Rambo / Rambo I (First Blood, USA 1982) #Filmfest 996

Filmfest 996 Cinema

Tiefer Wald, ethischer Dschungel

Rambo (Originaltitel: First Blood) oder Rambo I ist ein US-amerikanischer Actionfilm des Regisseurs Ted Kotcheff aus dem Jahr 1982 und eine Verfilmung des Romans First Blood (1972) von David Morrell mit Sylvester Stallone in der Hauptrolle. Der Film bildet den Auftakt der Pentalogie um John J. (James) Rambo. Kennzeichnend für die Reihe ist das weitgehend genrebegründende Konzept des One-Man-Army-Actionfilms. Der Film wurde ab dem 6. Januar 1983 in den bundesdeutschen Kinos gezeigt.

Das erste, was uns bei der Nachrecherche erstaunt hat – John Rambo wird im amerikanischen Originaltitel nicht genannt. Selbst in der Fortsetzung von 1985 nicht. Dabei ist dieser Name in den Sprachgebrauch eingegangen und sogar in den DudenSubstantiv, maskulin – brutaler männlicher Typ; Kraftprotz.

Eine höhere Popularität kann eine Filmfigur wohl kaum erringen. Dieser Vietnamveteran, der in einer recht einsamen Gegend des amerikanischen Nordwestens von einem Dorfsheriff schlecht behandelt, dann von einem anderen Polizist misshandelt wird, der in den Wald flieht, dort einen Einmann-Partisanenkrieg gegen ein Riesenaufgebot an Polizei und Nationalgarde führt und schließlich einen Monolog mit seinem Ex-Offizier führt, ist eine Ikone des Kinos geworden, ob man ihn  und diesen Umstand mag oder nicht. Wir fahren mit der Betrachtung fort in der –> Rezension

Handlung (1)

Der wortkarge Vietnamkriegsveteran John Rambo sucht den letzten Überlebenden seiner ehemaligen Elite-Einheit der Green Berets auf, erfährt aber, dass dieser ein Jahr zuvor an Krebs verstorben ist. Er zieht weiter und will in der Kleinstadt Hope („Hoffnung“) etwas zu essen bekommen. Als er jedoch die Stadtgrenze passiert, verweist der örtliche Sheriff Will Teasle ihn aufgrund seines heruntergekommenen Aussehens der Stadt. Rambo lässt sich zunächst widerspruchslos von Teasle aus der Stadt fahren, kehrt dann aber zu Fuß wieder um und missachtet den Stadtverweis. Daraufhin verhaftet Teasle ihn als Landstreicher.

Im Bezirksgefängnis wird Rambo von den Hilfssheriffs physisch misshandelt und gedemütigt. In die Enge getrieben, werden in dem Ex-Green-Beret traumatische Erinnerungen an seine Zeit als Kriegsgefangener in Vietnam wach. Er befreit sich gewaltsam aus seiner Inhaftierung, schnappt sich ein Motorrad und ergreift die Flucht in die Berge. Als ein Hilfssheriff sich Teasles Anweisungen widersetzt und aus einem Hubschrauber auf den Flüchtigen schießt, schleudert Rambo in Notwehr einen Stein gegen den Hubschrauber, wodurch der Hilfssheriff das Gleichgewicht verliert und zu Tode stürzt. Die übrigen Polizisten halten Rambo für den Mörder ihres Kollegen und lehnen sein Angebot ab, die Sache zu beenden: Als Rambo mit erhobenen Armen beteuert, nichts Böses getan zu haben und niemanden mehr zu Schaden kommen lassen zu wollen, eröffnen die Polizisten das Feuer und Rambo flüchtet erneut. (…)

Rezension

Glaubwürdig ist der Film wirklich nicht, weder die einzelnen Actionszenen betreffend noch den Plot im Ganzen. Dadurch, dass Silvester Stallone in der Hauptrolle eine so ungeheure physische Präsenz entwickelt, nimmt man dem Film und der Figur trotzdem nicht alles ab, aber man nimmt teil. Man tut es auch, weil dieser im Grunde nicht sehr sympathische Mann, der gemäß Tapferkeitsmedaille viel für sein Land getan hat, von rüden Cops angemacht und geschlagen wird, weil er der Underdog ist, dem wir’s gönnen, dass er es der Staatsmacht zeigt.

Mehrmals bietet er Sheriff Teasle (Brian Dennehy) Frieden an, doch dieser will ihn fangen, koste es, was es wolle und besonders, nachdem Rambo einen langjährigen Freund und Kollegen des Polizisten in Notwehr getötet hat – eine der vielen Szenen, die nicht besonders logisch sind, wie der Typ da aus dem Hubschrauber fällt, nachdem Rambo zielgenau einen Stein auf die Frontscheibe geworfen hat.

Kurios und beinahe peinlich wirkt das Ende des Films. Die Action in der unfreundlichen Stadt, die Rambo schrittweise in Brand setzt – besonders die Tankstellenszene, so wenig sie Rambo wirklich weiterbringt, ist mittlerweile ein Standard des Actionkinos. Doch als Rambo dann in der Polizeistation eingeschlossen ist und von etwa 200 Gegnern umzingelt, da führt er dieses Gespräch mit seinem Ex-Major Trautman, indem er sich über die ungerechte Behandlung der Vietnamkämpfer beklagt. Er wirkt traumatisiert und wir haben mit ihm gefüht, weil er ohne Verschulden in einen Krieg hineingezogen wurde – den gegen die Polizei des Bergdorfes.

Dieser ist freilich als Spiegel des Vietnamkriegs angelegt, der Wald, in den Rambo im Film flieht, ist der Dschungel, in dem er einst gekämpft hat. Für diesen Kampf wurde er von Trautman so speziell ausgebildet, dass er in der Lage ist, einer Übermacht standzuhalten. Vernüpft werden die Momente in Südostasien und im Nordwesten der USA schon in der Festnahmeszene auf der Polizeistation, indem immer wieder kurze Bilder aus besonders brutalen Szenen im Kampf gegen die Vietkong mit solchen auf dem Revier geschnitten werden, um klarzumachen, dass Rambo hier nicht mehr klar überlegen kann, sondern sein Trauma dafür sorgt, dass er der Gewalt standhalten und ausbrechen muss. Auf die Möglichkeit, eine Deeskalation einzuleiten,  ist er sichtlich nicht trainiert worden.

In der Schlussszene geht es aber um den Vietnamkrieg selbst und darum, dass wohl nicht nur er angeschissen wurde, sondern womöglich das ganze Land. Dass Ideale verraten wurden. In einem Satz, der schon in einer früheren Szene fällt, klingt etwas an, das uns an die deutsche Dolchstoßlegende denken ließ, die nach dem Ersten Weltkrieg revanchistischen Tendenzen Nahrung gab und die in etwa beinhaltet, dass faule Elemente in der Gesellschaft, vor allem in der Politik, im Rücken der Front dafür gesorgt haben, dass Deutschland („im Felde unbesiegt“, wie die Standardformulierung für die angenommene und beklagte Ungerechtigkeit des Ergebnisses) den Krieg verlor.

Die Amerikaner haben den Vietnamkrieg in vielen Filmen verarbeitet, auf unterschiedliche Weise, aber wenn man politische Statements auf eine so rudimentäre Art abgibt, wie Rambo es hier tut, dann hätte man sie vielleicht besser weggelassen, stattdessen diesen Mann mit seinen Gespenstern nur gezeigt, ihn ausschließlich durch sein Handeln erklärt – und so jeder Interpretation ebenso Raum gelassen wie dafür gesorgt, dass das Ende nicht so abfällt, indem es einen Schweiger, eine Kampfmaschine, die an dem Ort, für den sie konzipiert wurde, nicht mehr gebraucht wird, ins Lamentieren kommen lässt.

Dieser Endkommentar passt aber in die Zeit von 1982, als nach der Wahl Ronald Reagans zum Präsidenten der USA ein deutlicher konservativer Zeitgeist sichtbar wurde und eine Auseinandersetzung von einem Typ wie dem Sheriff mit einem „Landstreicher“ wie Rambo ebenso wenig hergeholt wirkt wie Rambos Verbalisierung der Ungerechtigkeit, die viele US-Bürger damals in ähnlich unreflektierter Art umgetrieben haben muss.

Selbstverständlich ist das Grundszenario aber auch eine Anspielung auf das diesem Film verwandte Westerngenre. In den Frontstädten der Zivilisation und im 19. Jahrhundert konnten die Ordnungshüter gemäß filmischen Darstellungen darüber bestimmten, wer sich vor Ort aufhalten darf und wen man lieber nicht sehen will, der Kampf des einsamen und Gerechten ist ebenso ein typisches Element wie der Showdown – an welchem aber gerade deutlich wird, wo der „Fehler“ in der Konstruktion von „Rambo“ liegt. Der Showdown bedarf keiner nachgeschobenen Erklärungen, die ihn seiner Wirkung berauben könnten.

„Rambo“ will auf eine gar nicht subtile Weise unser Mitgefühl mit einem tapferen Außenseiter auf die USA im Vietnamkrieg evozieren. Das ist eine publikumswirksame Konzeption, zumal in einer Zeit nur sieben Jahre nach dem Ende des Gemetzels. Dieses wirkt heute noch in den USA nach und hat dem Land das Gefühl von Unbesiegbarkeit genommen. Nach einer Zeit des Schocks und der Demut gegenüber den eigenen Fehlern war in den 80ern auch Wunden lecken und Wut ausdrücken angesagt, und kaum ein Film steht für diese einsetzende Phase so sehr wie „Rambo“.

Bis heute wird in Actionfilmen, die in ihrer heutigen, übertriebenen Version nicht von ungefähr nach Vietnam aufkamen, rohe Gewalt als Ventil für Demütigung und immer noch unverstandene Kausalzusammenhänge zelebriert. Es ist nicht verwunden, dass die USA ihre führende zivilisatorische und moralische Stellung, die sie durch den Sieg der Demokratien über die faschistischen Systeme erlangt hatten und der ohne die USA nicht möglich gewesen wäre, mit dem Vietnamkrieg aufgegeben hatten und nie wieder zurückerobern konnten.

Wir fügen hier anlässlich der Wiederveröffentlichung des Textes einen Absatz ein,  nachdem wir bisher nur kleinere Korrekturen vorgenommen haben: Elf Jahre nach der Erstpublikation ist wieder so viel passiert und wie wahr hat sich erwiesen, was im vorherigen Absatz ausgedrückt wurde. Als der Text ursprünglich entstand, war Barack Obama Präsident der USA. Das scheint weit zurückzuliegen und die Verbal-Rambos kamen, gingen und könnten zurückkehren. Der Westen steht unter Druck, weil die USA und die ihr angegliederten Nationen keine Antwort auf neuere Entwicklungen haben, sowohl im Inneren wie um diese Staaten herum, die demokratiefeindlich und unfriedlich sind. Es rächt sich, dass die Demokratien selbst so oft versagt haben, seit 2012 schon wieder mehrfach, wenn auch  nie in einem Einzelfall in dem Ausmaß, wie die USA sich in Vietnam eine Blöße gaben. Der Wunsch nach einem Rambo ist allzu laut geworden, auch durch die neuere Entwicklung zum Superheldenkino, das nicht demokratisch ist und 2012 noch nicht so dominant war wie heute.

In gewisser Weise ist die Idelogie des Films von 1982 genauso wirr wie der seelisch-moralische Zustand von dessen Hauptfigur und gibt damit viel preis über den Zustand der Nation nach dem unrühmlichen Ende eines Feldzuges, dessen Sinn und dessen brutale Führung von Seiten aller Beteiligter dauerhafte Narben hinterlassen haben. Wenn man „Rambo“ als ein Dokument dieser Verwirrung auffasst, dann ist er das Gegenteil von dem, was intendiert war: Nämlich ein Film, der belegt, wie sinnlos und für die USA desaströs der Vietnamkrieg war. Nicht nur wegen der traumatisierten Soldaten und des miserablen Ergebnisses, sondern auch wegen der Außendarstellung, die es möglich machte, dass das Land, das Europa von Hitler befreit hatte, die weltweiten Aggressionen ehrlicher wie anderer Protestbewegter in aufgewühlten 1960ern  so wohlfeil auf sich ziehen konnte.

Technisch kann „Rambo“ nicht mit heutigen Actionthrillern mithalten, aber für 1982 setzte er Maßstäbe in einem neuen Genre, das mehr als alle anderen im arrivierten Medium Film entwicklungsfähig erscheint, weil die Ausgefeiltheit der Tricks und die Zahl und Brutalität der Gewaltdarstellungen den Takt für den Fortschritt angeben – und in diesen Kategorien gab es seit 1982 erhebliche Steigerungen; es sind weitere denkbar. Die Dramaturgie aber leidet unter allzu exzessiver Action und Gewalt, und die ist in Rambo, wenn man vom letzten Teil in der Stadt absieht, sozusagen auf einem Hochplateau – nach der Einleitung, als Rambo seinen Exkamerad besuchen will und erfährt, dass dieser tot ist, einer ruhigen Szene, geht’s spannend zur Sache, als der Sheriff Teasle ins Spiel kommt. Der erste Plotpoint ist Rambos Ausbruch aus dem Polizeigewahrsam, die Spannung bleibt während seiner Flucht hoch, ohne sich ins Unerträgliche zu steigern. Es waren mehr John Rambos Verletzungen, die uns haben auf die Zähne beißen lassen, weil wir uns mit fließendem Blut schwer tun, als ein beinahe unmerklich zunehmender Thrill à la Hitchcock.

Finale

Das Finale ist mittlerweile ein stehender Teil unserer Rezensionen, 2012 gab es diesen Schlussakkord noch nicht. Wir widmen es in einer Ergänzung den Kritiken anderer, die wir mittlerweile verstärkt einbinden:

Das Lexikon des internationalen Films urteilte: „Perfekt inszenierter, harter und spannender Actionfilm mit einigen interessanten Ansätzen zur Aufarbeitung amerikanischer Vergangenheit. Der große Erfolg des Films machte Hauptdarsteller Stallone zum Massenidol. Es folgten mehrere Fortsetzungsfilme, in denen ‚Rambo‘ als brutaler Law-and-Order-Mann zur Comic-Figur degenerierte.“[11]

Die Kritiker der Fernsehzeitschrift TV Spielfilm meinten: „Der Klassiker des Faustrechts setzte Maßstäbe, erzeugte ein geflügeltes Wort und zog bis 2007 drei eher grobmotorische Fortsetzungen nach sich.“[12]

Hans-Christoph Blumenberg von Der Zeit schrieb am 7. Januar 1983: „Wäre nicht der perfide Schluss (in dem ausgerechnet die Anti-Kriegs-Demonstranten für Rambos Zusammenbruch verantwortlich gemacht werden), könnte ‚First Blood‘ ein großer Film sein. Zumal in den von Paranoia und mörderischer Angst (auf beiden Seiten) geprägten Nachtszenen zeigt sich der Kanadier Ted Kotcheff als brillanter Regisseur.“[13]

Die Jurybegründung der FBW (1983) lautete: „So liegt es am Betrachter, ob er den in Regie, typengerechter Besetzung, Ausstattung und Milieu, vor allem aber in der Titelfigur hervorragend gestalteten Film als Action-Spektakel interpretieren will, das sich nur ein Bedeutsamkeits-Mäntelchen umhängt, oder ob er die im Film durch Erinnerungsbilder und einen Schlussmonolog betonte psychologische Deutung ernst nimmt, dass hier ein Mensch zu erleben ist, der durch Krieg Schaden genommen hat.“[7]

2021 wertete Rouven Linnarz von film-rezensionen.de: „‚Rambo‘ ist eine Mischung aus Action- und Kriegsfilm. Ted Kotcheffs Film erzählt von einem vom Krieg traumatisierten Menschen, dessen Psychose ihn letztlich einholt und der zu jener Kampfmaschine wird, als die er ausgebildet wurde. Auch nach fast 40 Jahren ist Rambo aktuell und verweist auf ein Problem der USA, das bis heute noch nicht angegangen wurde.“[14]

Unsere Kritik an der Schlussszene haben wir oben schon dargelegt. Die IMDb-Nutzer:innen sind überzeugter als wir, sie vergeben durchschnittlich 7,7/10. Auch der Metascore und die Kritiker-Sammlung Rotten Tomatoes tendieren mit 81 bzw. 86 Prozent positiven bzw. als positiv gewerteten Rezension sehr hoch.

Trotzdem war der Film nie in der Top-250-Liste der IMDb vertreten, die Rezension unterfällt also nicht unserem Projekt, möglichst viele zu besprechen, die dort aufgeführt sind oder es einmal waren. Das hat uns etwas überrascht und weist darauf hin, dass Rambo sich besser gehalten haben muss als andere Filme, vielleicht hat er sogar in den letzten Jahren zugelegt. Nachzuvollziehen wäre das angesichts der jüngeren Weltereignisse auf jeden Fall.

69/100

© 2023, 2012 Der Wahlberliner, Thomas Hocke 

Regie Ted Kotcheff
Drehbuch Michael Kozoll,
William Sackheim,
Sylvester Stallone
Produktion Buzz Feitshans,
Mario Kassar,
Andrew G. Vajna,
Herb Nanas
Musik Jerry Goldsmith
Kamera Andrew Laszlo
Schnitt Joan E. Chapman
Besetzung

 

 

 


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