Under Fire / Unter Feuer (Under Fire, USA 1983) #Filmfest 1016

Filmfest 1016 Cinema

Under Fire (Alternativtitel: Unter Feuer) ist ein US-amerikanischer Politthriller von Roger Spottiswoode aus dem Jahr 1983. Die Rahmenhandlung ist sehr eng an die Revolution in Nicaragua von 1979 angelehnt, bei der die linksgerichtete sandinistische Befreiungsbewegung den lange von den USA unterstützten[1] Diktator Somoza stürzte.

Wir müssen uns zurückversetzen ins vordigitale Zeitalter, um zu verstehen, welche Bedeutung die Geschichte vom gefälschten Foto hat, das in diesem Film eine zentrale Rolle spielt. Heute jemanden so zu bearbeiten, dass er jeden Ausdruck annehmen kann, aus einem Toten einen Lebenden zu machen – alles kein Problem mehr. Aber damals mussten noch kunstvolle Arrangements getroffen werden, damit alles echt wirkt. Dabei beweist die Geschichte der Fotografie, besonders, wenn es um Politik ging, dass schon seit langem herumretuschiert wird, um sachdienliche Ergebnisse zu erzielen und die Wahrheit ein wenig zu beeinflussen. Worum es im Film sonst noch geht und warum er spannend ist, steht in der –> Rezension.

Handlung (1)

Afrika, Ende der 1970er Jahre: Der Fotoreporter Russell Price will neutrale Bilder eines Bürgerkrieges im Tschad machen und trifft bei den Rebellen auf seinen alten Bekannten Oates, einen zynischen US-amerikanischen Söldner. Der beschwert sich, dass dies ein „Scheißkrieg“ sei und Bezahlung, Verpflegung und Ausrüstung zu wünschen übrig ließen. Er gedenke nach Lateinamerika zu gehen, denn da gebe es für ihn noch gute Arbeit. Anschließend klärt Price den verblüfften Söldner auf, dass der Lastwagen, auf dem sie beide mitfahren, gar nicht zu den Regierungstruppen gehört, und dass der Söldner irrtümlich bei den Rebellen gelandet sei.

Nicaragua, Sommer 1979: Der Konflikt zwischen den Regierungstruppen des von den Vereinigten Staaten unterstützten Diktators Somoza und den linken Sandinistas unter ihrem Anführer Commandante Rafael verschärft sich zusehends. Price reist in die Hauptstadt Managua, um den Konflikt zu dokumentieren, von dem er sich eine gute Story verspricht.

Kaum angekommen, wird er Zeuge eines Attentats auf einen CIA-Agenten. Price versucht, dem Bürgerkrieg mit der naiven Neutralität eines professionellen Fotojournalisten zu begegnen („Ich stehe auf keiner Seite, ich mache nur Fotos“). Parallel zur Haupthandlung wird die sich entwickelnde Liebesbeziehung zwischen Russel und seiner Kollegin Claire beschrieben, die zuvor mit seinem besten Freund Alex Grazier zusammen war, was für einige Konflikte sorgt.

In Nicaragua trifft er den US-Söldner Oates wieder, welcher von seinem neuen Job begeistert ist. Gute Bezahlung, leichte Arbeit und gute US-Ausrüstung. Der Söldner ist gerade dabei, einen LKW mit Verdächtigen zu beladen. Er gibt Russel dabei zu verstehen, dass dies deren letzte Reise sein wird.

Insbesondere die Figur von Commandante Rafael, dem charismatischen Anführer der Rebellen, hat es Russel angetan. Mit Hilfe seiner mittlerweile guten Kontakte versucht er, ein Interview mit Rafael zu arrangieren. Die Dolmetscherin von Alex, der anfangs als Kommentator des US-Fernsehens ebenfalls vor Ort ist, hilft mit ihren Kontakten und ermöglicht Price eine Zusammenkunft mit Rafael. Nach einer schier endlosen Fahrt durch den Urwald im Versteck der Rebellen angekommen, muss Price allerdings feststellen, dass Rafael bereits tot ist – er wurde einige Tage zuvor in einem Feuergefecht von den Truppen Diktator Somozas getötet. (…)

Rezension 

Es geht also um die Macht der Medien, uns die Welt so zu zeigen, wie sie es haben wollen, und wir sollten vorsichtig damit sein, irgendetwas einfach so zu akzeptieren, was die Nachrichten zeigen. Noch einmal verstärkt hat sich unsere persönliche Skespis, seit immer häufiger nicht Filmbeiträge von autorisierten Korrespondenten und deren Kameraleuten aus Krisengebieten gezeigt werden, sondern Handy-Videos von möglicherweise Beteiligten, die selbstverständlich aus deren Sicht und nicht neutral gefilmt sind. Für uns ist diese Entwicklung ohnehin ein journalistischer Offenbarungseid. Anstatt, dass lieber mal kein Filmchen gezeigt wird, wenn kein seriös überprüfbares Material vorhanden ist, schaffen es wackelige und verschwommene Smartphone-Videos bis in die Tagesschau. Amateur-Werke, die alles Mögliche belegen oder widerlegen können. Für die Redaktionen ist das im Grunde sehr praktisch und sogar kostensparend, aber der Zuschauer wird noch mehr als früher damit konfrontiert, dass der Wahrheitsanspruch dessen, was wir sehen, sehr, sehr relativ geworden ist.

Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung der Rezension im  Jahr 2023: Später hat man nach unserem Eindruck versucht, diese Tendenz wieder ein wenig einzugrenzen, aber die neuen oder wieder aufgebrochenen Konflikte in der Ukraine oder in Nahost sind natürlich auch ein Nährboden für die Verbreitung von strittigem Bildmaterial, weil die Korrespondenten der Sender nicht überall und nicht rechtzeitig vor Ort sein können. Der Zwang, etwas zu zeigen, aber in den letzten Jahren nicht gerade geringer geworden ist, weil jeder ein Handy hat, mit dem er filmen kann. Lässt man bei spektakulär wirkenden Privatbildern ohne Möglichkeit der Authentifizierung des Gezeigten lieber die Finger davon oder bringt man sie doch,  weil die Konkurrenz es auch tut? Was der Hauptakteur im Film tut, ist, Fake News verbreiten – wenn auch im Sinn einer Sache, die nicht nur nach seiner Meinung besser ist als die der anderen Seite. 

Tritt wegen der Foto-Angelegenheit das eigentliche Anliegen des Films zurück? Die Sache mit dem gefälschten Foto macht den Reporter Russell Price zum Beteiligten und enthebt ihn der bisherigen Neutralität. Er muss ja entscheiden, ob er klarstellt, dass es gefälscht ist und ob er damit der Revolution einen Schlag versetzt. Wir sehen, wie schwierig es für Journalisten manchmal doch ist, nicht Partei zu ergreifen. Und wieder denken wir darüber nach, was wir von Nachrichten halten sollen, die nicht nur kulturelle Tatbestände kundgeben, sondern politisch sind. Die Format-Trennung zwischen Nachricht und Kommentar suggeriert etwas, das es nicht gibt, nämlich, dass Meinung und Nachricht vollkommen getrennt werden können. Schon die Auswahl von Bildern und der Bericht, sei es in die Kamera oder auf Papier, ist eben eine Auswahl, und diese kann nicht neutral sein.

Medienrezeption anhand dieses Films zu lernen, der weitere Aspekte beinhaltet wie den Klau journalistischer Fotos, um damit Gegner aufzuspüren und hinrichten zu lassen, die Presse-Inszenierungen von Diktatoren als Familienmenschen und Freunden des Lebens und der schönen Frauen und was sonst alles sie sympathisch oder wenigstens erfolgreich erscheinen lassen könnte, in den Augen naiver Zeitgenossen, das alles kommt in „Under Fire“ ohne Umschweife zur Sprache.

Aber da ist einiges mehr. Ganz sicher ist dies einer der bis dahin realistischsten Filme über Kriegsjournalismus. Man kann die Revolution nicht nur sehen, sondern riechen und schmecken, und die die Filmschauspieler sind mittendrin. Für Nick Nolte, den bärigen Typ, der gerade seinen Durchbruch mit „Nur 48 Stunden“ hatte, eine gute Fortschreibung jener Cop-Rolle, auch wenn er in „Under Fire“ seine Meinung erst mit der Zeit entwickelt und uns auf diese Weise mit in den Kampf der Sandinisten gegen das Somoza-Regime hineinzieht – so, wie ihn seine Tätigkeit vor Ort hineingezogen hat.

Der Straßen- und Häuserkampf ist nicht nur gut gefilmt, er steht stellvertretend für alle diese Kämpfe in vielen Ländern. Wir haben uns sofort an den Jugoslawien-Krieg der 1990er erinnert gefühlt. „Under Fire“ hat unter Verwendung der neuen Mittel des Action-Kinos, den Politthriller auf eine realistisch wirkende, basisorientierte Art erneuert, komplexere politische Vorgänge geradezu prototypisch vereinfacht und damit erklärt. Wir sehen keine Salonrevolutionäre oder gewieften Strategen in Geheimdiensten, sondern Straßenkämpfer, die unser Herz gewinnen, weil sie an die gerechte Sache glauben. Sicher ist der Film auch bewusst meinungsbildend, Ein Werk, das Medienmanipulation zeigt, sollte sich seiner eigenen Wirkung gegenüber im Klaren sein.

Der Film hat neben der gelungenen Action, der Mediendarstellung und der Politikerklärung, die mit einer eindeutigen Botschaft verbunden ist, zwei weitere Pluspunkte: Das Drehbuch ist trotz der szenenorientierten Filmweise nachvollziehbar und weist keine Logiklöcher auf, Vieles, was die Figuren hier tun, wirkt nicht nur wie eine von mehreren Möglichkeiten, die man als realistisch ansehen kann, sondern beinahe zwangsläufig. So auch die Solidarisierung der Journalisten mit den sandinistischen Guerilleros. So aber auch die Liebesgeschichte, die auf eine recht glaubwürdige Weise eingewoben ist und die mit den Geschehnissen ihren Fortgang nimmt, deren emotionale Temperatur jenem Geschehen folgt, nicht, wie bei vielen Filmen in umgekehrter Richtung.

Alles dies macht den Film für eine große Zahl von Zuschauern interessant, und der bis dahin kaum bekannte Regisseur Roger Spottiswoode landete 1983 einen Überraschungserfolg mit „Under Fire“. Pikant ist daran natürlich, dass der Film klar Stellung gegen die Einmischungspolitik der USA in Nicaragua bezieht und damit gegen Vorgänge dieser Art überall auf der Welt, der damals ganz aktuelle Fall war Grenada. Der Söldner oder Geheimdienstler, der nur den Oates heißt, keinen Vornamen zu haben scheint, ist das wandelnde Symbol für diese Einmischung, die nicht ganz anoym ist, aber beliebt, jobmäßig für die Ausführenden, nie emotional involviert oder gar an sogenannten Werten orientiert.

Russell kennt Oates bereits aus Afrika und stolpert immer dort über ihn, einmal geradezu im wörtlichen Sinn, als es gerade heiß hergeht. Der Mann ist ein ausführendes Organ des US-Imperialismus und in jenen Jahren besonders der Reagan-Doktrin, die das Tricksen und Täuschen, sogar an Maßgaben der gewählten US-Volksvertreter vorbei, zu einem groß angelegten Politikstil machte. Als George W. Bush einen ganzen Krieg aufgrund von absichtlichen Fehlinformationen der Geheimdienste inszenierte, brauchte er nur auf die vorhandenen Mittel, Techniken und eine ihm gemäße Mentalität zurückzugreifen. Alles, was  durch Terroristen und überhaupt durch Dritte geschieht, muss daher auch strikt unter dem Aspekt überprüft werden, welchen Propagandazweck es erfüllt und ob man das nur ausgenutzt oder ein wenig nachgeholfen hat, um die Interventionspolitik so gestalten zu können, dass man etwas wie ein auf den ersten Blick glaubwürdiges Narrativ vorweisen kann.

Der einzige Gag in einem ansonsten ernsten Film ist genau jenem Oates gewidmet. Russell klärt ihn in Afrika darüber auf, dass er bei der falschen Truppe gelandet ist – was auch bedeuten kann, dass er auf die Leute schießt, die er eigentlich unterstützen soll. Wenn es einen Moment gibt, der den bodenlosen Unsinn und den unermesslichen Schaden verdeutlicht, den Schreibtischstrategen in Washington anrichten können, wenn sie in Situationen eingreifen, die sie nichts angehen und deren aus dem Ruder laufen gegen ihre eigenen Interessen sie durch ihr Eingreifen geradezu provozieren, dann diesen. Ob das in einem ansonsten nicht kryptischen oder verdeckt argumentierenden Film so gedacht ist, wissen wir nicht, aber mehr als 30 Jahre nach „Under Fire“ wissen wir ja wieder etwas mehr, und das steigert die Symbolwirkung der Szene.

Dass die USA mit dafür gesorgt haben, dass Nicaragua ein weiteres Jahrzehnt des Leidens nach den hier gezeigten Ereignissen von 1979 durchzustehen hatte, indem es die Contra-Rebellen massiv unterstützte, die nach dem Sieg von General Ortegas Sandinisten die Gegenrevolution in Marsch setzen wollten, ist bekannt und gehört zu den beschämenden Kapiteln der jüngeren US-Geschichte, die immer zahlreicher werden, aber in unserer Wahrnehmung hinter dem Vietnamkrieg oder 9/11 und dem Irakkrieg beinahe in Vergessenheit geraten sind. Gut, dass Filme wie „Under Fire“ immer wieder gezeigt werden.

Finale

Es dauerte ein wenig, bis wir mit dem Film und seinen Darstellern warm wurden, auch deshalb weil alles in Afrika startet, was aber gut begründet ist, denn die Söldner und Kriegsberichterstatter ziehen nun einmal von Brennpunkt zu Brennpunkt und auch dies darf man ruhig als Ausgangslage gezeigt bekommen.

Vielleicht ist das ja auch eine Manipulation, der wir aufgesessen sind – dass die Distanz zu den Figuren, die man zu Beginn einhält, gewollt ist. So wirkt der Effekt stärker, dass wir mit ihnen sogartig in den nicaraguanischen Krieg hineingezogen werden.

Manchmal schwingt sich Hollywood durchaus zu bemerkenswerten Werken mit Ansichten und Einsichten auf, sogar während der Reagan-Ära war das möglich. Vielleicht war es aber auch noch eher möglich als fünfzehn Jahre später unter George W. Bush. In einigen Szenen weist „Under Fire“ auch schon gut auf die kommenden, großen Vietnamfilme hin, die von 1986-1988 gedreht wurden und ein äußerst schwieriges und damals noch ziemlich aktuelles Sujet differenziert und hinreichend kritisch darstellen – die Faszination für die Action, die man in „Under Fire“ beobachten kann, teilen sie allerdings. Ohne sie kann man in den USA nichts an den allgemeinen Kinozuschauer bringen, und der muss zur Kinokasse gehen. Ein Subventionsfilmsystem, das kritisches Filmen von Autorenfilmern für Minderheiten möglich macht, gibt es dort nicht.

Eine lobende Erwähnung muss die Musik von Jerry Goldsmith bekommen, die sich zwar ein wenig an die Südamerika-Revolutions-Filmmusiken von Komponisten wie Maurice Jarre anlehnt, aber sehr modern und dem Szenario angemessen wirkt – und sie ist viel dezenter eingesetzt, als wir vor dem Anschauen des Films vermutet hatten – im Vorspann zum Beispiel überhaupt nicht. Wir kannten bisher nur den Soundtrack, und in diesem steht sie natürlich für sich.

Anmerkung 2 anlässlich der Veröffentlichung des Textes im Jahr 2023: Wenn Sie unsere Anmerkungen bezüglich der US-Interventionen gelesen haben, was sehen Sie heute vor sich? Lybien? Syrien? Das Desaster des Westens in Afghanistan. Den Ukrainekrieg, der sich gerade festgefahren hat? Die erneut aufgeflammte  Nahostkrise? Es wird immer so weitergehen, wenn Europa nicht endlich seine eigene Stimme im Sinne einer friedlicheren, glaubwürdig werteorientierten Politik erhebt. Wir gedenken in diesem Moment auch der vielen Journalisten, die in den letzten Jahren im Rahmen ihrer Berichterstattung aus Kriegsgebieten getötet wurden, manchmal sogar absichtlich.

80/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2015)

Film
Titel Under Fire,
auch: Unter Feuer
Originaltitel Under Fire
Produktionsland Vereinigte Staaten
Originalsprache EnglischSpanisch
Erscheinungsjahr 1983
Länge 128 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Roger Spottiswoode
Drehbuch Clayton Frohman
Ron Shelton
Produktion Jonathan T. Taplin
Musik Jerry Goldsmith
Kamera John Alcott
Schnitt Mark Conte,
John Bloom
Besetzung

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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