Borowski und das unschuldige Kind von Wacken – Tatort 1251 #Crimetime Vorschau ARD, 26.11.2023, 20.15 Uhr #Tatort #Kiel #Borowski #Sahin #Wacken #Kind

Crimetime Vorschau – Titelfoto © NDR, Thorsten Jander

20 Jahre, 40 Fälle. Das ist die Bilanz von Kommissar Klaus Borowski in Kiel. Aber im Jahr 2025 soll Schluss sein.[1]

Zunächst war seine informelle Ermittlungspartnerin die Polizeipsychologin Frieda Jung, dann kam es mit Sarah Brandt zu einer institutionellen Teampartnerschaft, mittlerweile heißt die Kollegin Mila Sahin. Wir finden es sehr schade, dass Borowski aufhören wird. Allerdings ist diese Einstellung von den 2010ern stark geprägt: Damals zählten Borowskis Fälle zu den besten überhaupt, einige davon jedenfalls, die von Drehbuchautor Sascha Arango geplottet wurden. Mittlerweile ist es ein wenig ruhiger geworden, wie man es dem Norden ja auch zurechnet und wie Borowski als Typ von Axel Milberg gespielt wird.

Infos / Handlung

„Fernsehfilm aus der Krimireihe Tatort. Der vom NDR produzierte Beitrag ist die 1251. Tatort-Episode und soll am 26. November 2023 im SRF, im ORF und im Ersten ausgestrahlt werden. Der Kieler Hauptkommissar Klaus Borowski ermittelt in seinem 40. Fall, seine Kollegin Sahin in ihrem neunten Fall.“[2]

„Auf einem Parkplatz in der Nähe von Kiel wird ein getöteter Säugling gefunden. Wo ist die Mutter? Hat sie ihr Kind umgebracht? Ein gefundenes Eintrittsbändchen führt Klaus Borowski und Mila Sahin in den verschlafenen Ort Wacken in Schleswig-Holstein, über das in wenigen Tagen ein Inferno hereinbrechen wird: Wenn mehr als 80.000 Gäste dort einfallen, um bei einem der größten Heavy-Metal-Festivals der Welt abzufeiern. Die erste Spur führt die Kommissare zum Festival-Caterer Michi Berger, der die junge Mutter offenbar mitgenommen hat. Er unterhält ein heimliches Verhältnis mit der Bestatterin Meike. Sie macht sich Sorgen um ihren Sohn Jan. Der Heavy-Metal-Fan war in der Nacht, als das Baby verschwand, unterwegs und hat eine Beobachtung gemacht. Immer mehr Fans trudeln in Wacken ein und zerstören wertvolle Spuren.“[3]

Wacken

„Das Wacken Open Air (stilisierte Schreibweise W:O:A) ist ein erstmals 1990 abgehaltenes MetalFestival. Es findet jährlich am ersten Augustwochenende in der Gemeinde Wacken in Schleswig-Holstein statt und wird von der WOA Festival GmbH ausgerichtet. Nahezu alle Spielarten des Hard Rock und Metal sind auf dem Festival vertreten.[1] Es ist eines der größten Heavy-Metal-Festivals der Welt und eines der größten Open-Air-Festivals Deutschlands. In den Jahren 2011 bis 2019 lag die Teilnehmerzahl jeweils bei rund 85.000 Menschen, davon 75.000 zahlende Besucher.“[4]

Wie so viele Festivals und Events hat auch Wacken klein angefangen, mit 800 Besucher:innen im Jahr 1990. In den Jahren 2020 und 2021  fiel Wacken wegen Corona aus. Über 2023 gibt es unterschiedliche Angaben zu verkauften Karten und Besucherzahlen. Möglicherweise spielte das schlechte Wetter eine Rolle bei der Differenz in der Form, dass nicht alle Karteninhaber:innen angereist waren. Für 2024 sollen die Karten innerhalb von nur 4,5 Stunden ausverkauft gewesen sein, trotz astronomischer Ticketpreise von mittlerweile 333 Euro (299 Euro für Karteninahber:innen, die 2023 wegen des schlechten Wetters nicht teilgenommen hatten).[5]

Stimmen / Kommentar

„Herzlichen Glückwunsch, Klaus Borowski: Seit 20 Jahren ermittelt der Großmeister des Understatements im hohen Norden und hat in dieser Zeit in viele menschliche Abgründe geblickt. Dass der mitunter nordisch-unterkühlt wirkende Kommissar dabei nie die Empathie gegenüber den Opfern verliert und stets auch die Nähe zu den Tätern sucht, liegt vielleicht daran, dass ihn immer zuerst die Fragen „Wie?“ und „Warum?“ interessieren, nicht „Gut oder Böse?“, wie Axel Milberg selbst in einem Interview mit dem NDR seine Figur charakterisiert.“[6]

Eine Zeitlang war Borowski mit seinem Understatement eine Art Gegenfigur gegen den Trend mit immer schrilleren Kommissar:innen, auch der NDR war durch den Einsatz von „Nick Tschiller“ (Til Schweiger) von dieser Entwicklung stark betroffen und wir haben jedes Mal den Weisen der NDR-Programmentwicklung gedankt, wenn sie Borowski anstatt des Anti-Tatorts Hamburg oder des für uns problematischen Lindholm-Charakters aus Hannover auf den Bildschirm ließen. Dafür wartete Borowski mit den längsten Titeln aller gegenwärtigen Tatort-Teams auf, auch, weil sein Name darin enthalten ist und als Marke verwendet wird. Der 1251. Tatort diesbezüglich rekordverdächtig, ähnlich umfangreich ist nur „Borowski und das Land zwischen den Meeren“.

Was sagt die oben zitierte Stimme zum neuen Wacken-Tatort?

„Die Redaktion von Tatort-Fans meint: Für das perfekte Leben sind Menschen offenbar bereit, sehr weit zu gehen – das zeigt dieser Tatort, der geschickt falsche Fährten legt. Wieder einmal kommt Borowski mit viel Einfühlung und routinierter Professionalität, die im aktuellen Fall schon etwas zu „glatt“ wirkt, dem Verbrechen auf die Spur. Bleibt die Frage: Warum Wacken? Die Geschichte, die hier erzählt wird, könnte auch an jedem anderen Ort spielen. Mitunter wirken die Festivalbesucher wie Statisten, die einmal pflichtschuldig durchs Bild huschen, um anschließend wieder hinter den Protagonisten zu verschwinden. Einen etwas engeren Bezug zwischen Festivalkultur, Metal-Szene und dem Kriminalfall hätte man sich schon gewünscht, denn als reine Kulisse ist das „WOA“ doch eigentlich zu schade.“ (Quelle 6)

Wenn zum Beispiel bestimmte Milieus oder Sportarten in Tatorten vorkommen, wird dieser Bezug auch meist hergestellt, auch der NDR hat mit Lindholm einen Fußball-Krimi gemacht („Mord in der Ersten Liga“). Es gab aber meines Wissens nie einen Loveparade-Tatort aus Berlin. Vermutlich, weil es dort zu chaotisch war, um ein vernünftiges Filmset installieren und Statisten dirigieren zu können. Der Film wurde übrigens 2022 gedreht, auf dem bisherigen Rekord-Festival, bei dem etwa 100.00 Besucher:innen gezählt wurden. Events als Hintergrund sind bei Borowski, aber auch in anderen Tatorten, aber insgesamt eher selten, uns fällt als weiterer Borowski-Tatort mit einem solchen Hintergrund nur die Kieler Woche ein („Borowski und das Fest des Nordens“). Der Berliner RBB macht aus den vielen hiesigen Events hingegen tatortmäßig gar nichts, dafür werden immer häufiger Straßen in unserer Umgebung als – sic! – Filmkulissen verwendet, kürzlich sogar unsere eigene Wohnstraße.

„SWR3 Tatort-Kritik: Zwei Welten, die bei diesem Borowski-Fall nicht zusammen passen: Normalerweise sind gerade Borowski-Tatorte hervorragend mit eigenem Witz und Charme – und erstklassiger schauspielerischer Leistung. Auch ist es immer gut, viel zu experimentieren – das hat schon andere Tatorte aufgefrischt. Doch dieses Mal hat es mich persönlich nicht geringfügig vom Hocker gerissen.“[7]

Der SWR-Kritiker brät den Kollegen aus dem Norden richtig eins über und vergibt nur einen von fünf Elchen. Auch bei den SWR-Produktionen gibt es nicht immer die Höchstwertung, aber ich glaube, wir müssen mal recherchieren, ob man sich bei der Stelle schon getraut hat, für eigene Beiträge zur Reihe nur ein Elchgeweih an die Wand zu hängen. Gerade wegen dieses Problems, dass die Stimme sowohl im erweiterten als auch bei SWR-Tatorten direkt aus dem eigenen Haus kommt, finden wir diese Kritiken immer interessant.

„Ein klassischer Whodunit: Borowski und Sahin fragen hier und klingeln da. War dieser Borowski nicht mal als Misanthrop angelegt? Das hat sich gegeben, er hat seine Mitte längst gefunden. Wobei seine allerstärkste Zeit auch schon wieder eine Dekade her ist. Die von Sascha Arango geschriebenen Folgen „Borowski und die Frau am Fenster“, „Borowski und der stille Gast“„Borowski und der Engel“ waren Highlights, gerade weil Arango seinen Borowski mit einem Whodunit niemals unterfordert hätte. Ihm ging es um Größeres. Was macht die Tat aus dem Täter? Was macht der Mord mit dem Mörder? Und die intellektuelle Kommissarfigur Borowski war der Richtige für die Suche nach der Antwort auf solche Fragen. Der Wacken-Borowski hat besondere Momente, schwingt sich in derartige Höhen allerdings nicht auf. Der Tragödie auch Leichtes abzugewinnen, ist eine Kunst – aber die Darstellung der anreisenden Metal-Fans ist albern, und die final aufflammende Schwermetaller-Begeisterung der Kommissare wirkt aufgesetzt.“[8]

Wir haben uns dieses relativ umfangreiche Zitat erlaubt, weil wir entdeckt haben, dass die Süddeutsche fast exakt das schreibt, was wir oben über Borowski resümiert haben, seine beste Zeit / seine stärksten Fälle betreffend. Nein, wir haben natürlich nicht abgeschrieben, wir verfassen diese Beiträge im „Discovery“-Modus, um sie für uns selbst spannender zu machen. Gut, dass dabei auch etwas erwähnt wird, was ich in diesem Text nicht selbst so ähnlich geschrieben habe: Es ist die Anlage als Thriller, die die besten Borowski-Tatorte ausmacht, weil sowohl der Polizist als auch der Täter oder die Täterin darin viel eindringlicher porträtiert werden können als bei einem Whodunit. Insofern waren die Filme geradezu stilbildend in dem Sinne, als sie dem Thriller-Plot zur weiteren Durchsetzung verholfen haben, nachdem jahrelang vor allem Rätselkrimis produziert wurden.

Ansonsten lesen wir auch aus dieser Kritik eine eher verhaltene Begeisterung heraus, sozusagen ein mindestens gedämpftes Reißen vom Hocker. Was wir zudem erfahren: „Wacken“ soll bereits der vorletzte Tatort mit Borowski gewesen sein. Kann das stimmen? Dass nur noch ein weiterer gedreht wird, ist vorstellbar, aber es müsste doch noch etwas aus 2023 im Kasten sein?

„Zum 20-jährigen Jubiläum geht Kommissar Borowski dem Fall eines getöteten Säuglings nach. „Tatort – Borowski und das unschuldige Kind von Wacken“ (ARD / Nordfilm) führt den altersmilden Ermittler in die norddeutsche Provinz. Im Metal-Dorf Wacken bestaunt er eine seltsame Melange aus Kohlbauern und Hard-Rock-Fans. Eine Gemeinschaft von verlorenen Seelen, deren unerfüllte Sehnsüchte viel Potential für kriminalistische Ermittlungen birgt. Psychologisches Feingefühl trifft auf tragische Existenzen, ein weiter Himmel spannt sich über laienhaft kaschiertes Elend. Ein würdiger Jubiläumsfilm. Gelassen gelungen.“[9]

Wirklich negativ klingen die Rezensionen von Tittelbach-TV nie, die Unterschiede zeigen sich eher in der Punktevergabe (3,5/6 bis 5,5/6 haben wir bisher gesehen), dieses Mal sind es immerhin 5/6, also ist der Eindruck der Spezialist:innen für den deutschen TV-Film tatsächlich von diesem 40. Borowki-Tatort ein guter. Geradezu eine Abwechslung, nach den bisher nicht so erfreut klingenden Einlassungen.

„‘Kennst du das‘, fragt Kommissar Borowski, ‚du siehst etwas, das ist fast perfekt. Und trotzdem kannst du dich des Eindrucks nicht erwehren, es stimmt etwas nicht.‘ Was denn zum Beispiel, will Kollegin Şahin wissen. Borowski präzisiert: ‚Ein Pokal, eine Liebe, eine Leberwurst.‘ Das ist der beste Satz in diesem „Tatort„, der das 20-jährige Dienstjubiläum von Axel Milberg als Kieler Kommissar Klaus Borowski markiert.“[10]

Weiterhin heißt es, der Tatort hätte aufwühlender sein dürfen und Wacken stört eigentlich eher, als dass es etwas zum Film beiträgt. Wacken als Matte-Painting mit bewegten Elementen? Es scheint ein durchaus verfestigtes Meinungsbild dahingehend zu existieren, dass das Heavy-Metal-Festival wohl, hätte man es tatsächlich in die Handlung integriert, zu heavy gewesen wäre.

TH

Besetzung und Stab

Hauptkommissar Klaus Borowski – Axel Milberg
Kommissarin Mila Sahin – Almila Bagriaçik
Kriminalrat Roland Schladitz – Thomas Kügel
Rechtsmedizinerin Dr. Kroll – Anja Antonowicz
Christina Chorol – Irina Potapenko
Lenny Jensen – Nicolas Dinkel
Waltraute Jensen – Regine Hentschel
Sarah Stindt – Anja Schneider
Kurt Stindt – Andreas Döhler
Meike Thomsen – Bärbel Schwarz
Jan Thomsen – Marven Gabriel Suarez-Brinkert
u. v. a.

Regie – Ayşe Polat
Buch – Agnes Pluch
Kamera – Aljoscha Hennig

[1] Klaus Borowski – Wikipedia

[2] Tatort: Borowski und das unschuldige Kind von Wacken – Wikipedia

[3] Borowski und das unschuldig… – Tatort – ARD | Das Erste

[4] Wacken Open Air – Wikipedia  

[5] Wacken Open Air – Wikipedia (Seite “Entwicklung“)

[6] Tatort Kiel: Borowski und das unschuldige Kind von Wacken 🔍 (tatort-fans.de)

[7] Tatort-Kritik zu „Borowski und das unschuldige Kind von Wacken“ (swr3.de)

[8] Tatort Borowski aus Kiel: Wacken mit Macken – Medien – SZ.de (sueddeutsche.de)

[9] Tatort – Borowski und das unschuldige Kind von Wacken – Kritik zum Film – Tittelbach.tv

[10] Tatort-Kritik: Wacken Open Air und ein Mordfall | WEB.DE


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