Wenn der Postmann zweimal klingelt (The Postman Always Rings Twice, USA 1981) #Filmfest 985 #DGR

Filmfest 985 Cinema – Die große Rezension

Der unvermeidliche Vergleich

Wenn der Postmann zweimal klingelt (englischer Originaltitel The Postman Always Rings Twice) ist ein US-amerikanisches Filmdrama von Bob Rafelson aus dem Jahr 1981. Das Drehbuch von David Mamet beruht auf dem gleichnamigen Roman von James M. Cain.

Eine Assoziation kommt natürlich sofort, wenn man „The Postman Always Rings Twice“ aus dem Jahr 1981 anschaut, diejenige hin zum „Vorbild“ von 1946, das den deutschen Titel „Im Netz der Leidenschaften“ trägt. Ein Remake im engeren Sinn ist die Neuverfilmung ja nicht, sondern eine weitere Adaption des Thrillers von James M. Cain. Wie stehen die beiden Filme zueinander? Wir klären das in der –> Rezension.

Handlung (1)

Der vagabundierende Frank Chambers wird als Hilfsarbeiter von dem Tankstellen- und Restaurantbesitzer Nick Papadakis eingestellt. Dieser ist mit der jungen, attraktiven Cora verheiratet. Sie ist der Hauptgrund, warum Chambers bei seiner Arbeit bleibt. Als Papadakis für Einkäufe in die Stadt gefahren ist, bedrängt Chambers Cora, die sich auf eine Affäre einlässt. Und Chambers kann Cora schließlich dazu überreden, Papadakis zu verlassen; doch bereits an einer Umsteigestation kehrt sie wieder zu ihrem Mann zurück, als sie den wahren Charakter von Chambers zu erkennen glaubt. Zurück auf der Tankstelle können sie aber nicht voneinander lassen. Cora deutet an, es gäbe nur eine Lösung, nämlich ihren Mann umzubringen, was ihnen nach einem ersten Fehlversuch dann auch gelingt. Der betrunkene Papadakis wird erschlagen und in seinem Auto eine Klippe hinabgestürzt. Chambers und Cora werden des gemeinschaftlichen Mordes angeklagt, jedoch mit Hilfe eines cleveren Rechtsanwalts freigesprochen. Anschließend führen sie gemeinsam den Betrieb fort, denn Cora darf den Bundesstaat zunächst nicht verlassen. Cora wird von Frank schwanger, der ihr einen Heiratsantrag macht. Bald darauf wird sie auf einer Autofahrt nach einem Ausweichmanöver aus dem Wagen geschleudert. Regungslos, offenbar tot, liegt sie am Straßenrand. Frank kniet sich neben sie und trauert.

Rezension

Der deutsche Titel mutet seltsam an, obwohl er eine direkte Übertragung aus dem Englischen ist. Vermutlich deshalb, weil es den Begriff „Postman“ im Deutschen gar nicht gibt, man hat ihn durch die Anhängung eines „n“ quasi für diesen Film kreiert. Dieser Neologismus hat sich aber nicht durchgesetzt, sondern der stolze Briefträger, das Adäquat des Postmanns, den wir einst kannten, wurde zum prekär beschäftigten Zusteller. Letzterer Begriff war aber 1981 noch nicht üblich und der Titel „Wenn der Briefträger zweimal klingelt“ hätte vielleicht unfreiwillig komisch gewirkt, denn der englische Begriff steht in diesem Titel nicht wörtlich, sondern für „Schicksalsbote“ oder „Todesbote“.  Hätte man diese Übersetzung gewählt, wäre der Titel aber direkter,  hinweisender gewesen. Trotzdem gibt es eine Änderung, denn im englischen Titel wird darauf  hingewiesen, dass es immer eine Warnung gibt, bevor das Schicksal endgültig zuschlägt. Wenn es das tut und die Sache endet tödlich, handelt es sich  natürlich auch um einen Film  noir, und die Version von 1946 ist ein echter Film noir, sogar ein quintessenzieller Film noir, der alle Komponenten beinhaltet, die zum Kanon für die Zuordnung zum Genre zählt. Ich betone das auch deshalb, weil mittlerweile die Unsitte herrscht, fast jeden US-Krimi der 1940er und 1950er als Film noir zu bezeichnen, was im Grunde dieses Subgenre überflüssig werden lässt, obwohl es so viel Sinn ergibt, wenn man es etwas enger fasst. Die Neuverfilmung ist zumindest noch ein halber Film noir, weil nur eine der beiden Figuren stirbt, die das Verbrechen begangen haben. Das war 1981, lange nach der Aufhebung des Hays Code, möglich und entspricht möglicherweise eher dem Inhalt des Buches.

Ich kann verstehen, dass die IMDb-Nutzer dem „Original“ mit 7,6/10 gegenüber dem „Remake“ mit 6,6/10 den Vorzug geben. Ich verwende hier weiter die Bezeichnungen „Original“ und „Remake“, der Vereinfachung halber, obwohl die Neuverfilmung eines Romans streng genommen kein Remake ist, wie die Wiederverfilmung eines Originaldrehbuchs. Außerdem war das „Original“ nicht die erste Verfilmung des Romans, diese fand bereits 1942 in Italien unter dem Namen „Ossessione“ statt. Das „Original“ von 1946 heißt in Deutschland übrigens „Im Netz der Leidenschaften“, während der 1981er Film wortgetreu in „Wenn der Postmann zweimal klingelt“ übersetzt wurde. An der Umsetzung von „Postmann“ in „Briefträger“ und dadurch in Richtung unfreiwillige Komik kam man also knapp vorbei.

Zunächst einmal: Die Story ist fantastisch. Eine der besten Film-noir-Vorlagen überhaupt. Das Szenario, wie zwei lose Charaktere einander kennenlernen, einander verfallen, den Ehemann des weiblichen Teils aus dem Weg räumen, beinahe zum Tod verurteilt werden, doch freikommen – und am Ende genau den Tod erleiden, per Unfall, wie der Ehemann per Mordanschlag, so etwas ist Filmstoff pur. Ich wundere mich, dass das Werk nicht noch öfter ins Kino transportiert wurde. Denn wie man die Charaktere ausgestaltet, das Szenario, den Akzent legt, das kann so unterschiedlich sein. Und es ist im „Original“ und im „Remake“ auch unterschiedlich. Der neuere Film ist sexuell wesentlich expliziter, auch drastischer als eine heutige Verfilmung es wäre, hat dafür keine statuarische Strandszene, legt den Schwerpunkt mehr auf die Zeit nach dem Mord, bringt mehr Nebenaspekte ein und hat ein realistischeres Setting.

Zum realistischeren Setting gehört auch, dass Jessica Lange die Cora so spielt, dass man sie sich irgendwie doch, trotz ihres guten Aussehens, als Ehefrau eines eingewanderten Raststättenbesitzers vorstellen kann, während die Mystifizierung der Stars in den 1940ern Lana Turner eher wie eine ikonische Erscheinung wirken lässt, was bei ihrem ersten Auftritti im weißen Hauskleid-Strandkleid, schön im originalen Expressionismus-Noir mit der Umgebung konstrastiert, unvergesslich stark betont wird. John Garfield im Original und Jack Nicholson im Remake gehören zu den besten Hollywoodschauspielern ihrer jeweiligen Generation, aber gerade an ihrer Darstellung des Chambers lässt sich einiges festmachen, was zu einer unterschiedlichen Anmutung beider Filme führt.

Zunächst also die Darsteller und wie die Rollen angelegt sind.

 Der Film von 1946 erlaubt wesentlich mehr Identifikation vor allem mit dem männlichen Hauptdarsteller. Er ist ein „Drifter“, das ist wahr, aber er wird nicht, wie im Remake, mit eindeutiger krimineller Vergangenheit dargestellt. Garfield spielt zurückgenommener als Nicholson es überhaupt kann und wirkt dabei  ungeheuer verhalten intensiv, Jessica Lange gebe ich darstellerisch und erotisch ein Plus gegenüber Lana Turner.

Interessant ist auch die Rolle des Staatsanwaltes unterschiedlich gestaltet. Er ist im Original ein eigentlich sympathischer, verständnisvoller Typ, aber sehr tricky, wenn man genau hinschaut, und von seiner Aufgabe besessen. Im Remake ist er nur besessen und von Beginn an so unsympathisch, dass man auch daraus eine Identifikation mit den Angeklagten gewinnen kann, die man  zuvor vielleicht gar nicht hatte. In beiden Filmen gibt es die grandiose Wendung mit dem Angestellten des Pflichtverteidigers, der versucht, die beiden Davongekommenen mit dem falschen Geständnis zu erpressen und von ihnen umgebracht werden muss. Der Mann von Cora darf im neueren Film erkennbar ein griechischer Einwanderer sein, während er im Original als „neutral“ dargestellt wird. Das evoziert den sozialen Kommentar, der vielleicht vollkommen fehlgeht: Haben da zwei moralisch verkommene Mehrheitsamerikaner, vermutlich WASPs aus dem eher niederen Milieu, einen naiven, gutmütigen südeuropäischen Einwanderer einfach um die Ecke gebracht? Ist darin eine Geringschätzung des Abweichenden, ein latenter Rassismus zu sehen?

Ein ganz auffälliger Unterschied liegt im größeren Verständnis des älteren Films für die beiden ineinander verlorenen jungen Leute, Cora und Frank. Das ist beachtlich, aber neuere Filme sind oft gerade nicht subtiler und regen nicht mehr zum Nachdenken an. Ich kann über das Original unendliche viele Überlegungen anstellen, wie es kommen konnte, dass zwei Menschen, die bisher nicht viel Glück hatten und entwurzelt wirken, plötzlich so kriminell werden, und ich kann es nachvollziehen, denn die Leidenschaft knistert erheblich. Dazu wird Coras Mann im Film von 1946 mehr als in der Neuverfilmung etwas vertrottelt gezeigt, mit großem Gefälle bezüglich des Alters und Aussehens Cora gegenüber, die erkennbar nur einen Halt gesucht hat, als sie ihn heiratete.

Und dann kommt eben jener etwas finstere, aber attraktive junge Mann daher, schmeißt das Schild „Mann gesucht“ (gemeint ist ein Service-Mitarbeiter oder Mechaniker für die Tankstelle und das Rasthaus, lesen kann man es aber auch so, dass hier ein echter Mann fehlt, der die Dinge ins Rotieren bringt) ins Feuer und das Schicksal nimmt, weil es eben ein Film noir ist, seinen Lauf. Alles ist nachvollziehbar und obwohl Regisseur Tay Garnett nicht zur ersten Riege der Film noir-Filmer gehörte und MGM nicht das progressivste und offensivste Studio in Hollywood war, entstand ein Klassiker, dessen Psychologie außergewöhnlich gut gelungen ist.

Hingegen kann ich beinahe nicht nachvollziehen, was jetzt an dem heruntergekommenen Frank so viel besser sein soll als an Nick Papadakis, jedenfalls repräsentiert er nicht Coras Wunsch nach Vorankommen, der sich nach dem Mord darin zeigt, dass die ihre anrüchige Popularität nutzt, um das Rasthaus voranzubringen und aufzuhübschen. Sexuell muss geradezu alles im Argen gelegen haben, damit sich durch das plötzliche Auftauchen von Frank so viel ändert. Das Verhältnis der beiden wirkt weniger folgerichtig als im Original. Mag schon sein, dass das mehr Spielraum lässt, dass weniger Orientierung auch weniger Einengung für das Assoziationsvermögen des Zuschauers bedeutet, aber die Filme sind ja nicht nur Studien zweier Charaktere.

Sondern auch Krimis

Thriller. Und da kommt der ältere Film eindeutig besser weg. Er hat Drive, eine steile Dramaturgie mit zwei klaren Höhepunkten, auf die konsequent hingearbeitet wird, seine Logik ist geradezu zwingend, was natürlich der guten Vorlage zu verdanken ist. Der neuere Film wirkt studienhafter, greift viele Dinge auf, die das Original ausspart, wie zum Beispiel die Herkunft und das Milieu von Nick, die Vergangenheit von Cora und Frank, Franks Herumstreunen mit einer Dompteurin nach dem Mord, als Cora eine Woche wegen des Todes ihrer Mutter verreisen muss, einige Details im Gerichtsbereich, etwa den Deal zwischen den Versicherungsagenten, den Franks Anwalt vermittelt. Dieses Element zum Ende hin ist sicher so im Buch angelegt, aber es sorgt für Konfusion und für ein Abflachen der Spannung, auch wenn die Wendung als solche verblüfft. Nur, was sagt sie in Bezug auf die Figuren, denen unser Interesse gilt? Wenig. Und genau das gilt auch in Stufen ür die anderen vielen Details, auf die das neuere Werk nicht meint verzichten zu können. Das Herausarbeiten des Essentiellen, und das ist ja leider bei vielen Remakes so, gelingt nicht mehr so gut, weil der Wunsch nach Genauigkeit und Vollständigkeit die Prioritätensetzung oftmals behindert und damit die Spannungskurve niederdrückt.

Außerdem ist das Setting trotz des gleichen hauptsächlichen Handlungsortes unterschiedlich.

 Das Original lässt die Handlung einfach im Entstehungsjahr des Films spielen, also 1946. Das Remake hingegen greift auf die 1930er und die Zeit auf dem Höhepunkt der Great Depression zurück, das ist schon einmal grundsätzlich ein anderer Ansatz, obwohl nur etwa 10-12 Jahre zwischen den beiden Zeitpunkten liegen. Ein Jetztzeitfilm wirkt grundsätzlich immer realistischer, und 1946 hatten sich die USA von der Depression, auch dank der gerade zu Ende gegangenen Sonderkonjunktur des Zweiten Weltkrieges, gut erholt, es waren nicht mehr Millionen auf dem Weg, wie in den 1930ern. Die Heimatlosigkeit eines Frank war schon eher die Ausnahme. Trotzdem wird sie nicht hinterlegt, bemerkenswerterweise – und richtigerweise. In den 1930ern hätte kein Mensch erklären müssen, warum er jobsuchend durchs Land zieht, es war so häufig der Fall, dass jemand seine wirtschaftliche Existenz in der Great Depression und der großen Dürre verloren hatte. Es hatte auch nichts Anrüchiges, sondern war zunächst einmal nur traurig und deprimierend. Sicher kann man nun argumentieren: Deswegen muss Frank auch 1946 nicht mit einer Biografie versehen werden. Allein die Tatsache, dass er keine Erdung hat, sagt genug aus, während er ca. 1934 noch als ein besonders haltloser Typ dargestellt werden muss, damit er nicht irgendeiner der zahllosen Entwurzelten ist, sondern einer, der kriminellen Neigungen frönt, weil es seinem Charakter entspricht, und nicht aus purer Not. Ob sich beides überlagert, erfahren wir allerdings nicht, als der Staatsanwalt ein paar seiner Vorstrafen an den Zuschauer weitererzählt.

Ein wenig zu realistisch ist mir auch das Rasthaus im neueren Film geraten. In den Dekors steckt viel Symbolik. Was im älteren Film durch Licht- und Schatten-Expressionismus erzeugt wird, durch Lichtgitter, durch Coras Kleidung, das wird 1981 in das Outfit des Rasthauses investiert, das sehr detailreich geraten ist und auch einen Tick zu vergammelt wirkt. So alt und heruntergekommen kann das Rasthaus damals noch nicht gewesen sein, dass es aussieht wie tatsächlich aus im Jahr 1981 vom Schrott geklaubten Requisiten aus den 1930ern oder 1920ern bestehend. Aber über die Ausstattung des Rasthauses wird auch viel Kommentar transportiert, dass die Existenz der Menschen etwas Schäbiges hat, besonders auffällig bei der engen Schlafstelle, auf der Frank mehr kauert als liegt, wenn er nicht Coras Ehebett benutzen kann oder will. Und wenn Frank nach dem Mord graue Steine weiß anmalt, weil Cora alles aufhübschen will, weiß man, was man davon zu halten hat. Aber das Geschehene lässt sich nicht weiß überpinseln, es ist dunkelster Mord und schäbige griesgraue Verkommenheit.

Es gibt auch etwas wie ein Setting der Sexualität. 

1981 greift Frank zwischen Coras Schenkel oder steckt seinen Kopf dazwischen, der Sex oder dessen Verweigerung werden ausgespielt, da ist auch etwas Gewalttätiges in der Leidenschaft. Das hätte man 1946 unter der Ägide des Production Code so niemals filmen können, aber ich finde die Strandszene mit den tosenden Wellen und als Cora hinausschwimmt, um die Lebensgefahr zu kitzeln, wie Frank sie dann an Land trägt, schön so fotografiert, dass man ihr in den Badeanzugsausschnitt gucken kann, sie dann ablegt um – Schnitt, man weiß es aber – mit ihr zu schlafen, viel, viel impressiver. Alles funkelt da mit dem Maximum, was zu der Zeit auf der US-Leinwand gezeigt werden durfte. Und trägt dadurch natürlich zur Logik des folgenden Geschehens bei. Dagegen wirken die Szenen aus dem Jahr 1981, in denen die Begierde zwischen Cora und Frank aufgebaut werden soll, banal. Und das Schlafzimmer der Eheleute Nick und Cora wurde im Original gar nicht erst gezeigt. Die verstohlenen Küsse und die Strandszene mussten ausreichen, um zu dokumentieren, was Sache ist, und der Rest geht über Blicke und Gesten und die Mimik der Darsteller, und es reicht vollkommen aus, um glaubhaft zu machen, dass sich da ein Unheil entwickelt, das nicht etwa vorrangig materiell motiviert ist, sondern sich aus einer lange unterdrückten Leidenschaft speist.

Nun hätte man 1981 natürlich hingehen können und das auch anders akzentuieren, dann hätte Cora aber von Nicks Lebensversicherung wissen müssen. Dann hätte allerdings die Verwerflichkeit des Tötungsdelikts eine zusätzliche Unterlegung erhalten, denn Habgier ist nun einmal etwas sehr Verwerfliches, so  zumindest dokumentiert es § 211 des deutschen StGB, das bei diesem subjektiven Motiv aus einer Tötungshandlung auf jeden Fall einen Mord macht.

Das hat etwas Heuchlerisches, muss man sagen, und deren Sanktionierung ist im Wesentlich dann gegeben, wenn sie mit einer Tötung befriedigt wird (oder mit einem Vermögensdelikt). Das hat man aber nicht getan, sondern als Basis eine Leidenschaft belassen, die sich nicht anders als im Sprengen der Ketten durch Mord ausdrücken kann. Prinzipiell kann man das sowieso hinterfragen, denn muss es denn Mord sein? Da wird, wenn ich mich richtig erinnere, im Original auch etwas getan, um das Motiv des Entkommenwollens mehr abzusichern: Nämlich wird Nick als so anhänglich dargestellt, dass zu erwarten wäre, dass er Cora überall suchen und aufspüren würde, würde sie ihn einfach nur verlassen und (sich) mit Frank nach Unbekannt verziehen.

Finale

 Das „Original“ wirkt viel inspirierter und stimmungsvoller, klarer, eindeutiger. Eine Sache wird allerdings gedreht: Bei dem zweiten Unfall stirbt jeweils Cora, aber im neueren Film ist Frank anschließend frei, während er im ersten beschuldigt wird, nun seinerseits aus materiellen Gründen Cora ermordet zu haben, und er hat das Todesurteil zu erwarten. Auch das ist dem Production Code geschuldet, nach dem es keine Zweifel an der umfassenden Durchsetzung des Rechts geben durfte. Deshalb wirkt dieser Film noir zwar total, ganz vollständig, aber der letzte Twist ist nicht so plausibel wie alles, was zuvor geschah.

Ich habe jetzt noch einmal etwas nachgelesen und zitiere die Wikipedia: Erst der Erfolg der Verfilmungen von Cains Nachfolgeromanen Double Indemnity durch Paramount 1944 (unter der Regie von Billy Wilder) und Mildred Pierce durch Warner 1945 (unter der Regie von Michael Curtiz) ermutigte MGM, das Projekt in Angriff zu nehmen. Diese Filme zeigten MGM den Weg, wie Erwachsenenthemen wie Sex und Gewalt unter den Bedingungen des Hays-Codes filmisch umgesetzt werden konnten.

Wie man Gewalt umsetzen kann, wusste man allerdings schon, doch die erotische Komponente war für damalige Verhältnisse in „The Postman Always Rings Twice“ eben ungewöhnlich stark ausgeprägt und deswegen ist der Film im MGM-Portfolio bemerkenswert. Er war auch sehr erfolgreich und die oben beschriebene Chemie zwischen den Hauptfiguren soll gemäß Angaben zum Film auch ihre Entsprechung in der Realität gehabt haben. Ich gehe davon aus, dass auch daher das Paar stimmiger wirkt als bei der Neuverfilmung.

All das bedeutet nicht, dass das Remake ein schlechter Film ist, aber der Vergleich mit dem älteren Werk zeigt die Grenzen der 1981er Adaption.

Roger Ebert schrieb in der Chicago Sun-Times, der Film sei technisch „meisterhaft“, und die Darstellungen und die Atmosphäre würden die Zuschauer „blenden“. Der Film sage jedoch nichts über die Charaktere aus.[1]

Das Lexikon des internationalen Films urteilte: „Ein gut gespielter melodramatischer Kriminalfilm, der die Geschichte einer verhängnisvollen Leidenschaft mit sorgfältiger Milieuzeichnung und leichten sozialkritischen Akzenten verbindet, die das Amerika der Depressionszeit als von Gewalt und Hoffnungslosigkeit bestimmt zeigen.“[2]

Mit Erstaunen habe ich anlässlich der Veröffentlichung dieser Rezension festgestellt, dass es zu der Verfilmung von 1946 bisher keinen Filmfest-Beitrag gibt, obwohl ich sie mindestens dreimal gesehen habe. Es bietet sich demnach an, diese vergleichende Rezension als Ausgangspunkt zu verwenden. Die erste Verfilmung war aber auch die MGM-Version von 1946 nicht: Mit „Ossessione“ (1943) entstand in Italien eine ebenfalls vielbachtete Adaption, die ich noch nicht kenne, aber die als einer der Filme gilt, mit denen der Neoralismus noch unter dem faschistischen Regime eingeleitet wurde. Regie führte niemand Geringeres Luchino Visconti. Die Handlung möchte ich unseren Leser:innen nicht vorenthalten:

Der Landstreicher Gino lernt an einer Tankstelle und Trattoria Giovanna Bragana, die junge Ehefrau des schon älteren Besitzers, kennen. Zwischen Gino und Giovanna entwickelt sich eine leidenschaftliche Affäre. Gino reist dann allerdings nach Ancona: Er will nicht weiter auf ein gestörtes Verhältnis bauen und der Hafen von Ancona ist für ihn die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Das Schicksal führt die beiden Liebenden aber wieder zusammen. Gino ermordet daraufhin Bragana. Die Schuld des Mordes ist jedoch unerträglich. Gino verlässt seine Geliebte und geht nach Ferrara. In dieser Stadt trifft Gino eine freundliche Prostituierte. Er hofft, die Vergangenheit hinter sich zu lassen.

70/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2016)

Regie Bob Rafelson
Drehbuch David Mamet
Produktion Andrew Braunsberg
Charles Mulvehill
Bob Rafelson
Musik Michael Small
Kamera Sven Nykvist
Schnitt Graeme Clifford
Besetzung

 

 

 

 

 

 

 


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