Update: Fahrtauglichkeitsprüfung ab 70? (Umfrage) +++ Wie viele ältere Menschen haben einen Führerschein? (Statista) | Briefing 379 Update | Gesellschaft

Briefing 379-UD Gesellschaft, Fahrerlaubnis, Senior:innen

Nachdem vorgestern Statista eine Grafik zum Wandel der Altersstruktur der Bevölkerung aufgesetzt hat, wie er sich am Führerscheinbesitz zeigt, heute die passende Umfrage dazu – weil das Thema in der Diskussion ist. Der Begleittext dazu enthält das Wichtigste zum Stand der Dinge in Sachen Fahrtauglichkeitstest für ältere Autofahrer:innen. Verpflichtend oder nicht, das war eine wichtige Frage, die nun geklärt ist und die Informationen dazu stimmen überein mit den Angaben im untenstehenden Ausgangsartikel. Hier die exakte Fragestellung:

Sollten sich Personen mit Führerschein ab 70 Jahren alle fünf Jahre einem verpflichtenden Fahrtauglichkeitstest unterziehen müssen?

Begleittext aus dem Civey-Newsletter:

Am Montag haben sich die Verkehrsministerinnen und Verkehrsminister der EU auf einen Kompromiss für einheitliche Führerscheinregeln geeinigt. Demnach soll der Führerschein in der EU alle 15 Jahre verlängert werden. Der taz zufolge müsse dafür die Fahrtauglichkeit nachgewiesen werden – entweder per Selbstauskunft oder durch einen ärztlichen Gesundheitstest. Die Mitgliedstaaten dürften aber selbst entscheiden, ob sie dies tatsächlich einfordern. Bevor das Gesetz in Kraft treten könnte, wird sich das EU-Parlament noch damit befassen.

Die EU-Kommission hatte ursprünglich vorgeschlagen, dass Menschen über 70 Jahre ihren Führerschein alle fünf Jahre mit einem Gesundheitstest erneuern müssen. Das soll nun keine Pflicht mehr, aber möglich sein. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) machte am Montag laut ntv klar, dass es in Deutschland keine derartigen Untersuchungen geben wird. Sie wären bürokratisch sehr aufwendig und unverhältnismäßig. Da viele Ältere auf dem Land leben würden, sei ein selbstbestimmtes Leben ohne Auto für sie schwer möglich. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat argumentierte laut BR24 zudem, dass Ältere eine vergleichsweise unterproportionale Unfallbeteiligung hätten. 

Zugleich veröffentlichte das Statistische Bundesamt am Montag seine neueste Unfallstatistik. Demnach hätten ältere Autofahrerinnen und Autofahrer häufiger die Hauptschuld als jüngere, wenn sie an Unfällen mit Personenschaden beteiligt sind. Konkret waren 2022 Menschen ab 65 Jahren in 69 Prozent dieser Fälle die Hauptverursachenden. Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, erklärte der dpa dazu: „Zwar stellten Seniorinnen und Senioren in absoluten Zahlen kein überhöhtes Unfallrisiko dar. Diese würden aber viel weniger Auto fahren.” In Relation zu den gefahrenen Kilometern ist das Unfallrisiko der über-75-Jährigen daher ähnlich hoch wie das in der Hochrisikogruppe der 18- bis 20-Jährigen.

Einmal Führerschein, immer Führerschein. So war bisher die Regelung in Deutschland. Und so soll sie im Wesentlichen auch bleiben, wenn man das Obige auf den Punkt bringt. Dass man sich freiwillig auf Fahrtauglichkeit untersuchen lassen kann, ist hingegen, rechtlich gesehen, ein Non-Event.

Es ist ebenso klar, dass Menschen ab einem bestimmten Alter kognitiv nachlassen. Aber darf man sie deswegen schlechter stellen als Junge, die so risikobewusst und unerfahren sind, dass sie ein ähnlich hohes Gefahrenpotenzial in den Straßenverkehr einbringen, auch, weil sie mehr fahren? Im Grunde dürfte man nur Menschen zwischen 40 und 60 einfach so dahinbrausen lassen, weil in diesem Alter eine optimale Kombination von Kognition, Erfahrung und mehr Gelassenheit als in jungen Jahren vorliegen sollte. Durch das Bürokratie-Argument der FDP scheint wieder einmal der übliche Lobbyismus pro Autofahrer durch, das nehmen wir nicht so ernst.  Und wir finden es schon bemerkenswert, dass andere EU-Richtlinien hier maximal restriktiv ausgelegt werden, wie etwa die DSGVO, aber die Autofahrer mal wieder privilegiert werden. 

Dennoch haben wir mit „unentschieden“ gestimmt. Damit gehören wir nach aktuellem Stand zur kleinsten Gruppe der Abstimmenden (knapp 6 Prozent). 44 Prozent sind für den Pflichttest, 50 Prozent dagegen. Überraschend: Männer tendieren etwas häufiger (2–3 Prozent) zur Bejahung des Pflichttests als alle bisher Abstimmenden. Erwähnenswert aber auch, dass die Befürworter und Gegner eines Pflichttests fast gleich groß sind. Angesichts der Tatsache, dass immer mehr Menschen schon jetzt oder bald von diesen Tests betroffen sein werden, hätten wir eine stärkere Tendenz zur Ablehnung vermutet. Für uns ist lediglich die Frage: Ist die Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Pflichttests für Ältere so deutlich, dass sie einen weiteren Eingriff in die Selbstbestimmung rechtfertigt? Da sind wir eben unschlüssig, deshalb bleiben wir vorerst und ohne weitere Vertiefung bezüglich der Argumente in der Mitte.

TH

Ausgangsartikel vom 05.12.2023

Es gibt viele Argumente für oder gegen einen periodischen Check der Fahrtüchtigkeit bei älteren Menschen und wir dachten, in vielen EU-Ländern sei das ohnehin Pflicht, die Tendenz in Deutschland wäre also eher auf den Pflichtcheck ausgerichtet.

Wir äußern uns auch nicht kommentarisch zur aktuellen Entwicklung, sondern stellen lediglich in einer Statista-Grafik dar, wie sich der Wandel der Altersstruktur der Bevölkerung auf die Anzahl älterer Menschen „am Steuer“ auswirkt. Wobei damit gemeint ist, dass sie fahren können, wenn sie wollen, es aber nicht unbedingt tun müssen, anders als jüngere, bei denen die Fahrten aus beruflichen Gründen noch eine große  Rolle spielen.

TH

Infografik: Wie viele ältere Menschen haben einen Führerschein? | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu.

„Wer seinen Führerschein erneuert, soll nach dem Willen der EU-Staaten künftig selbst einschätzen, ob er oder sie noch fit genug fürs Fahren ist“, schreibt tagesschau.de. Das soll nicht nur für ältere Autofahrer:innen, sondern generell für alle Menschen mit Fahrerlaubnis gelten.

Indes dürfte die Relevanz für Senior:innen größer sein. Das liegt unter anderem daran, dass – so schreibt es etwa der ADAC – Reaktionsfähigkeit und Sehvermögen mit dem Alter nachlassen können. Deren Anteil ist laut Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Waren 2015 rund 17 Prozent der Inhaber:innen deutscher Fahrerlaubnisse 65 Jahre oder älter, ist dieser Wert mittlerweile auf 25 Prozent gestiegen. Bei Männern ist der Anteil etwas höher, bei Frauen etwas niedriger, wie der Blick auf die Statista-Grafik zeigt.

Indes sieht Bundesverkehrsminister Volker Wissing generell keinen Handlungsbedarf. Der FDP-Politiker lehnt Selbstauskünfte vielmehr generell ab. „Es ist einfach nur die Beschäftigung mit Formularen, ohne dass damit eine Verbesserung der Verkehrssicherheit erreicht wird“, so Wissing.

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