Nur 48 Stunden (48 Hrs., USA 1982) #Filmfest 993

Filmfest 993 Cinema

In 48 Stunden oder 93 Minuten zum Ruhm

Nur 48 Stunden (Originaltitel: 48 Hrs.) ist eine US-amerikanische ActionKomödie aus dem Jahr 1982. Die Regie führte Walter Hill, das Drehbuch schrieben Larry Gross, Walter Hill, Steven E. de Souza und Roger Spottiswoode. Die Hauptrollen spielten Nick Nolte und Eddie Murphy.

Wir dachten, dies sei ein echtes Kultmovie, aber eine Durchschnittswertung von 6,8/10 in der IMDb spricht gar keine so eindeutige Sprache. Vieles in dem Film kam uns irgendwie vertraut vor, ohne dass wir ihn zuvor gesehen haben. Das wird wohl daher kommen, dass in den 1970er und 1980er Jahren sämtliche heutigen Genre-Ausprägungen des Mainstream-Kinos festgelegt wurden, darunter auch die komödiantische Version des Polizeifilms, die vom harten Thriller à la „Dirty Harry“ oder „French Connection“ nicht mehr in der Sprache, sondern in der Mischung aus Action und Humor abweicht. Außerdem ist die Handlung gnadenlos ökonomisiert und kennt kaum einen Verschnaufmoment. Handelt es sich doch um ein Kultmovie? Wir klären dies in der –> Rezension.

Handlung (1)

Der Räuber Albert Ganz verbüßt eine Haftstrafe und ist mit einer Gruppe von Häftlingen bei Außenarbeiten beschäftigt, als er von seinem Freund, dem nordamerikanischen Ureinwohner Billy Bear, gewaltsam befreit wird. Dabei erschießen sie zwei Aufseher. Beide begeben sich nach San Francisco, wo sie ihren ehemaligen Komplizen Henry Wong ermorden. Am selben Tag muss der Polizist Jack Cates die Ermordung seiner Kollegen VanZant und Algren miterleben, die versucht hatten, Ganz, der sein Hotelzimmer mit einer gestohlenen Kreditkarte bezahlt hatte, festzunehmen.

Ganz und Billy Bear entführen die Freundin ihres ehemaligen Komplizen Luther und fordern von diesem die Herausgabe von 500.000 Dollar aus einem Bandendiebstahl.

Cates versucht die Gangster mithilfe des Strafgefangenen Reggie Hammond zu finden. Hammond gehörte zur Bande Ganz’ und ist mit diesem verfeindet. Cates erhält die Erlaubnis, Hammond für 48 Stunden aus dem Gefängnis zu holen. Für die nächsten zwei Tage ist das ungleiche Paar aufeinander angewiesen. Der mürrische, wortkarge Cates und die Quasselstrippe Hammond raufen sich irgendwie zusammen und gelangen auf die Spur der Gangster, indem sie vor dem Parkhaus, in dem Hammonds Cabrio mit dem Geld seit drei Jahren parkt, auf Luther warten. Die erste Geldübergabe in einer U-Bahn-Station können sie lediglich vereiteln; Ganz, Bear und Luther entkommen. Bei der zweiten Geldübergabe in einem Bus erschießt Ganz Luther. Cates und Hammond werden abgehängt. Sie stellen die Gangster in der Wohnung von Ganz’ Freundin, Bear wird von Hammond und Ganz von Cates erschossen.

Am Ende kehrt Hammond, inzwischen mit Cates befreundet, ins Gefängnis zurück. Cates verspricht ihm, die halbe Million für ihn aufzubewahren.

Rezension 

Auch der überdrehte Witz in „Nur 48 Stunden“, der hier noch auf dem Rassengegensatz zwischen dem etwas mitgenommenen WASP Cates und dem Afroamerikaner Hammond fußt, ist mittlerweile ein typisches Kennzeichen solcher Filme – anders ausgedrückt, es wird wesentlich  mehr gesprochen, als es in realen Situation, wie sie hier vorkommen, wirklich der Fall wäre. U. a. Quentin Tarantino hat das dann auf die Spitze getrieben mit den überbordenden Dialogen in dialogfeindlichen Lebenslagen.

„Nur 48 Stunden“ war also stilprägend und hat das sogenannte Buddie-Movie, das es seit Anbeginn des Films gibt, ins Polizeigenre übertragen. In Deutschland hatte das zum Beispiel dieFolge, dass neue Teams in der Reihe „Tatort“ auch diesem Schema gefolgt sind – allerdings angepasst an die damaligen hiesigen Verhältnisse, heißt, nicht so überdreht und nicht so asymmetrisch – Letzteres kam erst nach der Jahrtausendwende richtig in Mode. Das Produktionsdatum von „Nur 48 Stunden“ hätten wir eher auf 1985 als auf 1981/82 geschätzt.

Wirkt der Film heute noch modern? Unbedingt. Er ist auch schon recht modern gefilmt, nicht nur gespielt. Insofern ist er ein Klassiker mit Wirkung in die Gegenwart, der ein Muster eingeführt oder wenigstens verfestigt hat, dem bis heute die US-Polizeifilme und –serien im Wesentlichen folgen. Es kommt nicht mehr auf die Realität an, sondern auf die Aktion und den Spaß, so schlimm die gezeigten Verbrechen auch sein mögen. Da laufen in diesem Film, der in der gesehenen Version ins deutsche Fernsehformat passt, also nicht sehr lang ist, Leute rum und schaffen einen Bodycount von etwa zehn Personen, aber die Verfolger sind mehr mit sich und ihren flotten Sprüchen befasst als mit der Verfolgung und erledigen diese quasi nebenbei. In Deutschland hat es viele Jahre gedauert, bis man sich diese Art von Cop-Movie auch getraut hat. Gerade der Unterschied zu unseren Filmen aus den frühen 1980ern lässt „Nur 48 Stunden“ so vorgerückt wirken. Was nicht heißt, dass dies ein perfekter Film ist oder dass wir besonders hinter ihm stehen.

Nun also die Wende? Die Differenzierung, nicht die Wende. Heute sind diese Filme noch einmal actionreicher, klar, es muss ja nach der Logik unseres Gesellschafts- und insbesondere unseres Wirtschaftssystems und wohl unseres Charakters immer eine Steigerung her.

Der Film wirkt auf den ersten Blick so schön politisch unkorrekt, ist beinahe auch ein Blaxploitation-Movie, ein Schritt auf dem Weg der Befreiung der farbigen Bevölkerung aus der Umklammerung der Weißen. Die Art, wie Eddie Murphy, der mit dieser Rolle des Hammond über Nacht zum Star wurde, in der Country-Kneipe mit den Weißen umgeht, wird nicht allen Zuschauern gefallen haben, aber sie trägt auf ihre Weise zur Entdiskriminierung bei und obwohl dies kein „Schwarzes Kino“ ist, führte er dazu, dass die Afroamerikaner mit ihren Vorzügen wahrgenommen werden, wie etwa der Fähigkeit, schneller  zu sprechen, als wir denken können. Das mag ein Klischee sein, aber es wirkt und man hat den Eindruck, gerade zu Beginn der Reagan-Ära bewegt sich wieder etwas im Verhältnis der Ethnien in den USA. Leider ist das nur knapp die halbe Wahrheit.

Nun also die Differenzierung. Es wird weiterhin ganz schön mit Klischees gespielt, mit dem vom Großstadt-Nigger als „Shine“, als einem Typ, der aufgeputzt rumläuft und nur ans Ficken denkt. Das Wort ist in diesem Film ganz wichtig, was neben einiger Gewalt wohl zur ursprünglichen FSK 18-Einstufung in Deutschland geführt hat. Auch da erklimmt „Nur 48 Stunden“ wohl einen neuen Höhepunkt, nämlich bei der vulgären Sex-Sprache. Und für die ist in erster Linie der bewusste Schwarze verantwortlich. Durch die Hintertür wuchern also weiterhin Vorurteile und breiten sich am Set aus. Zumal die anscheinende Aufwertung des Afroamerikaners zum Kumpel eines weißen Cops mit konservativen Botschaften in anderen Bereichen verknüpft ist, die wiederum sehr typisch für den Rollback der USA in den 1980er Jahren sind.

Mehrmals wird der Rechtsstaat mit Füßen getreten, bei Durchsuchungen, bei Recherchen, bei der Freilassung von Hammond zum Zweck der Verbrechensbekämpfung. Die Botschaft ist so eindeutig wie krude: Da es sich bei Ganz um einen richtig bösen Typ handelt, ebenso wie bei dem – Native American – Billie Bear, so eine Bestie, wie er im Film genannt wird, ist alles gerechtfertigt, um diese Leute zur Strecke zu bringen. Wie am Ende, wo Cates nicht mehr auf Festnahme aus ist, sondern auf Tötung von Ganz. Knapp in Notwehr, aber überschießend, so dass auch Hammond staunt, was sich in Cates – berechtigterweise, wie der Film suggeriert – aufgestaut hat. Alles sehr geschickt gemacht, weil wir es so gut nachvollziehen können. Bestes manipulatives Hollywoodkino und Miesestes zugleich. Auch da ist „Nur 48 Stunden“ Vorreiter – bei der unhinterfragten Ballerei auf allen Seiten, die mittlerweile beim Actionkino zum Ton gehört. Außerdem werden anstelle der Farbigen jetzt die Natives diskriminiert (und die Amerikaner mit deutsch klingenden Nachnamen, das wurde damals auch zur bleibenden Marotte) (1), und natürlich ist der Film klar pro Todesstrafe und mit der Meinung unterwegs, dass das Böse absolut ist, von nirgendwo kommt und ins Nirgendwo zu befördern ist, ohne Wenn und Aber.

Dafür wird das gezeigte Szenario komplett übertrieben – keinerlei Notwendigkeit für Ganz, so viele Leute umzubringen, also reine Mordlust, wie es sie im Gesinnungsmodus der subjektiven Tatbestandsmerkmale des noch aktuellen des § 211 StGB auch vorkommt. Spätere Filme wie „Natural Born Killers“ oder der bereits rezensierte „Kalifornia“ stehen in der Tradition von „Nur 48 Stunden“, was die Zeichnung der bösen Ballermänner angeht, auch wenn die genannten Werke keine Polizeifilme sind. Die Zeiten, in denen man den Verbrechern eine gewisse Sympathie entgegenbrachte und sie relativ zeichnete, waren vorbei.

Also gab es die Zeiten auch, in denen Verbrecher anders dargestellt wurden? Selbst die USA, man glaubt es heute kaum noch, hatten ihre humanistisch geprägten Phasen. Der Film noir war ganz klar mitfühlend und dealte mit menschlichen Schwächen aller Art, die zum Verbrehen und zum Tod führte. Typen wie Ganz wären in diesen Filmen kaum denkbar gewesen – zumindest hätte man ihr Handeln vernünftig hergeleitet. Die Filmgemeinde weiß, was sie zu tun hat, und schätzt deswegen die Films noirs heute wesentlich höher ein als etwa „Nur 48 Stunden“. In „Asphaltdschungel“ hat John Huston eine seiner Figuren den Satz sprechen lassen „Verbrechen ist auch nur eine Form des Überlebenkampfes“. Und so war es wohl in den meisten Fällen. Tötungsdelikte waren eher die Folge missglückter Coups als Ausdruck einer menschenverachtenden Gesinnung. Massenmörder wie Ganz hingegen sind und waren eine absolute Ausnahme, zumal im Zusammenhang mit dem Erschießen gleich mehrerer Polizisten. Psychologische Figurenzeichnung kommt in „Nur 48 Stunden“ nicht vor, wenn man von dem Gespann Cates und Hammond absieht, und deren Eigenheiten, die ganz gut denen der Schauspieler Nick Nolte und Eddie Murphy angenähert wurden.

Was ist zu Nolte und Murphy zu sagen? Sie sind das Plus des Films. Der bärige Nolte, der erstaunlich stark dem Regisseur Walter Hill ähnelt und der schnodderige Murphy sind nicht das perfekte, aber eine Variante eines nahezu perfekten Gegensatzpaares, und man hat darauf geachtet, dass sie einander weitgehend ebenbürtig sind, also Murphy wirklich einen Buddy und keinen Sidekick darstellt. Anfangs hat der Cop das Übergewicht, aber symbolisch zieht der Ganove gleich, als er sich mit dem Polizisten einen Faustkampf liefert, der trotz recht unterschiedlichen Physis der beiden unentschieden endet, da die Ordnungsmacht dazwischengeht. Man muss sich ins Jahr 1982 versetzen, damals war diese Art zu schauspielern noch etwas richtig Neues. Wir haben uns so sehr daran gewöhnt und finden aus heutiger Sicht kaum noch etwas dabei, weil sie sich im hier besprochenen Genre durchgesetzt hat – mit individuellen Abweichungen, versteht sich. Aber zum Beispiel die Filme des erwähnten Quentin Tarantino und viele andere, oft schwächere Werke, wären ohne Vorbilder wie „Nur 48 Stunden“ nicht denkbar.

Dass die Sauferei und die unstete Art von Cates ganz gut auf den ihn darstellenden Nick Nolte passen, lässt den Film so richtig authentisch wirken und in ihm wird schon eine Art von Trash zelebriert, der ebenfalls in jüngeren Zeiten schwer in Mode kam. Eddie Murphy, der hier einen mittelschweren Kriminellen mit gutem  Herz mimt, ist in Wirklichkeit Sohn eines Polizisten, der ermordet wurde, als Murphy acht Jahre alt war, der Schauspieler hat also einen intensiveren Bezug zur Handlung des Films als sein Mit-Star Nolte. Murphy ist auch Bühnendarsteller und konnte seine Schnellsprechmöglichkeit, die er schon zuvor als Stand-up-Comedian geübt hatte, mit „Nur 48 Stunden“ stilprägend im Film umsetzen.

Finale

Für die Werte, die Eddie Murphy durch seine Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge vertritt, steht der Film sicher nicht, aber Beruf ist Beruf und Anschauung ist Anschauung – und da machen viele Schauspieler heute mehr Unterschiede als einst zu Zeiten der Kommunistenhetze, als sich Fraktionen bildeten und einige der bekanntesten Stars sich gegen den berüchtigten McCarthyismus stellten.

Der Film passt wunderbar in die Reagan-Ära mit ihrer Tendenz zur Simplifizierung der Dinge, die damals gerade angebrochen war und von der man rückwirkend sagen darf, sie war nicht so schlimm wie bei ihrem Anbruch hierzulande befürchtet, hat die USA aber auch nicht wirklich vorangebracht.

Unterhaltung um jeden Preis hingegen wurde in dieser Zeit immer mehr zur Maxime des Mainstream-Kinos und für diese Tendenz steht „Nur 48 Stunden“ geradezu stellvertretend. Der Plot ist übrigens stringent, wenn auch das Verhalten der Personen übertrieben rüberkommt, er ist zudem simpel, und das macht sicher auch den Erfolg des Films aus. Es gibt keinerlei Schwierigkeiten, dem dramaturgisch immer recht hoch gehaltenen Plot zu folgen.

Trotz der Kritik an der politischen Tendenz des Films, und eine solche gibt es sehr wohl, und sie war zu Beginn der 1980er durchaus noch ein Statement, geben wir den Schauspielleistungen beziehungsweise den Typen raum, mit denen wir uns, ohne uns zu sehr manipulieren zu lassen, über neunzig Minuten gut unterhalten haben: 7,5/10 für „Nur 48 Stunden“.

75/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014) 

Regie Walter Hill
Drehbuch Larry Gross
Walter Hill
Steven E. de Souza
Roger Spottiswoode
Produktion Lawrence Gordon
Joel Silver
Musik James Horner
Kamera Ric Waite
Schnitt Freeman A. Davies
Mark Warner
Billy Weber
Besetzung

 

 

 

 

 


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