UPDATE 3 zum kommenden BSW +++ Entwicklung der Parteimitglieder-Zahlen: meist negativ +++ Verlust bei Linken +++ Mitgliederprognose, Personal vs. Programm +++ Pressekonferenz, Start der Wagenknecht-Partei BSW +++ Wo werden die BSW-Wähler:innen herkommen? +++ Chancen, Risiken, Kritik, Bedenken | Briefing 341 Update 3 | PPP (Politik, Personen, Parteien) #Wagenknecht #BSW

Briefing 341-UD 3 PPP, Entwicklung derMitgliederzahl der Parteien im Bundestag, Sahra Wagenknecht, Parteigründung, BSW, Die Linke verliert ihren Fraktionsstatus im Bundestag, wo das BSW-Wählerpotenzial liegt, Bewertung von Chancen, Risken, Kritik und Bedenken: langfristige Wirkung, Die Linke verliert schon seit Längerem Mitglieder, bald wohl verstärkt, Mitgliederzahlen der Parteien.

23.11.2023: Wir setzen das heutige Update über einen Artikel, der sich  mit der Wagenknecht-Neugründung BSW befasst, obwohl wir uns damit thematisch sozusagen verbreitern oder aus dem Kern herausschleichen. Wir haben aber im Update 2 (siehe unten) schon über die Entwicklung der Mitgliederzahlen aller Parteien seit 1990 geschrieben, daher bietet sich die neue Statista-Grafik als Ergänzung an, die heute per Newsletter zu uns gelangt ist:

Ursprünglich ging es um die Linke und um „SW“ (Sahra Wagenknecht) und die negative Entwicklung der Mitgliederzahl der Linken schon in den letzten Jahren, bevor der Ausstieg von Wagenknecht publik oder, aus Insider-Sicht, endgültig Realität  wurde. Inzwischen hat die Linke, wie angekündigt, ihren Fraktionsstatus im Bundestag verloren und seit Wagenknechts Abgang mehr Eintritte als Austritte verzeichnet. Beides allerdings in bescheidenem Maße (etwa 440 gegenüber 240). Ob sich daraus ein neuer Aufwärtstrend entwickelt, insbesondere, weil unter den Eintritten auch einige Prominente sind (damit ist in dem Fall gemeint, sie sind unter politisch Interessierten ein wenig bekannt, nicht, dass jeder in Deutschland sie kennt, wie das bei Wagenknecht der Fall ist), und ob auch die Wähler:innen mitmachen und sagen, Wagenknechts Abgang war gut, weil die Linke jetzt wieder ihren Kern besser ermitteln und störungsfrei herausstellen kann, bleibt abzuwarten. Jedenfalls wird ihrm Bündnis BSW ein Potenzial zwischen 12 und 14 Prozent zugetraut, wären jetzt Bundestagswahlen, während die Linke in Umfragen auf 4 bis 5 Prozent kommt.

Wie viele Mitglieder haben die Parteien?

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Die derzeit im Bundestag vertretenen Parteien haben heute fast alle deutlich weniger Mitglieder als noch im Jahr 1990. Das zeigt die Statista-Grafik auf Basis von Daten der FU Berlin. Den prozentual stärksten Rückgang verzeichnet die Partei Die Linke mit -78 Prozent. In absoluten Zahlen hat die SPD am meisten Federn gelassen: sie verlor seit 1990 über eine halbe Million Mitglieder. Bündnis 90/Die Grünen verzeichnen dagegen einen kräftigen Aufwärtstrend: sie konnte ihre Mitgliederzahl verdreifachen. Die erst im Februar 2013 gegründete AfD hatte Ende 2013 schon 17.687 Mitglieder, verlor 2015 durch die Abspaltung des Flügels um den Parteigründer Bernd Lucke aber damals etwa ein Fünftel ihrer Mitgliederschaft. Danach wuchs die Zahl der Mitglieder in den meisten Jahren an und liegt nun Ende 2021 bei 30.125.

Die derzeitige Migrationspolitik der Ampel-Regierung sorgt indes bei den Grünen vielfach für Diskussionen und Unmut. Medien berichten von gehäuften Parteiaustritten, ohne diese allerdings näher quantifizieren zu können. Belastbare Daten für 2023 dürften erst in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres vorliegen.

Der Parteienforscher und Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer sieht als einen Grund für den Mitgliederverlust vieler Parteien die Erosion der sozialen Milieus. Unter sozialen Milieus werden in der Wissenschaft gesellschaftliche Gruppen mit ähnlichen Wertehaltungen, Prinzipien der Lebensgestaltung und damit auch Parteizugehörigkeiten verstanden. Die SPD-Wählerschaft und Mitglieder rekrutierten sich vor allem aus dem sozialdemokratischen Arbeitermilieu und der gewerkschaftsnahen Industriearbeiterschaft. Diese klassische Arbeiterschicht schrumpft aber zunehmend. Die Union dagegen hat ihre Basis im christlich-konservativen Milieu. Doch auch dieses klassisch-christliche Milieu schrumpft, denn immer weniger Deutsche sind Mitglied einer Kirche.

Außerdem ist die CDU wohl kaum als christlich zu bezeichnen, sondern hat in Friedrich Merz einen ausgesprochen utilitaristischen und unempathischen, unchristlich wirkenden und den kapitalistischen Lobbys dienlichen Vorsitzenden, könnte man beifügen, was wir hiermit getan haben. Der letzte Politiker der Union, der noch eine Verwurzelung in der christlich orientierten Arbeitnehmerschaft hatte, war wohl der frühere Arbeitsminister Norbert Blüm.

In Balken sieht es noch einmal eindrucksvoller aus, im negativen Sinne, als wir es zuletzt per Text an Sie weitgereicht haben, nämlich der Niedergang der Parteien. Die Erosion der Milieus ist dabei ein wichtiges Stichwort, sie hat nämlich auch zum Aufstieg der AfD als nicht milieugebundener Partei beigetragen und zum BSW geführt, das ebenfalls eine milieuseitig diffuse Wählerschaft anziehen dürfte.  Die Grünen hingegen sind tatsächlich aus dem urbanen linksliberalen Milieu heraus entstanden, unter Abzug vieler im klassischen Sinne linksorientierter Menschen, die anfangs mit dieser Partei verbunden waren – auch deshalb, weil sie in ihrer Gründungsphase als die Partei im Westen galt, die am weitesten links steht: Anti-Atomkraft, Frieden, Soziales, waren damals die drei Säulen grüner Politik. Mittlerweile ist nur noch die Klimapolitik wirklich relevant und die Gesellschaftspolitik hat sich zu einem Wohlfühl-Mitte-Links für Bessergestellte entwickelt.

Das ist durchaus ein Milieu, wie man an der Entwicklung der Mitgliederzahlen sehen kann, aber es reicht natürlich nicht aus, um auf eine Zahl von Menschen mit Parteibuch oder, heutzutage, Mitgliedskarte, zu kommen wie seinerzeit bei der SPD, als sich weite Teile der Arbeiterschaft richtiggehend  zu dieser Partei bekannten, mit allem, was sie darstellte. Wir halten auch die heutigen Mitglieder der Grünen für volatiler, weil, wie bai allen Parteien, mehr einzelne Programm- oder Servicpunkte und -produkte im Mittelpunkt stehen als eine soziale Definition der Mitgliederschaft. Dies wiederum erleichtert Neugründungen wie dem BSW den Einstieg ins politische Geschäft. Es müssen nicht mehr so viele Menschen seufzend ihre politische Heimat verlassen, wie das vor dreißig Jahren oder gar während der demokratischen Hochphase der BRD in den frühen 1970ern der Fall gewesen wäre, um sich für eine andere Partei zu entscheiden. Gerade politisch Interessierte fallen uns häufig dadurch auf, dass sie keine Stammwähler:innen mehr sind. Wir kennen  zum Beispiel mehrere Personen, die schon grün, SPD und Linke gewählt haben, je nachdem, wer gerade das beste Angebot zu haben schien. Um so wählen zu können, sollte man natürlich die Programme auch ein wenig kennen. Bei den Personen, die ich meine, ist das eindeutig der Fall, weil sie auch nachsehen müssen, werden Gruppen am meisten bietet, für die sie Verbandsarbeit leisten. 

Das BSW würde keine dieser Personen wählen, da sind wir uns  ziemlicih sicher. Period. Wir haben das für uns ja auch erst einmal ausgeschlossen und sind mittlerweile nicht mehr sicher, ob es nicht taktisch sinnvoll werden könnte, um einen Durchmarsch der AfD zu verhindern, falls die Ampelparteien nicht mehr auf die Füße kommen und ihre Umfragewerte so schlecht bleiben. Jetzt hat sich der Wind schon wieder etwas gedreht. Nämlich seit Wagenknecht, obwohl die Partei noch gar nicht vorhanden ist, schon meinte, ankündigen zu müssen, dass sie auch mit der CDU zusammenarbeiten könnte. Das würden wir auf keinen Fall unterstützen. Auch wenn es vorlaut oder voreilig von ihr war, gut, dass wir Bescheid wissen.

Was Sie daraus mitnehmen können, liebe Leser:innen: Es gibt keine wirklich neuen Angebote. Wagenknecht denkt schon ans Kungeln und Koalieren mit den von ihr so gerne gebrandmarkten „Altparteien“, einem Begriff, den sie von der AfD übernommen hat, bevor überhaupt ihre Partei gegründet ist, obwohl man sie also noch gar nicht wählen kann. Das kommende Narrativ wird dann sein: Wenn wir dabei sind, wird die Politik vernünftiger und friedensorientierter. Stellen Sie sich bitte Letzteres vor: Putin-Freundin und NATO-Ablehnerin Wagenknecht in einer Koalition mit den seit einiger Zeit so kriegslüsternen Grünen, den immer schon mit der Rüstungslobby verbandelten Liberalen, die außerdem auch noch absolut unsozial sind oder mit den Transatlantikern von der CDU? Was glauben Sie, wer sich da durchsetzen wird, angesichts der verfestigten Strukturen, in die die BRD eingebunden ist? Merken Sie was? Tun Sie uns bitte einen Gefallen, liebe Leser:innen. Lassen Sie sich nicht aufs Glatteis führen. Auch nicht von Sahra Wagenknecht.

Und treten Sie einer Partei bei, wenn Sie wirklich von einer Partei überzeugt sind. Wir haben vor einiger Zeit den gegenteiligen Weg beschritten, weil wir eben nicht mehr überzeugt waren. Aber überzeugt zu sein und nicht unterstützend und aktiv in einer Ortstruppe oder dergleichen tätig, das kann die Demokratie aktuell überhaupt nicht brauchen.  Wenn Sie es sich leisten können und Fan einer Partei sind, machen Sie mit! Oder treten Sie wenigstens in den Spenderkreis einer NGO ein, das ist ja die moderne, wenn auch nicht partizipativere Art des zivilgesellschaftlichen Engagements. Doch, es ist so: NGOen sind, wenn man ihre demokratische Substanz betrachtet, ein klarer Rückschritt gegenüber Parteien, denn Sie können nicht mitbestimmen, wer dort wie führt und wohin es geht. Gerade bei FFF ein großes Thema, weil sich die deutsche Sektion sich nach Greta Thunbergs Antisemitismus abweichend positionieren muss und im Grunde demokratisch abgesichert zu einem Thema stellen müsste, das gar nicht ihr Kernanliegen beinhaltet. Nun hängt aber alles von ein paar wenigen, sehr jungen und dank ihrer Connections und familiären Ressourcen führend gewordenen Führungsfiguren ab, und das ist schlecht für die Gestaltung einer lebendigen Demokratie. Gerade dann, wenn plötzlich deutsche Generalthemen sich mit einem Einzelanliegen wie dem Klimaschutz vermengen. Das ist natürlich ein extremes Beispiel für eine negative Entwicklung, aber so ist es eben, wenn alles personalisiert ist: Ein einziger Ausfall und schon kommt alles in Schräglage. 

Das kann beim BSW nicht in der extremen Art passieren, weil man Wagenknechts eckige Ansichten zu fast allen Themen schon kennt. Diese wiederum dürften rundgeschliffen werden, falls sie, wie sie kürzlich sagte, Regierungsverantwortung übernehmen und nicht Generalopposition machen will. Das System ist stärker als Wagenknecht, davon dürfen Sie ausgehen. Macht ihr das etwas aus, und ihren Anhängern? Eher nicht, denn eigentlich ist sie eine Systempolitikerin, auch wenn ihr BSW Elemente von rechts und von links in etwas anderer Zusammensetzung anbieten will als bisherige Parteien. Es sind die Zutaten, die wir alle hinlänglich kennen, Die in deutschen System relevanter Parteien bisher nicht verwendete, weil für den faden deutschen Geschmack zu würzige Systemkritik gehört nicht dazu. Allein sie könnte der Parteien-Soßen-Variante, die gerade angerührt wird, eine ganz neue Geschmacksnote geben. Sahra Wagenknecht ist aber, auch wenn sie nicht so aussieht, sondern von der Mentalit her urdeutsch im Sinne der Nachkriegsgenerationen, und damit weit überwiegend unkreativ und nicht sehr auf Partizipation für alle ausgerichtet. 

Was wir wirkich bräuchten, wäre eine neue politische Story, und im Grunde müsste diese von den „Altparteien“ geliefert werden, die sich dazu neu erfinden müssten. Sie haben aber die Strukturen und immer noch viele engagierte Mitglieder, die auch mitziehen würden. Es gibt verschiedene Begründungen dafür, warum sich das deutsche Parteiensystem weiter auffächert. Vollständig und ganz überzeugend ist keine davon. Weder war das System der BRD mit seinen drei Parteien um 1970 herum typisch für die deutsche Geschichte, nicht einmal für die ersten Jahre der BRD, noch fasert es in allen Demokratien aus, weil die Menschen sich so verändert haben und „zielgruppengenaue Angebote“ bevorzugen: In den USA, wo die Trends im Allgemeinen herkommen, gibt es nach wie vor zwei Parteien, in Großbritannien zwei große und eine kleinere, obwohl auch dort die Milieuzugehörigten sich verändert haben. Die Demokraten in den USA haben  übrigens 47 Millionen Anhänger, die Republikaner 33 Millionen. Das sind andere Zahlen, oder? Diese eingeschriebenen Anhänger sind aber nicht zu vergleichen mit den Mitgliedern deutscher Parteien, die Parteien finanzieren sich auch nicht teilweise über Mitgliedschaften, wie deutsche Vereine, denen hiesige Parteien rechtlich nachgebildet wurden, was wiederum die unterschiedliche Strukturierung von Wahlkämpfen und Finanzierungsmöglichkeiten zumindest teilweise erklärt.

TH

24.10.2023: Kurz nach der Veröffentlichung unseres gestrigen Updates zu „BSW“ hat Statista eine Grafik erstellt, die sich mit der Mitgliederentwicklung beschäftigt. Innerhalb nur eines Jahres gab es einen zweistelligen Rückgang:

Linkspartei verzeichnet Mitgliederschwund

Parteiaustritte in Berlin haben für uns insofern eine besondere Bedeutung, als sie uns persönlich betreffen, allerdings während des Jahres 2021, nicht 2022. Über den Schwund bei der Linken hatten wir kurz zuvor noch im untenstehenden Update 1 berichtet, ohne die Zahlen zu benennen.

Interessant und auffällig sind vor allem zwei West-Bundesländer. In Bremen ging die Mitgliederzahl  nur um 5 Prozent zurück. Das entspricht der guten Aufstellung der Linken dort, die weiterhin in Bremen in der Bürgerschaft vertreten ist, sie hatte trotz der vielen negativen Vorzeichen aus der Bundespartei bei der Bürgeschaftswahl 2023 nur 0,4 Prozent Stimmenanteile verloren (Ergebnis: 10,9 Prozent). Auch in Hamburg erreichte die Linke 9,1 Prozent (2020), aber der stärkere Rückgang an Mitgliedern (-9 Prozent) ist schon ein Indiz für die kommenden Wahlen. Nachdem die Linke gerade in Hessen aus dem Landtag geflogen ist, ist sie in keinem westdeutschen Flächenland mehr im Parlament. 

Aber da ist doch noch das Saarland, in dem sie 2009 nicht weniger als 21,7 Prozent erzielte, also quasi ein Resultat wie damals im Osten? Mittlerweile ist sie bei 2,6 Prozent angelangt. Es hing eben alles am Ex-Ministerpräsidenten und Ex-SPD-Mann Oskar Lafontaine, for the better and for the worse, wie immer bei ihm ist beides in einer Person vereint. Er und Gregor Gysi führten die Linke 2009 auch bundesweit zu ihrem bisher besten Ergebnis von 11,9 Prozent. Das ist Geschichte und es wär auch eine Ironie der Geschichte, wenn die Frau des mittlerweile, selbstverständlich, möchte man beinahe schreiben, auch aus der Linken ausgetrenenen OL nun Ergebnisse in ähnlicher Höhe erzielen wird wie einst ihre bisherige Partei mit ihrem Mann als einem von beiden Spitzenkandidaten. Die beiden haben es drauf, das Volks anzusprechen, daran besteht kein Zweifel.

Das tun sie im Saarland aber nicht mehr, daher ist der besonders starke Rückgang der Linken dort in Höhe von 16 Prozent nachvollziehbar.

Der Zoff um Sahra Wagenknecht schadet der Linken mehr, als ihr Wagenknechts Anwesenheit in den letzten Jahren genützt hat. Mit der Gründung der Wagenknecht-Partei, die vermutlich im Januar 2024 erfolgen wird („BSW“ heißt der Verein, der die Gründung vorbereitet), wird es haarig werden. Wir halten mindestens ein Drittel der Linke-Mitglieder für übertritts- oder austrittswillig. Nicht alle, die austreten, werden auch in die Wagenknecht-Partei eintreten, dafür wird sie Zulauf durch Menschen bekommen, die bisher nicht Mitglied einer politischen Partei waren oder aus anderen Parteien als der Linken kommen. Besonders Anträge auf Mitgliedschaft, die von bisherigen AfD-Mitgliedern kommen, müssen dann wirklich genau geprüft werden.

Sollen wir eine Prognose wagen? Schwierig, auch deshalb, weil wir nicht wissen, mit welchen Auflagen eine Mitgliedschaft verbunden sein wird, welche Beiträge erhoben werden, wie die Programmatik ausschaut. Anders als die meisten Wähler:innen, über die wir gestern geschrieben haben, dass sie Programme nicht lesen, ist das bei Parteimitgliedern doch etwas anders, zumindest ist die Prozentzahl derer  höher, die sich auch inhaltlich mit dem auseinandersetzen, wozu sie sich per Mitgliedschaft deutlich bekennen. 

Sollen wir trotzdem eine Prognose liefern? Wenn bei SW nicht zu viel falsch läuft und Die Linke keinen Dreh findet, wie sie wieder massenwirksam werden könnte, und von beidem gehen wir derzeit aus, wird die Wagenknecht-Partei Ende 2025 mehr Mitglieder haben als Die Linke oder doch beinahe so viele.

In welcher Größenordnung dann beide liegen werden? Wir glauben, dass die Wagenknecht-Partei zwar, West und Ost zusammen betrachtet, nicht gleich die AfD bei Wahlen überholen würde, aber das Eintreten bei SW wird Menschen leichter fallen, die sich nicht quasi offiziell als rechtsextrem zeigen möchten, wie eine AfD-Mitgliedschaft es zumindest vermuten  lässt. Wir rechnen der neuen Partei gegenwärtig ein Potenzial von mehr als 40.000 zahlenden und sich zu Wagenknecht bekennenden Mitgliedern innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Gründung zu, somit sie die AfD überflügeln würde, während die Mitgliederzahl der Linken auf unter 50.000, vermutlich eher auf unter 40.000 schrumpfen wird. Die AfD hatte nach einem Rückgang Anfang der 2020er zuletzt wieder 34.800 Mitglieder.

Zum Vergleich: Die Grünen hatten Ende 2022 etwa 126.000 Mitglieder mit einem starken Anstieg in den letzten Jahren. Sie haben zehn Jahre gebraucht, um die Mitgliederzahl zu erreichen, die wir der Wagenknecht-Partei innerhalb von zwei Jahren zutrauen. Aber die Wagenknecht-Partei ist eben auch ein Fanclub, während die Grünen damals geradezu anti-personal sein wollten, auch ausgedrückt durch das Rotationsprinzip, das die Mitglieder und Wähler:innen zwang, sich in relativ kurzen Abständen an immer neue Gesichter in der Führungsspitze zu gewöhnen. Die  Grünen wollten keine Personen-Identifikations-, sondern eine Themen-Zustimmungspartei sein. Prägende Figuren über längere Zeit, wie Joschka Fischer, gab es zwar, aber keinen Kult um sie, der dem vergleichbar war, was sich um SW herum abspielt, die sich u. a. zu einer Opfer-Ikone, um ein Haar vernichtet durch die hinterlistige Bösartigkeit von Funktionär:innen aus der eigenen Partei, hochstilisieren konnte.

Nur wenige Grüne sind hingegen der Partei beigetreten, weil sie damit ausdrücken wollten, dass sie glühende Anhänger:innen einer bestimmten Person sind, schon gar nicht verbunden mit einer so einseitigen und etwas exzentrischen Erzählung, wie sie mit Wagenknecht von ihren Getreuen verknüpft und von ihnen propagiert wird.

Die Zeiten des grünen, gemächlichen Aufstiegs waren, wenn man so will, modernere, emanzipativere als heute; eine Epoche, in der Personen und Programm, Distanz und Relevanz in einem einigermaßen ausgeglichenen Verhältnis zueinander standen.

Im Vergleich dazu ist Sahra Wagenknecht eine richtiggehend barocke Figur, verbunden mit einem Rückgriff in autoritäre Phasen der deutschen Geschichte, inklusive der Selbstinszenierung, die sie in einem Maße betreibt wie derzeit keine andere aktive politische Person in Deutschland.

Die SPD kommt auf rund 380.000 eingeschriebene Parteianhänger:innen (ebenfalls Stand Ende 2022) und verliert langsam den Status als „Mitgliederpartei“, wie Großparteien  oder Volksparteien bezeichneet werden, deren Stammwählerschaft sich oft auch offiziell zu ihnen bekennt. Die SPD hatte 1990 beinahe 950.000 Mitglieder. Die CDU lag im Februar 2023 bei 371.000 Mitgliedern, 1990 waren es ca. 790.000, die CSU liegt bei etwa 130.000 Mitgliedern nach etwa 186.000 im Jahr 1990. Die FDP kommt auf 77.000 Mitglieder, 1990 konnte sie ca. 168.000 Menschen per Parteibuch an sich binden.

Statistik, Entwicklung der Mitgliederzahlen der wichtigeren politischen Parteien in Deutschland von 1990 bis 2021. 

TH

23.10.2023: Die heutige Bundespressekonferenz, wichtige Punkte. Für uns ist es nur ein Update, siehe den untenstehenden Hauptartikel vomn 20.10.2023 mit (teilweise wiederholter) Analyse (aber mit einer Haltungsänderung unsererseits).

„Mit der geplanten Parteigründung durch Wagenknecht verliert die Linken-Fraktion im Bundestag auf einen Schlag neun Abgeordnete. Wie die bisherige Fraktionschefin Amira Mohamed Ali am Montag sagte, erklärten sie und Wagenknecht sowie sieben weitere Abgeordnete am Morgen ihren Austritt aus der Linksfraktion und aus der Partei.“ (Quelle)

Damit verliert Die Linke auch den Fraktionsstatus, den sie bei der Bundestagswahl 2021 ohnehin nur durch das Erringen dreier Direktmandate erhalten hat. 

  • Nach einer Umfrage, die vor einigen Tagen erschien, können sich 27 Prozent aller Teilnehmenden vorstellen, eine Wagenknecht-Partei zu wählen.
  • Aktuell fragt Civey, was man dieser Partei bei der nächsten Bundestagswahl zutraut.
    • Fast 37 Prozent der Abstimmenden glauben, die Partei würde nicht einmal in den Bundestag einziehen, weitere ca. 30 Prozent halten 6 bis 10 Prozent für möglich, wir haben höher gegriffen und trauen ihr 11 bis 15 Prozent zu; so optieren 11,5 Prozent der Abstimmenden derzeit. Wir haben tatsächlich hoch gegriffen, aber wer glaubt, diese Partei würde nicht einmal 5 Prozent erreichen, kann von der aktuellen Stimmung im Land nicht viel aufgegriffen haben. Oder es ist Wunschdenken vonseiten jener, die auch gesagt haben, die Partei sei nicht relevant.
    • Immerhin 53 Prozent sagen latent oder dezidiert, die Partei ergibt m. o. w. keinen Sinn, aber 32 Prozent sagen das Gegenteil. Wenn davon nur ein Drittel die Partei auch wählt, dann wird sie bei den nächsten Wahlen zweistellig. Das wird nach unserer Ansicht dann der Fall sein, wenn in der neuen Partei nicht sofort Risse erkennbar sind oder andere schwere Fehler gemacht werden und wenn die Gesamtlage in Deutschland und der Welt sich nicht plötzlich sehr verbessert. 
  • Hingegen glauben wir nicht, dass sich die Partei durch die Aufstellung ihres Programms sehr schaden wird, wie einige Kommentator:innen und Politiker:innen mutmaßen. Auch hier ist wieder Wunschdenken im Spiel, und zwar vonseiten jener, die tatsächlich Parteiprogramme lesen und sogar zur Grundlage ihrer Wahlentscheidungen machen, also einer kleinen Minderheit. Außerdem könnte es auch anders herum laufen und das Programm zieht Menschen an, die bisher gezweifelt oder ablehnend gestanden haben.
  • Wo aber kommt das Potenzial her?
    • Vor allem könnte die Wagenknecht-Partei wohl bisherige Nichtwähler:innen mobilisieren, und das kann grundsätzlich nicht schlecht sein. Diesen Effekt gab es allerdings schon bei der AfD. Wir meinen trotzdem, es ist besser, das ganze Meinungsspektrum zeigt sich in Wahlergebnissen, als dass immer mehr Menschen komplette Demokratieabstinenz üben und die Stimmung im Land nicht mehr durch diese Ergebnisse gespiegelt wird. Über Unmut, Probleme, auch falsche poltische Haltungen, die sich durch Wahlen zeigen, kann offen diskutiert werden, hingegen nicht, wenn es nur im Untergrund vage brodelt. 
    • Ernüchternd für die Linke ist, dass unter ihren potenziellen Wählerinnen und Wählern die Zustimmung mit 47 Prozent am zweithöchsten ausfällt. Auf dem dritten Platz folgen AfD-Sympathisanten mit 43 Prozent. Am wenigsten kommt die Partei bei Anhängern der Grünen (13 Prozent), der SPD (26 Prozent) und der Union (27 Prozent) an. (Quelle).
    • Es ist nicht neu, dass die Basismitglieder der Linken weit eher in Richtung Wagenknecht tendieren als die Funktionärselite; bei den Wähler:innen, die keine Mitglieder sind, dürfte die Tendenz ähnlich sein wie an der Basis. Das bedeutet auch, Die Linke wird (weitere) Mitglieder verlieren, sie schrumpft nach einer kurzen Auftriebsphase Mitte der 2010er ohnehin seit Jahren, und es bedeutet, dass Die Linke wohl nicht mehr im nächsten Deutschen Bundestag vertreten sein wird. Auch hier ein „Aber“: Von den anderen Parteien bekommt sie gerade dadurch erheblichen Zulauf, dass Wagenknecht weg ist. Wir kennen persönlich mehrere Menschen, die zwischen der Linken und den Grünen wechselgewählt haben, weil sie mit Wagenknechts Präsenz in der Partei und einigen ihrer Ansichten nicht klarkamen.
    • Zugegeben, dieses „aber“ ist sehr unbestimmt und würde voraussetzen, dass Die Linke jetzt richtig durchstartet. Kann sie das? Hat sie das Potenzial und ist sie nun geschlossen? In ihr sind immer noch Gruppen zugange, deren Präsenz nach Wagenknechts Abgang noch weniger Sinn ergibt als zuvor, zum Beispiel die ihr außenpolitisch sehr nahestehende Kommunistische Plattform, die auch gesellschaftspolitisch und wirtschaftspolitisch weit vom Mainstream der nach Wagenknechts und ihrer Freunde Austritt verbleibenden Funktionärselite entfernt ist.
    • Welches Potenzial die neue Partei hat, die AfD-Wählerschaft zu spalten, sieht  man ebenfalls recht deutlich, und das ist vielleicht sogar ihr wichtigster Auftrag, in den ersten Jahren zumindest. „Am wenigsten“ gilt u. E. übrigens für die Grünen, wir finden es hingegen durchaus bemerkenswert, dass sich rund ein Viertel der SPD- und Unionswähler zumindest mit dieser Partei als wichtige Neuerung im politischen Angebot anfreunden kann.
  • Außerdem kann „BSW“ wohl von Beginn an frei handeln. Eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz, wie die AfD, wird sie sich kaum einfangen, wenn sie den Eintritt von Rechtsextremisten nicht zulässt. Auch Linksextreme werden kaum in dieser Partei zu finden sein, selbst wenn man linksextrem sehr weit, lediglich als Wunsch nach  notwendiger Systemkorrektur, definiert.
    • Dass mehr Ost- als Westdeutsche die Partei relevant finden (48/27 Prozent), war zu erwarten, und im Osten wird auch die Basis für die von uns vermutete Zweistelligkeit unter einigermaßen konstanten Bedingungen gelegt werden. Vermutlich haben auch überwiegend Westdeutsche die Einschätzung abgegeben, die Partei wird nicht einmal 5 Prozent erreichen.
  • Wir werden sehen, wie die nächsten Erhebungen zur „Sonntagsfrage“ tendieren, die nun sehr spannend sind. Ab jetzt werden wohl die Meinungsforscher dazu übergehen, das „BSW“ in ihre Umfragen aufzunehmen – spätestens aber die Partei, die daraus in Kürze hervorgehen wird, auch wenn sie noch nicht bei Wahlen angetreten ist. Es nicht zu tun, würde angesichts der obigen Zahlen das Stimmungsbild verzerrt wiedergeben.
  • Ergänzung am 23.10.2023, 19:15 Uhr: Erstmals will sich die Partei, die aus dem BSW hervorgeht, bei den Europawahlen im kommenden Sommer zur Wahl stellen und im Anschluss an die im Herbst stattfindenden drei Landtagswahlen im Osten. Die Europawahl 2019 hatte den Niedergang der Linken erstmals deutlich sichtbar werden lassen, sie holte nur noch 5,5 Prozent und auch wir hatten sie damals erstmals nach längerer Zeit nicht gewählt – weil sie wichtige Punkte wie eine andere Ratingpolitik klammheimlich aus dem Programm geschmissen, mithin ihre Kapitalismuskritik zurückgefahren hatten. Eine Kapitalismuskritikerin ist allerdings auch Sahra Wagenknecht nicht. 

TH

20.10.2023: Es ist soweit. Mit „BSW“ startet Sahra Wagenknecht eine eigene Partei. Wir haben es mehrfach vorhergesagt und dazu nicht die BILD gebraucht, sondern konnten es aus dem Verhalten einiger besonders enger politischer Freunde  von ihr schließen, die wir persönlich kennen.

In diesem Artikel haben wir mehrere Entwicklungen in der Linken zusammengefasst:

BREAKING UPDATE 2: Die Wagenknecht-Partei kommt noch 2023 +++ Linke 2025 im Bundestag? +++ Dietmar Bartsch zieht sich zurück – Ende einer Ära für die Linke, Anzeichen für die Wagenknecht-Partei mehren sich (Leitkommentar)

Aber lassen wir Sahra Wagenknecht anhand ihres brandaktuellen Newsletters erst einmal selbst zu Wort kommen:

„In den letzten Monaten habe ich viel Post bekommen von Menschen, die mich ermutigt haben, eine neue Partei zu gründen – sei es aus Entsetzen und Wut über die Politik der Ampel, aus Enttäuschung über DIE LINKE oder aus Besorgnis angesichts der Wahlerfolge rechter Parteien. Ich bitte um Verständnis, dass ich nur einen Bruchteil dieser Mails persönlich beantworten konnte – auch weil ich nicht voreilig Hoffnungen wecken wollte. Mir fällt die Entscheidung nicht leicht. Doch nach dem katastrophalen Abschneiden von SPD und LINKE bei den letzten Landtagswahlen ist klar: Es braucht dringend eine politische Kraft, die der Ampel seriöse, durchdachte Konzepte entgegensetzt. Die Druck auf die Regierung ausübt, damit sich die Politik verändert. Eine politische Kraft, die für soziale Gerechtigkeit und eine wirtschaftliche Vernunft kämpft und sich für Frieden und Diplomatie einsetzt. Die für Aufklärung und Meinungsvielfalt einsteht – in einer Zeit, in der der öffentliche Raum für kritische Stimmen immer enger wird. 

Wie geht es nun konkret weiter, wird es eine solche politische Kraft geben und wie kann man sie unterstützen? Was hat es mit dem Verein BSW – für Vernunft und Gerechtigkeit auf sich? Diese Fragen beantworten wir am nächsten Montag um 10 Uhr in der Bundespressekonferenz, die ihr hier im Livestream verfolgen könnt: https://www.youtube.com/live/Q3xfPEnPNc0?feature=shared.“

Ansonsten äußert sich Wagenknecht im gestrigen Newsletter nur noch zur Gewalt in Nahost und Sie werden vermutlich schon ahnen, in welcher Weise: Das Muster ähnelt ihrer Stellung im Russland-Ukraine-Konflikt und liegt nahe an einer Täter-Opfer-Umkehr bezüglich der aktuellen Gewaltausbrüche und wird ihr Antisemitismusvorwürfe einbringen. Wir haben uns im letzten Trend-Newsletter nun zum dritten Mal zu diesem Konflikt geäußert, inklusive Beschuss des Krankenhauses im Gaza-Streifen. Wir können uns schlicht nicht vorstellen, dass er von Israel ausgegangen ist, denn das würde diejenigen befeuern, die an der Täter-Opfer-Umkehr im konkreten Fall arbeiten. Sicher ist natürlich nichts, aber manchmal hilft auch Logik, gerade wenn man in Kategorien wie „Cui bono“ denkt und meint, es gebe nur Absprachen, die auch wirklich funktionieren und nicht dumme Zufälle und menschliches Missgeschick aus Unfähigkeit.

Gerade Sahra Wagenknecht ist hingegen diejenige, die die Unfähigkeit der aktuellen deutschen Bundesregierung besonders hart geißelt.

Über die Gründung einer Partei habe sie schon einige Monate nachgedacht, wollte jedoch nichts überstürzen, sagte Wagenknecht. „Es dauerte so lange, weil man eine Partei nicht alleine gründen kann.“ Es brauche Mitstreiter, ein gutes Team. „Man darf ja sowas nicht leichtfertig auf den Weg bringen. Wenn, muss es so gut sein, dass es ein Erfolg werden kann. Und das hoffe ich jetzt.“ Die Linke sei nicht ihr politischer Gegner. „Ich bedauere, dass die Partei jetzt in diesem Zustand ist.“

Wagenknecht-Partei soll Bundesregierung unter Druck setzen

Die Lesung aus ihrem Buch „Die Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm – für Gemeinsinn und Zusammenhalt“ war ihr erster Auftritt nachdem bekannt wurde, dass die Politikerin am kommenden Montag das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ präsentieren will. Zunächst soll ein Verein dieses Namens offiziell vorgestellt werden. Geplant ist ein Auftritt mit mehreren Mitstreitern am Montagvormittag (10.00 Uhr) in der Bundespressekonferenz.

Sarah Wagenknecht: „Es sei an der Zeit, Neues zu schaffen“ | WEB.DE

Wir sind sehr gespannt darauf, wer mit ihr in der BPK am kommenden Montag sitzen wird., denn damit gibt es auch einen Fingerzeig, wer aus der Linken und möglicherweise aus der Bundestagsfraktion der Linken austreten und diese damit spalten und – nun ja, vernichten wird. Denn drei Mitglieder weniger ,und die Linke verliert ihren Fraktionsstatus und gilt nur noch als Gruppe. Das hat weitreichende Folgen für ihre Möglichkeiten der politischen Mitwirkung und Finanzierung. Ohnehin hat die Linke den Einzug in den Bundestag bei den Wahlen im Herbst 2021 in Fraktionsstärke nur geschafft, weil sie im Osten der Republik drei Direktmandate geholt hat, zwei in Berlin und eines in Leipzig, ansonsten verfehlte sie knapp die 5-Prozent-Hürde.

Und hier ein aktueller Link nachgereicht; in dem Artikel von heute befasst man sich ebenfalls mit Chancen und Risiken – und nennt konkrete Personen, die sich der Partei, die wir im Folgenden erst einmal „BSW“ nennen werden, anschließen oder sie unterstützen könnten. Zumindest bezüglich der wechselbereiten Bundestagsabgeordneten kommen wir später noch auf das Problem, das auch in diesem Artikel dargestellt wird: Bündnis Sahra Wagenknecht: Linken-Chefin Janine Wissler übt scharfe Kritik (t-online.de).

Wir erläutern nun unsere Ansichten zu Fragen, die mit dem BSW unweigerlich aufkommen werden:

  • Wird Wagenknecht den Aufstieg der AfD stoppen? Die AfD hat jüngst in einer Umfrage erstmals 23 Prozent Zustimmung bundesweit bekommen („Sonntagsfrage“), noch aktueller ist eine Berlin-Umfrage, die ihr erstmals in der Hauptstadt einen Stimmenanteil von 15 Prozent zuschreibt, sofern jetzt wieder Abgeordnetenhauswahlen wären.
  • Viele Kommentatoren sehen es ähnlich wie wir, allerdings haben wir neue Landtagswahlergebnisse zur Verfügung, die seitdem eingelaufen sind: Die Union verliert im Moment nicht mehr an Zustimmung, was die AfD jetzt dazukriegt, kommt von Nichtwähler:innen und geht zulasten der Bundesregierung, vor allem der SPD. Der Rechtstrend beschleunigt sich damit sogar, denn bisher hat die AfD auch am Potenzial der Unionsparteien gezogen.
  • Diese Tendenz ist nach unserer Ansicht tatsächlich kurzfristig nur mit dieser Neugründung zu drehen, wie immer man auch zu ihr stehen mag. Die Bundesregierung hat keine Antwort auf den Rechtstrend, sondern fängt an, ihm hinterherzulaufen, vor allem zulasten der Grünen. Wagenknecht hat hingegen den Vorteil, dass sie ihre Positionen durchziehen kann, die sie schon länger vertritt und die durchaus rechte Ansichten inkludieren.
  • Der immer schneller rotierende Rechtsdrall im Land könnte damit zumindest eine Aufspaltung erfahren. Dem BSW oder wie immer sich die Partei nennen wird, wenn sie denn wirklich steht, trauen wir ohne Weiteres bundesweit einen Stimmenanteil zu, der sie sofort in den Bundestag bringen wird. Für möglich, abhängig von den allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der nächsten Zeit, halten wir sogar die Zweistelligkeit. Damit würde Sahra Wagenknecht das gute, aber für manche doch enttäuschende Ergebnis übertreffen, das sie 2017 als Spitzenkandidatin für die Linke erzielt hat (9,2 Prozent). 
  • Was wird aus der Linken werden? Zunächst, siehe oben, wird sie ihren Fraktionsstatus im Bundestag verlieren. Es wird einen Aderlass in den Landesverbänden geben, was vor allem dort relevant ist, wo sie in den Parlamenten vertreten ist, und damit auch in Berlin. Hier wird sie allerdings nicht in Gefahr geraten, ebenfalls nicht mehr Fraktion zu sein, dazu ist sie mit zuletzt 12,2 Prozent der Stimmen bei der Wahl 2023 zu stark gewesen.
  • Natürlich gibt es viel weitreichendere Folgen. Es ist tapfer, logisch und richtig, sich von Wagenknecht befreit zu fühlen, wenn sie die Partei nicht mehr von innen spalten kann. Und es gibt einige Menschen, die ihr ohne Wagenknecht mehr Sympathie entgegenbringen werden als bisher, zum Beispiel aus dem Spektrum, das zwischen links und grün changiert. Aus dem Bereich könnte die Linke Stimmen holen, wenn die Grünen sich bei ihrem Paradepferd, der offenen Migrationspolitik immer mehr Beulen holen, in der Ampelregierung und sonst weiterhin so schlecht performen wie bisher. Ob das reicht, um 2025 wieder in den Bundestag einzuziehen? Für uns ist das offen, aber es wird auf jeden Fall knapp werden. Wir halten die Linke dort für notwendig. Eine gesellschaftslinke und gleichermaßen soziale Partei bräuchte es in Deutschland. Die Grünen stehen nicht für Letzteres, Das BS Wagenknecht wird nicht für Ersteres stehen. Da gibt es durchaus einen fortwährenden Bedarf für linke Politik dieser Art, zumal die Linke immer noch ein recht breites Spektrum vereinen wird. Fraglich ist allerdings, was aus Gruppierungen werden wird, die Wagenknecht nahestehen, aber wohl kaum ins BSW wechseln werden, wie der kommunistischen Plattform.
  • Auflösungserscheinungen in der verbleibenden Linken sind also nicht ausgeschlossen und damit wäre eine Marginalisierung der Partei sicher. Keine einzelne Gruppierung ist so stark, dass sie eine bundestagsfähige Partei im Alleingang bilden könnte.
  • „Nicht meine Feinde“: Ob Wagenknecht das selbst glaubt? Jedenfalls traktiert sie die Linke von innen heraus seit Jahren damit, dass sie sich nicht an Parteitagsbeschlüsse hält und von innen heraus opponiert und grundsätzlich die Arbeit der Parteivorsitzenden öffentlich infrage stellt, gleich, wer die handelnden Personen sind.
  • Wie wichtig und wie nachhaltig ist das BSW langfristig? Darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Wagenknecht und ihr Mann Oskar Lafontaine sind keine Teamplayer und eigentlich auch keine Konstruktivisten. Wo immer jemand anderer Ansicht ist, handeln sie nicht gerne demokratisch. Wagenknecht wird Anhänger und Helfer brauchen, aber keine Mitstreiter im gleichberechtigen Sinne dulden. Das heißt, es wird vermutlich auch nicht zum Aufbau einer Nachfolge kommen und nicht zu einem sehr starken Unterbau. Zumindest vorerst nicht. Organisatorisch wird die Partei besser funktionieren, als manche in der Linken denken oder hoffen, denn die Fähigen, die sich ganz auf Wagenknecht einschwören lassen, die gibt es sehr wohl.
  • Einige von ihnen könnten auch von den Gegenden, in denen das BSW von Beginn an stark sein wird, wie etwa in Berlin, in andere Regionen wechseln und dort die Aufbauarbeit machen. Die AfD hat als Gründung von einigen politisch unerfahrenen Professoren nur wenige Jahre gebraucht, um zu einer schlagkräftigen rechten Partei zu werden. Dem BSW werden auch begeisterte Anhänger von Wagenknecht zulaufen, die bisher nicht in der Linken waren. Daran denken verkopfte Strategen wie Gregor Gysi offenbar nicht, die ironischerweise genauso Kadergewächse der Linken sind wie Sahra Wagenknecht. Die Linke war aber nach der Wende nie eine populäre Zuwachspartei, kein Modul zur Mobilisierung, wie das BSW eines werden könnte, sondern musste schon als PDS eher um ihren Mitgliederbestand kämpfen.
  • Für uns ist der kurzfristige Erfolg des BSW so gut wie sicher, der mittelfristige offen. Bei der Beurteilung des mittelfristigen Erfolges können wir auf eine Beobachtung aus dem Jahr 2018 zurückgreifen, wo ihre missglückte „Aufstehen“-Bewegung 140.000 Interessent:innen eingesammelt hatte. Eine solche Interessiertheit ist keine Parteimitgliedschaft, aber wäre „Aufstehen“ damals Partei geworden, hätte es heute 100.000 Mitglieder, also fast doppelt so viele wie die Linke und dreimal so viele wie die AfD, davon sind wir überzeugt. Deswegen haben wir seinerzeit auch geschrieben, diese Sache wird nichts bringen, wenn Wagenknecht nicht wählbar ist. Fünf quälende Jahre hat es nun gedauert, bis diese Erkenntnis zu ihr selbst durchgedrungen ist.
  • Wirklich? Wir glauben, dass die Abspaltung nicht erst seit ein paar Monaten geplant wird, wie man gerne aus der Wagenknecht-Ecke kolportiert. Richtig hingegen ist, dass sie nicht wartet, bis sie aus der Linken ausgeschlossen wird und damit in die Opferrolle schlüpfen kann. Das wäre wirklich infam gewesen, denn es sind nicht nur die anderen schuldig am Zerwürfnis. Gleich, wie die Vorsitzenden der Linken gerade heißen und aus welcher politischen Ecke sie kommen, Wagenknecht kann nie mit ihnen. Das geht schon so, seit wir die Linke beobachten. Die Medien stellen diesen Streit sowohl inhaltlich-persönlich wie auch oft viel zu verkürzt dar, weil sie, mit Verlaub, nicht die Einblicke zu haben scheinen, die wir in die Linke nehmen konnten.
  • Langfristig ist der Erfolg des BSW für uns erst recht offen. Eine Bewegungspartei, und das ist das BSW, auch wenn Wagenknecht gegenüber zivilgesellschaftlichen Bewegungen einge grundfeindlich Einstellung zeigt, ist so sehr mit ihrer Person verknüpft. Eine Bewegungspartei ist das BSW auch deshalb, weil nicht ein langfristiger Kaderaufbau die Basis ist, sondern eine auf eine Person bezogene Fankultur; zivilrechtliche Bewegungen sind hingegen themengebundene Sammlungen, die mit ähnlicher Leidenschaft das Thema in den Vordergrund rücken, wie Wagenknechts Fans sie unterstützten wollen.
  • Risiken gibt es viele. Zum Beispiel muss Wagenknecht durchhaltefähig sein, sie muss eisene Nerven beweisen, beim Organisieren, bei der Fernhaltung von Extremisten, wenn Menschen daherkommen, die nicht exakt ihrer Meinung sind. Das alles ist nicht Wagenknechts Stärke. Vor allem darf es in dem Zusammenhang  nicht geschehen, dass sie noch einmal einen Burnout bekommt, wie 2019, als sie vom Fraktionsvorsitz der Linken zurücktrat; noch, dass sie sonst gesundheitlich irgendwelche Probleme entwickelt. Es wird vorerst keine Nummer zwei geben.
  • Jeder, der sich einen Deut zu viel hervortut, wird von ihr selbst und ihrem Mann, diesen beiden narzisstischen Persönlichkeiten, gebasht werden. Diese Zuschreibung klingt hart, ist es aber im Grunde gar nicht. Es geht nicht um Pathologisierung, sondern um den Stil der beiden, und der ist ziemlich klar zu erkennen, bei Lafontaine schon sehr lange, und sie bestärken sich gegenseitig darin. Das kann bei einer unangefochtenen Stellung von SW im BSW zu viel Drive führen, zu einem hochtourigen Engagement ihrerseits,aber birgt auch große Risiken für den langfristigen Erfolg. Wähler:innen, die etwas nachdenklicher sind, werden sich überlegen, ob sie eine mögliche neue Enttäuschung für sich und andere wählen werden.
  • Die fernere Zukunft stellen wir uns nur dann konkret vor, wenn das BSW hält, erfolgreich ist, Verbündete sammeln und Wagenknecht in eine Regierungsposition bringen kann. Dann wird etwas gefragt sein, was sie bisher nie zeigen musste: Kompromissfähigkeit und Netzwerken. Sie hat selbst kürzlich, ob ironisch oder ernst gemeint, gesagt, sie kann gar nicht organisieren, vermutlich bezogen auf Gregor Gysis diesbezügliche Aussage. Sicher, sie kann das auch in einer Regierungsposition wieder anderen übergeben, aber organisieren hat ja dann auch eine inhaltliche Komponente, nämlich ein Programm als Vision für die  Zukunft verkaufen, mnithin die Stimmung organisieren, die das Land zukunftsfähiger macht. Wir sind gerade auf dem Gebiet nach wie vor skeptisch, Wagenknecht betreffend.
  • Wir sehen eine große Gefahr, dass sie nicht nur die Bundesregierung und die AfD unter Druck setzen, sondern längerfristig auch die Demokratie (noch mehr) beschädigen wird, wenn sie ihre Fans enttäuscht. Dieser Effekt ist bei einer politischen Kraft, die auf eine Person zugeschnitten ist, die alles tragen muss und das letztlich nicht zur Zufriedenheit ihrer Anhängerschaft hinkriegt, viel ausgeprägter als bei breit aufgestellten Kaderparteien. Bei der AfD ist es genau umgekehrt: Wer auch immer wen gerade absägt und was es intern für Reibereien gibt, den Wähler:innen dieser Partei st das ziemlich egal, weil sie den Protest wählen und / oder das rechte Gepräge der Partei begrüßen, nicht einer glanzvollen Führungsfigur hinterherrennen. Im Grunde ist das sogar eine demokratischere oder auch unabhängigere Haltung, als eine Partei zu wählen, weil sie von einer vermeintlichen Erlöserperson geführt wird.

Man kann es aber drehen und wenden, wie man will: Das BSW ist die wichtigste politische Neuerung in Deutschland seit der Gründung der AfD. Diese fand vor zehn Jahren statt und erhielt damals bei Weitem nicht die Beachtung, wie Wagenknecht sie genießt, weil sie bereits bekannt ist. Das ist ein riesiger Startvorteil und der kurzfristige Erfolg ist beinahe unausweichlich, wenn sie keine groben Fehler macht. Wir glauben auch nicht, dass sie durch die Vorlage eines Programms, also durch Konkretisierung, Probleme bekommen wird. Das AfD-Programm und eigentlich alle Parteiprogramme werden selten gelesen und die Parteien von Menschen gewählt,  die  damit ihre eigenen Interessen verraten. Kritische Gedankengänge, wie wir sie oben dargelegt haben, werden ihre Wähler:innen, also ihre Fans, ohnehin vorerst nicht teilen.

Wir sind generell keine Fan-Typen, und das unterschiedet uns von vielen Menschen im Land, die es hinkriegen, Personen mit all ihren Widersprüchen hemmungslos zu glorifizieren, anstatt die Erwartungen maßvoll zu halten und die Selbstverantwortung für das politische Geschehen immer mitzudenken.

Die Lage im Land und in der Welt wird sich hingegen kurzfristig nicht so dramatisch verbessern, dass diese neue Kraft in den Augen potenzieller Wähler:innen obsolet würde, die in diesem Sinne ist, was man auch der AfD noch teilweise zuschreibt, nämlich eine Protestpartei. Eine Partei, mit deren Wahl man gegen das „Establishment“ protestieren zu können meint. Zudem ist Wagenknecht ist ein Popstar der Politik – vielleicht sogar der einzige verbliebene in Deutschland. Das sagt natürlich viel über die Langweiligkeit der anderen aus und leider ist Kanzler Scholz ein Symbol dafür, der jetzt die Menschen mitnehmen anstatt weiter verscholzen müsste.

In jeder Talkshow wird Wagenknecht gnadenlos majorisiert und oft auch mit guten Argumenten widerlegt, aber das schadet ihr gar nicht.  Eher im Gegenteil, weil sie so einsam tapfer wirkt, wie sich auch die Protestwähler oft fühlen, was bis zur Selbstwahrnehmung als Held:in gehen kann. Nachdem SW diese Wirkung ihrer Person nun hinreichend getestet hat und dabei nicht ärmer geworden ist, nachdem sie von der Stabilität ihrer Anhängerschaft überzeugt sein darf, kann sie mit ziemlicher Zuversicht die Parteigründung angehen. Wir hingegen sind zuversichtlich, dass wir noch viel zu berichten und nachzudenken haben.  Am Horizont sehen wir nach den letzten Landtagswahlen nämlich ein Problem auftauchen, das auch unser persönliches Wahlverhalten betrifft und eine Änderung bewirken könnte.

Was wäre, wenn?

Wir sind bei der Überlegung angelangt, wie es wäre, wenn nur durch die Wahl der Wagenknecht-Partei der Durchmarsch der ganz Rechten zusammen mit der Union noch gestoppt werden könnte, während eine Stimme für die Linke oder die SPD in diesem Zusammenhang verschenkt wäre, erst recht die Stimme für eine linke Kleinpartei. Bisher haben wir Überzeugung und Taktik ganz gut in Einklang bringen können, aber es wird immer schwieriger, selbst im Westen und vielleicht auch bei den nächsten Berlin-Wahlen. Wir waren schockiert, als wir die neueste Umfrage gesehen haben, die die AfD nun auch in Berlin auf einem Allzeit-Hoch bei 15 Prozent sieht. Wer sagt uns, dass die Brandmauer noch lange halten wird und die CDU nicht nach einer kommenden Wahl mit der AfD zusammen eine Stadtregierung bildet, während das linke Potenzial weitgehend ausgeschöpft ist, das wir bisher hatten? Wir lagen auch bezüglich CDU und Giffey-SPD als neue Koalitionspartner richtig, die nun die Rechtsverschiebung bereits einleiten. Einen Keil in diese Entwicklung könnte man vielleicht nur durch die Wahl der Wagenknecht-Partei treiben, die weder mit der CDU noch mit der AfD zusammengehen wird, wenn sie glaubwürdig sein will. Das ist alles höchst unbefriedigend und nicht die linke Progression, nicht die moderne, zukunftsorientierte Politik, die wir uns vorstellen, aber wir haben leider auch schon diese Mentalität aufgesaugt, die da heißt: wir wählen etwas nicht Befriedigendes, damit es nicht noch schlimmer wird. Wir müssen eben leider anerkennen, dass unsere Überzeugungen nicht von einer größeren Partei gespiegelt werden, die Einfluss auf das poliische Geshehen nehmen kann. Im Prinzip war das auch schon bei der Zustimmung für die Linke in den  letzten Jahren der Fall, dass wir nicht mehr wirklich überzeugt waren, aber trotzdem unser(e) Kreuz(e) bei ihr gemacht haben.

Deswegen haben wir heute bei einer Umfrage unser Abstimmungsverhalten geändert. Wir haben bezüglich des Wählens einer Wagenknecht-Partei nicht mehr mit „eindeutig nein“, sondern  mit „eher nein“ gestimmt. Es ist uns auch klar, dass dabei der psychologische Effekt eine Rolle gespielt hat, dass es diese Partei tatsächlich geben wird. Wir gingen schon bisher davon aus, aber es ist anders, wenn die Person, um die sich alles dreht, inklusive sie selbst, es auch selbst sagt, nachdem sie die Leute so lange genervt oder erwartungsvoll gestimmt hat oder was immer, um die Spannung hochzuhalten und vielleicht auch tatsächlich, weil alles erst einmal im Hintergrund – sic! – organisiert werden musste. Wenn wir auch nur den Hauch einer Chance sehen würden, dass eine kleinere Linkspartei massentauglich wird oder die Linke sich so erholt, dass sie wieder wichtig wird, würden wir diese Überlegungen nicht anstellen. Aber so ist die Realität nicht. Und wenn wir die  Realitätsverweigerung vieler Menschen kritisieren, können wir nicht mit schlechtem Beispiel vorangehen und uns dieser politischen Realität verschließen.

Dieses Realität verändert sich jeden Tag und die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber die Landtagswahlen in Hessen und Bayern waren ein klares Signal dafür, dass jede Chance genutzt werden muss, um den rechtskonservativ-rechtsextremen Durchmarsch irgendwie zu verhindern, auch wenn die Chance sich aus einer sehr durchwachsenen Mischung aus sozialdemokratischer Sozialpolitik und national-pragmatischer Außen- und Migrationspolitik zeigt. Vor allem auf dem Feld der Außenpolitik allerdings, das betonen wir auch in diesem Beitrag noch einmal, wird Wagenknecht noch viel zurückstecken müssen, wenn sie im Gefüge der BRD Realpolitik machen will. Das müsste sie eigentlich wissen und sollte aufhören, ihren Anhänger:innen diesbezüglich eine quasi ganz neue Orientierung, eine Pax Wagenknecht, zu versprechen. Innen- und sozialpolitisch sehen wir eher Chancen, dass sie ein bisschen was bewegen kann, und sei es durch den angesprochenen Druck auf die aktuelle Regierung in sozialpolitischen Fragen. Ein wichtiger Test wird für uns sein, ob sie es schafft, endlich für eine gerechtere Vermögensverteilung zu sorgen und den Ungleichheitstrend zulasten der Mehrheit und damit auch die Abkehr vom Leistungsprinzip, stoppen zu helfen. Damit kann man bei uns viele Punkte machen, denn es gibt aktuell keine relevante Partei, die dieses Grundproblem der Gerechtigkeit auch nur anzufassen wagt.

Also müssen wir uns nun entscheiden, ob wir mit diesem Mix leben können, wenn es wieder zur Wahlurne geht. Immer noch eher nein, aber im Fall einer drohenden weiteren Rechtsverschiebung vielleicht doch. Gut, dass wir erst einmal nicht gefordert sind, sondern dass die nächsten Wahlen im Osten stattfinden werden. Da wird sich einiges verschieben, wenn BSW dann schon dabei ist, und das sollte ja wohl das Ziel von SW sein: Wo das Potenzial für sie am größten ist, gleich Marksteine zu setzen. 

TH

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