Briefing 364 Gesellschaft, Gesundheit, elektronische Patientenakte, elektronisches Rezept, Datenschutz, Digitalisierung
Liebe Leser:in, haben Sie schon eine ePA? Wenn Sie nicht wissen, was das ist, vermutlich noch nicht. Es ist die elektronische Patientenakte. Lassen Sie sich wenigstens ihre Rezepte auf elektronischem Weg ausstellen?
Mit dem nachfolgenden Text und der illustrierenden Grafik beginnen wir eine kleine Reihe von Grundinformationen zum Gesundheitssysten, die wir in den nächsten Tagen fortsetzen werden.
Letzteres ist bereits weit verbreitet, die elektronische Patientenakte hingegen kommt nur mühsam voran:
Infografik: Das E-Rezept nimmt Fahrt auf, die EPA schwächelt noch | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
Die Digitalisierung im Gesundheitswesen könnte in Deutschland schneller vorankommen. So ist die Zahl der elektronischen Patientenakten (ePA) hierzulande seit Jahresbeginn lediglich um 50 Prozent gestiegen. Beim elektronischen Rezept ist die Verbreitung zuletzt hingegen in Schwung gekommen. Dessen kumulierte Anzahl ist im selben Zeitraum um rund 800 Prozent angestiegen. Das zeigen Daten des TI-Dashboards Digitalisierung im Gesundheitswesen.
Laut Bundesgesundheitsministerium bietet das E-Rezept für Versicherte mehr Komfort, da sie sich Papierrezepte und auch Wege sparen können. Wege in die Arztpraxis entfallen, wenn sie ein Folgerezept im selben Quartal benötigen. Auch nach Videosprechstunden können sie sich ein E-Rezept ausstellen lassen. Zudem verbessert es das Medikamentenmanagement, vor allem wenn es in Verbindung mit dem Medikationsplan in der elektronischen Patientenakte (ePA) genutzt wird. Wie sie ein E-Rezept einlösen können, ist auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums beschrieben.
Die langsamere Verbreitung der ePA könnte mit datenschutzrechtlichen Vorbehalten zusammenhängen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen etwa weißt darauf hin, das Patienten sich darauf verlassen können müssen, dass mit ihren vertraulichen Gesundheitsdaten verantwortungsbewusst umgegangen wird. Ihre Daten dürften daher ausschließlich für gemeinwohlorientierte Forschungsprojekte freigegeben werden. Eine Datenauswertung durch die Krankenkassen über das notwendige Maß hinaus und individuelle Versichertenansprachen lehnt der Bundesverband entschieden ab, weil die damit verbundenen Risiken erheblich größer sind als der mögliche Nutzen. Auch technische Hürden verhindern offenbar eine stärkere Verbreitung der ePA.
Ab 2025 soll die elektronische Patientenakte (ePA) für alle Patienten standardmäßig angelegt werden. Die EPA fasst Daten zusammen, die ansonsten nur lokal bei einzelnen Gesundheitsdienstleistern erfasst wurden. Eine elektronische Erfassung bietet etwa den Vorteil, dass Untersuchungsergebnisse für den jeweils behandelnden Arzt zugänglich sind und Untersuchungen nicht wiederholt werden müssen. Der Patient kann zudem an einem zentralen Ort seine Gesundheitsdaten zugreifen, so dass etwa der Wechsel von Ärzten bei einem Umzug erleichtert wird.
Die Einführung der ePA gestaltet sich also schwierig. Für uns belegt das vor allem eines: Nicht jeder Rückstand Deutschlands bei der Digitalisierung ist tatsächlich ein Ausweis von Rückständigkeit. Es hat gute Gründe, dass um Neuerungen gekämpft wird, wenn der Hintergrund die Befürchtung ist, der Datenschutz sei nicht gewährleistet. Angesichts der allgemeinen Tendenz zur Aufweichung des Datenschutzes, an der wir vielfach auch freiwillig teilnehmen, weil wir unsere Daten im Netz an vielen Stellen hinterlassen, um Dienste „for free“ nutzen zu können, die in Wirklichkeit als Entgelt unsere Daten verwenden, glauben wir aber, dass auch die ePA uns ein Stück weit gläserner machen wird. Inklusive aller Stigmatisierungen, der Menschen dadurch ausgesetzt sind, die zum Beispiel einmal aus psychischen Gründen erkrankt waren.
Gerade die ePA ist eine andere Kategorie von Digitalisierung als zum Beispiel der Ausbau des schnellen Internets oder Erleichterungen bei Verwaltungsangelegenheiten durch elektronische Erledigung. Hier geht es um die privatesten oder auch intimsten Daten, die von Menschen im Umlauf sind und natürlich auch um das Arztgeheimnis, das dadurch erheblich aufgeweicht wird. Wir sind deswegen der ePA gegenüber skeptisch. Jede Digitalisierung muss eine Abwägung zwischen Nutzen und Schaden erfahren, und zwar auf mehreren Ebenen. Vielfach wurde komplett unreflektiert digitalisiert, mit erheblichen sozialen Folgen. Zum Beispiel, weil Menschen nicht auf kritischen Umgang zum Beispiel mit den sozialen Medien geschult waren, als diese aufkamen. Damit meinen wir nicht nur den Datenschutz, der ist sowieso nur sehr eingeschränkt aufrechtzuerhalten, indem man die Einstellungen möglichst restriktiv wählt. Aber vieles gibt man unweigerlich preis, wenn man, wie wir, um auf unsere Artikel aufmerksam zu machen, auf mehreren dieser Plattformen angemeldet ist.
Wir müssen unbedingt daran denken, beim nächsten Termin unsere Hausärztin zu fragen, was sie von der ePA hält. Vielleicht wird sie sagen: Was ich davon halte, spielt keine Rolle, ab 2025 ist die ePA sowieso verpflichtend. Sie haben keine Wahl und ich auch nicht.
TH
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