Antisemitismus – die Täter:innen sind fast immer rechts (Statista + Leitkommentar zur aktuellen Lage: beidseitige Kritik und Zustimmung + Israel, Palästina, Nahost, UNO und EU) | Briefing 344 | Geopolitik, Gesellschaft

Briefing 344 Geopolitik, Nahostkonflikt, Israel, Palästina, Gazastreifen, Westjordanland, Hamas, Siedler, Juden und Araber in Deutschland

Derzeit ist aus naheliegenden Gründen das Thema Antisemitismus stark in den Fokus gerückt. Die Statistik, die wir gleich abbilden werden, haben wir auch schon einmal in ähnlicher Form gesehen, aber dies ist die aktuelle Version. Wir werden zum Thema auch kommentieren und auf die Situation, den Israel-Palästina-Konflikt, seine Auswirkungen auch in Deutschland, eingehen. 

Infografik: Antisemitismus – die Täter:innen sind fast immer rechts | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons  erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf israelische Zivilisten und dem darauf folgenden Beginn des Einsatzes der Israel Defence Forces in Gaza hat die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus 202 verifizierte antisemitische Vorfälle gezählt. Die Taten können zu 64 Prozent keinem politischen Hintergrund zugeordnet werden. Dennoch sind sich viele Politiker:innen und Journalist:innen darin einig, dass dieser Antisemitismus vor allem von Menschen mit Migrationshintergrund ausgeht.

Indes zeigt der Blick in die Hasskriminalitäts-Statistik des Bundesinnenministeriums, dass zwischen 2001 und 2022 nur ein Minderheit der antisemitische Täter:innen im Bereich „Ausländische Ideologien“ und „Religiöse Ideologien“ (bis 2016 „politisch motivierte Kriminalität Ausländer“) zu finden waren. Für Mehrheit der Delikte sind dagegen Täter:innen aus dem rechten Spektrum verantwortlich, wie der Blick auf die Statista-Grafik zeigt.

Die linken „Hasskriminellen“ sind also in dem Cluster „nicht zuzuordnen“ enthalten, ohne Aufschlüsselung. Religiöse und ausländische Ideologie-Täter fallen besonders durch die hohe Gewaltquote auf, aber insgesamt ist die antisemitische Hasskriminalität rechts. Ob nun angesichts des neu aufgeflammten Nahostkonflikts eine Verschiebung stattfinden wird, werden wir sehen. Da gibt es nämlich eine Entwicklung, die wir vor allem beim Liken von Medienbeiträgen beobachten: Bei vielen Rechten ist der Anti-Islamismus mindestens so stark ausgeprägt, wenn nicht noch stärker, als der Antisemitismus jüdischen Menschen gegenüber. Wir erleben also derzeit relativ viel Zustimmung zu den israelischen Gegenschlägen im Gazastreifen von einschlägiger Seite. Nach unserer Ansicht aber weniger wegen einer stark pro-israelischen, sondern wegen einer anti-arabischen Haltung. Außerdem ist die gesamte Politik, die sich mit diesem Konflikt verbindet, ebenfalls rechts und rassistisch, sonst wäre er längst gelöst.

Die linken Straftaten sind demnach vernachlässigbar. Es gibt nur einen Konnex, in dem wir sie heutzutage überhaupt für möglich halten: Sachbeschädigungen gegen das Eigentum jüdischer Menschen, die aber überschießende antikapitalistische Motive haben und nicht speziell jüdisches Leben betreffen. Hingegen gab es in Deutschland seit der Wende keinen einzigen linksterroristischen Mord mehr, weil die RAF nicht mehr aktiv ist, den Rechten werden seitdem hingegen gut 200 politische Morde zugeschrieben.

Gerade für links denkende Menschen, die in der Regel friedlich sind, muss aber das Ventil einer differenzierten Kritik in alle Richtungen geöffnet bleiben, denn der Humanismus gehört nun einmal zu diesem Weltbild, ebenso wie der Universalismus, der alle Menschen als gleichwertig ansieht, auch Israelis und Palästinenser.

Jedes Mal, wenn im Israel-Palästina-Konflikt Gewalt ausbricht, wird hierzulande versucht, die Gleichung Antizionismus = Anti-Isrealismus = Antisemtismus durchzusetzen, vor allem von rechten Akteuren, die damit nicht den Juden helfen wollen, sondern ihre rigide, repressive Agenda in Sachen Meinungsfreiheit verfolgen. Wir sagen klar, das wird mit uns niemand machen. Wir trennen dies so sauber wie nur möglich voneinander und versuchen, so viele Aspekte wie möglich zu berücksichtigen. Deswegen befürworten wir das Selbstverteidigungsrecht Israels eindeutig, lehnen jedoch „uneingeschränkte Solidarität“ ab, ebenso wie den Versuch, Ursachenforschung und Äußerungen zu den Ursachen zu unterdrücken. Von nichts kommt nichts, viel mehr hat auch UN-Generalsekretär Guterrez nicht gesagt. Gleichwohl muss auch hier präzisiert und differenziert werden, denn woher kommt was? Das ist im isrealisch-palästinensichen Konflikt nicht so eindeutig, wie es den unbedingten Anhängern einer der beiden Seiten erscheint oder wie sie es verkaufen möchten.

Dass es für alles, was geschieht, Ursachen gibt, ist eine Binsenweisheit und sie gilt in diesem Konflikt genauso wie für alle anderen. Vor allem, weil Terror und seine Ursachen, weil Sicherheitsbedürfnis und seine Ursachen gerne voneinander abgeschnitten werden, scheint dieser Konflikt unlösbar geworden, anders als jeder andere. Auch der Ukrainekrieg wird einmal zu Ende gehen, mit welchem Ergebnis auch immer. Ebenso werden die Supermächte wieder in eine Entspannungsphase eintreten, wenn die Menschheit überleben soll. Nicht aber scheint dies für den Konflikt im Nahen Osten zu gelten, dessen Kern der epische, israelisch-palästinensische Unfrieden ist.

Wir haben den Artikel ein paar Tage zurückgehalten, um neue Entwicklungen abzuwarten, das hat sich als richtig herausgestellt. Mittlerweile gibt es eine UN-Resolution neuen Krieg im Nahen Osten. Sie wurde von 120  Staaten angenommen, 12 haben dagegen gestimmt, Deutschland gehört zu 45 weiteren Staaten, die mit Enthaltung auf den Text reagiert haben.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock begründete die Enthaltung damit, dass das Papier nicht ausgewogen genug sei: «Weil die Resolution den Hamas-Terror nicht klar beim Namen nennt, die Freilassung aller Geiseln nicht deutlich genug fordert „.

Am 29.10., 14:00 Uhr, ergänzen wir:

  • Während Frankreich für die Resolution stimmte,

  • enthielten sich Deutschland, Italien und Großbritannien der Stimme.

  • Österreich und die USA dagegen votierten gegen den Text.

In dem Spiegel-Artikel, der die Aufstellung enthält, wird auch erwähnt, dass der Zentralrat der Juden in Deutschland die Enthaltung Deutschlands kritisiert hat.

Gestern Abend hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Erklärung verlesen, die man in der EU nach offenbar längerer Diskussion erstellt hat. Scholz: „Es war es wert, lange zu diskutieren“ | WEB.DE. Im Stil des Vortrags einer Steuererklärung . Bei diesem Text hat sich die deutsche Seite gewiss dafür eingesetzt, ihn so israelfreundlich zu gestalten wie möglich. Wir meinen in beiden Fällen: kann man so machen, in der jetzigen Situation. Die Forderung einiger EU-Staaten nach einer Feuerpause war jedenfalls in dem gezeigten Ausschnitt aus Scholz‘ Vortrag nicht enthalten. 

Als wir den Ur-Entwurf des Artikels verfasst haben,schrieben wir: „Soweit wir informiert sind, ist das Anstreben der Zweistaaten-Lösung immer noch die offizielle und richtige Haltung der deutschen Bundesregierung, hinter diese Haltung stellen auch wir uns. Würden sich diejenigen, die die Macht dazu haben, etwas zu bewirken, ebenfalls dahinter stellen und Druck in dieser Richtung auf diejenigen ausüben, die diese Lösung verhindern, gäbe es diesen Konflikt nicht mehr.“ Wir haben einmal die KI dazu befragt, die ja immerhin US-amerikanische Wurzeln hat.

Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ist begründet in der Eroberung von Gebieten wie dem Westjordanland, dem Gazastreifen, Ostjerusalem und den Golanhöhen durch Israel im Sechstagekrieg mit Ägypten im Jahr 1967 1. Die UN hat 1947 vorgeschlagen, das Gebiet Palästina in zwei Staaten zu teilen, in den Staat Israel und in den Staat Palästina. Der Staat Israel wurde 1948 gegründet, was zu Krieg gegen Israel durch die Palästinenser und die Nachbarstaaten führte. Die Palästinenser sehen das Völkerrecht verletzt und lehnen ihn ab 1Nach Einschätzung des UN-Menschenrechtsrats ist die „Besatzung von Palästinensergebieten durch Israel“ der Hauptgrund für den anhaltenden Nahost-Konflikt 2. Ein Bericht des UN-Menschenrechtsrats fordert von Israel, sich aus Gebieten der Palästinenser zurückzuziehen. Dies sei wesentlich, um anhaltende Gewaltzyklen zu durchbrechen 2.

Den Wortlaut der UN-Resolution kennen wir nicht, sondern nur die Reaktionen darauf, unter anderem natürlich aus Israel selbst. Vermutlich enthält er aber, anders als die EU-Erklärung, die Aufforderung, eine humanitäre Feuerpause einzulegen.

Auf der anderen Seite steht die nach der Meinung vieler Experten immer noch gültige Gründungscharta der Hamas aus dem  Jahr 1987 einem Frieden entgegen, in welcher die Vernichtung des Staates Israel unmissverständlich festgeschrieben ist.  Es gibt ein neueres Papier aus dem Jahr 2017, das jedoch überwiegend nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung dieser Charta bzw. eine Abmilderung im Sinne der außenpolitischen Notwendigkeiten angesehen wird; heißt, die Hamas gibt sich darin friedlicher, weil sie die Unterstützung der um Ruhe bemühten arabischen Nachbarn Israels nicht verlieren will. Einerseits bedeutet dies, in der Hamas wird jetzt teilweise anerkannt, dass die Zweistaatenlösung auf der Basis der Grenzen von 1967 möglich ist, andererseits gilt das nicht für alle in der Hamas, nicht für den radikalen, terroristischen Teil und auch nicht für viele ihrer Unterstützer.  Wenn also auf Demos gerufen wird, dass Palästina vom Meer bis zum Jordan frei sei soll, kann man das sehr wohl als Aufruf zur Vernichtung Israels ansehen. 

Dies bedeutet auch, dass es eine Legitimation für das israelische Vorgehen gibt, die Führungsspitze der Hamas zu vernichten, solange Teile von ihr die Vernichtung Israels als Ziel haben und sich gemäß der neuesten Terroranschläge auch so verhalten, dass möglichst viel jüdisches Leben ausgelöscht wird. Dass Israel dadurch trotz aller Opfer in seinem Bestand nicht gefährdet ist, ändert nichts an der Legitimation, einen radikalen Feind eliminieren zu dürfen, der diese Vernichtung zum Ziel und eine neue Gewaltwelle losgetreten hat.

Diesen Aspekt sieht die israelische Regierung offenbar als nicht in der UN-Erklärung berücksichtigt an, deshalb die wütende Reaktion am heutigen Tag.

Von diesem Konflikt nicht zu trennen ist aber die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland, die u. W. sogar von Außenministerin Annalena Baerbock im Wege ihres ersten Israelbesuchs kritisiert wurde. Baerbock steht nicht in dem Verdacht, es an Unterstützung für Israel  oder westliche Positionen fehlen zu lassen, das hat sie gerade auch wieder anhand  ihrer neutralen Haltung zum UN-Beschluss deutlich gemacht. Man muss ihr tatsächlich zugutehalten, dass sie genau diese Position vertritt und nicht eine zustimmende oder ablehnende, denn grundsätzlich wäre es u. E. richtig, eine humanitäre Feuerpause zu ermöglichen, auch wenn die Gegenschläge grundsätzlich legitim sind.

Das Westjordanland an der Ostgrenze Israels hingegen wird nicht von der Hamas, sondern von der Fatah mitverwaltet, die aus Yassir Arafats PLO hervorging und deren Chef Mahmut Abbas ist. „Regiert“ wäre völkerrechtlich der falsche Ausdruck. Dass dort immer wieder Dörfer der radikalen israelischen Siedlerbewegung entstehen und die israelische Regierung das fördert, ist unweigerlich ein Hindernis für eine Zweistaatenlösung, die beide Gebiet, das Westjordanland und den Gazastreifen umschließen würde.

Es ist eine schleichende Annexion, das Schaffen von Fakten, die nicht mehr mit vertretbarem Aufwand rückgängig gemacht werden können und deren Rückgängigmachung in Israel innenpolitisch nicht mehr durchsetzbar wäre. Die radikaleren Kräfte würden das als Vertreibung brandmarken, als Verrat. Was strategisch eine Logik besitzt, nämlich das eigene Staatsgebiet durch Erweiterung abzusichern, widerspricht dem Völkerrecht und dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, in diesem Fall der im Westjordanland lebenden Palästinenser. Die stetige Verschiebung der Macht- und Bevölkerungsverhältnisse dort ist also ein wichtiges politisches Ziel in Israel, bis es eine jüdische Mehrheit im Westjordanland gibt, die sich für einen Anschluss des Gebietes an Israel aussprechen wird. Die Palästinenser wären dann nur noch eine zu schützende Minderheit, und angesichts der politischen Ansichten der Siedler, die sich zumeist als zionistische Speerspitze begreifen, muss man die Realisierung dieses Schutzes als fragwürdig ansehen, mithin, die Bevölkerungsanteile würden sich weiter verschieben.

Dass die Zweistaatenlösung nicht mehr realistisch ist, führt immer wieder zu Unruhen in der arabischen Welt, vor allem an der Basis, nicht mehr so sehr bei den Machthabern. Es radikalisiert auch Menschen, die nicht die Vernichtung Israels befürworten.

Die andere Seite muss dabei aber mitgedacht werden: Dass die Palästinenser auch als Stellvertreter herhalten müssen, wenn es in Wirklichkeit um Antisemitismus geht, auch im Westen natürlich, dass man sie also instrumentalisiert, um Antisemitismus unter dem Deckmantel der Gerechtigkeit für Palästina ausüben zu können. Das ist es, was wir auch hierzulande sehen, wenn auf Demos Palästina-Flaggen gezeigt und Hass auf Israel skandiert wird.

Es ist demanch festzuhalten, dass es diese beiden Probleme gibt, die den Nahostkonflikt am Kochen halten und gegenwärtig so unlösbar erscheinen wie selten zuvor: Den Terror der Hamas, die nach überwiegender Ansicht dem Ziel der Vernichtung Israels nicht abgeschworen hat und deshalb u. a. massiv vom totalitären Mullah-Regime im Iran unterstützt wird, auf der einen Seite. Gleichzeitig wird versucht, im Sinne anderer Staaten, die sich Frieden im Nahen Osten wünschen, nach außen moderater aufzutreten. Die Expansion Israels im Westjordanland auf der anderen Seite, die von den USA abgesichert wird, auch wenn es in den Staaten viele jüdische Menschen gibt, die ihr kritisch gegenüberstehen. Vor allem die konservative Lobbyorganisation AIPAC sorgt dafür, dass der Schulterschluss bestehen bleibt.

Die ganz aktuelle Entwicklung betreffend, haben wir Bedenken, dass die israelischen Gegenschläge, vor allem, wenn sie von einer (abermaligen) Besetzung begleitet oder durch sie abgeschlossen werden, nicht vor allem die Hamas vernichten, sondern zu einer massiven Vertreibung von Menschen aus dem Gazastreifen führen werden. Kommt es so, hat sich die Zweistaaten-Lösung endgültig erledigt.  Rein geografisch wirkt es jetzt schon problematisch, Gazastreifen und Westjordanland zu einem palästinensischen Staat zu  machen, voneinander getrennte Gebiete mit Israel dazwischen. 

Kommt es aber zu einer großen Vertreibung aus dem Gazastreifen, werden auch Anschläge und Hass in den Westen getragen, wohin viele Menschen aus Palästina fliehen werden.  Es ist in unser aller Interesse, solche Auswirkungen zu verhindern oder zu begrenzen.

Wir schrieben im Erstentwurf auch dies: „Selbstverständlich sollte die UNO dabei eine Rolle spielen, und es ist gut, dass diese sich nicht immer vor den Karren des Westens spannen lässt, sondern ab und zu eigenständig wirkt. Das macht sie als Vermittler glaubwürdig und für uns als Linke hat es den Vorteil, dass wir denjenigen etwas entgegensetzen können, die der Ansicht sind, die VN und ihre Gliederungen seien ohnehin Herrschaftsinstrumente der USA und ihrer Verbündeten. Deswegen sind wir nicht dafür, deren Generalsekretär abzusetzen, weil er es gewagt hat, auf Ursachen hinzuweisen und damit eine komplette Einseitigkeit zu vermeiden.“

Mittlerweile hat Guterrez versichert, keineswegs die Absicht der Vernichtung Israels zu tolerieren, das haben wir aber auch hinter seinen ursprünglichen Äußerungen nicht vermutet.

Nun gibt es die oben angesprochene Resolution der UN-Vollversammlung. Sie ist rechtlich nicht bindend, sondern hat nur Symbolwert.  Es ist übel genug, dass hingegen fast immer eine der Großmächte im Sicherheitsrat ihr Veto gegen UN-Resolutionen des Sicherheitsrats, die völkerrechtlich bindend wären, einlegt, wenn ein Verbündeter geschützt werden soll. Gerade diese mächtigeren Resolutionen sind von einem Freund-Feind-Schema geprägt, das der Welt viel Leid zufügt und das komplett unethisch ist.

Während des Kalten Krieges legte die Sowjetunion ihr Veto oft zu Gunsten von Entwicklungsländern ein. Die USA hingegen schützten Israel immer wieder mit ihrem Veto. Oft entscheidet eine kleine Änderung im Wortlaut über den gültigen Beschluss einer Resolution. (Wikipedia)

Die Modalitäten dieses Verfahrens und die daraus resultierende häufige Pattsituation entwerten die UNO so sehr wie nichts anderes und gehört dringend reformiert. Selbst angenommene Resolutionen haben wiederum keine reale Sanktionswirkung, wie wir gelernt haben, denn sie werden meist von den Adressaten nicht beherzigt, ohne dass diese zur Rechenschaft gezogen werden, denn sie werden ja von mächtigen Freunden im Sicherheitsrat geschützt.

Es ist darüber hinaus bemerkenswert, wie der Westen immer wieder versucht, seine Sichtweise durchzusetzen gegen so viele andere. Es hat schon im Ukrainekrieg bezüglich der Russland-Sanktionen nicht funktioniert, die Welt zu einer geschlossenen Haltung gegen den Angreifer zu bringen.   

Ethisch ist auch diese Quasi-Zustimmung vieler Länder zu einem Angriffskrieg falsch, ebenso wie beim Hamas-Angriff auf Israel, aber es zeigt sich deutlich, dass der Westen, wenn er andere einnorden will, er Widerstand zu gewärtigen hat, der prinzipieller Natur ist. Spiegelbildlich zu seiner Absicht, die Dominanz in der Weltpolitik behalten zu wollen. Der Westen wird aber etwas abgeben müssen, gemäß seinem schwindenden Anteil an der Weltbevölkerung und der Weltwirtschaft, sonst kommt es wirklich bald zu einem großen Krieg. Rüstung und Drohung darf kein Ersatz mehr für Kooperationsbereitschaft sein. Leider wird auch der Israel-Palästina-Konflikt von den Machthabern der Welt in dieses Schema eingegliedert, weil es die üblichen Frontlinien darin zu sehen gibt. Mit einer bemerkenswerten Besonderheit: Isreal wird in seiner Region immer stärker, konträr zur globalen Position des Westens.

Alles, was bezüglich der geopolitischen Lage zu besprechen ist, hat nichts mit Menschen zu tun, die friedlich ihren Weg gehen möchten, ob in Israel oder anderswo, und nichts mit dem jüdischen Leben in Deutschland. Natürlich würden wir uns wünschen, der Zentralrat der Juden würde sich nicht immer nach dem „Letzte Heimstatt“-Credo bedingungslos hinter jedwede israelische Politik stellen. Wir verstehen dieses Credo aber inhaltlich und es hat mit unserer Verantwortung für die Vergangenheit zu tun, dieses zu verstehen und als Haltung allenfalls mit Augenmaß zu kritisieren. Leicht ist es nicht, sicherlich auch nicht für Juden, die vor allem friedensorientiert und universalistisch eingestellt sind.

In dem Moment, in dem von einer bekanntermaßen sehr rechtslastigen Regierung in Israel gefordert wird, es darf für Deutsche kein „Ja, aber“ geben, setzen wir jedoch ein klares Stoppzeichen. Es muss und wird immer ein „Ja, aber“ geben. Das gehört zum Grundgerüst vernunftorientierter ebenso wie humanistischer politischer Haltung.

Alles andere, ein „Ja“ ohne aber, wäre die Zustimmung zu einer grenzenlosen Entfesselung von Konflikten, und diese dürfen wir gerade als Deutsche unserer historischen Verantwortung wegen niemandem gegenüber ausdrücken, nicht einmal gegenüber Israel. „Uneingeschränkte Solidarität“ als Freibrief für alles ist so falsch wie „Free Palestine from German Guilt“ auf der anderen Seite.

Wir gehen ohnehin sehr weit und akzeptieren politisches Verhalten,  das uns, wäre Israel ein EU-Staat, allergrößtes Kopfzerbrechen bereiten würden, wo wir schon Polen zuletzt für den dortigen Umgang mit der Rechtsstaatlichkeit kritisiert haben. Wir gehen auch sehr weit, wenn wir sagen, die Palästinenser sind eines der bedrängtesten Völker überhaupt und wir verstehen grundsätzlich, dass sie frei sein wollen und für dieses Anliegen verzweifelt nach Aufmerksamkeit suchen.

Wir haben auch einen Artikel zur Justizreform in Israel besprochen, die auch dort zu massiven Protesten geführt hat und die Demokratie beschädigen kann. Davon ist im Moment natürlich keine Rede mehr und das ist mehr als ärgerlich. Wie wir mehrfach geschrieben haben: Alle Kriege helfen den Rechten und Antidemokraten. Das hat die Hamas nun auch zu verantworten, daran führt nichts vorbei.

Wir würden andererseits lieber Israel in der EU sehen als alle derzeitigen Aufnahmekandidaten, obwohl wir wissen, dass es immer im Konflikt steht. Das ist ebenfalls eine generelle Haltung. Es ist aber auch nur ein Gedankenspiel, bei dem wir geografische Gesichtspunkte nicht hoch gewichten, außerdem gab es bisher nach unserem Wissen keine diesbezüglichen Wünsche von israelischer Seite. Ein Assoziierungsabkommen hingegen existiert bereits und spiegelt die engen wirtschaftlichen Verflechtungen der EU mit Israel.

Mit antisemitischen Straftaten hat dieses Nachdenken über die Lage nur insofern zu tun, als wir noch einmal festhalten, dass nichts, was im Nahen Osten passiert, Anschläge gegen Juden in Deutschland  rechtfertigen kann. Nichts ist  unverflochten, ganz sicher gibt es auch von Juden in Deutschland Unterstützung für die isrealische Expansionspolitik, ebenso wie seitens hiesiger Araber für den Terror der Hamas. Wir müssen trotzdem sicherstellen, dass dieser Konflikt nicht hier ausgetragen wird und dass keine Gewalt gegen jüdische Einrichtungen und Menschen ausgeübt wird. 

 Wir schließen uns dieses Mal sogar einem CDU-Politiker an, dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, der jüdisches Leben als Gewinn für die Stadt bezeichnet hat. Das können wir vorbehaltlos teilen und wir würden es begrüßen, wenn die jüdische Gemeinschaft weiter wachsen würde. Dafür muss deren Existenz unbedroht und von einer weit überwiegenden Mehrheit der Stadtbevölkerung akzeptiert oder begrüßt werden. Damit schließen wir den Kreis zu den antisemtischen Straftaten, die den Ausgangspunkt dieses Artikels darstellen.

Den Nahostkonflitkt wird man von hier aus ohnehin nicht lösen können. Man kann aber jderzeit Zeichen der Verständigung setzen, und die gibt es ja auch, etwa gemeinsame Kulturprojekte. Wir hoffen, dass diese weitergeführt und ausgebaut werden, sie sind jetzt wichtiger denn je.

Es steht uns nicht zu, „Shalom!“ zu sagen. Man könnte den Gebrauch dieses schönen Wortes gerade in diesen hitzigen Zeiten als kulturelle Aneignung auslegen. Aber wir tun es doch. Denn es das ist es, was wir allen Menschen bei uns, in Israel und in Palästina von ganzem Herzen wünschen.

TH

Hinterlasse einen Kommentar