Crimetime Vorschau – Titelfoto © HR
Auch das Tatort-Jahr 2023 neigt sich dem Ende zu. Für uns war es ein vergleichsweise ereignisarmes Jahr, weil wir uns eher darauf konzentriert haben, Lücken bei den älteren Jahrgängen zu füllen, als neue Tatorte sofort nach der Premiere zu rezensieren.
Insgesamt haben wir unsere Aktivitäten für die Rubrik „Crimetime“ zugunsten des „Filmfest“ reduziert, denn der Ausschnitt vom Weltkino, den wir bisher gezeigt haben, ist in Relation zu den Fernsehkrimis doch recht klein. Immer noch liegt Crimetime mit 1192 Beiträgen vor dem Filmfest (1036). Daran sieht man aber auch, welch ein Werk wir innerhalb von fünf Jahren vollbracht haben. Die meisten jemals gedrehten Tatorte und seit 2019 auch Polizeirufe haben wir rezensiert. Darauf sind wir auch ein bisschen stolz und wir freuen uns, dass diese Rezensionen immer wieder von interessierten Leser:innen abgerufen werden. Das unterscheidet sie grundlegen von unseren politischen und Info-Artikeln, die an Aktualität und damit auch an Relevanz für unsere Leser:innen verlieren.
Freilich konnten wir auch auf ca. 500 Fernsehkrimi-Rezensionen und ca. 250 Filmrezensionen zurückgreifen, die wir bereits im „ersten“ Wahlberliner von 2011 bis 2016 veröffentlicht hatten, zudem lagen im Archiv weitere, noch nicht veröffentlichte Texte, als wir den „neuen“ Wahlberliner am 24. Juni 2018 starteten. Das machte es in den ersten Jahren etwas einfacher, eine hohe Dichte an Veröffentlichungen zu produzieren. Mittlerweile haben wir bei beiden Rubriken den Ausstoß zugunsten der aktuellen Artikel zu den Themen Politik, Wirtschaft, Gesellschaft verlangsamt und insgesamt bringt der Wahlberliner wohl auch dieses Jahr wieder weniger Beiträge hervor als in den vergangenen Jahren. Diese Tendenz könnte 2024 anhalten, u. a. aus beruflichen Gründen. Wir publizierten aber auch 2023 mehr als doppelt so viele Beiträge wie üblicherweise im „ersten“ Wahlberliner.
Nachdem wir nun ein wenig ausgegriffen haben, zum letzten Tatort des Jahres. Er kommt aus Frankfurt, wurde demgemäß vom Hessischen Rundfunk hergestellt und trägt den Titel „Kontrollverlust“. Die Ermitler heißen Paul Brix und Anna Janneke. Nach unserer etwas langatmigen Einleitung nun aber rasch voran mit Infos und Stimmen.
Informationen und Handlung
Kontrollverlust ist ein Fernsehfilm aus der Krimireihe Tatort. Der vom Hessischen Rundfunk produzierte Beitrag ist die 1254. Tatort-Episode und soll am 26. Dezember 2023 im SRF, im ORF und im Ersten ausgestrahlt werden. Das Frankfurter Ermittlerduo Janneke und Brix ermittelt in seinem 18. Fall. Die Bildhauerin Annette Baer findet ihren erwachsenen Sohn Lucas nachts mit blutigen Händen im Badezimmer der gemeinsamen Wohnung vor. Sie vermutet, dass etwas Schreckliches passiert ist.[1]
Als die Bildhauerin Annette Baer ihren erwachsenen Sohn Lucas nachts mit blutigen Händen im Badezimmer ihrer gemeinsamen Wohnung vorfindet, weiß sie, dass etwas Schreckliches passiert ist – auch wenn Lucas behauptet, nichts getan zu haben. Am nächsten Morgen werden die Kommissare Anna Janneke und Paul Brix zur Leiche der jungen Cara Mauersberger gerufen.
Cara kam aus der sächsischen Kleinstadt Döbeln und war erst vor ein paar Monaten nach Frankfurt gezogen. Leon Hamann, ein Angestellter der Hausverwaltung, hat die Tote entdeckt. Die Messerstiche in Caras Körper deuten auf eine Affekttat hin, die zerschlagene Balkontür auf einen Einbruch. Doch Hamann, der Cara offenbar genau beobachtet hat, weiß von einem Streit der Toten mit ihrem Freund am Vortag. So dauert es nicht lange, bis Janneke und Brix eine Verbindung zwischen Cara und Lucas Baer finden.
Annette Baer gelingt es, den Fokus der polizeilichen Ermittlungen von ihrem Sohn abzulenken. Die Kommissare entdecken stattdessen, dass Cara in ihrer Freizeit Gamerin war und unter dem Pseudonym Chipmunk auf einer Streaming-Plattform ihre Spiele live kommentierte. Dass sie sich dabei sexistischen Darstellungen ganz offen verweigerte, brachte ihr in der von Männern dominierten Szene allerdings nicht nur Wohlwollen ein. Ihr Follower CancelChipmunk, der online eine aggressive, ideologisch eingefärbte Agenda verfolgt, gerät ins Visier der Kommissare. Versteckt sich dahinter der wie seine Mutter künstlerisch sehr begabte Lucas, der mit Cara ein Gamedesign entwickeln wollte? Gerade als Janneke und Brix die Identität von CancelChipmunk aufdecken, wird auch noch die Psychologiestudentin Denise ermordet aufgefunden.[2]
Nach unser langatmigen Einleitung hat die ARD uns auch noch eine recht langatmige Handlungsbeschreibung zur Verfügung gestellt. Hoffentlich ist das kein schlechtes Omen bezüglich des Gepräges des Films.
„Puh, das ist eine ziemlich langatmige Veranstaltung, die uns die ARD zum Ausklang des Weihnachtsfests zumutet. Natürlich geben Janneke und Brix als eingespieltes Team ihr Bestes, doch das spannungsarme Drehbuch ohne wirkliche Höhepunkte können auch sie nicht retten. Schon eine halbe Stunde vor Filmende möchte man als Zuschauer den Kommissaren entgegenrufen: „Fall gelöst!“ – und muss dann doch noch bis zum erwartbaren Finale warten. Und was die Themensetzung angeht, ist dieser Tatort eindeutig überfrachtet: Cybermobbing, Frauenfeindlichkeit, Ost gegen West, Mutter-Sohn-Komplex, Ödipuskonflikt, prekäre Künstlerexistenzen – sorry, einfach too much.“[3]
Nun ist es passiert. Der Vorlauf hat sich auf den Film selbst übertragen. Die Meinung der Tatort-Fans, die wir traditionell als erste abbilden, spricht von Überforderung und Langeweile in Kombination. Das erinnert uns daran, was uns bei den Frankfurt-Tatorten der neuen Generation schon häufiger aufgefallen ist: Entweder sind sie etwas langweilig, und zwar dann, wenn das Ermittlerduo selbst stark in den Vordergrund gerückt wird, oder sie werden so auf schräg getrimmt, dass man manchmal die Augen verdreht, um jene Langeweile zu vermeiden. Das kann dann zu einer Kombination wie der oben beschriebenen führen.
Wir hatten in unserer vorausgehenden Vorschau zum Polizeiruf 409 „Nur Gespenster“ (Nur Gespenster – Polizeiruf 110 Episode 409 #Crimetime Vorschau Das Erste 17.12.2023, 20.15 Uhr) darüber nachgedacht, was man tun könnte, um die Tatort- und Polizeiruflandschaft ein wenig auszukämmen und dadurch die Qualität wieder zu steigern. Unser Vorschlag war, die insgesamt 26 Teams auf 20 zu reduzieren, dabei zwei oder drei Polizeiruf-Teams zu erhalten und sie in die Tatort-Reihe zu integrieren und drei oder vier Tatort-Teams zu streichen. Um ehrlich zu sein, die Frankfurter wären auf unserer Lister der möglichen Streichungen nicht ganz hinten anzutreffen. Nun ist aber klar, dass der HR nicht auf seine Hauptschiene Frankfurt verzichten wird, denn Murot, der bessere Hessen-Tatort, wird nur einmal im Jahr gedreht und außerdem nur, solange Hauptdarsteller Ulrich Tukur Lust und Zeit hat. Ob es dafür einen Ersatz geben wird, weiß man nicht, und einen Tatort steuert jeder Sender der ARD mindestens bei. Aber warm geworden sind wir mit Brix und Janneke bisher nicht. Und das heißt durchaus etwas, denn die beiden haben nun schon 18 Fälle gelöst.
Und damit zu einer faustdicken Überraschung. Das sind genauso viele, wie einst das Duo Dellwo / Sänger. Und die nächste folgt sogleich, hier eingeschoben, weil in einer der folgenden Kritiken erwähnt. Wir wussten bisher nicht, dass Janneke und Brix nach 19 Fällen aufhören werden.
Steier und Mey hatten zusammen nur5 Fälle gelöst, Steier alleine dann noch zwei. Damit sind Janneke und Brix das durabelste Team des HR seit Edgar Brinkmann, der auf 28 Fälle kam. Vor Brinkmann herrschte etwas Unruhe, über Jahre hinweg versuchte man dies und das, kam aber nicht zu einem fortsetzungsfähigen Konzept. Der bekannteste Kommissar der klassischen Ära dürfte neben Brinkmann der erste Frankfurt-Kommissar Konrad (8 Fälle) sein.
Zurück zu Janneke und Brix in Relation zu Dellwo / Sänger. Vergleichen Sie, als alte:r Tatort Hase oder Häsin: Welches Team bzw. die Fälle welches Teams sind Ihnen mehr im Gedächtnis geblieben? Sänger und Dellwo hatten nach dem sehr konservativ wirkenden Edgar Brinkmann und dem sehr konservativen Stil, den die Hessen-Tatorte bis zum Schluss hatten, wenn sie seine Einsätze zeigten, einen Riesensatz nach vorne gemacht, der FFM-Tatort zählte in den 2000ern zu den Progressivsten, einige der Fälle wie „Herzversagen“ oder „Weil sie böse sind“ wurden zu Klassikern, das Duo selbst war vor allem wegen Charlotte Sänger eines der interessantesten jener Jahre. Unter ihren Fällen gab es kaum einen Flop und die Visualität der 18 Tatorte, die mit den beiden in den Jahren 2003 bis 2010 entstanden sind, war at top und hat die weitere Entwicklung der Reihe mitgeprägt. Mit Steier und Mey hatte man das ambitionierte Ziel, daran anzuknüpfen oder Dellwo / Sänger noch zu toppen, leider ging es schief. Die Filme waren noch immer gut, aber etwas schräg, wegen der auf eine nicht ganz gelungene Weise auf Kontrast gebürsteten Ermittlerfiguren, die Anmutung war hochwertig, man hätte daraus noch mehr machen können, aber dann stieg Mey (Nina Kunzendorf) aus und das Projekt war quasi geplatzt, weil auch Joachim Król, sicher damals einer der besten Schauspieler in der Reihe, nicht alleine weitermachen wollte, nicht für lange jedenfalls.
Heute kann sich der HR noch darauf verlassen, dass Felix Murot zumindest diskussionswürdige Filme liefert, aber offenbar hat der Abgang von Mey und Steier eine Art Schockzustand bei den Verantwortlichen verursacht, der zu einem Knick bei der Kreativität und Inspiration geführt hat. Im Grunde weiß man bis heute nicht so recht, was man mit diesem Team eigentlich will. Deshalb kommt es zuweilen zu Ausflügen ins Fach Crime Mystery und Horror, aber eines können wir voraussagen: Das wird nicht der Tatort von morgen sein. So wird er nicht aussehen. Dafür gibt es andere Formate, die ihre eingefleischten Fans haben, Tatort-Gucker:innen tendieren anders. Oft wird der Fehler gemacht, dass man denkt, das junge Publikum verändert auch den Tatort. Das stimmt aber so nicht: Erst ab einem gewissen Alter finden viele überhaupt zum Tatort, das heißt, man reift dem Format mehr oder weniger entgegen und erwartet dafür auch ein gereiftes Format. Das heißt nicht, dass es sich nicht weiterentwickeln darf. Im Gegenteil. Qualität auf aktuellem Niveau wird immer geschätzt. Aber so etwa ab 40 hat man genug Schräges im Kino oder heutzutage im Streaming gesehen, um den Grundrahmen des Tatorts als eine Umgrenzung des nationalen Lagerfeuers auf eine übersichtliche Stelle anzusehen, an dem es den Sonntagabend erleuchtet (dieses Mal nicht, denn alternativ kommt es bei Feiertagen am Ende des letzten Feiertags zu einer Premiere, der ohne Arbeitstag dazwischen auf einen Sonntag folgt, also häufiger am Montagabend, ausnahmsweise auch dienstags).
Es ist erstaunlich, dass der Tatort trotz der Möglichkeit, die Filme in der ARD-Mediathek ein halbes Jahr lang abzurufen (bis auf den Schweiz-Tatort), immer noch zwischen 8 und 10 Millionen Zuschauer zur Premierenausstrahlung lockt. Wenn man die Streaming-Abrufe mitzählt, ist er über die Jahre also eher beliebter als unbeliebter geworden. Die Münsteraner kommen sogar auf bis zu 14 Millionen Premieren-Zuschauer:innen. Aber was trägt Frankfurt aktuell zu dieser Beliebtheit bei? Wir sind gespannt, der Dienstag macht vielleicht auch einen Unterschied, aber wir glauben, Stand nach einer Stimme, dass dieser Film nicht zu den meistgesehenen Tatort-Neuerscheinungen des Jahres 2023 zählen wird.
Was sagen nun die Kolleg:innen vom Nachbarsender SWR zu diesem Film?
„Dieser Frankfurter Tatort ist einer der Fälle, bei dem wir glauben, den Täter von Anfang an zu kennen. Das muss ja nicht unspannend sein, denn auch beim Krimi gilt ja: Der Weg ist das Ziel. Allerdings ist der Weg hier sehr langwierig. Kommissar Brix und seine Kollegin Janneke lassen sich meiner Meinung nach auch viel zu schnell ablenken oder abfertigen, zum Beispiel mit Alibis, die kaum bis gar nicht überprüft werden.
Dazu kommen offensichtliche Fehler in der Polizeiarbeit. Seit wann dürfen Verdächtige oder Verwandte von Verdächtigen zum Beispiel die Ermittlungstafel sehen, an der alle Beweise hängen? Teilweise kommt mir das stümperhaft vor, genau wie die gewollten lockeren Unterhaltungen zwischen Brix und Jannecke.“[4]
Oh je. „Stümperhaft“ ist im Grunde eines der schlechtesten Urteile, die man für einen der ARD-Premiumkrimis vergeben kann. Und das nach der oben erläuterten Phase, in der die Mainmetropolen-Krimis das genaue Gegenteil waren. Kommt zu allem auch noch schlampige Auswahl oder Redaktion der Drehbücher, sozusagen als Apotheose der allgemeinen Unlust, mit diesem Team seriös zu arbeiten? Wir wollen ein solches Verdikt nicht an dem oben beschriebenen einzelnen Fehler aufhängen. Bei sehr beliebten Teams wird schon mal gerne ein Auge zudrückt, wenn es in deren Filmen zu einem Sachfehler oder zu einem Plothole kommt. Gerade Münster profitiert sehr von der Beliebtheit seiner Stars und die Schimanski-Tatorte waren inhaltlich und bezüglich i hrer filmischen Qualität oft grottenschlecht, trotzdem gelten sie zusammen mit dem Ruhrpott-Proll, der sie dominiert hat, als Kult. Haben wir aber nun schon eine Tendenz, die sich weiter verfestigen wird?
„Kunst, künstliche Welten und die Anmaßung, einen Menschen nach dem eigenen Willen zu formen: Im „Tatort – Kontrollverlust“ (ARD Degeto / HR) rückt nach dem gewaltsamen Tod einer Gaming-Influencerin eine sonderbare Mutter-Sohn-Beziehung in den Mittelpunkt. Der Film von Elke Hauck und Sven S. Poser wirft spannende psychologische und ethische Fragen auf, wirkt aber teilweise widersprüchlich & erzählerisch nicht überzeugend. Neben Bildgestaltung und Szenenbild ragen die vom HR-Symphonieorchester eingespielte Musik und das Spiel von Jeanette Hain und Béla Gábor Lenz heraus. Margarita Broich und Wolfram Koch sind diesmal als Ermittlerteam das angenehm konventionelle Kontrastprogramm.“[5]
Das Team von Tittelbach-TV, dessen Rezensionen für uns zu den essenziellen zählen, wegen der Ausführlichkeit und des Kenntnisreichtums bezüglich des Formats Tatort und des Fernsehfilms im Allgemeinen, schreibt selten deutlich negative Sätze in die Zusammenfassungen, die wir hier abbilden. Weil man dem Format nämlich auch gewogen ist. Deshalb kommt es selten zu Bewertungen von weniger als 4/6. Davor hat man sich auch dieses Mal zurückgehalten, aber der Durschnitt liegt höher. Und es gibt diese Begriffe, wie „widersprüchlich & erzählerisch nicht überzeugend“. Dass danach noch einige Highlights herausgehoben werden, darf man so lesen: Die Schauspieler werden immer aus der Kritik herausgehalten, „angenehm konventioneller Kontrast“ = fallen nicht durch Patzer auf, sind aber auch nicht gerade der Thrill dieses Films. Dass der HR musikalisch über dem Durchschnitt ist und dazu auch sein gutes Sinfonieorchester einsetzt, ist schön, wir hören auch gerne gute Musik, aber es ersetzt natürlich keinen guten Krimi. Im Gegenteil, bei uns entsteht in solchen Fällen (so unser Eindruck dem entsprechen wird, was wir bisher gelesen haben) der Eindruck, man kleistert mit guten Bildern und hübscher Musik andere Mängel zu. Dadurch wirkt diese Qualität ziemlich hohl, ihr fehlt das solide Fundament einer notabene überzeugenden Handlung.
Wenn Sie etwas mehr oder weniger Wertungsfreies zum Film lesen wollen, werden Sie hier fündig: „Tatort: Kontrollverlust“: Wenn der Sohn unter Mordverdacht steht | WEB.DE. Der Beitrag wird zwar als Meinungsäußerung gelabelt, ist aber eher beobachtend formuliert (subjektive Wahrnehmung als Meinungsäußerung?).
„Es liegt Abschied in der Luft, vor ein paar Tagen haben Koch und Broich angekündigt, dass der gerade abgedrehte, nächste Fall im kommenden Jahr ihr letzter sein wird. Wie schade. Die beiden gehören zu den wenigen Tatort-Teams, von denen man gern noch mehr sehen würde. Aber die voll aufgedrehten Mega-Episoden der letzten Zeit – „Leben, Tod, Ekstase“ und „Erbarmen. Zu spät“ – legen die Idee nahe, dass es vielleicht nicht um die Frage geht, wann man aufhört. Sondern wie.“[6]
Hier machen wir es Ihnen mal nicht so leicht, wie schon bei der vorherigen Stimme. Sie müssen anklicken, um zu erfahren, warum die Rezensentin der SZ findet, die Frankfurter gehören zu den wenigen Teams, von denen man gerne noch mehr sehen würde. Widersprochen haben wir im Grunde schon zuvor, als wir diese Rezension noch nicht gesichtet hatten. Und die darin enthaltene Information, die für uns neu ist, müssen wir noch weiter vorne einbauen, wo wir ein wenig auf vergangene Frankfurt-Zeiten zurückgeblickt haben. Wir meinen, anders als die SZ-Kritikerin: Ja, das passt. Sorry, Janneke und Brix, aber: Der HR bekommt jetzt die Gelegenheit, die Fehlstellungen zu justieren, die mit diesem Team wohl nicht zu beseitigen waren. Warnung: Schlechte Drehbücher lassen jedes Team schlecht aussehen. Und unser Eindruck ist nicht erst seit heute, dass es schwierig geworden ist, genug gute Drehbücher für die immerhin ca. 40 Tatorte und Polizeirufe pro Jahr zu bekommen.
Bisher hatten wir über den Grund dafür eher in folgender Form nachgedacht: Klar, bei der allgemein nachlassenden Lebenserfahrung und Erfahrung mit der Praxis des Verbrechens, dass es abwärts geht, und zwar vor allem mit den realistischen Anteilen an diesen Filmen. Mittlerweile sind wir auf einen weiteren Grund gestoßen: Es werden immer mehr Krimis gedreht, in Deutschland und überall. Und sie sind erfolgreich, vor allem, wenn sie von den Öffentlichrechtlichen kommen. Zuletzt konnte ein Nord Nord Mord-Krimi bei der Premiere an einem ganz normalen Montagabend etwa 8,5 Millionen Zuschauer vor dem Bildschirm versammeln. Das ist ein klares Signal auch für Drehbuchautor:innen, es lieber auch mal bei diesen Filmen zu versuchen, wo es vielleicht noch etwas einfacher ist, sicher angenommen zu werden. Ob die Dotierung für Drehbücher denen des Tatorts entspricht, müssten wir einmal recherchieren. Letztere hat allerdings einen Haken: Die Saläre sind klar zu niedrig im Vergleich zu dem, was andere an den Filmen Beteiligte erhalten. Um als Drehbuchautor nur einigermaßen über die Runden zu kommen, wenn man nur davon leben will, muss man zwei bis drei Bücher pro Jahr in der Reihe unterbringen, und wer schafft das schon? Ausgleich gibt es woanders, denn die Zahl der Reihen jenseits des Sonntagabends expandiert immer weiter. Der Tatort ist immer noch die Nummer eins, ohne Frage, aber er hat zuletzt, ohne selbst in einen Abwärtstrend zu geraten, durch den Aufwärtstrend der „Krimis unter der Woche“ etwas von seiner Ausnahmestellung verloren.
Nun haben wir doch wieder eine recht lange Vorschau verfasst, auch wenn sie nicht an die der vergangenen Woche herankommt, als wir uns über den Polizeiruf Rostock und die Polizeirufe der letzten Jahre noch mehr grundsätzliche Gedanken gemacht haben als heute über Brix, Janneke und die anderen aus Frankfurt am Main. Dieses Mal sind wir knapp am Feature „DGR“ (Die große Rezension) vorbeigeschrammt (ab 3.000 Wörter).
TH
Besetzung und Stab
Hauptkommissarin Anna Janneke – Margarita Broich
Hauptkommissar Paul Brix – Wolfram Koch
Kriminalassistent Jonas Hauck – Isaak Dentler
Annette Baer – Jeanette Hain
Lucas Baer – Béla Gábor Lenz
Leon Hamann – Franz Pätzold
Denise Wagner – Mina-Giselle Rüffer
Cara Mauersberger – Viktoria Schreiber
Adrian Kämmerer – Thomas Sarbacher
Meral Yasha – Anita Iselin
Fanny – Zazie de Paris
u. v. a.
Buch – Elke Hauck, Sven S. Poser
Regie – Elke Hauck
Kamera – Jan Velten
[1] Tatort: Kontrollverlust – Wikipedia
[2] Kontrollverlust – Tatort – ARD | Das Erste
[3] Tatort Folge 1254: Kontrollverlust – Tatort Fans (tatort-fans.de)
[4] Tatort-Kritik am 26.12. aus Frankfurt „Kontrollverlust“ (swr3.de)
[5] https://www.tittelbach.tv/programm/reihe/artikel-6473.html
[6] Ohne Soße: Tatort Frankfurt „Kontrollverlust“ – Medien – SZ.de (sueddeutsche.de)
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