Filmfest 995 Cinema – Concept IMDb Top 250 of All Time (129) – Die große Rezension
Titanic [taɪˈtænɪk] ist ein US-amerikanisches Spielfilmdrama aus dem Jahr 1997 unter der Regie von James Cameron, das die Geschichte der Jungfernfahrt der Titanic nacherzählt. Der Film gehört zu den erfolgreichsten Filmen aller Zeiten, war aber nicht der erste oder der letzte, der sich mit dem Thema befasst hat.
Der Passagierdampfer war im April 1912 mit einem Eisberg zusammengestoßen und sank. Für den Spielfilm wurden Teile des Schiffs aufwändig und weitgehend originalgetreu rekonstruiert. In die tatsächliche Geschichte um den Untergang wurde eine Liebesgeschichte mit fiktiven Personen eingeflochten. Eine Rahmenerzählung bindet die Unterseeboot-Expeditionen mit ein, die es seit der Entdeckung des Wracks gibt.
Der Film gewann elf Oscars, darunter den für den Besten Film, und hatte allein in den Vereinigten Staaten 130,9 Millionen Kinobesucher,[3] in Deutschland 18 Millionen. Mit einem weltweiten Einspielergebnis von über 1,8 Mrd. US-Dollar belegte der Film zwölf Jahre lang den ersten Platz in der Liste der erfolgreichsten Filme, bis er 2009 durch Avatar – Aufbruch nach Pandora abgelöst wurde. Auch bei jenem Film war Cameron Regisseur. Die Musik des Titanic-Films wurde von James Horner komponiert, den Titelsong My Heart Will Go On sang Céline Dion.
Hier zur ausführlichen Handlungsbeschreibung der Wikipedia.
Heute würden wir dem Film aufgrund seiner popkulturellen Bedeutung wieder eine große Rezension widmen (DGR), zumal wir ihn selbst mit 80/100, also relativ hoch, wenn auch nicht herausragend, bewertet haben. Die Jahre 2016 und 2017 waren jedoch die Hochphase der sogenannten Duo-Rezensionen, eine von ihnen liegt auch für „Titanic“ vor und wird heute erstmals veröffentlicht. Sie ist die bisher einzige veröffentlichte Besprechung in diesem Modus, die mit über 3.000 Wörtern ebenfalls das Hauptkriterium für die Kategorie „DGR“ erfüllt. Der Film war 1997 bis 1998 auch in der berühmten IMDb-Liste der Top-250-Filme aller Zeiten platziert, ist dort aber schon lange nicht mehr vertreten. Mit einer Durchschnittsbewertung von 7,9/10 fehlen ihm derzeit 0,2/10, um eine Chance auf eine erneute Platzierung zu haben.
Anni und tom über“Titanic“ (1997)
Einleitung, einige Fakten
ANNI: Was für ein gigantischer Film. Wenn er an der Kinokasse ein Flop geworden wäre, hätte sich der Film selbst in seinem Thema gespiegelt, als eine der größten Kinokatastrophen aller Zeiten. So kam es aber nicht, im Gegenteil.
TOM: Nein, er wurde, inflationsbereinigt, der dritterfolgreichste Film bis dahin, hinter „Vom Winde verweht“ und „Schneewittchen“, und diese Filme sind wirklich um einiges älter (1939, 1937 gedreht). Die obige Festhaltung „der erfolgreichste Film“ berücksichtigt nicht die Inflation.
ANNI: Und „Vom Winde verweht“ haben wir ja neulich rezensiert. Mir wird geradezu schwindelig, bei diesem Tempo, mit denen wir die Meilensteine der Filmgeschichte im Moment abarbeiten.
TOM: Wenn ich diese Film für die besten aller Zeiten halten würde, würde ich auch mehr Abstand empfohlen haben, zumal man sich Drei-Stunden-Epen nicht unendlich viele Male anschaut. Um „Titanic“ habe ich mich sogar so lange gedrückt, obwohl er oft ausgestrahlt wird, bis ich endlich dich an meiner Seite hatte, damit der Film eine ausgewogene, sozusagen geschlechtergetrennte Bewertung bekommen kann.
ANNI: War das jetzt ein Kompliment oder liegt eine versteckte Drohung in diesem Satz? Ich befürchte fast, der Film hat dir nicht gefallen.
TOM: Der Aufwand ist gigantisch, und ich bin schon anfällig für Gigantismus. Ich bin ein Mann. Alles muss immer schneller, größer, schöner werden. Das Wettbewerbsdenken der Leute, die ständig an der Erweiterung technischer Möglichkeiten arbeiteten – und womit ließ sich diese besser demonstrieren als anhand immer mächtigerer Ozeandampfer? – kann ich nachvollziehen. Und schau mal auf heute, wie die Kreuzfahrtschiffe in Dimensionen wachsen, gegen welche die Titanic wie ein Spielzeug aussieht. Leider sind diese Monster mit ihren irre hohen und zudem total zerklüfteten Aufbauten, mit denen sie aussehen, als könnten sie jederzeit zur Seite kippen, bei weitem nicht mehr so schön, so ästhetisch, wie es diese Schiffe auf dem Höhepunkt der Ära waren, die um das Blaue Band fuhren. Etwa von 1900 bis in die späten 1930er, in Einzelfällen auch bis in die 1960er, als die Linien-Passagierschifffahrt zu Ende ging. Natürlich ist der Film historisch interessant, schließlich sind alle seine Rahmenbedingungen und das Schiff real.
Und man konnte seinen Untergang 1997 viel besser darstellen als in früheren Jahrzehnten. Auch die Zahl der Geretteten und er ertrunkenen Menschen stimmt, ebenso sind wichtige Passagiere wie Astor oder Guggenheim wirklich an Bord gewesen, ebenso sind selbstverständlich der Konstrukteur, der Eigner, der Kapitän und einige Offiziere historische Personen. Und das Ereignis, diese erschütternde Katastrophe auf der Jungfernfahrt des bis dahin „größten bewegten Objektes (von Menschenhand geschaffen, A. d. Verf.) der Geschichte“ ist ikonisch und symbolisch für so Vieles geworden, was das 20. Jahrhundert geprägt hat. Vielleicht hatte ich deshalb auch Probleme mit dem Anschauen, weil ich befürchtete, die Umsetzung dieses Themas könne niemals seine Bedeutung und Dramatik in vollem Umfang spiegeln.
ANNI: Wow. Ich glaube, du hast ganz Recht, wenn du die Sichtweisen erst einmal geschlechterspezifisch trennst. Ich war ziemlich bei Rose, als sie anfangs gar nicht beeindruckt war, als sie das Schiff sah, und keinen Sinn dafür hatte, dass es etwas größer war als die „Mauretania“. Sie war übrigens nicht das größte Schiff vor dem ersten Weltkrieg, das war die deutsche „Imperator“. Und viele, auch im Film gezeigte Annahmen zum Unfall stimmen nicht mit den heute und wohl auch 1997 bekannten Fakten überein.
ANNI: Du meinst, trotz des großen Aufwandes für den Film ist sein historischer Wert begrenzt? Ich habe noch keinen Historienfilm gesehen, und das ist „Titanic“ ja neben dem Katastrophengenre und dem Romantik-Genre auch, der absolut korrekt ist. Und dass einige optische und faktische Details nicht ganz gelungen sind, das ist ebenfalls Hollywood-Standard. Aber der Eindruck ist doch überwiegend sehr akkurat.
TOM: In den 1990ern hat man auch stärkeren Wert auf diese Akkuratesse oder die Vorspiegelung derselben gelegt als zuvor, befördert auch durch die CGI, die es ermöglichte, die realen Modellaufbauten zu unterstützen. „Titanic“ war aber auch der erste Historienfilm, an dem CGI umfassend angewendet wurde. Trotzdem merkt man, dass der dunkle Rauch der Schornsteine künstlich ist, ebenso die Wasserbewegungen.
ANNI: Wir verlieren uns in der Technik, und wir können hier kein Buch über jedes technische Detail des Films schreiben. Der Mythos, die romantische Geschichte, die Technik, die Dramaturgie, das alles kann man in einzelnen Werken abhandeln, wenn man will. Aber die Bedeutung des Films ergibt sich eben auch daraus, dass man das Geschehen, um das es geht, und den Film selbst, unendlich in die Tiefe hinein und unter allen möglichen philosophischen Blickwinkeln ausdeuten kann.
Zur Handlung und den Figuren
TOM: Gehen wir also an die Basis. Die Basis des Films ist eine Liebesgeschichte, die tragisch endet. Man hat erkannt, ein tragisches Ende macht die ganz große Romantik. Hollywood folgt diesem Grundsatz lediglich deshalb oft nicht, weil er sich dann zu stark abnutzen würde. Aber die großen Liebesfilme, wie „Casablanca“, „Vom Winde verweht“, haben ein offenes oder offen-negatives Ende, warum also nicht hier ein eindeutig tragisches, das das romantische Prinzip der Nichterfüllung vollumfänglich garantiert. Die Liebesgeschichte von zwei fiktiven Passagieren überlagert auch alles andere, inklusive der Katastrophendarstellung, auch wenn die natürlich impressiver ist als in allen Filmen zuvor, die über die Titanic gemacht wurden. Da ist ein normaler Film schon zu Ende, da geht die Katastrophe erst los.
ANNI: Das Ganze sollte ja auch keine technische Abhandlung sein. Alle Filme zu solchen Katastrophen werden an wenigen menschlichen Schicksalen aufgehängt, und wenn man sich so viel Zeit und Mühe mit denen gibt wie mit Rose und Jack, dann ist die Identifikation des Publikums auch groß genug, um ihnen mühelos durch den Untergang zu folgen – bis hin zu dem Wrackteilchen, an dem sie beide hängen. Vielleicht hätte es sie beide auch getragen, wenn Jack sich ebenfalls daraufgelegt hätte, aber das hat er leider nicht getan, und so erfriert er im eisigen Wasser. Ich fand diese Szene auch ein wenig überdehnt, aber sonst funktioniert die Geschichte doch super. Und was man dabei noch alles an Kritik an der Klassengesellschaft hat einfließen lassen. Geldaristokraten gegen Dritte-Klasse-Auswanderer-Passagiere, Männergesellschaft gegen den Zwang von Frauen, sich deren Interessen unterzuordnen, mangels eigener wirtschaftlicher Möglichkeiten. Da schwingt auch viel von der englischen Literatur des 19. Jahrhunderts mit. Auf der Titanic fahren auch die Austen-Schwestern mit, wenn du so willst, und das geht kurz vor dem Ersten Weltkrieg auch noch – knapp. Und klar, man findet den Film als Frau klasse, weil Rose sich aus der Umklammerung dieses sadistisch angehauchten Geldsacks befreit und Sex mit Jack hat. Und sie will für ihn auf alle materielle Sicherheit verzichten.
TOM: Diese Art von Geschichte ist so oft gezeigt worden, dass es irgendwann auch banal und aufgeblasen wirkt. Und dann die Dialoge. Also, bei den Produktionskosten hätte man jemanden engagieren können, der bessere Dialoge schreibt.
ANNI: Jetzt kommt wieder der Sprachästhet. Stimmt, intellektuell und emotional sind die Gespräche nicht auf allerhöchstem Niveau, aber glaub mir, das macht mit den Erfolg des Films aus. Dass es da nicht irgendwelche Überraschungen und Dinge gibt, über die man ewig nachdenken muss, bis man sie ausinterpretiert hat und dann vielleicht noch falsch liegt. It’s Entertainment, not Artwork, Baby! Und Leo und Kate kriegen es hin, dass man die Figuren adaptiert, oder etwa nicht. Vor allem ihn finde ich klasse, er hat genau das Gesicht und den Ausdruck von einem jungen Typ aus der Unterschicht, der was will und ein Risiko gehen kann, ohne dass er dabei wie ein Haudegen wirkt oder sonst komplett unglaubwürdig. Und sie als englisches Upper-Class-Girl, wer hätte diese Rolle sonst spielen sollen?
TOM: Gwyneth Paltrow, nach dem Erfolg von „Shakespeare in Love“. Und ich glaube, das hätte dem Film noch einmal geholfen. Aber natürlich ist das nur eine Vermutung, bei Leo di Caprio gebe ich dir übrigens Recht, ich stelle mir gerade den Grusel vor, den ich gehabt hätte, wenn sie Brad Pitt mit der Rolle ausgestattet hätten.
ANNI: Das ist mir ein zu heißes Eisen, ich kenne deine Abneigung gegen Pitt. Aber Ethan Hawke, der junge Johnny Depp, da hätte es auch mehrere Möglichkeiten gegeben. So zwingend war die Rollenbesetzung also auf beiden Seiten nicht, das halten wir mal an der Stelle fest, sonst verhaken wir uns in einem „Hätte-und-Wenn-Aspekt“. Ich vermisse jedenfalls niemanden, von dem ich denken würde, das wäre aber jetzt die viel bessere Besetzung gewesen. Dein Unbehagen speist sich wohl auch aus der Annahme, die Story an sich ist zu weitschweifig und, wie du sagtest, zu banal.
TOM: Und zu unglaubwürdig, besonders in dem Moment, in dem die Katastrophe beginnt. Wie Rose da mit der Axt durch den fast schon mit Wasser vollgelaufenen Gang watet und dann mit einem Schlag diese Handschellenkette druchhaut, zuvor den Probeschläge macht, während das Schiff rasend schnell sinkt. So groß kann keine ganz frische Liebe sein, dass da nicht irgendwann einmal der Selbsterhaltungstrieb siegt.
ANNI: Oh nein, bitte nicht solche Bewertungen! Was wissen wir Funktionsmenschen heutiger Prägung schon von dem, was in Extremsituationen alles geht. Wir haben doch keine Ahnung, weil wir nie in einer Katastrophe oder im Krieg waren. Ich halte mich jetzt nicht an technischen Details und Wahrscheinlichkeiten auf, sondern glaube an Taten, die sich nicht auf Prinzipien gründen, wie Rose ja auch nicht prinzipiell, also pflichtgemäß oder verantwortungsbewusst handelt, sondern ganz emotional. Vielleicht ist das nicht überwiegend wahrscheinich, aber nicht unmöglich. Ja, ich hab mich etwas gewundert, wie lange es dauert, bis der Eisberg in Sicht kommt, aber wir haben den Film doch wieder nach Mitternacht geguckt. Und ich war keine Sekunde lang müde. Und selbst du bist nicht eingeschlafen, obwohl wir deinetwegen schon einige Spätkino-Sitzungen abbrechen mussten, weil du selbst gute Filme manchmal als Schlafmittel verwendest. Du warst voll dabei, du hast dich sogar in dem Moment, als alle auf dem Meer trieben, also gegen 3 Uhr morgens, sowohl die Zeit am Unglücksort als auch unsere Realzeit betreffend, aufrecht hingesetzt, nach vorne gebeugt, die Ellbogen auf die Knie gestützt und den Kopf auf die geballten Fäuste. Normalerweise wechselst du nur die Sofa-Lage zwischen bequem und noch bequemer. Mach mir nicht vor, du wärst nicht involviert gewesen, es wäre dir also nicht ebenso ergangen wie den vielen, vielen Kinozuschauern, die den Film fesselnd fanden.
TOM: Vielleicht bin ich auch ungeduldig worden. Dieses Kribbeln, das mich überkommt, wenn ich genervt bin, das hatte ich nicht, zugegeben. Aber jetzt bin ich es, weil ich natürlich auch sämtliche Interpretationen zu dem Film mal quergelesen habe und irgendwie das Gefühl hab, selten ein so abgezirkeltes, spekulatives Werk gesehen zu haben. Da haben sie alles reingepackt, was sie in fast 100 Jahren Hollywood gelernt hatten, wenn es darum geht, auf die Tränendrüse zu drücken.
ANNI: Nein, haben sie nicht. Nicht vor dem Schluss. Weißt du, wann ich erst richtig ins Schwimmen kam – gut, dass ich eher unsinkbar bin, wie Molly Brown, nicht wie die Titanic – das war, als Rose plötzlich von ihren Erinnerungen in diesen Traum ganz am Ende gewechselt ist, wie es gewesen wäre, hätte sie auf dem Schiff ihren Jack geheiratet und alle stehen im großen Speisesaal und applaudieren. Da musste ich wirklich schlucken. Und wer, der ein wenig Gefühl hat, tut das in dem Moment nicht?
TOM: Ich. Spaß beiseite, mir ging’s genauso, aber das ist nun einmal eine Momentaufnahme. Ein emotionaler Moment ist kein Beleg für die emotionale Qualität von drei Stunden Film. Und die Gegenargumentation liegt schon in dieser Heraushebung des Schlussmomentes, und warum nicht früher? Ich hab dich auch ein wenig beobachtet, und du hast auch lange Zeit eher interessiert als mitgerissen gewirkt.
ANNI: So? Mir ist das jetzt wiederum ein Beleg dafür, dass man den Kitschfaktor eben nicht gleich zu hoch getrieben hat. Oh Shit, ich hab die Falle bemerkt, in die du mich treiben wolltest … netter Versuch. Aber Emotionen sind manchmal an der Grenze zum Kitsch. Und ich verstehe, warum diese Kreuzung von einer Lovestory, einer Initiation, einer Befreiung und eines Unterganges, der wiederum eine Befreiung ist, für Rose wenigstens, trotz des Verlustes ihrer Liebe, an dem sie aber reifen kann, wegen der existenziellen Erfahrung, welche die Sicht auf alle Dinge des Lebens verändert, so gut funktioniert. Na sicher, viele Filme sind nach diesem Muster gestrickt, aber niemand wollte hier Avantgarde sein, die Kinodramaturgie reformieren oder sonstwas Elitäres veranstalten, siehe oben. Alle waren froh, dass der bis dahin teuerste Film der Geschichte nicht baden gegangen ist.
TOM: Für mich ist „Titanic“ ein ziemlicher Mix aus bekannten Elementen, an dem man so lange herumgefeilt hat, bis auch nichts mehr fehlt, was leider hier auch sehr stereotyp wirkt. Der bösartige und doofe Verlobte, der natürlich auch kein Kunstverständnis hat. Das reiche Mädchen, das mit dem armen Jungen ein neues Weltverständnis findet. Die Figuren sind schrecklich flach, die Schauspieler machen das Beste daraus. Etwas mehr Seriosität, wenn man schon in Stimmung „ernst“ filmt, kann man doch auch bei einem konventionellen Film hinbekommen. Gerade in den 1990ern mit ihren romantischen Komödien oder der Wiederentdeckung des viktorianischen Gesellschaftsdramas, und da hast du zu Recht drauf Bezug genommen, weil es Verbindungen zu „Titanic“ gibt, habe ich da viel Besseres gesehen. Und wir zusammen auch schon, obwohl wir noch nicht lange gemeinsam rezensieren. Die Austen-, Bronté-Verfilmungen mit dem gesellschaftlichen Aspekt, die romantischen Neuzeitkomödien, und auch von denen zeigt der Film ja etwas, also, den romantischen, nicht den humorvollen Teil, oder „Shakespeare in Love“, den wir neulich geschaut haben. Da steckt storymäßig meist mehr dahinter als hinter „Titanic“. Das macht es auch den Schauspielern leichter, mich zu überzeugen. Und es covert auch besser den Ton der 1990er, der ja grundlegend optimistisch war, zum letzten Mal, vorerst. Ich hatte auch den Eindruck, man hatte Mühe, das Ganze hinreichend traurig und dramatisch zu bekommen und deshalb so überzogen.
ANNI: Wenn du nicht wüsstest, dass der Film von 1997 ist, sondern, sagen wir, denken könntest, er sei von 2007, würdest du auf einen solchen Zusammenhang gar nicht kommen.Das Einordnen und Kategorisieren ist nicht immer falsch, aber auch das kann man übertreiben, um etwas falsch wirken zu lassen.
TOM: Also, wie für elf Oscars gut und damit für die absolute Rekord-Prämierung, wirkt es für mich nicht. Das kann ich ganz eindeutig kategorisieren, wenn ich nur Oscar-Winner kategorisiere, und kaum einen Film finde ich so überbewertet.
ANNI: Dazu brauchst du aber auch wirklich den Vergleich, und zum Beispiel L. A. Confidential, der vielen als künstlerisch-storymäßig besser gilt, haben wir noch nicht gesehen. (Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung dieser Rezension im Jahr 2023: L. A. Confidential haben wir mittlerweile rezensiert, den Film hier kürzlich vorgestellt und ihn mit 84/100 bewertet, also leicht höher als „Titanic“). Es bleibt also noch einiges zu tun. Du vergleichst jetzt mit Oscargewinnern aus anderen Jahren, und da … naja, da gebe ich dir partiell recht. Und weder DiCaprio noch Winslet haben einen Oscar bekommen und für das beste Drehbuch wurde wirklich „L. A. Confidential“ ausgezeichnet. Dass „Titanic“ alle technischen Oscars gewinnt, ist ja wohl verdient gewesen.
TOM: aber er wurde auch „bester Film“ und gewann im wichtigen Bereich „beste Regie“. Und obwohl ich die Konkurrenz da teilweise noch nicht gesehen habe, kann ich mir nicht vorstellen, dass „Titanic“ diese beiden Ansprüche erfüllt.
ANNI: Das grenzt jetzt an Ignoranz. Ich glaube, ich werte schon deshalb höher als geplant. So, ich hab meine Punkte aufgeschrieben. Ich warte.
TOM: Ich gebe 7/10. So schlimm ist das doch gar nicht. Ich finde, dafür, dass die Story lausig ist und die historische Korrektheit der Titanic-Hergänge und einiger Details auch der Ausstattung für heutige Verhältnisse hätte besser sein können, ist das doch okay. Ein Angebot, das du kaum ablehnen kannst, finde ich, um mal einen wirklich guten Film zu zitieren.
ANNI: Mit dem du ja auch Schwierigkeiten hast, ihn bisher nicht einmal rezensieren konntest, weil du keine klare Haltung zu ihm hinbekommst. Okay, das ist auch ehrenhaft, ihn sich dann lieber noch einmal anzuschauen. Am besten mit mir zusammen, dann wird das schon was, mit der Verschriftlichung der Eindrücke. Ich hab 9/10 auf dem Zettel. So. Damit kriegen wir ihn wenigstens auf 8, und dafür ist er in der Summe seiner Eigenschaften gut. Uff, ich bin erleichtert.
TOM: 7,5 hätten auch gereicht. Egal. Es sei, wie es sei. Die IMDb-Nutzer, die ja sonst neuere Filme unendlich hypen, geben übrigens im Schnitt nur 7,7/10. Das hat mich überrascht. Frauen übrigns 8,1/10 und Männer 7,6/10. Ein ziemlich bedeutender Unterschied. Dieses Mal nicht überraschend. (Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung der Rezension im Jahr 2023: Mittlerweile liegt der Durchschnitt insgesamt bei 7,9/10, siehe oben.)
ANNI: Nee, für dich nicht. Und wieso kommt dann ein Durchschnitt von 7,7 zustande?
TOM: Weil Frauen bei den IMDb-Nutzer:innen immer noch eine Minderheit sind.
ANNI: Und da sag mir einer, der Inhalt des Films hätte nicht auch heute noch Relevanz. Ihr dominiert mit eurer Sichtweise also auch dieses Ding. Und die Männer werden hier eben nicht so heldenhaft darstellt. Alle bis auf Jack sind mehr oder weniger unsympathisch. Warum haltet ihr euch nicht an den?
TOM: Rate mal. Wir wissen, dass Frauen in der Realität eben nicht so alles im wörtlichen Sinn über Bord schmeißen, um sich eine arme Sau zu angeln, von der keiner weiß, ob sie wenigstens Perspektiven hat. Vielleicht finden wir das etwas verlogen, auch wenn Hollywood uns immer wieder weismachen will, dass ihr so seid.
ANNI: Manche von uns sind wirklich so. Und wir sind heute wirtschaftlich selbstständig, wir können uns arme Säue leisten. Und die Storys geben nicht wieder, wie der Alltagsmensch tickt. Wenn die Menschen in ihnen nicht besonders wären, wer würde sich für sie interessieren? Und hier sind Ereignis und Menschen besonders. Ich mag dich trotz deines Pessimismus und seiner übelsten und zentralen Ausprägung, der Negation menschlicher Größe. Oder deswegen, und weil es doch im Grunde nur ein Schrei nach Liebe ist. Nein, sag jetzt nichts mehr. Ich will, dass das so stehen bleibt. Das ist der Geist, in dem solche Filme gemacht werden und ihre Berechtigung haben, und dafür konnte ich mein Herz beim Angucken von „Titanic“ öffnen.
TOM: Ich sag nichts mehr.
Unsere Wertung: 80/100
© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2016)
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