American Pie – Wie ein heißer Apfelkuchen (American Pie, USA 1999) #Filmfest 1033

Filmfest 1033 Cinema

Noch eine High School Comedy?

American Pie ist eine Reihe von Jugendfilmen, die von Adam Herz produziert wurde. Der erste Film der Reihe wurde am 9. Juli 1999 von Universal Pictures veröffentlicht und wurde ein weltweites Popkultur-Phänomen, das zwei sofortige Fortsetzungen hervorbrachte, die in Zwei-Jahres-Abständen veröffentlicht wurden. Zwischen 2005 und 2009 wurden vier Ableger direkt auf DVD herausgegeben. Neun Jahre nach der Veröffentlichung des dritten Filmes der ursprünglichen Reihe wurde 2012 ein vierter Kinofilm namens American Pie: Das Klassentreffen veröffentlicht. 2020 folgte wiederum ein Ableger für den Videomarkt.

American Pie – Wie ein heißer Apfelkuchen (englisch für „Amerikanischer Kuchen“) ist eine US-amerikanische TeenagerKomödie von Paul Weitz aus dem Jahr 1999 und bildet den Start der American-Pie-Filmreihe.

Kein Wunder, dass der High School-Film als eigenes Genre angesehen wird, angesichts der Flut von Streifen, die besonders seit den 1980ern nach folgendem Muster erzeugt werden: Ein Haufen Jungs, seltener Mädchen, beschäftigt sich in der Pubertät erstmalig richtig mit Mädchen (seltener mit Jungs), mit allen Komplikationen, die das mit sich bringt, besonders den Sex betreffend. Die Jungs haben folgende Charaktere, wahlweise die Mädchen: 1.) die Hauptfigur, ein sympathischer, leicht überdurchschnittlich aussehender, im Grunde normaler Typ. 2.) der Nerd oder Freak, 3.) der Angeber, 4.) der Jedermann sind ihm zur Seite gestellt. An der Schule gibt es Freundschaften und Konkurrenz, die Mädchen reagieren unterschiedlich auf die Typen, wie im echten Leben. Unbedingt wichtig sind die Eltern als komische Figuren, vielleicht der eine oder andere Lehrer, irgendwelche sportlichen Aktivitäten, und natürlich der Abschlussball. Ohne den Abschlussball, der den Höhepunkt des amerikanischen Jugendlichen-Daseins zu bilden scheint, geht gar nichts. Um ihn herum konzentriert sich nicht selten ein Subgenre namens High School-Musical, das sich herausgebildet hat. Mehr lesen Sie in der –> Rezension.

Handlung (1)

Die vier Freunde Jim, Oz, Kevin und Finch leben in einer US-amerikanischen Kleinstadt in der Nähe der Großen Seen, gehen dort auf die High School und sind hinsichtlich sexueller Erfahrungen mit dem weiblichen Geschlecht noch ungeübt. Nach einer Party des Klassenplayboys Steve Stifler prahlt der nur mäßig beliebte Klassenkamerad Sherman damit, ein Mädchen ins Bett bekommen zu haben. Daraufhin schließt das Quartett einen Pakt: Bis zum Schul-Abschlussball in ein paar Wochen wollen alle ihre Unschuld verlieren und mit einer Frau schlafen (…)

Rezension

Das zeigt, wie unglaublich gut sich Kasse mit Filmen machen lässt, die fast wie ein Ei dem anderen ähneln, die weder besondere Handlungen noch besondere filmische oder schauspielerische Elemente enthalten. Die High School-Filme sind die modernen Groschenhefte auf Zelluloid für ein jugendliches Publikum, mit dem Unterschied, dass das Kinogehen hier nicht billiger ist als bei ernsthaften oder erwachsenen Werken.

Jetzt könnte man Rekurs nehmen auf andere Genres und ausführen, dass diese große Ähnlichkeit innerhalb ihres Bereiches nichts Neues ist, auch wenn die High School-Filme noch enger gefasst sind, was ihre thematischen Möglichkeiten angeht.

„American Pie“ ist nicht irgendein Film dieses Genres, er ist auch kein prototypischer, denn es gibt einige Unterschiede zu anderen Produkten dieser Art. Da ist zum einen die bis dahin wohl stärkste Konzentration aufs Sexuelle. Wenn man so will, hat man in der liberalen Clinton-Ära, die ihre prominenteste Ausprägung im Verhalten des Präsidenten selbst fand, wieder neue Türen geöffnet und es wurde viel offener und derber über die Versuche von Jugendlichen referiert, endlich ihren ersten echten Sex zu haben. „American Pie“ ist kein Film für Bewahrer des guten Geschmacks, soweit eine erste Feststellung. Einerseits merkt man ihm die Verklemmtheit des amerikanischen Kleinstadtidylls durchaus an, andererseits traut er sich was.

Noch wichtiger aber, und deshalb funktioniert er wohl auch so gut: Zu dem Leben, das wir als Jugendliche hatten, findet sich immer irgendeine Assoziation. In einem dieser insgesamt recht belanglosen Typen erkennen wir etwas von uns, in einem der Mädchen etwas von Mädchen, die uns begegnet sind auf dem schwierigen Weg zum erwachsen werden. Außerdem schadet es sicher nicht, dass keine Schulprobleme behandelt werden. Wir haben selten einen Film gesehen, der von Schülern handelt, in dem die Schule mehr als hier nur ein Austragungsort für Dialoge unter der Gürtellinie ist und so wenig Schule. Es gibt auch keine echten Konflikte zwischen Schülern, Schülergruppen, Lehrern und Schülern, Schülern und Eltern. Im Prinzip ist das ein Geniestreich – denn alles wird auf Projektionen abgestellt und auf Assoziationen, aber wir werden nie mit der Gesamtrealität des Jungseins konfrontiert, die leider nicht nur aus mehr oder weniger abenteuerlichen Annäherungsversuchen ans andere Geschlecht besteht.

Der Film ist also sehr konkret und explizit einerseits und auf andere Weise recht abstrakt, man kann auch sagen, er konzentriert sich voll auf das American Pie-Feeling. Wie ein heißer Apfelkuchen ist das, und angesichts des Kults der Amerikaner um Back- und Naschwaren kann man sich vorstellen, wie aufregend dieses Gefühl sein muss. Dass der Film keine Dramatik aufweist, enthebt ihn auch des Pathos, und das ist gerade bei Schülerfilmen ein Pluspunkt. Wenn es keinen Konflikt gibt, kann er auch nicht in falscher Tonlage dargestellt sein. In einem Film, in dem das Lächerliche permanent lächerlich dargestellt wird, kann es keinen unfreiwilligen Humor geben.

Wir können’s nicht ändern, wir mussten stellenweise sehr lachen. Vor allem der Internet-Striptease war ein Brüller, weil immer der eigene Film in uns ablief, der auf die Zeit der ersten Netzerfahrungen abstellt. Klasse, dass alle Jungs und Mädels an dieser Schule schon im Jahr 1999 Internet hatten. Zu der Zeit verfügten wir nur über einen Uni-Zugang, privat hielt das Medium, das uns unter anderem das Schreiben für den Wahlberliner erlaubt, erst 2001 Einzug. Und was heute so selbstverständlich wirkt, nämlich sich obszöne Filme im Netz angucken zu können, war 1999 wohl der Hype, den es im Film darstellt. Das Rudimentäre an der gezeigten Situation ist gerade heute echt witzig, wo wir schon wieder so viel weiter sind und das Netz kein freudiges Experimentierfeld mehr darstellt, sondern wie jede Technik mit der Zeit auch seine Schattenseiten offenbart. Da die bewegten Bilder, die durch eine kugelförmige Kamera, aufgestellt auf einem alten Röhrenbildschirm, in die Welt transportiert werden, noch so unscharf sind, ist das Pornografische arg limitiert, aber wir bekommen eine Ahnung davon, wie es ist, wenn Informationen über Menschen an einen größeren Personenkreis gelangen als vorgesehen.

Da der Film zwar sexuell recht offensiv ist, aber wie erwähnt undramatisch, gibt es auch keine Charaktere, über die wir uns aufregen müssten. Die Jungs sind alle mehr oder weniger sympathisch, keiner ist echt widerlich, die Mädchen sind alle nett bis sehr nett und im Fall der osteuropäischen Austauschstudentin Nadja sogar sexy. Der Film spielt natürlich mit unseren Vorstellungen und mit Klischees und es ist klar, dass keine verklemmte Mittelwest-Amerikanerin vor der Kamera masturbiert, sondern eine von diesen hemmungslosen, gerade aus dem Kommunismus befreiten Ossis, die aus eine Welt kommen, in der es ein paar Jahre zuvor noch keinen Spaß gegeben hat, außer eben dem Sex.

Männer finden den Film um einiges vergnüglicher als Frauen, gemäß Auswertung der IMDb-Votings, das ist nicht überraschend. Nicht, dass Frauen in ihren Handlungen diskriminiert würden, im Gegenteil, sie wirken durchaus empathischer als die Jungs, aber das Reden der Jungs über sie stößt wohl in der Realität bei aller milden Satire viele Frauen ab.  Die weiblichen Darstellerinnen sind viel bekannter als die der Jungen. Außerdem gibt es einen deutlichen Rückgang der Begeisterung für den Film in den höheren Altersklassen, was wir ebenfalls gut nachvollziehen können.

Finale

Dabei ist der Film im Prinzip gegen Jungen mehr ungerecht als gegenüber Frauen, denn so ausschließlich schwanzgesteuert waren wir nun doch nicht, und wir rechnen auch der heutigen Generation zu, dass sie noch andere Interessen hat, als (bis) zu einem bestimmten, genau festgelegten Zeitpunkt das erste sexuelle Erlebnis zu haben. All dies, was wir im Film als großes Ding sehen, läuft auf der Gefühlsebene viel intensiver, im Umfeld des Reallebens aber auch beiläufiger ab. Kein Problem, Filme sollen ja akzentuieren und verdichten, und wenn man sich darauf konzentrieren mag, wie der Mann im Mann erwacht, dann ist das nicht verwerflich. Und vor allem ist es harmlos.

Ein harmloser Film kann kein richtig guter Film sein, aber man kann ihn sich ansehen ohne Bauchschmerzen. Es wurde sehr darauf geachtet, dass abseits des Hauptthemas niemandem an die Karre gefahren wird. Ganz subtile Diskriminierungen gibt es, aber die liegen jenseits der Wahrnehmungsschwelle des Publikums, für den solche Filme gedacht sind. Gewiss ist dies manipulativ, aber eben so unterschwellig, dass Spekulation darin läge, sich damit intensiver auseinanderzusetzen. Das haben wir auch bezüglich der einzelnen Figuren nicht getan, weil wir meinen, es ist dem Film angemessener, mehr allgemein über ihn zu schreiben. Die Figuren von allen Seiten zu beleuchten, hieße, sie ernster zu nehmen, als sie gedacht sind.

Bei der Gelegenheit seit anlässlich der Veröffentlichung 2023 beigefügt: Der Film ist nicht mit „American Beauty“ zu verwechseln, der im selben Jahr entstand und Charaktere in wesentlich kräftigeren Strichen zeichnet. 

65/100

© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2014)

(1), kursiv, tabellarisch: Wikipedia

Regie Paul Weitz
Drehbuch Adam Herz
Produktion Chris Moore,
Warren Zide,
Craig Perry,
Chris Weitz
Musik David Nessim Lawrence
Kamera Richard Crudo
Schnitt Priscilla Nedd-Friendly
Besetzung

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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