Crimetime Vorschau – Titelbild © ARD / Degeto / X-Filme / Sky
Heute Abend gibt es keinen neuen Tatort – sondern die ersten vier Folgen der 4. Staffel von „Babylon Berlin.“
Schon in den letzten Tagen haben die Besucherzahlen des Wahlberliners allein deswegen angezogen, weil wir die ersten drei Staffeln ausführlich besprochen haben. Wir würden das selbstverständlich gerne wieder tun und schicken – insofern doch eine Kontinuität – eine Vorschau voraus, die in etwa derjenigen entspricht, die wie vor der Premiere von Tatorten und Polizeirufen aufsetzen. Schon seit vorgestern ist die 4. Staffel in der ARD-Mediathek abrufbar und es setzt sich ganz offensichtlich immer mehr durch, dass man dem Streaming einen hohen Stellenwert einräumt. Inklusive der Tatsache, dass man streamen kann, bevor die erste lineare Fernseh-Ausstrahlung gelaufen ist. Insofern folgen die öffentlich-rechtlichen Sender der neuen Konkurrenz, die gar nichts anderes anbietet als das Streaming zu jedem beliebigen Zeitpunkt und etwas wie das Lagerfeuer der Nation, an dem man sich immer noch zu Tatortpremieren versammelt, nicht bieten kann.
Wird die vierte Staffel, die ein paar Jahre später spielt als die im Jahr 1929 angesiedelten drei ersten Staffeln, wieder solch ein herausragendes Fernsehereignis?
Der Novitätswert des Stils lässt natürlich nach, das ist unvermeidbar, außerdem näheren wir uns der Nazi-Zeit, da hört der Spaß langsam auf, der besonders in Staffel 1 und 2 unverkennbar war, besonders, wenn es ums Nachtleben im Babylon Berlin ging.
Die vierte Staffel wurde 2021 gedreht und beruht auf dem dritten Gereon-Rath-Roman Goldstein. Sie umfasst erneut zwölf Episoden und wurde ab Oktober 2022 auf Sky ausgestrahlt. Das Erste begann die Ausstrahlung ab Oktober 2023.[13]
Sky Deutschland gab bekannt, keine weiteren fiktionalen Serien wie Babylon Berlin mehr produzieren zu wollen. Die fünfte Staffel soll ohne Sky produziert werden.[14][1]
Es wird also eine fünfte Staffel geben, aber bei den hohen Produktionskosten wohl nicht ohne einen privaten Partner. Die Staffeln 1 und 2 waren die bisher teuerste deutsche Fernsehproduktion und hat ca. 40 Millionen Euro gekostet. Heute würde das Budget bei gleichem Gegenwert demnach schon ca. 50 Millionen betragen.
In der vierten Staffel ermittelt Kriminalkommissar Rath undercover im Nazi-Milieu. Parallel gibt es einen Handlungsstrang um einen verschwundenen Edelstein. Diese Staffel spielt im Unterschied zu den ersten drei Staffeln in den Jahren 1930 und vor allem 1931. (Quelle s. o.)
Wir schürfen nun ein wenig in den Kritikerquellen.
„Obwohl Babylon Berlin Staffel 4 wegen ihrer Themenüberfrachtung die bislang schwächste der Serie ist, bleibt das Jammern auf hohem Niveau. Denn sie Schauwerte sind wie immer immens, das handwerkliche Können aller Beteiligter beeindruckend und einige der Storylines extrem spannend. Selbst wenn manches nicht mehr so frisch wirkt wie noch zu Beginn der Serie, so ist das von starken Charakteren geprägte Gemälde der Zeit zwischen den Weltkriegen noch immer fast so hypnotisch und aufwühlend wie zu Beginn. Das macht das Mitfiebern mit Gereon Rath und Charlotte Ritter fast unvermeidlich. Da Volker Kutscher bereits acht Romane um das Ermittlerduo verfasste und dabei im Jahr 1936 angekommen ist, hätte die Serie noch Stoff. Und sollte eine fünfte Staffel kommen, man müsste dafür wohl Hitler casten.“[2]
Für schwach wird die Story um Toni Ritter gehalten, vor allem, weil sie demnach verflacht, für sehr stark die der Bandenkriege, in der Mitte liegt wohl das Politische, das hier so breiten Raum einnehmen soll wie in keiner Staffel zuvor. Ein bisschen überfrachtet waren auch die ersten drei Staffeln – was aber dank der herausragenden Filmtechnik auch zu dem Sog geführt hat, der sich bei mir durchaus einstellte. Nicht alle Kritiker waren dieser Ansicht, einige vermissten das Identifikationspotenzial auch der Hauptfiguren, ich fand diesen Mangel, falls ich überhaupt einen solchen empfand, eher dem eben sehr fülligen und bewusst flirrend und hektisch erzählten Handlungsverlauf geschuldet, nicht einer zu schwachen Ausformung der Figuren.
Staffel fünf dann als also mit A. H., und natürlich ist es spannend, wer ihn spielen soll, nach Glanztaten wie der von Bruno Ganz in „Der Untergang“. Ob die fünfte Staffel schon ausgemacht ist, oder ob die Reaktion auf die vierte Staffel noch abgewartet werden soll, ist mir zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, die oben abgebildete, kurze Anmerkung in der Wikipedia lässt Interpretationsspielraum offen. Die Romane reichen bereits bis ins Jahr 1936, sodass, wie die anzitierte Kritik treffend anmerkt, noch einige Staffeln denkbar wären (mindestens 8 insgesamt).
„Die vierte Staffel „Babylon Berlin“ (Sky, ARD Degeto / X-Filme Creative Pool) beruht auf Volker Kutschers Roman „Goldstein“ und springt an den Beginn des Jahres 1931. Der Zuschauer kehrt mit bekannten Gesichtern an etablierte Schauplätze zurück. Sie sind Ankerpunkte für Auge und Ohr, aber sie sind nicht das, was diese Staffel ausmacht. Vieles kommt neu hinzu. Das Regie-Trio Tom Tykwer, Henk Handloegten und Achim von Borries nutzt den gesetzten Rahmen, um komplexe, voneinander mehr und mehr unabhängige Geschichten zu erzählen, neue Terrains in der Stadtlandschaft Berlin auszumachen und filmische Erzählformen zu variieren. Die Soli tanzen weiterhin Rath und Ritter, getragen aber wird der Tanz längst vom ganzen Ensemble. Wieder großes Fernsehen“[3].
Großes Fernsehen erbringt wieder eine Bewertung in voller Höhe (6/6). Wie man auch zu dieser Serie stehen mag, großes, für deutsche Verhältnisse außergewöhnliches Fernsehen ist sie auf jeden Fall und wir würden uns ihr nicht so ausführlich widmen, wie wir das bisher getan haben und wieder vorhaben, wenn wir nicht im Großen und Ganzen auch der Ansicht wären, dass „Babylon Berlin“ etwas Besonderes ist und natürlich in der Stadt spielt, in der wir leben und sie auf eine ganz eigensinnige Weise darstellt, die vieles zeigt, was historisch ist, aber es doch in eine Sprache übersetzt, die sich gekonnt zwischen den Vorbildern des historischen Films und einer Übersetzung in die Neuzeit bewegt, die eine große eigenständige Artistik belegt und einen unverwechselbaren Stil hervorgebracht hat.
Die Berliner Zeitung bietet in ihrer Kritik eine Schnellübersicht über das Personal der vierten Staffel:
„In den Hauptrollen kehren Volker Bruch als Gereon Rath und Liv Lisa Fries als Charlotte Ritter auf die Bildschirme zurück. Neben ihnen sind zahlreiche Schauspieler:innen aus den ersten Staffeln wieder mit von der Partie. Darunter Benno Fürmann, Lars Eidinger, Hannah Herzsprung, Christian Friedel, Udo Samel, Godehard Giese, Fritzi Haberlandt, Karl Markovics, Jördis Triebel, Ronald Zehrfeld, Meret Becker, Hanno Koffler, Martin Wuttke, Trystan Pütter und Saskia Rosendahl. Neu im Darsteller-Ensemble sind unter anderem Mark Ivanir als Abraham Goldstein, Barbara Philipp, Moisej Bazijan, Ronald Kukulies, Thomas Arnold, Lenn Kudrjawizki, Hannes Wegener und Max Raabe.“[4]
Außerdem gibt es einen kurzen Abriss über den Inhalt der zwölf Teile der 4. Staffel.
Die Generalüberschrift lautet „Die Party ist vorbei“. Dass das so sein könnte, haben wir oben schon angedeutet. Aber was ist mit den Tanzmarathons im berühmten „Mokka Efti?“ Vielleicht ist das auch nur noch ein schweißtreibender Versuch, in der Depressionszeit ein paar Groschen zu verdienen, die mittlerweile eingesetzt hat. Dass man bisher Max Raabe als musikalischen Transformator von Ohrwürmern der 1920er und 1930er nicht in „Babylon Berlin“ hat auftreten lassen, lag wohl daran, weil man eben die Musik entweder (selten) im Original eingespielt oder (meistens) in eine moderne Tonsprache umgeformt hat, wie sie vom Orchester des „Moka Efti“ zu hören ist, am bekanntesten natürlich der Titelsong „Zu Asche, zu Staub“.
„(…) Und so steuert „Babylon Berlin“ unaufhaltsam der Finsternis entgegen. Die Weltwirtschaftskrise nach dem Börsencrash von 1929 nähert sich ihrem Höhepunkt, auf den Straßen liefern sich die Adolf Hitlers Sturmabteilung (SA) und die kommunistische Rotfront erbitterte Schlachten. Jüdische Geschäfte werden verwüstet, hungernde Kinder von der Polizei als Abschaum verhaftet. Das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte wirft seine Schatten voraus: Das Nazi-Gift zersetzt die Gesellschaft, erreicht auch den Polizeiapparat. Gereon Rath ist nicht mehr nur begabter Kriminalist, sondern gibt sich auch als SA-Mann zu erkennen.
Auf ausgelassene Tanzabende mit Rath hat Charlotte Ritter jedenfalls keine Lust. Zumal Berlin in den Zeiten des erstarkenden Nationalsozialismus einem Pulverfass gleicht und beide mit aufkeimenden Bandenkriegen genug zu tun haben. So soll Rath für die US-Polizei den jüdischen US-Gangster Abraham „Abe“ Goldstein beschatten. Was ihm zunächst langweilig erscheint, entwickelt sich zu einem brisanten Katz-und-Maus-Spiel, das Rath an seinen eigenen Leuten zweifeln lässt.“[5]
Ich habe Rath als eine politische ambivalente oder noch nicht voll ausgeformte Person in Erinnerung, die sich aber letztlich der guten Sache anschließt, die 1929 noch hätte siegen können. Und sein Einsatz als SA-Mann soll wohl eine undercover angelegte Ermittlungsarbeit sein. Sozusagen das Gegenstück eines Mannes aus Staffel 2, der eine der wenigen eindeutig guten Figuren umbrachte und sich als echter Nazi bei den Kommunisten eingeschlichen hatte, damit diesen der Mord in die Schuhe geschoben werden konnte. Als Agent Provocateur oder gar Mörder werden wir Rath wohl aber nicht sehen. Oder doch?
„Die neuen Folgen starten mit einem Schocker: Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) ist wegen eines Mordfalls in der Silvesternacht 1930/1931 unterwegs und sieht zu ihrem Schrecken ihren Liebsten Gereon Rath (Volker Bruch), der sich mit den Braunhemden der Nazifraktion an der Zerstörung jüdischer Geschäfte beteiligt.“[6]
Oder macht er mit, weil er nicht auffallen darf, im Braunhemd? Insgesamt fünf Gründe zählt die obige Quelle auf, warum Staffel vier die bisher beste sein soll. Darunter wird immer wieder der Gangsterfilm-Touch der 4. Staffel gelobt. Wenn er dem US-Film jener Jahre huldigt, in denen sich das alles wirklich zutrugt, dann aber auch „M“ von Friz Lang, in dem einer der Ringvereine eine wichtige Rolle innehat und von Gustav Gründgens geleitet wird.
Leider haben wir noch eine nicht erledigte Arbeit vor uns: Die letzten drei Folgen der dritten Staffel zu rezensieren. Bisher gibt es nur auf Band bzw. als Digitaldatei gesprochene Entwürfe dazu. Trotzdem können wir mit der vierten Staffel nicht zu lange warten, denn diese Rezensionen sind sehr aufwendig gestaltet und es gilt, immerhin zwölf davon zu schreiben. Deswegen beenden wir hier auch die Vorschau und sind gespannt darauf, was uns erwartete. Die beste aller bisherigen Staffeln oder nur die düsterste? Ganz sicher wird uns nicht langweilig werden, schon wegen unseres Interesses an der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts, die sich in diesem Film zwar immer wieder etwas verfremdet, aber gerade dadurch sehr pointiert spiegelt. Eigentlich müssten wir uns die Staffeln 1 bis 3 noch einmal ansehen, vielleicht ist das bei den drei noch nicht rezensierten Folgen ohnehin notwendig, aber alles noch einmal aufzufrischen, dazu wird uns leider die Zeit fehlen.
Wir wirden uns aber bemühen, die Qualität und den Umfang unserer Rezensionen so hoch wie möglich anzusiedeln, denn das, was wir bisher zu „Babylon Berlin“ geschrieben haben, zählt seit Jahren zu den meistgelesenen Artikeln des Wahlberliners – mit immer neuen Aufrufen vor allem dann, wenn eine Staffel wiederholt wird.
TH
[1] Babylon Berlin – Wikipedia
[2] Serienkritik: Babylon Berlin Staffel 4 – lauterfilme.de
[3] http://www.tittelbach.tv/programm/serie/artikel-6170.html
[4] Vierte Staffel von „Babylon Berlin“: Die Party ist vorbei (berliner-zeitung.de)
[5] „Babylon Berlin“ – Kritik zur 4. Staffel: Unaufhaltsam der Finsternis entgegen (prisma.de)
[6] 5 Gründe weshalb „Babylon Berlin 4“ die bislang beste Staffel wird | TV DIGITAL
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