Buchmarkt stagniert auf hohem Niveau (Statista + Präzisierung + Polemik) | Kultur / Literatur

Kultur / Literatur, Buchmarkt, Bücher, nominale und reale Zahlen, Bullshit und Sinn des Konsums, Bildung und selbst schuld

Weil wir schon dabei sind, heute eine zweite Wirtschaftsgrafik nach dem Fleischverzehr, nach der Maßgabe: Esst weniger Tiere und lest mehr Bücher!  Etwas Realbetrachtung und damit eine Korrektur sowie eine Portion Polemik sind hier angebracht, lesen Sie dazu bitte unseren kurzen Kommentar.

Infografik: Buchmarkt stagniert auf hohem Niveau | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz  erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

2022 wurden in Deutschland über sämtliche Vetriebswege etwa 9,4 Milliarden Euro im Buchhandel umgesetzt. Das belegen Daten des Branchenverbands Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Wie unsere Grafik zeigt, hat die Coronapandemie das Geschäft mit Büchern nicht nachhaltig beleben können.

Zwischen 2010 und 2018 war der Umsatz von Buchhändlern nahezu konsequent rückläufig, die Einnahmen fielen vom Höchststand von 9,73 Milliarden Euro um 600 Millionen Euro auf 9,13 Milliarden Euro im Jahr 2018. Im Jahr 2021 konnte der Buchmarkt nahezu wieder sein Rekordhoch von 2010 erreichen, was auch den anhaltenden Ausgangsbeschränkungen geschuldet sein dürfte, die nahezu jede Art des heimischen Medienkonsum angekurbelt hatten.

2022 gingen die Umsätze im Buchhandel wieder um knapp zwei Prozent zurück. Die größten Einbußen waren in den Vertriebswegen Versandbuchhandel (-28,1 Prozent), Buchgemeinschaften (-23,8 Prozent) und Internethandel (-12,6 Prozent) zu verzeichnen. Der ortsgebundene Sortimentsbuchhandel hingegen scheint zu florieren. 2022 wurden in entsprechenden Ladengeschäften fünf Prozent mehr als im Vorjahr und etwa vier Milliarden Euro umgesetzt, was knapp 42 Prozent des Gesamtumsatzes entspricht.

Aus europäischer Sicht ist Deutschland einer der wichtigsten Märkte für den Handel mit Büchern. 2021 betrug des Gesamtumsatz im Buchmarkt in Europa laut der Federation of European Publishers etwa 24 Milliarden Euro, wovon etwa 41 Prozent auf die Bundesrepublik entfielen. Auch hinsichtlich der Verlage mit den höchsten Umsätzen ist Deutschland ein globaler Player: 2021 lag Bertelsmann mit einem Umsatz von 4,1 Milliarden Euro auf dem dritten Platz weltweit hinter den US-Verlagen RELX Group und Thomson Reuters.

Auf den ersten Blick sieht es aus, als ob in Deutschland der Buchmarkt trotz einiger Aufs und Abs halbwegs konstant bleiben würde. Das ist er aber nicht. Wir haben mal die Reihe bis 1976 anhand der verlinkten Quelle zurückverfolgt: Seit Anfang der 2000er Jahre gab es keinen nominalen Zuwachs mehr, während bis dahin, vor allem in den 1970ern und 1980ern, teilweise beachtliche Wachstumsraten erreicht wurden. Nun könnte man natürlich von einem gesättigten Markt sprechen, aus dem nicht mehr herauszuholen ist. Das ist leider falsch. Wir haben betont, dass es sich um nominale Zahlen handelt. Selbstverständlich wurde der Umrechnungskurs bei Einführung des Euro berücksichtigt. Nicht jedoch die Inflation. Nehmen wir den Vergleich der Jahre 2001 und 2022, weil die Umsätze in diesen beiden Jahren nominal beinahe gleich waren. Wenn man von Jahresanfang 2002 bis Jahresende 2022 rechnet, ergibt sich folgendes Bild:

Inflationsrechner – Inflation und Kaufkraft berechnen (finanzen-rechner.net)

Ein Euro Anfang 2002 war Ende 2022 nur noch 0,69 Euro wert. Das heißt, ein Umsatz von 9,4 Milliarden Euro im Jahr 2001 entspricht etwa einem Umsatz von 6,5 Milliarden Euro im Jahr 2022. Daran sieht man, dass die gefühlte Inflation höher ist als die tatsächliche? Nein, natürlich nicht, denn es kommt darauf an, welche Produkte man hauptsächlich kauft, siehe Lebensmittelinflation im vorausgehenden heutigen Artikel.

Es bedeutet aber, dass der Buchhandel seit den frühen 2000ern nicht weniger als 30 Prozent seines Realumsatzes verloren hat. Dass Deutschland damit in Europa trotzdem, vermutlich mit einigem Abstand, marktführend ist, lässt ziemlich tief blicken, den Wert des geschriebenen Worts auf diesem angeblichen Kulturkontinent betreffend. Dass deshalb eine Stagnation auf hohem Niveau verkündet wird, ist schlicht falsch, es handelt sich real, und nur das zählt, seit Jahren um einen erheblichen Rückgang. Mit einem Nachsatz, den wir in den Entwurf noch schnell vor der Publikation einfügen müssen: Bücher sind aufgrund der weiten Verbreitung von E-Books billiger geworden. Ein Schnellcheck beim Börsenverein lässt uns vermuten, dass E-Books nicht in den obigen Zahlen enthalten sind. Deren Marktanteil nimmt zu und sie sind nicht nur allgemein, sondern oft in Relation zum inhaltsgleichen gedruckten Buch günstiger. Deswegen wäre es wichtig, auch einmal die Zahl der verkauften Exemplare inklusive E-Books darzustellen, nicht nur den Umsatz mit Papierbüchern. Relativiert sich damit alles Folgende? Wohl kaum, denn erfahrungsgemäß sind diejenigen, die zum Beispiel unterwegs, im Urlaub, wo man dadurch Gepäckgewicht sparen kann, gerne E-Books lesen, auch diejenigen, die zu Hause echte Druckerzeugnisse stehen haben.

Auf die Bevölkerung umgerechnet, hat jede Person in Deutschland im Jahr 2022 gerade mal ca. 115 Euro in Bücher investiert. Zum Vergleich. Der Umsatz für Video- und Computerspiele hat in Deutschland allein von 2009 bis 2022 von 1,8 Milliarden Euro auf 6,4 Milliarden Euro zugelegt. Gaming – Umsatz mit Videospielen in Deutschland bis 2022 | Statista. Bei weiterer Entwicklung in dieser Richtung, die zudem zuletzt, wenn auch teilweise durch Corona bedingt, erheblich an Tempo zugelegt hat, wird der Markt für Videospiele bald den Buchmarkt überholt haben. Das ist nur ein Beispiel dafür, wo es bei uns kulturell hingeht, es ließen sich viele weitere dafür finden, dass Sinnvolles konsumseitig durch Bullshit ersetzt wird. Nicht nur dort, aber dort sehr auffällig, vor allem wenn es um den Medienkonsum geht.

Mit irgendetwas muss man die freie Zeit ja verbringen. Natürlich ist das kein neutraler Bericht, sondern eine Meinungsäußerung, wie sie einem Meinungsblog, in dem Informationen auch kommentiert werden, zustehen. Wenn man noch hinzurechnet, dass zumindest im fiktionalen Bereich das Meiste, was in Deutschland verkauft wird, aus dem Englischen übersetzt wurde, dass von den Büchern deutscher Herkunft vermutlich 90 Prozent Gebrauchskrimis sind, kann man sich vorstellen, warum in Deutschland nur ganz wenige Menschen vom Schreiben von echter Literatur leben können. Unsere Information ist, dass es sich dabei um nicht einmal 500 Personen handelt. So viel auch zu den vielen Self-Publishing-Projekten, die den Eindruck erwecken, hier herrsche ein reger Schreibbetrieb, oder mit der trotz einer deutlichen Ausdünnung immer noch beachtlich großen Zahl an großen und vor allem kleinen Literaturwettbewerben.  Diese Wettbewerbe sind nicht selbsttragend, sondern werden von staatlicher Seite und von privaten Sponsoren gefördert und sind kein Gradmesser für den kommerziellen und kulturellen Erfolg des Mediums Buch.

Die besprochenen Daten wiederum korrespondieren a.) mit dem geradezu in die Tiefe stürzenden Bildungsniveau laut allem, was man aus den Schulen hört, b.) mit unseren persönlichen Beobachtungen aus der Zeit, in der wir viele Haushalte von innen gesehen haben. Der Fernsehbildschirm war schon damals, und es ist einige Jahre her, viel größer als alle Bücherregale zusammen, sofern es überhaupt welche gab. Diese Beobachtung traf auf etwa zwei Drittel der besichtigten Häuser und Wohnungen zu, mit noch höherem Anteil aa.) auf dem Land, bb.) bei Neubauten, c.c.) bei Einheiten, die von jungen Familien bewohnt wurden, also von Menschen, deren Kindergeneration einmal das kulturelle Erbe der Menschheit pflegen soll. Eine junge Familie auf dem Land, die dort gerade gebaut hatte (Zusammentreffen von aa.) bis cc.)), war fast ausnahmslos bücherfrei. Natürlich ist das auch eine Form des Umgangs mit Freiheit. Ob diese Art von Freiheitsverwendung nicht in die Sklaverei führt, werden wir sehen.

Es wird bald wieder so aussehen wie zu der Zeit, als nur ein kleiner Teil der Bevölkerung überhaupt lesen und schreiben konnte und allein dadurch maßlos privilegiert war. Kleiner Unterschied: Jetzt entmündigt sich die Mehrheitsbevölkerung durch die Verweigerung des Lesens ganz freiwillig, während in den finsteren Zeiten vor der Aufklärung noch die feudalen Verhältnisse und, noch etwas weiter zurück, der nicht vorhandene Buchdruck als Massenvervielfältigungsmittel des Geschriebenen die Entschuldigung für eklatante Bildungsarmut darstellen konnten.

Die heutige Selbstverdummung hingegen ist unentschuldbar und eine Bevölkerung, die immer mehr die Fähigkeit verliert, sich in Zusammenhänge hineinzulesen, wird zum Spielball jedweder Manipulation durch diejenigen, die das sehr wohl noch können und auch wissen, wie man den Bildungsnotstand für sich selbst am besten ausnutzt. Eine Bevölkerung, die auf ihren eigenen geistigen Zustand Wert legt, dürfte sich niemals eine Politik wählen, die die Bildung so konsequent vernachlässigt, dass nur noch ein paar Reiche ihre Kinder durch teure Privatschulen auf ein halbwegs vernünftiges Niveau bringen können. Genau das tut die Bevölkerung aber. Sonst hätten wir ja eine andere Politik. Da hilft kein linker Fürsorge-Gedanke: selbst schuld, wenn es immer schneller abwärts geht. Jammern und rechts wählen hilft da überhaupt nicht. Lieber mal ein gutes Buch lesen.*

Gamen Sie noch oder lesen Sie schon? Es ist Ihre Wahl, ob Sie sich etwas vorfantasieren und dabei lediglich unproduktive Gewaltfantasien entwickeln, oder ob Sie die Welt verstehen und eine echte Revolution ins Auge fassen.

TH

*Sollten in diesem Beitrag zahlreiche orthografische Fehler enthalten sein, so hat dies gar nichts mit einem Mangel an Lese- und Schreibfähigkeit zu tun, sondern ist ausschließlich Schlamperei, dem nachmittäglichen Schnellschreiben geschuldet. Außerdem haben wir hier natürlich kein Korrektorat, schließlich ist auch dieses Blog ein Selfpublishing-Modul.

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