Gebrochene Blüten – Tatort 205 #Crimetime 1187 #Tatort #Duisburg #Schimanski #Thanner #WDR #Blüten #gebrochen

Crimetime 1187 – Titelfoto © WDR, Lange

Broken Blossoms & the Pott

Gebrochene Blüten ist ein Fernsehfilm aus der Fernseh-Kriminalreihe Tatort der ARD und des ORF. Der Film wurde vom WDR produziert und am 1. Mai 1988 erstmals gesendet. Es ist die 205. Folge der Tatort-Reihe und die 16. mit den Kriminalhauptkommissaren Horst Schimanski (Götz George) und Christian Thanner (Eberhard Feik). Anlässlich des 40. Sendejubiläums des Duisburger Tatorts strahlte der WDR am 11. Januar 2022 eine in HD abgetastete und digital restaurierte Folge aus.

Das war genau jener magische Abend, an dem wir den Film aufgezeichnet, haben ein paar Tage später haben wir ihn angeschaut. Erst einmal ein Dank an den WDR dafür, dass er das ursprüngliche 4:3-Format beibehalten hat. Lieber schwarze Flächen links und rechts als abgeschnittene Köpfe. NDR, HR und andere: Die Kameraleute haben sich bei den gewählten Bildausschnitten etwas gedacht! Ein zweiter Dank dafür, dass dieser lange nicht mehr gezeigte Film wieder den Weg zu uns gefunden hat. Freilich mit einer Kennzeichnung, wie wir sie bei einem Tatort bisher noch nicht gesehen haben, aber vielleicht könnte man auf diese Weise auch einige „Giftschrank-Tatorte“ reaktivieren: Vor dem Vorspann ein Vorspann, in dem erklärt wird, dass in diesem Film diskriminierende Sprache und diskriminierende Haltungen vorkommen, er also nicht politisch korrekt ist. Ist das so? Wir klären dies und mehr in der –> Rezension.

Handlung (1)

In einem Duisburger Stadtbus wird der Tanzlehrer Prinz, so scheint es, das Opfer einer Messerstecherei. Kriminalhauptkommissar Horst Schimanski findet dessen Ehefrau Manuela ganz in der Nähe an einer Bushaltestelle. Manuela Prinz steht offensichtlich unter Schock, sodass Schimanski sie nach Hause begleitet. Die vernommenen Zeugen sagen übereinstimmend aus, dass der Täter fremdländisch ausgesehen habe. Der Mann kann zügig ermittelt werden.

In einer Mietwohnung finden Schimanski und sein Kollege Thanner einen ermordeten Thailänder sowie die Tatwaffe, ein langes Messer, mit dem Prinz erstochen wurde. Der Thai hat sich mit einer P1 getötet, die aus Bundeswehr-Beständen in Wasserburg stammt und vor vielen Jahren bei einem Bankraub benutzt wurde. Bei dem Toten können zwei Telefonnummern sichergestellt werden. Eine Nummer gehört zu Manuela Prinz und die andere zur Firma Atlantis GmbH. Die durchgeführte Obduktion ergibt jedoch, dass der Thailänder keinen Selbstmord beging, sondern ermordet wurde.

In der folgenden Nacht bittet Manuela Schimanski, zu ihr zu kommen, da sie sich verfolgt und bedroht fühle. Als sie einen Telefonanruf von einem Unbekannten erhält, der sie treffen möchte, verabredet sie sich auf Schimanskis Drängen hin mit dem Unbekannten. Als Schimanski den Tresor von Prinz durchsucht, findet er Papiere von eingeschmuggelten Thailänderinnen. Am nächsten Tag beschatten Schimanski, Thanner und ihr Kollege Hänschen die verkabelte Manuela bei ihrem Treffen mit dem unbekannten Anrufer. Bei dem Unbekannten handelt sich um einen Herrn Blatzer, der Manuelas Unterlagen an einen weiteren nicht bekannten Mann übergibt. Dieser Unbekannte wird von Thanner beobachtet, als er junge Mädchen, die als Tanzgruppe Broken Blossoms bezeichnet werden, vom Flughafen abholt (wie in einem im Tresor gefundenen Brief an Prinz erwähnt) und sie geschickt vor Thanners Augen verschwinden lässt. Tatsächlich jedoch handelt es sich um asiatische Mädchen, die der Rotlichtszene zugeführt werden sollen. Schimanski, der Blatzer verfolgt, wird von ihm auf einem Güterbahnhof in die Irre geleitet und von einem blonden Hünen zusammengeschlagen.

Wütend lässt er daraufhin Prinz’ Studio durchsuchen, weil er vermutet, Manuela habe ihn hereingelegt und stecke mit dem Mädchenhändlerring unter einer Decke. Thanner schreitet ein und bringt seinen Freund und Kollegen zur Vernunft. Die Kriminalbeamten verhaften einige Thaimädchen, deren Aussage bestätigt, dass Prinz sie unter falschen Versprechungen nach Deutschland holte, wo sie dann im Rotlichtmilieu arbeiten mussten.

Manuelas Versuch, Schimanski davon zu überzeugen, dass sie nichts mit dem Mädchenhandel zu tun habe, endet damit, dass sie den Ermittler verführt. Eine Computerabfrage am nächsten Tag ergibt, dass Blatzer in Wahrheit Willi Koslowski heißt und Manuela Prinz bereits seit 1981 tot ist. Schimanski konfrontiert Manuela mit diesen neuen Erkenntnissen, woraufhin sie zugibt, die Papiere von Prinz’ Frau übernommen zu haben. Sie behauptet „Burger“ zu heißen und aus Wasserburg zu stammen. Doch erst einmal nehmen die Beamten das „Zuhälterparadies“ von Koslowski hoch, der bei seiner Vernehmung den Mord an dem Thailänder bestreitet.

Bei in Wasserburg angestellten Ermittlungen erweist sich zwar Manuelas wahre Identität, aber das Foto stimmt nicht. Im Polizeirevier in Wasserburg hängt ein Fahndungsposter aus, auf dem Manuela abgebildet ist, die in Verbindung mit einem Bankraub mit einer P1 als Tatwaffe gesucht wird. Als Thanner und Schimanski wieder zurück in Duisburg Manuela festnehmen wollen, bittet sie darum, mit Schimanski ein Gespräch unter vier Augen führen zu dürfen. Sie bedroht ihn mit einer Waffe, während sie ihm erzählt, dass der Thailänder aus Rache für seine geschändete Freundin ihren Mann getötet habe und ihr dann Geld abpressen wollte, sodass sie keine andere Möglichkeit sah, als ihn zu töten. Schimanski schafft es, Manuela dazu zu bringen, aufzugeben. Aber als sie die Waffe spielerisch an seinen Hals setzt, wird sie von Thanner vom Fenster aus erschossen. Leider zu spät wird entdeckt, dass Horst Schimanski zu keinem Zeitpunkt in Gefahr war, denn Manuelas Waffe war nicht geladen.

Hintergrund

  • Renate Krößner wurde durch den Spielfilm Solo Sunnybekannt und war kurz vor dieser Tatort-Folge aus der DDR in die Bundesrepublik übergesiedelt.
  • Nach dem großen Erfolg von Midnight Ladyaus der Tatort-Folge Der Tausch produzierte Dieter Bohlen erneut ein Lied für den Tatort, das diesmal den Titel Broken Heroes trägt und wie der Vorgänger von Chris Norman interpretiert wurde.[2]
  • Diese Folge, die am 1. Mai 1988 erstmals gesendet wurde, war bereits vom 20. Mai bis zum 23. Juni 1986 unter dem Arbeitstitel Die Blume aus Bangkokgedreht worden.
  • Nach zwei Nebenauftritten in Schimanski-Tatorten (Der Pottwar der andere) spielt Miroslav Nemec seit 1991 den Tatort-Ermittler Ivo Batic, der zusammen mit Udo Wachtveitl als Franz Leitmayr für den Bayerischen Rundfunk
  • Den Anstecker mit gelber Hand, den Schimanski an seiner Jacke trägt, gibt es wirklich. Es handelt sich um ein Symbol des Vereins Mach meinen Kumpel nicht an![3]in Düsseldorf, der sich gegen Rassismus einsetzt.

Rezension

Den Anstecker kennen wir sogar, er hat aber den Film nicht davor bewahrt, noch kurz vor der Wende eine Sprache zu pflegen, die, sagen wir mal, kritisch ist. Thailänder:innen werden einfach als „Thai“ bezeichnet und beim Messerstecher denkt man gleich an welche Nationalitäten? Blöd, dass das damals vermutlich ein richtiges Klischee war, zumindest wenn es um den Angriff auf Menschen in der Öffentlichkeit geht, die nicht der eigenen Gruppe entstammen. Leider hat mich die Eingangsszene an Vorkommnisse in den letzten Jahren erinnert, das ließ sich nicht vermeiden und sofort läuft ein Film ab, der freilich in die falsche Richtung zu laufen droht. Zumindest, dass man solche Zuschreibungen nicht verstärken sollte, hatte man 1988 schon verstanden und ein Drama gefertigt, das vor allem eines darstellt: Eine typische Schimanski-Oper. Schimmi verliebt sich und es muss tödlich enden, wie schon in „Zabou“ und ähnlichen Filmen, die am Ende auch komplett opernhaft inszeniert sind. Die Locations, die Lichtsetzung, die Perspektive, die Gefühle, alles wird so übersteigert, dass man weiß, es handelt sich um ein Märchen, wenn auch um eines mit sehr ernstem Hintergrund: Menschenhandel. Die Fans mögen diesen Film, er gilt von 29 Fällen als der fünftbeste, wenn man die Rangliste des Tatort-Fundus zugrundelegt. Schon deshalb war es wichtig, ihn wieder auszustrahlen.[1]

Angesichts der wirklich grottigen Plots und der fahrigen Filmweise mancher Schimanski-Tatorte hat schon das hochwertige Bild einiges ausgemacht, vermutlich war dieser Film auf 35-mm-Material gedreht worden, nicht, wie einige andere Schimanskis, auf billiger Videospur. Das heißt nicht, dass er ein visuelles Meisterwerk ist und es bedeutet auch nicht, dass gute Bildqualität mit sauberer Aufarbeitung eines Themas einhergehen muss. Inzwischen gibt es viele Menschenhandel-Tatorte, die unterschiedliche Epochen reflektieren (die Wendezeit, die Öffnung Osteuropas, die Krise der Geflüchteten beispielsweise) und dabei viel mehr von den Menschen zeigen, um die es geht, während in jedem Schimanski-Tatort die Schimanski-Perspektive komplett dominiert. Sicher war auch dies eine Methode, den Zuschauer:innen soziale Probleme nherzubringen und Schimanski selbst lässt nie einen Zweifel an seiner menschenfreundlichen Einstellung. Das ist besser, als zynisch oder kalt zu sein, aber es führt auch dazu, dass man immer mit ihm mitgeht, ganz selten nur mit den Opfern schrecklicher, zumeist businessmäßig ausgeführter Gewalt. Ausnahmen gibt es auch, wie „Kuscheltiere“ oder „Kinderlieb“, die nach der oben erwähnten Rangliste als bester aller Schimanski-Tatorte gelten. Was später die Kölner Ballauf und Schenk fortsetzten, gelang Schimanski durchaus, speziell mit Kindern. Rührung zu erzeugen. Aber wenn er selbst amourös involviert ist und dabei in eine Duellsituation mit einer gleichermaßen attraktiven wie gerissenen Frau gerät, dominiert selbstverständlich dieses Duell und alles andere wird zur Nebensache. So ist es in „Gebrochene Blüten“, wo Renate Krößner, die kurz zuvor aus der DDR emigriert war, seine Partnerin ist. Vielleicht kein gutes Omen für ihre Westkarriere, dass ihre Rollenfigur gleich beim ersten Tatort-Einsatz sterben muss und außerdem mindestens zwei Tötungsdelikte begangen hat.

In die Strukturen des Menschenhandels dürfen wir hingegen nicht blicken. Vielleicht ist das besser, als wenn man sich etwas zusammenspekuliert hätte, ohne tiefere Kenntnisse zu besitzen, die Atmosphäre ist außerdem nicht mehr so dampfend wie in den ersten Schimanski-Jahren. Wenn ich es richtig erinnere, sagt er während des gesamten Films nicht ein einziges Mal „Scheiße!“ und prügelt sich auch nicht. Was, bitte, bleibt da von dem Ruhrpott-Proll unter den Ermittlern? Spaß, muss auch mal sein, es bleibt genug. Es bleibt, siehe oben, so viel, dass man merkt, wie sehr alle diese Filme um Hauptdarsteller Götz George und seine Spielweise herum gestrickt wurden, oftmals ohne, siehe wiederum oben, Rücksicht auf die Qualität des Plots zu nehmen. Auch in „Gebrochene Blüten“ kommt es zu einigen seltsamen Zufällen und einem Ausrücken in die bayerische Provinz, das beinahe wie sein Sketch dargestellt wird, wenn auch nicht schlecht gemacht. Es gibt ohnehin einige interessante Momente, die auch Renate Krößner zu verdanken sind, die ihrer  Spielweise etwas Irritierendes verleiht, das sie präsenter wirken lässt als manch andere Schimanski-Partnerin in seinen beinahe 30 Einsetzen und damit auch ihn glänzen lässt. Die Morgenszene ist außerdem urkomisch, ich musste wirklich sehr lachen. Von beiden toll gespielt und so, wie die Fans ihren Schimanski lieben. Auch dies dient nicht unbedingt der Konzentration aufs Thema, aber man war ja so froh, dass man Schimanski als Projektionsfläche für Zuschauende aller Geschlechter anbieten konnte, das merkt man fast jedem seiner Filme an. Selbst das Schicksal von jungen Frauen, die nach Deutschland gelockt und hier in die Zwangsprostitution geschickt werden, lässt sich so – leider – mit Glücksmomenten verbinden, in denen man vergisst, worum es geht.

Finale

Damit wollen wir nicht andeuten, dass ein guter Film über schwierige Themen immer bierernst sein muss, aber Ballauf und Schenk in Köln und auch Bootz / Lannert in Stuttgart, zeigen, wie es geht: Die einen durch ihre einmalige Dialektik, die anderen durch eine bewundernswerte Dezenz. Das ist aber die heutige Sicht auf die Dinge und wie sich der Tatort weiterentwickelt hat, während ich nach wie vor der Ansicht bin, dass Schimanski dem Fortschritt eher geschadet hat und als Typ im Grunde schon etwas out war, als er begann. Durch die Konzentration auf diese Figur hat man zum Beispiel den DDR-Polizeiruf qualitativ vorbeiziehen lassen, der sich in den 1980ern immer mehr zu einer Ansammlung von immer ausgefeilteren Psychostudien entwickelte, während Schimanski zu oft den pubertären Kasper geben durfte. Das ist in „Broken Blossoms“ nicht mehr so ausgeprägt, siehe Absenz von Scheiße, aber es reicht immer noch, um zielsicher am Kern des Sujets vorbei zu filmen. Das ist im Vergleich zur etwas rohen Sprache das, was ich fast 35 Jahre nach der Uraufführung dieses Werks bemängele. Ein Problembewusstsein in der Bevölkerung kann man so kaum schaffen, im Gegenteil, das Ausrücken alter weißer Männer nach Thailand und viele unglückliche Schicksale, die aus asymmetrischen Beziehungen erwuchsen, kam in den folgenden Jahren erst richtig in Mode. Vom Spiel liegt der Film über dem Durchschnitt der Schimanski-Tatorte, deshalb noch

6/10

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2022)

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipdia

Regie Hajo Gies
Drehbuch Martin Gies
Produktion Hartmut Grund
Musik
Kamera Karl Kases
Schnitt Claudia Minzloff
Premiere 1. Mai 1988 auf Deutsches Fernsehen
Besetzung

[1] Wertungen aller Folgen eines Ermittlers (tatort-fundus.de)

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