Das Wort zur Sonntagsfrage: Bundestagswahl, Berlinwahl, Nachholung #btw21, Europawahl 2024, Special Frankreich | Briefing 367 | PPP, Politik, Personen, Parteien

Briefing 367 PPP, Umfrage, Sonntagsfrage, Bundestagswahl, Frankreich, Präsidentschaftswahl / Parlamentswahl, Berlin, Abgeordnetenhauswahl, Wiederholungswahl

Nach längerer Zeit besprechen wir heute wieder die Sonntagsfrage, obwohl Freitag ist. Wir tun das für die Bundestagswahl und für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus.

Civey-Umfrage: Wen würden Sie wählen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre? – Civey

Deutschland, Bundestagswahl

Da sich das Ergebnis laufend verändert, reicht der Link nicht aus, wir müssen es kurz auf dem Stand vom 24.11.2023, 11:30 Uhr referieren, inklusive der Veränderung zur Bundestagswahl 2021:

  • SPD 15,8 Prozent (-9,9 Prozent)
  • CDU/CSU 31,3 (+7,2)
  • Grüne 13,4 (-1,4)
  • FDP 5,9 (-5,6)
  • AfD 19,2 (+8,9)
  • Linke 4,1 (-0,8)
  • Sonstige 10,3 (+1,6)

Dass die CDU unter Friedrich Merz wieder bald über 30 Prozent kommen würde, haben wir 2021 bereits im Zuge unserer Wahlberichterstattung angenommen. Das Problem dabei ist, dass dies sich mit einem großen Plus bei der AfD addiert – wir sind eher davon ausgegangen, dass die Union sich Wähler auch von rechts zurückholen kann, nachdem die AfD 2021 gegenüber 2017 fast 2 Prozent verloren hatte. Das obige Ergebnis für die CDU ist aber das höchste, das wir bisher seit Jahren gesehen haben. Dass zwischen CDU und FDP ein relativ starker Wähleraustausch stattfindet, sich die CDU also auch von dort wohl Stimmen organisiert hat, ändert nichts an dem Gesamtbild, nur weil die FDP in der Ampelkoalition gelandet ist, wo sie nicht hingehört: Die rechten Parteien sind erheblich stärker geworden, die Mitte, also SPD und Grüne, verliert. Die Linke hat sich selbst zerlegt und deren Umfragewert spiegelt ganz sicher nicht das Potenzial für linke Politik in Deutschland.

Auffällig ist jetzt eine andere Verschiebung: Die AfD scheint zumindest nach dieser Umfrage vorerst ihren Zenit überschritten zu haben, unter 20 Prozent sind im Vergleich zu dem, was andere Institute kürzlich ausgewiesen haben, eher wenig. Dafür legen die Sonstigen deutlich zu. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Wer zum Beispiel vorhat, das „BSW“ oder wie die Partei von Sahra Wagenknecht heißen wird, zu wählen, der muss gegenwärtig noch einen Klick bei den Sonstigen setzen weil das BSW von Civey noch nicht integriert wird. Richtigerweise, wie wir meinen. Es würde sich sogar vertreten lassen, dass man es bis zur nächsten Bundestagswahl nicht gesondert ausweist, denn es ist nun einmal gegenwärtig keine im Bundestag vertretener Partei und die wenigen Abgeordneten, die es von Beginn an haben wird und die aus der Linksfraktion generiert wurden, sind keine Fraktion, wie diese selbst keine Fraktion mehr ist.  

Es ist viel passiert, seit der letzten Bundestagswahl, das spiegelt sich in den obigen aktuellen Werten. Es war allzu leicht für die rechten Parteien, Stimmenzuwächse zu verbuchen. Wir sprechen nicht nur von Umfragewerten, sondern zum Beispiel auch vom Ergebnis der letzten Landtagswahlen in Hessen und Bayern. In letzterem Bundesland vereinigten rechte Parteien am 8. Oktober 2023 mehr als zwei Drittel der Wählerstimmen auf sich, in Hessen kam die AfD erstmals in einem westlichen Bundesland auf ein Fünftel aller abgegebenen und gültigen Stimmen. Das sind große Trends, und sie gehen einher mit einer gleichgerichteten Entwicklung in vielen anderen europäischen Staaten.  Das ist besorgniserregend in Bezug auf die Demokratie und der Grund- und Menschenrechte, eines besseren gesellschaftlichen Miteinanders und der Zukunftsfähigkeit der betroffenen Länder.

Europa, Frankreich

Nur wenige Länder widersetzen sich diesem Trend so einigermaßen, nicht wirklich überzeugend, wie die beiden iberischen Staaten, von denen jeder gerade eine politische Krise durchläuft. Gerade in den reichen Ländern aber sieht es düster aus, wie gerade in den Niederlanden gesehen, wo Populist Geert Wilders 37 von 150 Abgeordneten mit seiner Partij voor de Vrijheid (PVV) geholt hat (23,6 Prozent Stimmennteile).

Nicht anders in den wichtigen, großen Kernländern Europas, Frankreich und Italien. Italien hat seinen Rechtsruck schon, werfen wir also einen kurzen Blick auf Frankreich.

Die nächste wichtige nationale Wahl dort ist, wie bei uns, die Europawahl 2024:  europe elects – Suche / X (twitter.com), bezüglich einer Parlamentswahl in Frankreich sieht es so aus: Frankreich: Aktuelle Sonntagsfragen, Wahlumfragen & Wahltrends (politpro.eu). Also insgesamt ähnlich, die Umfragewerte sind vom Juli 2023, könnten sich seitdem noch einmal etwas verschoben haben. Wenn das der Fall ist, dann vermutlich nicht nach links.

Präsident Emmanuel Macron hätte erhebliche Mühe, wieder Präsident zu werden, obwohl er erst 2022 wiedergewählt wurde, für immerhin fünf Jahre (zuvor war eine Amtszeit sogar auf 7 Jahre angelegt, diese Zeit hatte Präsident Chirac im Jahr 2000 verkürzen lassen). Macron hat also noch einige Jahre, um, das Blatt zu wenden. Aber es gibt nicht nur die Präsidentschaftswahlen, sondern auch Kommunal- und Regionalwahlen und eben die Europawahl, die aufgrund der Tendenzen in vielen Ländern ein Fest für die Rechten werden wird, wenn nicht noch innerhalb von 7 Monaten erhebliche neue Tatbestände das politische Lagebild verändern.

Das politische Spektrum in Frankreich scheint ohnehin für immer neue rechte Parteien offen zu sein, erst 2021 wurde eine Partei namens Reconquête gegründet, die noch einmal weiter rechts steht als das RN (Rassemblement National), der frühere FN (Front National), von Marine Le Pen. Kaum gibt diese sich etwas gemäßigter, wird sie rechts überholt.

Nicht weniger als 7 Prozent würde die neue ultrarechte Partei bereits jetzt erreichen, das RN selbst würde die RE (Renaissance, bis 2022 République en Marche) von Macron überholen (26/20) und die klassischen rechtskonservativen Republikaner kämen auf 11 Prozent. Das ist auch im Dreierpack noch keine absolute Mehrheit, aber würde wohl ausreichen, um Marine Le Pen ins Amt zu verhelfen. Es gibt für die Präsidentschaftswahl keine aktuellen Umfragen. Im Jahr 2022 hatte Macron in der Stichwahl 58,5 Prozent erhalten, Le Pen 41,5 Prozent. Das sieht zwar recht deutlich aus, aber seit eineinhalb Jahren hat sich viel verändert, wie in anderen europäischen Ländern. Obwohl Frankreich wirtschaftlich besser durch die letzten Krisenjahre kam als Deutschland, ist man westlich des Rheins unzufrieden, und wieder einmal spielt die Migrationspolitik dabei die entscheidende Rolle. Die Veränderung bei den Parteien, die wir verlinkt haben, lässt darauf schließen, dass auch die Direktwahlen zum Präsidenten / zur Präsidentin für Macron schlechter laufen würden als noch im April 2022. Schon damals hatte Macron gegenüber dem Ergebnis von 2017 ca. 8 Prozent an Marine Le Pen abgeben müssen, die auch beim ersten Kampf Macrons um die Präsidentschaft seine Stichwahl-Konkurrentin war.

Berlin, Abgeordnetenhauswahl

Civey-Umfrage: Wen würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Abgeordnetenhauswahl wäre? – Civey

Die letzten Berlinwahlen sind bekanntlich noch nicht lange her und es gibt aktuell deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Meinungsforschungsinstituten. Institute rechnen der CDU bis zu 29 Prozent zu, der Durchschnitt liegt etwa auf Höhe des letzten Wahlergebnisses von 28,2 Prozent: Abgeordnetenhauswahl Berlin: Neueste Wahlumfragen im Wahltrend | Sonntagsfrage #aghw (dawum.de). Die Linke und vor allem die SPD würden weiter verlieren, die AfD mehr hinzugewinnen, als diese beiden Parteien zusammen verlieren. Die FDP würde noch einmal leicht abgeben müssen und wäre wieder nicht im AGH vertreten.

Civey weist hier deutlich abweichende Werte aus, sieht z. B. die SPD etwa auf ihren 18 Prozent aus der letzten Wahl, die CDU aber bei etwa 3 Prozent weniger, die Linke bei 12 Prozent, was Gleichstand mit der Februarwahl bedeuten würde. Angesichts von der Gesamtentwicklung der Partei ein großer Erfolg des Berliner Landesverbandes. Man profitiert mittlerweile offenbar davon, (endlich wieder) Opposition zu sein und nicht mehr in einem Bündnis mit zwei Parteien regieren zu müssen, die weiter rechts stehen als man selbst. Für eine linke Partei ist ein Mitte-Links-Bündnis in Regierungsverantwortung selten förderlich, die kommenden Wahlergebnisse betreffend. Besonders dann, wenn man nicht federführend in diesem Bündnis ist, sondern der kleinste Partner, wie die Linke es zwischen September 2021 und Februar 2023 war.

Das Ergebnis der Grünen bei Civey entspricht in etwa dem Gesamttrend und dem Ergebnis der Wahl vom Februar 2023, möglicherweise mit minimalen Zuwächsen. Auch hier wieder: Ein Erfolg der Grünen in Berlin, gegen den Bundestrend, und eine typische Erholung in der Opposition, wenn auch nicht so stark ausgeprägt, zumal die Berliner Grünen als Regierungspartei in manchen Bereichen, wie der Verkehrswende, das Agenda-Setting bestimmten und damit in von den meisten Innenstadtbewohner:innen als positiv gestaltende Kraft wahrgenommen wurden.

Große Abweichungen zwischen Civey und dem Durchschnittstrend gibt es, wie man bei den Balken bzw. Säulen sieht, auch bei der AfD. Würde sie wirklich derzeit 15 Prozent bekommen, wie der allgemeine Trend es bedrohlicherweise aussagt, oder verhielte sie bei 12 Prozent, dem gegenwärtigen Civey-Ergebnis? Waren nicht schon die 9 Prozent im Februar 2023 eine Verbesserung? Doch, + 1 Prozent gegenüber dem Herbst 2021. Aber im Jahr 2016, das scheint schon lange zurückzuliegen, kam sie bereits auf 14,2 Prozent. Es war das „Wir schaffen das“-Jahr. Die Ankündigung seitens der Kanzlerin kam zwar im August 2015, aber die Umsetzung war vor allem 2016 gefragt und lief in Berlin von amtlicher Seite richtig schlecht. Kein Vergleich zum aktuellen Managemen vor allem der Ukraine-Geflüchteten. , Dieses ist zwar genauso fordernd, vielleicht sogar fordernder, aber es verursacht viel weniger politischen Wirbel. Da hat man in der Politik tatsächlich etwas dazugelernt. Trotzdem wird das Raunen über die Kapazitätsgrenzen in der Stadt lauter, dafür sorgt vor allem die zuständige Politik selbst.

Wir würden nicht die Hand dafür ins Feuer legen wollen, dass die AfD das 2016er Ergebnis nicht wiederholen oder toppen könnte, wären jetzt Abgeordnetenhauswahlen in Berlin. Diese finden aber erst 2026 wieder statt. Die Wahlperiode nach der Wiederholungswahl vom diesjährigen Februar ist verkürzt, weil es eben eine Wiederholung war, der erste Vorgang dieser Art in der Geschichte der Bundesrepublik. Es handelt sich dabei nicht um eine vorgezogene (außerplanmäßige) Neuwahl aus politischen Gründen (findet zumeist statt, weil eine Koalition „platzt“), sondern um eine Wahlwiederholung wegen mangelhafter Organisation. Auch der Berliner Teil der letzten Bundestagswahl muss teilweise wiederholt werden. Im Grunde ein Unding, angesichts von mittlerweile zwei Jahren seit der letzten Bundestagswahl und all den Verschiebungen bei den Wählerpräferenzen, die sich seitdem ergeben haben. Und es ist immer noch nicht klar, wann der Termin sein wird. Wir stellen uns gerade vor, das BVerfG (Bundesverfassungsgericht) würde sich so lange Zeit lassen, dass die (dann in Berlin hoffentlich wieder regulären) Bundestagswahl von 2025 gelaufen wäre, wenn endlich der Termin für die Wiederholung von 2021 ansteht. Wiederholungswahl in Berlin – Die Bundeswahlleiterin:

Der Deutsche Bundestag hat die teilweise Wahlwiederholung am 10. November 2022 beschlossen. Die Entscheidung ist jedoch nicht bestandskräftig geworden, da mehrere Wahlprüfungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht erhoben wurden. Diese werden nun durch das Bundesverfassungsgericht geprüft. Die Dauer eines solchen Verfahrens ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Sie steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Daher ist offen, ob, in welchem Umfang und wann die Bundestagswahl in Berlin wiederholt wird.

Sofern nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die Bundestagswahl 2021 in Berlin zu wiederholen wäre, müsste diese Wahlwiederholung nach den Maßgaben der Entscheidung binnen 60 Tagen stattfinden.

TH

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