Wie entwickelt sich die wirtschaftliche Lage der Luftfahrt? (Statista + Kurzkommentar) | Briefing 392 | #Wirtschaft #Klima #Umwelt

Briefing 392 Wirtschaft, Luftfahrt, Klima, Klimawandel, Umweltbilanz

Sind Sie Flieger:in? Gar Vielflieger:in? Oder vielleicht gegen zu viel unnötiges Fliegen? Dann dürften die folgenden Zahlen für Sie interessant sein – wie sieht es mit dem Fliegen gegenwärtig aus? Wir erinnern uns: Während der Corona-Pandemie war die Branche tief in die roten Zahlen gerutscht und musste überall auf der Welt staatlich gestützt werden, um nicht zusammenzubrechen.

Infografik: Wie entwickelt sich die wirtschaftliche Lage der Luftfahrt | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Die International Air Transport Association (IATA) taxiert den Gesamtnettogewinn der kommerziellen Fluggesellschaften weltweit für das laufende Jahr auf 23,3 Milliarden US-Dollar. Damit schreibt die internationale Luftfahrt erstmals seit drei Jahren wieder schwarze Zahlen.

Für IATA-Direktor Willie Walsh unterstreichen die Entwicklung die Widerstandsfähigkeit der Luftfahrt. „Die Menschen sind reisefreudig, und das hat dazu beigetragen, dass die Fluggesellschaften ihre Verbindungen wieder auf das Niveau von vor der Pandemie gebracht haben. Die Geschwindigkeit der Erholung war außergewöhnlich, aber es scheint auch, dass Corona die Luftfahrt etwa vier Jahre Wachstum gekostet hat“, so Walsh.

Indes ist auch der Ausblick auf das kommende Jahr ist rosig. Die Organisation schätzt, dass sich die Zahl der Reisenden 2024 auf 4,7 Milliarden Menschen belaufen wird. Unterm Strich könnte am Ende ein Überschuss von fast 26 Milliarden US-Dollar stehen.

Das heißt also, mehr als jede:r zweite Erdenbürger:in fliegt mindestens einmal im Jahr bzw. wird es im Jahr 2024 tun. Das Übliche, also Hin- und Rückflug gerechnet, ist es immer noch jede:r vierte. Ist das notwendig? Sicher nicht. Ist das nachhaltig? Sicher nicht. Ist die Branche gesund? Vermutlich nicht. Sie hatte im Vergleich zu ihrer Größe schon vor Corona relativ wenig Gewinne eingefahren, und das liegt an dem ruinösen Preiswettbewerb, den vor allem die Billig-Airlines entfacht haben. Fluggesellschaften – Gewinnprognose bis 2024 | Statista. Sie sind auch dafür verantwortlich, dass Fliegen teilweise die billigste Transportmethode pro Kilometer aus der Sicht der Verbraucher sind. Die günstigste Klimabilanz pro Personenkilometer haben sie hingegen niemals, die Bahn kann das dort, wo sie Konkurrenz anbietet, stets besser.

Natürlich konnte die Branche nichts für Corona, aber die Reserven waren auch relativ dünn und daher wäre die Luftfahrt ohne staatliche Stützung eine der ersten Branchen gewesen, in der es gewaltige Flurschäden gegeben hätte.  

Einzelne große Handels, Energie- und Industrieunternehmen fahren teilweise ähnlich hohe Gewinne ein wie die gesamte Luftfahrt mit (2023) fast 900 Milliarden Euro Umsatz, die Nettogewinnmarge liegt also unter 3 Prozent (geschätzt für 2023, unwesentlich höher oder auf ähnlichem Niveau, falls auch der Umsatz weiter zunimmt, im Jahr 2024). Nun kann man sagen, mit Transport lässt sich nicht so viel Geld verdienen, weil es hier echte Konkurrenz gibt und nicht Quasi-Monopole, wie im Primärsektor bei der Förderung von Energieträgern oder auf der entgegengesetzten Seite bei den großen Tech- und Data-Unternehmen. Das stimmt natürlich. Transport ist bisher ein Polypol, wie weite Bereiche des Handels, margenschwach, aber notwendig, um die Welt buchstäblich am Laufen zu halten. Außerdem wird ja mit großem Tamtam Werbung dafür gemacht, wie die Luftfahrt immer CO2-freundlicher wird, innerhalb eines Rahmens, der ohnehin einen eher kleinen Anteil an der Luftverschmutzung aufweist:

Der Luftverkehr hat einen Anteil von 3,06 Prozent an den weltweiten CO₂-Emissionen 123Berücksichtigt man alle Klimaeffekte global, hat der Luftverkehr daran einen Anteil von rund fünf Prozent 1.

Wir hatten schon einmal im Rahmen des Nachdenkens über die Privatjets darauf hingewiesen, dass es bei der Betrachtung nicht um den Gesamtanteil gehen kann, sondern um den unverhältnismäßig großen ökologischen Fußabdruck, den die sogenannte Merz-Mittelklasse hinterlässt.

Diese Menschen könnten sich nur deshalb so verhalten, weil sie die Mehrzahl der Menschen ausbeuten und der Globus wäre längst im Eimer, wenn sich jeder so verhalten würde. Mithin geht es hier um eine Gerechtigkeitsfrage. Was uns wieder darauf hinweist, dass der Klimawandel und die Ökologie nicht ohne den Gerechtigkeitsaspekt betrachtet werden kann. Ließe man diesen Aspekt weg, könnte man in Europa fast immer sagen: Sind ja nur marginale Werte, die wir beispielsweise zur Erderwärmung beitragen, Deutschland stellt insgesamt nur 1,8 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes und liegt damit in Europa an der Spitze.

Ähnlich ist es mit dem CO2-Ausstoß der Luftfahrt in Relation zu anderen Emittenten. Und selbstverständlich fliegen die Amerikaner viel mehr als Europäer, weil in den USA Inlandsflüge viel eher einen Sinn ergeben. Das heißt aber nicht, dass man nicht aufhören sollte, Inlandsflüge bei uns weiter zu subventionieren, indem man das Kerosin steuerfrei hält und damit den Wettbewerb der Verkehrssysteme zugunsten der Luftfahrt verzerrt, in einem Land, dessen Größe oder Kleinheit im Grunde Inlandsflüge obsolet macht, wenn die Bahn schnelle Verbindungen anbietet.

TH


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