Die Truman Show (The Truman Show, USA 1998) #Filmfest 1024 #Top250

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Die Truman Show (Originaltitel: The Truman Show) ist eine US-amerikanische Komödie des Regisseurs Peter Weir aus dem Jahr 1998 mit Jim Carrey in der Hauptrolle. Der Film startete am 12. November 1998 in den deutschen Kinos.

Zuletzt haben wir für den Wahlberliner „Gallipoli“ besprochen, das war ein australischer Film von Peter Weir, bevor er nach Hollywood ging (die Rezension ist noch nicht veröffentlicht). „Der einzige Zeuge“ fand ich sehr ansprechend, „Der Club der toten Dichter“, der als herausragend angesehen wird, habe ich schon lange nicht mehr gesehen, es gibt beim Wahlberliner noch keine Rezension für ihn. Weir macht nur alle paar Jahre  mal einen Film, und „Die Truman Show“ ist der neueste von ihm, den ich mir angeschaut habe, obgleich schon 18 Jahre alt. Danach kamen noch „Master & Comnander“ und „The Way Back“ – und seitdem nichts mehr, das hat sich auch nicht geändert zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Entwurfs, der aus dem Jahr 2016 stammt. Einen Ehrenoscar hat Wear im Jahr 2022 erhalten. Wie nun mit dem Film aus dem Jahr 1998? Es steht in der –> Rezenson

Handlung (1)

Die zentrale Figur des Films ist der Versicherungsangestellte Truman Burbank, der – ohne davon zu wissen – der Hauptdarsteller einer Fernsehserie ist, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Leben eines Menschen von Geburt an zu dokumentieren und per Liveübertragung im Fernsehen zu präsentieren. Zu diesem Zweck hat Christof, der Produzent der Serie, Truman als Baby von seiner Firma adoptieren lassen und eigens Seahaven, eine von Wasser umgebene Küstenstadt unter einer riesigen Kuppel, dem OmniCam-Ecosphere-Gebäude, bauen lassen. Seahaven ist eine idyllisch-harmlose Kleinstadt im Stile der 1950er Jahre mit simuliertem Wetter, Sternenhimmel, Sonne und Mond. Die Kuppel befindet sich auf den aufgeschütteten Hollywood Hills, oberhalb des Hollywood-Schriftzuges. Hier wächst Truman auf, umgeben von Schauspielern, täglich beobachtet von über 5.000 Kameras. Finanziert wird die Truman Show, die 24 Stunden täglich live übertragen wird, hauptsächlich durch Product-Placement.

Erst nach über 29 Jahren (am Tag 10.909) wird Truman langsam misstrauisch, als versehentlich ein Scheinwerfer, der einen Stern darstellen sollte, direkt vor seiner Nase zu Boden fällt. In der Folge erwecken verschiedene andere Missgeschicke zusätzlich sein Misstrauen, worauf er sich aus Sicht der Produzenten irregulär verhält. So erkennt er plötzlich seinen Vater in einem Obdachlosen auf der Straße wieder, was ihn sehr irritiert und verwirrt, da sein Vater in seiner Kindheit bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen sein soll. (…)

Rezension 

Ich bin kein Konsument von Reality-TV, weil es mir wirklich zu albern ist, mir tagtäglich eine gespielte Realität vorsetzen zu lassen, die in nichts besser ist als meine eigene – im Gegenteil. Ich bin froh, dass ich die meisten der gruseligen Verwicklungen nicht habe, aus denen immer neuer Stoff für Volksverdummung gewonnen wird.

Doch schon hier eröffnet sich ein Ansatz zum genaueren Hinschauen. Das Leben von Truman Burbank ist noch eine Art Idealisierung, die Kunststadt, in welcher er lebt, ist auffällig künstlich proper gehalten, die Menschen stereotyp nett, was sich vor allem an Trumans Nachbarn zeigt, und natürlich nach sozialem Proporz und Diversität ausgewählt. Ein wenig beruflicher Stress mit Vorgaben, die erfüllt werden müssen, wird auch inszeniert, aber die täglichen Reality Shows sind ja mittleweile ganz in Richtung Trash abgedriftet und laufen glücklicherweise nicht 24 Stunden durch. Diesbezüglich erinnert die Truman-Show am meisten an vergangene Formate wie „Big Brother“, doch Trumans Umgebung besteht aus Schauspielern, die alle darauf eingestimmt sind, sein Leben zu füllen.

Es wäre eine perfekte Kunstwelt, wenn Truman nicht hin und wieder den Wunsch verspüren würde, Entdecker zu sein, was ihn zwangsläufig aus seiner Kunstwelt führen würde. Natürlich ist auch das Konstrukt des Films hoch artifiziell. Was wäre gewesen, wenn das unter mehreren ausgewählte Baby Truman sich zu einer echten Plage entwickelt hätte und nicht so nett geworden wäre, wenn man sich mit ihm nicht hätte so identifizieren können, wie die Zuschauer es tun, die sozusagen mit Truman aufstehen und zu Bett gehen. Es scheint auch Truman-Fankneipen zu geben, das hat mich auf vergnügliche Weise an die Tatortkneipen erinnert. Der Mensch als Fan von irgendetwas zeigt ihn in seiner unbedarftesten, aber auch rührendesten Ausprägung – zumindest dann, wenn Fan nicht in dem Sinn wörtlich verstanden wird, wie es oft bei Fußballvereinen der Fall ist: gewalttätig und ausgrenzend gegenüber den Fans anderer Mannschaften.

Aber wie viele Menschen schauen sich nicht diese Formate im Fernsehen an, seien es Daily Soaps oder Reality Shows? Erstere laufen teilweise seit Jahren oder Jahrzehnten, im amerikanischen Fernsehen gibt es Rekordhalter-Serien, die sind schon sehr beeindruckend. Sie künden von dem Wunsch nach Kontinuität in einer sich rasant wandelnden Welt ebenso wie von dem Drängen nach dem Aufhübschen der eigenen Normalität bei gleichzeitiger Dramatisierung. Das erlaubt die bessere Einordnung der eigenen Existenz in ein Weltgefüge. Das Gefährliche daran ist aber die Künstlichkeit dieses Gefüges, die in „Die Truman Show“ auf die Spitze getrieben wird. Jede Konfrontation mit der Realität, besonders mit der politischen, ist viel mühsamer und fordernder als das Konsumieren dieser künstlichen. Auch wenn der Titel des Films und der Hauptfigur an den US-Präsident Harry S. Truman erinnert, dürfte er wohl eher einer Zusammenziehung aus „True Man“ entsprechen. Was ist „true“ an ihm und seiner Welt? Wir werden es am Ende sehen.

Der Eskapismus großer Bevölkerungsteile in den letzten Jahren ist nach meiner Ansicht auch auf die Fernsehtaktik zurückzuführen, den Leuten etwas vorzusetzen, was sie permanent beschäftigt und ihnen am Ende möglicherweise wichtiger ist als das Draußen und damit als das eigene Leben. Filmfan zu sein, tendiert ein wenig in die gleiche Richtung, aber es kommt darauf an, wie man die Verhältnisse gestaltet und Prioritäten setzt. Nicht zuletzt deshalb gibt es beim Wahlberliner beispielsweise auch den politischen Teil und fließen Gedanken zur aktuellen Lage der Welt insofern in Rezensionen ein, als das, was Filme uns heute sagen, an welche Bestandteile der Realität sie uns erinnern, immer wieder in die Betrachtungen einbezogen wird.

Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung im Jahr 2023: Im „neuen“ Wahlberliner seit Juni 2018 nimmt der politisch-wirtschaftliche Teil und die Verbreitung von Informationen prozentual einen größeren Stellenraum ein als im von Film- und Fernsehbesprechungen dominierten „ersten Wahlberliner“ (2011 bis 2016), gleichwohl wurden damals nur etwa 250 Filmrezensionen veröffentlicht, im aktuellen Blog sind es über 1.000 (Crimtime = gegenwärtig knapp 1.200 gegenüber etwa 490 als „TartortAnthologie“ im ersten Wahlberliner).

Insofern empfinden wir eine Figur wie Truman als tragisch, denn es ist nicht erkennbar, dass sein Horizont sich über die Umwelterfahrungen hinaus, die ihn prägen, ausdehnen kann. Demnach ist der Film auch eine Versuchsanordnung klassischer Art: Kann ein Mensch sich für Dinge interessieren, die er nicht aus seiner Erfahrungswelt kennt? Unser Hang, uns ein höheres Wesen vorzustellen, das die Welt erklärbarer macht, beweist, dass das sehr wohl möglich ist. Irgendwann hatten die Menschen das Bedürfnis, sich etwas auszumalen, was jenseits des eindeutig Erfassbaren liegt. Dazwischen liegen die Informationen über Dinge, die man nicht selbst gesehen, erfahren, erlebt hat.

Allerdings gibt es im Modell mit seinen hermetischen Wänden bei Truman doch ein Leck. Und das sind die Fidschi-Inseln. Wie konnte das Drehbuch des großen Manipulators Christof (Ed Harris) es zulassen, dass auf diese Weise in Truman ein Fernweh geweckt wird, das immer wieder zum Vorschein kommt, ohne dass die Macher der Show es steuern können? Sie versuchen es, die Szenen dazu gehören zu den witzigsten des Films. Trotzdem weiß Truman, dass die ganze Welt weitaus größer sein muss als die kleine Welt, die er kennt, aber es kommt doch recht selten vor, dass er zum Beispiel einmal in eine andere Stadt reisen will, was leider unmöglich ist.

Eine Komödie ist „Die Truman Show“ eigentlich nicht. Eine Tragikomödie vielleicht, aber im Grunde ein sehr ernster Film, nicht nur über Medienmanipulation, sondern auch über unsere subjektive Wahrnehmung der Welt, die nie alles einschließen kann und die vielfach eher auf Abgrenzung ausgerichtet ist, damit wir uns ein- und zuordnen können. Truman braucht das nicht, weil seine Welt so klein ist. Sie ist sehr übersichtlich. Eine Welt wie diese ist anziehend besonders für menschliche Naturen, die nicht jeden Tag vor ihren eigenen Grenzen stehen wollen, weil sie merken, wie wenig sie verstehen, aber auch nich so gepolt sind, dass sie anderen gegenüber suggerieren, sie hätten die Weltweisheit trotzdem für sich gepachtet. Sie wollen sich nicht durch Wisecrackertum sich selbst vergewissern, sondern es gemütlich haben.

Es geht aber auch ums Konsumieren an sich, um die Passivhaltung den Medien gegenüber, welche die Truman-Show erzwingt, denn „interaktiv“ ist sie natürlich nicht, obwohl der Begriff in der Zeit, als der Film gedreht wurde, gerade aufkam, dank der sprunghaft wachsenden Verbreitung des Internets in jener Zeit. Aber selbst dieser Begriff wird oft irreführend verwendet, denn die Idee, dass man den Fortgang der Ereignisse bei einem Format wie der Truman-Show tatsächlich als Zuschauer beeinflussen kann, ist technisch und vom Aufwand schlicht außerhalb der Logik. Vielleicht können mehrere Autoren einen Roman zusammen schreiben, bei dem sie sich davon treiben lassen, was der  mit dem aktuellen Teil Beauftragte sich ausdenkt, aber eine Interaktivität, die nur ein beeinflussbares Szenario, aber Millionen von Beeinflussern beinhaltet, bleibt wohl ein Traum.

Anmerkung anlässlich der Veröffentlichung des Textes im Jahr 2023: Möglich wäre das schon, im Form einer Online-Abstimmung, die Mehrheit entscheidet, wie es weitergeht. Allerdings muss man dann die Szenarien schon fertig haben, man darf es keinesfalls ungesteuert dem Volkswillen überlassen, wie es weitergehen wird. Also Multiple-Choice, wenn man so will.

Jeder kann sich anhand des Films überlegen, wie sein eigenes Leben gestaltet ist. Ob er eher den Truman-Weg geht, freiwillig allerdings, nicht aus Mangel an Kenntnis über die Außenwelt, oder ob ihm das nicht genügt, wenn es doch schon Truman nicht genügt, der am Ende die Tür zur Realität durchschreitet – womit die Show endet, nachdem man  ihn beinahe umgebracht hat, um ihn von diesem Schritt abzuhalten.

Finale

Jim Carrey spielt Truman wirklich so, dass man ihn annimmt und es mit ihm bedauert, dass er ständig manipuliert wird, was man in den ersten Filmminuten noch gar nicht sicher weiß. Der Film trug viel dazu bei, dass Carrey einer der beliebtesten Komödien-Schauspieler der USA wurde.  Seine Figur gewinnt zwar bald eine Ahnung davon, dass seiner Welt etwas Irreales anhaftet, als man dann Christof in seiner wirklichen Funktion, nicht nur, wie Anfangs, als eine Art Narrator kennenlernt, ist man nicht mehr sehr überrascht. Dramaturgisch funktioniert der Film sehr gut, weil er wie eine Variante des Kriminalfilms aufgebaut ist: Wie derjenige unter den Whodunits, bei denen der Zuschauer dem Protagonisten immer voraus ist und mehr weiß. Mal mehr, mal weniger, im Verlauf der Truman-Show zwischenzeitlich weit mehr, dann holt Trumans Erkenntnisstand den des Zuschauers auf einer bestimmten Ebene wieder ein. Der nunmehr 30jährige Mann weiß nur, dass es etwas geben muss, das man vor ihm verbergen möchte, aber nichts über die Inszenierung an sich.

Das Thema ist typisch für die 1990er Jahre, und auch, wie es inszeniert ist. Damals begann die große  Zeit der Reality-Shows, und die reale Welt war auch so, dass man sich nicht ständig solche Sorgen machen musste wie heute. Vielleicht würde man die Handlung heute auch so weit treiben, dass Truman wirklich von seinen „Erschaffern“ getötet wird, damit alles einen maximal dramatischen Abschluss findet. Auch viele andere Aspekte des Films könnte man weitaus düsterer darstellen und damit eine Reality-Show bieten, die mehr den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht – und damit die Fiktion noch gespenstischer machen, weil sie sich noch weniger von der Realität unterscheiden würde, aber dennoch nicht die Realität ist, sondern ein komplett kontrolliertes Kunstszenario, und damit jedweder Manipulation zugänglich.

80/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2016)

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie Peter Weir
Drehbuch Andrew Niccol
Produktion Edward S. Feldman,
Andrew Niccol,
Adam Schroeder,
Scott Rudin
Musik Burkhard von Dallwitz,
Philip Glass
Kamera Peter Biziou
Schnitt William M. Anderson,
Lee Smith
Besetzung

 

 

 

 

 

 

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