Briefing 312 Wirtschaft, Technik, Internet, Festnetz-Internet, Kosten
Unsere heutige Wirtschaftsinformation befasst sich mit den Kosten fürs Internet, dargestellt anhand einer aktuellen Statista-Grafik. Wir gehen aber einen Schritt weiter und betrachten die Ergebnisse ein wenig, die in der Datenquelle hinterlegt wurden, die Statista verwendet hat.
Infografik: 72 Stunden Arbeit für einen Festnetz-Internetvertrag | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz Creative Commons — Namensnennung – Keine Bearbeitungen 4.0 International — CC BY-ND 4.0 erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
Durchschnittlich 72 Stunden und 39 Minuten muss ein Mensch in Simbabwe arbeiten, um die monatlichen Kosten eines Breitbandinternetvertrags decken zu können. In keinem anderen der 121 weltweit untersuchten Länder ist die Verfügbarkeit des Internets so kostspielig. Das zeigt die Statista-Grafik auf Basis des Surfshark Digital Quality of Life Index 2023.
Laut der Studie sind Bezahlbarkeit und Qualität des Internets besonders in den afrikanischen und südamerikanischen Ländern schlecht. So müssen die Einwohner:innen von El Salvadors beispielsweise etwa 13 Stunden und 44 Minuten für den günstigsten Vertrag arbeiten, obwohl das Land mit der Adaption von Bitcoin als offiziellem Zahlungsmittel durchaus den Anspruch hat, ein digitalisierter und fortschrittlicher Staat zu sein. Realwirtschaftlich können sich allerdings nur die Wenigsten den angestrebten Lebensstil leisten.
Zwischen den Kontinenten herrscht indes eine immense Diskrepanz. Neun der Top zehn Länder im diesjährigen Ranking liegen in Europa. Der oder die durchschnittliche Europäer:in kann Breitbandinternet nach schätzungsweise 2 Stunden Tagewerk bezahlen. In Deutschland gilt Internetzugang mittlerweile als Grundrecht. Einen Zugang können sich Bürger:innen hierzulande im Schnitt schon nach 35 Minuten Arbeitszeit leisten.
Die Analyst:innen von Surfshark sind außerdem zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Bezahlbarkeit einer Breitbandinternetverbindung weltweit verbessert hat. Im Vergleich zum letztjährigen Index müssen Menschen rund 42 Minuten weniger arbeiten, um sich diesen leisten zu können.
Der deutsche Wert kommt uns etwas niedrig vor, ob er so stimmt, hängt von sehr vielen Parametern ab, zum Beispiel, was als Berechnung der Gehälter und Löhne zugrundegelegt wurde, welche Anbieter mit welchen Angeboten in der Statistik enthalten sind. Kombitarife für Festnetztelefon, Internet und, in unserem Fall, Magenta-TV + Amazon Prime, sind sicher nicht für durchschnittlich 35 Minuten Arbeitszeit eines Durchschnittsverdieners zu haben. Aber man muss eben aus solchen Tarifen dann auch das reine Internet extrahieren und wir gehen davon aus, dass man das getan hat.
Wir finden unseren Tarif auch schon seit Jahren zu teuer für unsere Verhältnisse, aber irgendwie fängt uns die Telekom immer wieder ein Kompliment, gewissermaßen. Gerade hat sie uns wieder mit ein paar kleinen technischen, nicht einmal programmseitigen Verbesserungen bei gleichem Preis wieder eine neue Vertragslaufzeitverlängerung ganz sanft empfohlen und wir haben genickt.
Bei ebenfalls wichtigen Dingen oder noch wichtigeren wie dem Strom, ohne den auch das Internet nicht läuft, Versicherungen etc. sind wir viel weniger zimperlich bei der Optimierung unserer Verträge fürs Festnetz-Internet, auch unser Mobilfunkvertrag ist im Vergleich dazu überproportional günstig. Es muss etwas mit der Sozialisierung zu tun haben: Was haben wir schon alles an Freude und Ärger gehabt, in nunmehr fast 23 Jahren privatem Internetanschluss. Selbst die Fails, und die waren am Anfang gar nicht selten,selbst jetzt haben wir immer wieder unerklärliche bzw. mit falschen Gründen belegte Ausfälle, die schweißen wohl zusammen. Außerdem sind wir mittlerweile auch für nette Nachbar:innen verantwortlich, die unser tolles Internet mitbenutzen dürfen, da kann man nicht ständig alles ändern.
Sehr interessant und für uns sehr verblüffend war, dass Deutschland in Sachen Internet so weit vorne liegt, obwohl es gegenüber 2022 einen Platz verloren hat. Platz 4 von 121 untersuchten Ländern ist weitaus besser als der Ruf des hiesigen Internets es erwarten lassen würde. Der vierte Rang weltweit bedeutet auch den vierten Platz in Europa, denn alle Topländer sind erstaunlicherweise hier angesiedelt, weit vor den USA zum Beispiel.
Vor allem die Daten-Infrastruktur scheint top zu sein, übertroffen nur von der Cybersicherheit, die zwar nicht die weltweit beste ist, aber auch zu den Top 5 gehört. 2023 Digital Quality of Life Index – Surfshark
Wie kann es aber sein, dass Deutschland auf Rang vier liegt, obwohl es in keiner Einzelkategorie über den 5. Platz hinauskommt? Erstens sind die Ergebnisse gewichtet, zweitens scheint der Gesamtmix besser zu sein als in den meisten anderen Ländern. Deutschland ist also nirgends absolut Spitze, aber auf relativ vielen Gebieten vorne dabei. Auch auffällig: Wie der Umgang der Regierung mit dem Internet und der zugehörige Service in verschiedenen Jahren seit 2020 stark unterschiedlich bewertet wurde. Das Corona-Management, das in Deutschland vergleichsweise stark digitalisiert war, hat dabei sicher eine Rolle gespielt. Alles lief online, von der Warn-App bis zur Buchung von Terminen in Testzentren. So weit sind wir aber auf vielen anderen Gebieten noch nicht, das hat man bei Surfshark auch erkannt und Deutschland auf einen unauffälligen 22. Rang zurückgestuft. Auch nicht sehr gut: Die Qualität des Internets, mithin wohl vor allem die Geschwindigkeit. Rang 40 ist der mit Abstand schlechteste von allen Teilgebieten. Das haben wir uns noch einmal etwas genauer angeschaut.
Bei der Geschwindigkeit des mobilen Internets liegt Deutschland auf Rang 26, aufsteigend, vermutlich, wegen der immer mehr flächendeckenden Nutzung von 5G, aber auch der späte Beginn ist darin zu erkennen, krass dafür der sukzessive Abstieg beim Internet zu Hause von Rang 21 im Jahr 2020 auf jetzt Rang 36. Das ist in der Tat einem High-Tech-Land unwürdig und ein negativer Standortfaktor, zumal auch das Improvement im Fest-Internet-Bereich mit einem lächerlichen Rang 75 bedacht wird. Mobil sieht alles etwas besser aus und das langsame Fest-Internet ist immerhin etwas stabiler geworden.
Man kann von Glück sagen, dass die Bewertung des Internets der verschiedenen Länder, die hier vorgenommen wurde, nicht nur auf der Geschwindigkeit fußt, sonst sähe Deutschland tatsächlich so schlecht aus, wie der Ruf des Internets hierzulande eben ist. Vor allem die Langsamkeit des Ausbaus von High-Speed-Verbindungen ist symbolisch für viele Probleme der Infrastruktur, die wir hier auf allen Ebenen mittlerweile haben. Darüber können auch recht gute Noten auf anderen Gebieten, die das Gesamtpaket Internet ausmachen, auch bei der Preisgestaltung, nicht hinwegtäuschen.
Ganz vorne liegt übrigens Frankreich, und zwar mit einigem Abstand zu den folgenden Ländern in Europa und der Welt, da hat man offenbar auch einen großen Sprung nach vorne gemacht. Auch Frankreich ist allerdings nur im Bereich „Affordability“ ganz vorne, auf dem auch Deutschland gut abschneidet, aber das Fest-Internet ist ganze 100 MB pro Sekunde schneller als hierzulande, da hat der Begriff Breitband-Internet wirklich eine Bedeutung. Hier ist auch der Unterschied von allen Gebieten am größten. Beim Electronic Government teilen sich die westlichen Nachbarn mit Deutschland den 22. Platz. Es hängt letztlich doch an der Geschwindigkeit und bis zu einem gewissen Grad am E-Government, ob Deutschland es mal ganz nach vorne schaffen kann, und da ist noch viel zu tun, der Abstand zu den Besten wächst sogar. Insofern kommen wir letztlich doch bei den Einschätzungen heraus, die allgemein im Umlauf sind.
Dass man in manchen Ländern fast einen halben Monat lang arbeiten muss, um einen Internet-Vertrag bezahlen zu können, ist misslich, da kreuzen sich niedrige Löhne und Gehälter mit hohen Internet-Preisen, sodass das Internet zu einer Veranstaltung für Privilegierte gerät. Allerdings haben die meisten Menschen in diesen Ländern auch keine Laptops auf dem Schreibtisch und dergleichen, sondern ein Mobiltelefon, mit dem sie wirklich alles abwickeln. Sogar das Geld einnehmen und ausgeben mit Zahlungsdienstleistern wie Paypal, denn die meisten Menschen verfügen dort nicht nur über keinen Festnetz-Internetanschluss, sondern auch nicht über Bankkonten.
TH
Entdecke mehr von DER WAHLBERLINER
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

