auch noch VWL hört und dies bei verwahrlosten Professoren, welche Gier als Prinzip wörtlich gutheißen, Jünger von Milton Friedman et alii, das sieht man heute allüberall. In den 1970ern wurde dieser Krieg von oben gegen unten bereits vorbereitet, in den 1980ern die Schlachtordnung erstellt, in den 1990ern der Ernstfall geprobt und, befördert durch die Krisen der letzten beiden Jahrzehnte, verschärfte sich seit den 2000ern die Totalität des Kampfes.

So, wie wir Ausbeuter und Spekulanten kennen, muss man sich die Versicherer in „Der Regenmacher“ vorstellen, die buchstäblich über Leichen gehen, um am Ende auch noch das Geld beiseite zu schaffen, zu dessen Zahlung sie verurteilt wurden. Es landet auf irgendeiner Inselgruppe, den Bahamas möglicherweise. Wir kennen heute die British Cayman Islands als einen Hort von erzocktem Spekulationsgeld aus aller Welt, ein Hotspot des aus dem Ruder gelaufenen Systems, aber es gibt viele solcher Verstecke. Es gibt fast mehr davon als wenigstens halbwegs ehrliche Staaten, da auch große Länder solche Sonderzonen betreiben. 

„Ein Thriller, der weitgehend dem Muster vorangegangener Verfilmungen von John-Grisham-Stoffen folgt, wobei sein Einfallsreichtum nicht über eine handwerklich saubere Inszenierung hinausgeht. Bis in die Nebenrollen zwar hervorragend besetzt, läßt der Film keine tieferen Einblicke in das verworrene und verzerrte Rechtssystem der USA zu.“ – Lexikon des internationalen Films[4]

„John-Grisham-Verfilmungen sind eine ganz besondere Sorte von Gerichtsfilmen. Ganz besonders deswegen, weil die Storys des Südstaaten-Autors zwar von Klischees nur so überquellen, aber dabei doch ein scheinbar recht unidealisiertes Bild der Justiz entwerfen. (…) Coppola erzählt hochgradig genau, mit viel Liebe zum Detail, und gerade diese Geduld ist es, die aus dem Grisham-Stoff mehr macht, als man zu hoffen gewagt hatte. Drei verschiedene Fälle vermischen sich, und dies gibt viel Gelegenheit, das Leben eines Provinzanwalts von seiner alltäglichen Seite zu schildern. Hier ist der Film intelligent und subtil, smart und voll sehenswerter Einzelheiten. Man merkt dem Regisseur den Spaß daran an, mit Grishams Schwarzweiß-Malerei zu spielen.“ – Das große TV Spielfilm Filmlexikon[5]

„Empfehlenswert“ / „Klares Urteil: engagiert & stark gespielt“ – TV Movie, 2004[6]

Unseren Schreibprinzipien gemäß spielen wir die Zitate erst ein, nachdem wir bisherige Pssagen verfasst haben, wenn wir sie erst nach dem Schreiben dieser Passagen gelesen haben. Es stimmt im Grunde alles, was von den drei hier gezeigten Stimmen kommt. Es gibt keine Zwischentöne, das haben wir bereits festgestellt, insofern hat der Film auch polemischen Charakter, aber auch mir hat’s gefallen, denn wir sehen schließlich in meiner Wahlstadt tagtäglich, wie Geld eingesetzt wird, um Menschen zu zerstören aktuell am meisten in der Wohnungspolitik und auch unser Rechtssystem ist verzerrt und verworren, das muss man an dieser Stelle klar festhalten, sonst wäre es nicht möglich, dass Menschen buchstäblich in großer Anzahl ihre Existenz verlieren, weil es einigen Immobilienspekulanten so gefällt. 

Francis Ford Coppola inszeniert recht schnörkellos, das immerhin kann man festhalten, aber der besondere Einfallsreichtum scheint mir entgangen zu sein. Mich hat der Film in der Tat an viele andere Justizthriller erinnert, die alle unter einem Problem leiden: Komplizierte Prozesse müssen im Film so verdichtet und verkürzt werden, dass die Argumentationen zwischen banal und unglaubwürdig schwanken. Man ertappt sich häufig bei dem Gedanken: „Das hätte ich auch hingekriegt und dafür 1000 Dollar pro Minute kassieren können“, wie hier die Anwälte des Versicherers; die 1000 Dollar pro Minute dürften wohl für das gesamte Team ausgekehrt worden sein, nicht nur für den führenden Prozessanwalt, aber wir haben es ja auch nicht mit Peanuts zu tun. Ein hübsches Schmankerl ist allerdings das Verhältnis zwischen dem Newbie und dem Mann, der sechsmal durchs Examen gefallen ist, aber alle Prozesstricks kennt, das Duo Matt Damon und Danny de Vito rockt den Court, ohne dass zu häufig auf die Pauke gehauen wird. Nebenbei sieht man, dass die USA doch ein Land sind, in dem jeder vorgeblich eine, noch eine und weitere Chancen bekommt, denn bei uns ist es nicht zulässig, sechsmal ein juristisches Staatsexamen zu vermasseln und dann zum siebten Mal antreten zu dürfen. Schade eigentlich, denn berufen sein für die Schlacht um die Gerechtigkeit und ein guter Theoretiker oder menschlicher Subsumtionsautomat zu sein, das ist nicht immer identisch. 

Finale

Politisch ist der Film absolut auf der richtigen Seite und dieses Mal wird auf die Glitzerwelt der Großstadt-Lawfirms verzichtet, um die Prinzipien deutlicher hervorzuheben. Dadurch wird zwar eine ziemlich statuarische David-gegen-Goliath-Situation hergestellt, die beinahe an die Naivität der Filme erinnert, die in der Roosevelt-Ära der Demokratie so viel Stärke zugebilligt und sicher auch das Demokratieverständnis der Amerikaner gefördert und das Land in schweren Zeiten stabilisiert haben. Auch in den 1990ern war der Glaube an das Gute noch recht weit verbreitet und der Optimismus nach dem Ende der Systemkonkurrenz greifbar, vor allem bei jenen, die nicht mitbekamen, wie bereits gegen sie gearbeitet wurde. „Der Regenmacher“ reflektiert das Ruchlose und diesen Optimismus gleichermaßen, auch wenn am Ende das Geld futsch ist, das sich die kleine Gemeinschaft von Zufallshelden erstritten hat und es somit nicht mehr sozialen Zwecken zugute kommen kann. Aber vielleicht, in ein paar Jahren, wird man die Profiteure auch auf fernen Inseln greifen können, weil die Weltgemeinschaft sich immer besser versteht und versteht, dass sie solidarisch besser fährt. Es kam komplett anders, wie wir wissen und deshalb geht der Kampf von jungen, engagierten Menschen wie dem Anwalt Rudy Baylor weiter. 

Für Francis Ford Copppolas Verhältnisse ist der Film recht konventionell geraten, aber in der Wikipedia steht über ihn, dass er bis heute Probleme damit hat, ambitionierte Flops mit kommerzielleren Filmen auszugleichen, die er machen muss, wiel seine Herzensprojekte eben nicht immer so erfolgreich sind, wie er es sich wünscht. Unter anderem soll nach dieser Darstellung 1990 „Der Pate, Teil 3“ entstanden sein: Weil der Erfolg planbar war. Aber wenn schon ein Film wie „Der Regenmacher“, dann doch bitte immer auf der richtigen Seite bleiben. Insofern: Mission acomplished.

71/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2021)

(1), kursiv und tabellarisch: Wikipedia

Regie Francis Ford Coppola
Drehbuch Francis Ford Coppola
Michael Herr
Produktion Michael Douglas
Fred Fuchs
Steven Reuther
Musik Elmer Bernstein
Kamera John Toll
Schnitt Barry Malkin,
Melissa Kent
Besetzung

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