GroKo statt Ampel? (Umfrage + Kommentar) | Briefing 343 | PPP (Politik, Personen, Parteien)

Briefing 343 PPP, Ampelregierung, Große Koalition, CDU, CSU / SPD, Grüne, FDP

Schlecht, schlechter – Ampel. So ist im Moment der Eindruck  vieler von der deutschen Politik. Da liegt es nicht fern, über einen Wechsel nachzudenken, auch mitten in der Legislaturperiode. Zurück zur GroKo oder „GroKo verkehrt“?

Civey-Umfrage: Wie bewerten Sie die Forderung von CSU-Chef Markus Söder an den Bundeskanzler, die Ampelregierung aufzulösen und auf Bundesebene eine Große Koalition (SPD, Union) zu bilden? – Civey

Begleittext aus dem Civey-Newsletter

CSU-Chef Markus Söder hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aufgerufen, die Ampelkoalition zu beenden und mit der Union eine „Krisenregierung” zu bilden, berichtete die Welt am letzten Freitag. „Unser Land steht vor großen Problemen, die Demokratie vor ihrer schwersten Bewährungsprobe”, sagte Söder jüngst in der bayerischen Landesvertretung in Berlin. CDU und CSU seien jedoch bereit, als Juniorpartner „Verantwortung zu übernehmen”, um gemeinsam mit der SPD die „Migrationskrise zu bewältigen”. 

Die Forderung rief unterschiedliche Reaktionen hervor. Laut Welt wurde der Vorschlag innerhalb der Union intensiv diskutiert, eine Große Koalition (GroKo) käme für die Parteispitze zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht in Frage, ggf. erst wenn sich die „Situation weiter zuspitze”. Medien wie der Spiegel verwiesen darauf, dass die Ampel eh „akut einsturzgefährdet” sei aufgrund der schlechten Umfragewerte, den vielen Streitereien und den fehlenden Gemeinsamkeiten. Scholz könnte dem Spiegel nach auch Vorteile haben, wenn CDU-Chef Friedrich Merz als Oppositionsführer wegfallen würde. 

CDU-Politiker Jan Redmann sprach sich in der Welt für Neuwahlen aus, statt eine GroKo mit einem Kanzler einzugehen, dem es an „Führungsstärke” fehle. Der Spiegel verwies am Mittwoch auf negative Folgen im Falle eines Koalitionsbruchs. Insofern würde der personelle Umbau die Regierungsarbeit lahmlegen, was in einer Phase multipler Krisen die Sorgen der Bevölkerung vergrößern und zu einem weiteren Aufwind von „Rechtsextremen” führen könnte. Die Abkehr von den Grünen könnte zu einer „Sprengung des linksliberalen Lagers” innerhalb der SPD führen.

 

Wir haben Ihnen schon seit einiger Zeit keine neue Umfrage mehr vorgelegt, liebe Leser:innen, aber wir finden dieses Thema wirklich interessant. Wie haben Sie abgestimmt? Oder warten Sie noch, bis Sie unseren Kommentar gelesen haben? Wir setzen den Abstimmungslink am Ende dieses Kommentars noch einmal.

Tja, guter Rat ist im Moment extrem teuer, das sieht man allenthalben. Was uns in der Außenpolitik gut gefällt, Scholz‘ bedächtige Art, sich und das Land durch Krisen zu manövrieren, dass er nichts sagt, worüber sich Menschen in anderen Ländern richtig aufregen könnten, das ist innenpolitisch vielleicht doch am Ende seiner Wirksamkeit angelangt. Das Scholzen ist mindestens zwiespältig. Wir hätten es Scholz zugetraut, den Unterschied zwischen Außenwirksamkeit und innerer Führung in der Koalition zu erkennen und bewusst zu gestalten, das scheint aber nicht der Fall zu sein. Insofern ist Kanzler Scholz vielleicht doch zu begrenzt, um das Land in dieser Situation gut führen zu können.

Also statt mit der hochgradig zerstrittenen Ampel, in der vor allem die Grünen und die FDP bei fast jedem Thema verschieden ticken, als Ausnahme fällt mir gerade nur die Befürwortung einer expansiven Ukraine-Strategie ein, und gerade die halten wir für problematisch, mit der Union?

Mit Populisten wie Söder und Kanten wie Friedrich Merz? Wir halten das nicht für eine gute Idee. Wir wissen keine bessere, das macht die Situation ja so vertrackt, aber vor einem Wechsel zur Union kann man Scholz nur warnen. Wir glauben nämlich nicht, dass er damit noch einmal eine Chance auf die Kanzlerschaft hat, denn wir können uns nicht vorstellen, dass die SPD die CDU in Umfragen bis 2025 noch überholen wird. Und nur dann wäre eine Fortsetzung der GroKo mit Scholz als Kanzler möglich. Genau darauf setzen natürlich die Unionsstrategen, mit dem Vorteil, dass sie sich schon etwas früher wieder in der Macht einnisten können. Den Personalwechsel halten wir nicht für so problematisch, die CDU hat genügend Politiker mit Regierungserfahrung und da ist ja noch Söder, der Vorschlaggeber. Es wäre sehr interessant, zu sehen, wer dann Vizekanzler wird, er oder Friedrich Merz. Aber wieder nicht so interessant, dass wir deswegen diesen Politikwechsel gut fänden.

Die Politik in Deutschland darf nicht noch mehr nach rechts tendieren, und das wäre bei einer Groko der Fall, denn der Partner der SPD hieße nicht Angela Merkel, deren Politik nach der Wahl 2021 die Ampel schon zu leichten Korrekturen im Sozialbereich veranlasste, sondern es kämen die Leute ins Boot, die einen Klassismus an den Tag legen, der schon lange nicht mehr in Deutschland hoffähig schien. Zuletzt kam er ausgerechnet aus der SPD, als Schröder der Grausame das Regiment führte,  und irgendwie ist er noch in der Welt gewesen. Die damaligen Tabubrüche wirken weiter und werden durch eine rechte Stimmung im Land angeheizt, die nie zuvor seit der Gründung der BRD so gefährlich war.

Die SPD muss aus der Kraft einer guten Regierungsarbeit heraus wieder zulegen und dafür muss Scholz ein paar Zähne an Deutlichkeit zulegen. Seine Art hätte in ruhigen Zeiten auch nach innen funktionieren können, aber diese Zeiten haben wir nun einmal nicht, also muss er sich partiell ändern, wenn die Ampel nicht komplett dysfunktional werden soll. Zuletzt hat er das getan, als die Grünen ihre Blockade in der Migrationspolitik aufgeben mussten. So, wie die Grünwähler:innen gestrickt sind, wird ihnen das vermutlich auch nicht so sehr schaden; denn ganz viele Probleme werden von  den Wählern auf die SPD abgewälzt und auf den Kanzler, die in Wirklichkeit von FDP und Grünen verursacht werden.

Aber es reicht nicht, wenn wir das von alleine erkennen, Scholz muss es offen kommunizieren, auch auf die Gefahr hin, dass er die Partner doch mal vor den Kopf stößt, weil sie als die Streithansel noch mehr kenntlich werden, die sie sind. Er muss damit aufhören, die SPD immer mehr in den Abgrund hinein zu moderieren. Zumal sie auch durch einige Personalprobleme belastet ist, wie die doch nicht so schlaue Aufstellung von Karl Lauterbach als Gesundheitsminister, durch den Wechsel im Verteidigungsministerium, der allerdings von den Wähler:innen als positiv empfunden wird, derzeit also eher durch die zu sehr negativ im Fokus stehende Innenministerin. Die Grünen können sich angesichts der Statur ihrer Wählenden die Personalien Habeck und Baerbock wohl eher leisten. Von der SPD wird nicht Ideologie, sondern Lösungskompetenz erwartet, und sei es dadurch, dass Scholz die beiden genannten Minister:innen ganz offensiv führt.  

Wir glauben auch nicht, dass die Union von der SPD durch Regierung eingehegt werden kann. Die Herrschaften Söder und Merz werden den Kanzler dann erst recht vor sich hertreiben und sich notfalls als Opposition in der Regierung darstellen, wie es jetzt schon die FDP häufig tut. Das Risiko kann oder sollte Scholz nicht eingehen und wir glauben ebenfalls nicht, dass dadurch das Land mit einem Schlag wieder fit wird. Nur zur Erinnerung: Zu mindestens zwei Dritteln sind die gegenwärtigen Probleme der jahrzehntelangen Schnarchpolitik geschuldet, die die CDU und die  SPD gemeinsam zu verantworten haben. Die aktuellen Krisen lassen diese Probleme bloß deutlich sichtbar werden, weil andere Länder besser durch diese Krisen kommen. Das fällt auf und führt zu Verdruss, es aber nur der Ampel und ihrer zweijährigen Regierungszeit zuschieben, greift viel zu kurz. Die CDU hat dieses Land geprägt wie keine andere Partei. Von Beginn an. Sie war bis auf die sieben Jahre von 1998 bis 2005 und jetzt wieder seit zwei Jahren nicht führender Teil der Bundesregierung. Ihre Oppositionsrolle ist zwar jetzt logisch, aber in Bezug auf die Entstehung der Probleme des Landes auch Heuchelei. Selbstkritik hört man hingegen ganz selten, gerade von den beiden Protagonisten Söder und Merz überhaupt nicht.

Wir sehen deshalb eher eine andere Entwicklung voraus, sollte die CDU mit der SPD zusammengehen. Die FDP wird sich etwas erholen, die Grünen wohl leicht zulegen, aber vor allem werden beide Regierungsparteien verlieren, wenn sie nicht schnell liefern. Zum schnellen Liefern sind manche Probleme aber nun zu komplex geworden. Selbst tiefgreifende Veränderungen, selbst, wenn man sie sofort vornähme, würden erst nach Jahren eindeutig Wirkung erzeugen, und dann wäre nicht sicher, ob diese Wirkung positiv ist. Bisher geht es vor allem um Abwehr, wie bei der Migration, nicht um mehr Fortschritt. Fortschritt, wie wir ihn brauchen, ist auch nicht das Panier der Union.

Das heißt auch, der rechte Rand würde aufgrund einer neuen GroKo mit großer Wahrscheinlichkeit noch stärker werden, falls man überhaupt noch von einem rechten Rand sprechen kann, angesichts von einem Fünftel der Menschen in Deutschland, die aktuell bereit wären, die AfD zu wählen und in Bayern und Hessen schon bewiesen haben, dass sie es auch tun, wenn es darauf ankommt.

Eine beinahe absolute Mehrheit sieht es anders als wir und würde nach aktuellem Ergebnis eine solche Rochade der SPD hin zur Union absolut (42 Prozent) oder eher (13 Prozent) befürworten. 30 Prozent sind klar dagegen. Wir haben mit „eher nein“ gestimmt, wie etwa 7 Prozent der Abstimmenden. Nicht mit einem ganz klaren „Nein“; dies vor allem deshalb, weil auch die Fortsetzung der Koalition für uns keine tolle Zukunftsaussicht darstellt. Die latente Ablehnung der GroKo neu war also dem Unwillen darüber geschuldet, dass es überhaupt keine gute Lösung zu geben scheint, ein dezidiertes „Nein“ hätte für uns hingegen auch eine klare Zustimmung zur Ampel bedeutet. Die derzeitige Politik ist ganz sicher nicht „alternativlos“, aber wir sehen nicht, wer die Alternative bewerkstelligen soll. Die „Alternative“ ist es sicher nicht.

Hier noch einmal zur Umfrage!

TH

 

 

 

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