Donnie Brasco (USA 1997) #Filmfest 989 #Top250

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Donnie Brasco ist ein amerikanischer MafiaFilm aus dem Jahr 1997 mit Johnny Depp und Al Pacino in den Hauptrollen.

Es war im Jahr 1972, da lernten wir Michael Corleone kennen, den Sohn von Don Vito Corleone, dem mächtigen Mafiaboss aus New York. Anfang der 1990er war Michael nach dem Tod seines Vaters zum Paten geworden. Aber 1997 sehen wir ihn wieder, plötzlich als einen Basis-Mafioso, der alles andere als mächtig und unnahbar ist. So schnell kann’s gehen? Natürlich stimmt die Zeitschiene jetzt nicht, wir sprechen von der Zeit, in der die Filme „Der Pate, Teil 1“ und „Der Pate, Teil 3“ entstanden, und natürlich „Donnie Brasco“, der, wie die Corleone-Saga und einige andere Werke innerhalb des Genres Krimi der Subfamilie der Mafiafilme zuzurechnen ist. Und natürlich geht es um Al Pacino, den Darsteller von Michael Corleone, der 1997 den Kleingauner „Lefty“ spielt, der zwar zur Familie gehört, aber nicht viel zu melden hat und niemals haben wird. Jetzt ist Johnny Depp der junge, taffe Typ, der für den alternden, kranken und mit familiärem Unglück geschlagenen Mafioso (eine hübsche Frau hat er aber doch) eine Herausforderung und einen Halt gleichermaßen darstellt. Ist daraus ein guter Film entstanden? Wir klären es in der –> Rezension.

Handlung (1)

In den späten 1970er Jahren wird der FBI-Agent Joseph Pistone als verdeckter Ermittler in eine New Yorker Mafia-Familie eingeschleust. Er gibt sich als Juwelierhändler namens Donnie Brasco aus und gewinnt so das Vertrauen der Mafia-Mitglieder „Lefty“ Ruggiero und Dominic Napolitano. Lefty ist ein alternder Kleinganove und Auftragskiller, der immer knapp bei Kasse ist und sich bei den Beförderungsvorgängen innerhalb der Familie übergangen fühlt. Immer wieder erinnert er Donnie daran, dass er bereits 30 Jahre für die Mafia schuftet, 26 Morde begangen hat und dennoch ohne Geld dasteht. Mit Hilfe von Lefty und Dominic, der als Caporegime eine Crew führt, macht Donnie Karriere in der Mafia und wird als Freund der Familie (niedrigster Rang innerhalb der Mafia) akzeptiert, auch wenn er nie den Rang eines Vollmitglieds erreicht.

Rezension

Lefty kann zunächst und mag dann nicht wissen, dass Donnie Brasco in Wirklichkeit ein FBI-Agent namens Joe Pistone ist, der die Mafia infiltrieren soll, was ihm auch gelingt. Der Film wurde nach dem Buch eines wirklichen FBI-Mannes gedreht, der es nach seine Einsatz und unter der Ägide eines Zeugenschutzprogrammes schrieb, das ihm eine neue Identität gab. Die USA sind eben ein großes Land, da trifft man sich nicht einfach so wieder und erkennt einander. Überhaupt stammen die Mafia-Bücher, die zu Filmen wurden, von Menschen, die viel Insiderwissen in diese Werke eingebracht haben, das gilt u. a. auch für Mario Putzos „Der Pate“. Vielleicht wirken sie deshalb so authentisch, die Filme, die daraufhin entstanden sind und von denen einige zu den besten Thrillern und Sagas gleichermaßen zählen.

Als wir gestern „Donnie Brasco“ sahen, dachten wir, Johnny Depp macht seine Sache gut, keine Frage, aber es gibt hierzulande Schauspieler, die könnten das ähnlich, die Optik lassen wir außen vor. Aber einen wie Al Pacino haben wir nicht. Wir er den Mafiosi mit so viel Herz und Einfühlung spielt, dass man ihn am Ende mehr mag als Johnny Depp und mehr als das gesamte, hinterlistige FBI zusammen, dass man, durch seine Person angeleitet, der Mafia-Familie generell mehr entgegenbringt als der guten Seite, dem Gesetz, ist bemerkenswert. Es ist aber auch nicht ganz neu, schon „Der Pate“, besonders der erste Teil mit Marlon Brando als Don Vito Corleone, war so gestrickt. Dass Verbrecherorganisationen und ihre Angehörigen so menschlich, vielleicht allzu menschlich gezeigt werden konnten, war der Aufhebung des „Production Code“ in den 1960ern zu verdanken, der es zuvor nicht zugelassen hatte, dass Verbrecher allzu positiv rüberkommen. In den Films noirs der 1940er hat man das geschickt gelöst, indem man die Hauptfigur sehr dicht und nah inszeniert hat, aber nie einen Zweifel daran gelassen, dass es ein böses Ende mit diesem Guy nehmen wird.

Diese Schicksalhaftigkeit, diese Macht der Bestimmung, die gibt es in „Donnie Brasco“ nicht, wohl aber den Eindruck, nicht eine einzige echte Überraschung zu erleben. Der Film ist sehr vorhersehbar, aber die Frage stellt sich, ob das in diesem Fall so schlimm ist. Schließlich sind die meisten Genre-Filme auf gewisse Handlungslinien festgelegt. Weitgehend. In „Donnie Brasco“ muss das die Erledigung des Jobs sein, und dass Johnny Depp die Sache übersteht, ist von Beginn an beinahe so klar wie bei Serienfiguren, die nicht getötet werden dürfen, weil sie wieder antreten. Hochgradiges Thrillergefühl versprüht „Donnie Brasco“ daher nicht und er ist auch nicht vorwiegend ein Film, in dem das Verbrechen im Vordergrund steht. Es gibt einige brutale Morde und die Zersägungszene ist wirklich gruselig. Da mussten wir uns kurz wegdrehen, und das kommt mittlerweile nur noch sehr selten vor. Aber, und auch das hat dieses Werk mit vielen anderen Filmen seiner Art gemeinsam, er spricht vor allem über Gefühle zu uns, in diesem Fall über Freundschaft. Da kann nichts über Jahre entstehen, der Film hat nur einen kurzen Handlungszeitraum, da wird nicht ein Hauch von Geschichte an uns herangetragen wie in den „Der Pate“-Filmen oder in „Es war einmal in Amerika“. Also muss die Freundschaft zwischen dem verdeckten Ermittler und de Mafioso Lefty schnell Fuß fassen. Tut sie auch, obwohl Donnie seinen späteren Mentor erst einmal auf die Palme bringt, als er lässig erklärt, ein Diamant, den Lefty verscherbeln will, sei falsch, auch der Ton der Ansprache passt nicht.

Dennoch sind die beiden bald so weit, dass Donnie an die Mafia-Familie herangeführt, letztlich sogar in sie aufgenommen wird. Die in diesem Film gezeigten Mafiosi adoptieren also auch Außenstehende, das soll in der Realität nicht ganz so einfach sein. Und etwas naiv wirken sie auch, nicht gerade wie Giganten des Unterweltbusiness. Das trifft sogar auf die geheimnisvollen Chefs zu, die ihre Clans aus dem Hintergrund dirigieren. Da fehlt die Grandezza, und das soll wohl auch so sein. Die Mobster sind Menschen mit Fehlern, die viel Ärger bringen können, Leute wie du und ich, vielleicht machen sie im Job sogar Fehler, welche dich und mich ebenjenen Job kosten würden. Es kommt ja auch zu prekären „Vorladungen“, bei denen man damit rechnen muss, per gewaltsam herbeigeführtem Exitus aus der Familie entfernt zu werden. 26 Menschen hat Lefty als Liquidator umgebracht, und es zu nichts gebracht. Das beweist, dass diejenigen, welche die Drecksarbeit machen, wenig Aufstiegsschancen haben. Offenbar hat er seine durchaus vorhandene Killermentalität nicht konsequent genug vermarktet, als er noch jung und gesund war. Er ist im Grunde eine gescheiterte Figur, ein Anti-Held, den uns Al Pacino so versiert rüberbringt, dass wir meinen, er begegnet uns vermutlich beim nächsten Gang ins nächste von der Mafia kontrollierte italienische Restaurant, weil er sicher auch als Geldeintreiber tätig und geeignet ist.

Nun, so ganz stimmt das nicht, weil er aussieht wie ein Mann aus den 1970ern, und in denen spielt der Film ja auch. Es gibt kleine Probleme mit dem Originaloutfit einer Zeit, die zum Zeitpunkt der Entstehung des Films gerade mal 19, 18 Jahre zurücklag, aber im Ganzen ist das alles mit viel Liebe zum Detail gemacht und repräsentiert die moderne Anschauung, dass eine Zeit möglichst getreu wiedergegeben werden soll, auch wenn es einiges kostet, inklusive digitaler Bearbeitung oder Nachbearbeitung von Szenen. Die Cadillacs, Lincolns und die Mercedes S-Klasse, die im Film vorkommen und über die mächtig philosophiert wird, zum Beweis, dass Mafiosi, genau wie die meisten Kumpelgruppen, nur in Maßen tiefschürfende Gespräche führen, sind die aktuellen Modelle jener Zeit, in welcher die Handlung angesiedelt ist.

Dem Film fehlt es nicht an Detailreichtum, Gefühl und gutem Schauspiel – nur eines hat er nicht, nämlich ein großes Projekt, zu dem sich alle zusammenschließen, das sie antreibt, das sie zu außergewöhnlichen Reaktionen und Handlungen hinreißt oder zwingt. Anfangs wirkt die New Yorker Gang ziemlich rudimentär, sozusagen wie das Prekariat der Verbrecherwelt, die Leute ernähren sich von wirklicher Kleinkriminalität, auch wenn sie dabei etwas besser organisiert sind und die Regelmäßigkeit sie von Gelegenheitsdieben, -räubern etc. unterscheidet. Kein Wunder, dass sie irgendwann ein größeres Ding durchziehen wollen und dafür nach Florida gehen wollen, wo natürlich erst einmal das lokale Familienoberhaupt dieser Infiltration zustimmen muss. Natürlich wird man sich einig und letztlich geht es nur um Profit. Darum, dass die New Yorker Sektion, zu der Donnie Brasco gestoßen ist, endlich ein gutes Stück vom Kuchen abbekommt. Angeleiert hat das alles niemand anderer als Donnie Brasco, der im Sunflower State einen  Korrespondenzagenten, einen FBI-Kollegen hat. Der hilft ihm, sich bei der Mafia beliebt zu machen, stellt allerdings durch seine unbedarfte Art auch einen Risikofaktor dar.

Gleichwohl, als herauskommt, dass Brasco ein Spitzel ist, der mit einem Diktiergerät im Stiefel herumläuft, glauben die Kumpels von der Mafia das gar nicht. Er hat sie alle vollständig eingewickelt, auch Sonny Black, den jungen Chef der Sektion, der die Nachfolge eines ermordeten Paten antritt. Angesichts der Art, wie die Leute handeln, oft unüberlegt nämlich, fragen wir uns auch in diesem Fil wieder, wie sie es bis hierhin geschafft haben, aber in der Vereinfachung liegt auch die Veranschaulichung, daher können in einem Film, der vor alle auf der emotionalen Ebene agiert und funktioniert, nicht alle Finessen des Geschäfts ausgeplaudert werden, wie es wirklich läuft. Nicht einmal in „Der Pate“ wird das alles vollständig aufgeschlüsselt, und da stand wahrhaft mehr Zeit zur Verfügung, um Hintergründe zu erläutern.

Finale

Der Thrill hält sich in Grenzen, aber langweilig wurde uns während der gut zwei Stunden nie, die der Film an Lebenszeit beansprucht. Das liegt an den Figuren, vor allem an „Lefty“, dem Al Pacino Leben einhaucht. Regie führte der Brite Mike Newell, der durch „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ international berühmt wurde, es hätte aber auch ein Amerikaner sein können. An dem Film wirkt nichts fremdländisch, die Manierismen, die Statuten der mafiösen Gesellschaft aber sind so allzeit präsent, dass man vielleicht doch hin und wieder denkt, der britische Humor ist genau die Sprache, mit der man die kuriosen, aber auch lebensehaltenden Codizes der Mafia darstellen kann, ohne sie lächerlich zu machen, aber auch, ohne sie zu schwer zu nehmen.

75/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2017)

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie Mike Newell
Drehbuch Paul Attanasio
Produktion Louis DiGiaimo,
Mark Johnson,
Barry Levinson,
Gail Mutrux
Musik Patrick Doyle
Kamera Peter Sova
Schnitt Jon Gregory
Besetzung

 

 

 


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