Briefing 395 PPP, Wirtschaft, Ticketsteuer, Flugbenzin, Kerosin, CO2-Abgabe, Ampelkoalition, Haushaltslöcher, Klimageld
Fliegen Sie häufig von deutschen Flughäfen aus irgendwohin? Dann werden Sie von der Anhebung der Ticketsteuer betroffen sein. Setzen Sie durch die Verwendung fossiler Energieträger CO₂ frei? Im Zuge der aktuellen Haushaltssicherung wird überall geschaut, wo noch Geld herauszuholen ist, aber das, was wir bisher gesehen haben, ist für uns von höchst unterschiedlicher Qualität.
Das Beste wäre gewesen, die Schuldenbremse 2024 noch einmal auszusetzen und sie dann endlich zu reformieren. Sie behindert Investitionen, die in allen anderen Ländern problemlos getätigt werden können und führt damit zu einem immer größeren, die Zukunft gefährdenden Stau in Deutschland. Das viele Kleinvieh, das jetzt Mist machen soll, ist der unglaublichste Flickenteppich kurzfristiger Maßnahmen, den wir je in so kurzer Zeit gesehen haben. Man müsste das alles einzeln kommentieren und Bewertungen dafür vergeben.
In Sachen Ticketsteuer anstatt Kerosinsteuer und Erhöhung des CO₂-Preises um satte 50 Prozent können Sie das jetzt immerhin auch anhand von zwei Umfragen tun:
Begleittext aus dem Newsletter:
Die 2011 von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung zur Etatsanierung eingeführte Ticketsteuer soll erneut erhöht werden. Sie betrifft alle Passagiere, die von deutschen Flughäfen abheben. Aktuell beträgt die Ticketsteuer fast 13 Euro pro Kurzstreckenflug und etwa 58 Euro für die Langstrecke. Die Bundesregierung will so ab kommendem Jahr Mehreinnahmen von bis zu 580 Millionen Euro jährlich generieren, berichtete der MDR letzte Woche.
Die Reisebranche warnt vor Preissteigerungen infolge der geplanten Anhebung der Luftverkehrsteuer. „Das ist eine soziale Frage mit Sprengkraft – insbesondere für Durchschnittsverdiener mit Familie und Kindern“, sagte der Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV), Norbert Fiebig, gegenüber ntv. Es könne nicht sein, dass die Bundesregierung ihre Haushaltsprobleme auf dem Rücken von Urlaubern austrage.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) verteidigt die Pläne der Bundesregierung. „Wir müssen alles vermeiden, was unsere Luftverkehrswirtschaft einseitig trifft und ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit einschränkt“, zitiert das Handelsblatt Wissing. Eine Erhöhung der Kerosinsteuer als Alternative wäre leicht zu umgehen und würde zu Tanktourismus in anderen Ländern führen.
Lobbyismus ist Lobbyismus, auch die Reisebranche betreffend. Die Probleme, die das BVerfG mit seiner Entscheidung zu Schuldenbremse und Klimafonds getroffen hat, treffen alle, nicht nur die Urlauber:innen. Was wir hauptsächlich kritisieren, dürfte klar sein: Die Reichen wurden wieder einmal komplett verschont. Die allgemeinen Preissteigerungen, die jetzt wieder kommen werden, wird diese Gruppe locker wegstecken, dafür aber weiterhin kaum Steuern zahlen müssen.
Der Vater der Schuldenbremse und der Schwarze-Null-Politik ist gerade verstorben, offenbar sieht sich der jetzige Finanzminister Christian Lindner (FDP) qua Position und Ideologie als sein Erbe. Was durch seine Politik vor allem gefördert wird, ist die immer mehr anwachsende Ungleichheit, denn natürlich treffen die Einsparungen, die jetzt vorgenommen werden und die Erhöhungen von Gebühren, Abgabe an dieser oder jener Stelle vor allem ärmere Menschen. Ist das bei der Flugticketsteuer auch so? Die Befreiung des Flugbenzins von der Steuer ist ökologisch unsinnig, aber wenn es denn wettbewerbsgerechter ist, kann man natürlich auch auf eine Ticketsteuer optieren.
Wir haben mit „eher ja“ abgestimmt. Die Gruppe der latent und eindeutig die Erhöhung der Steuer Befürwortenden ist gegenwärtig ziemlich genau gleich groß wie die Gruppe der Abehnenden. Angesichts des schlechten Standings der Ampelregierung bei den Bürgern, etwa, was sie tut, hätte es schlimmer kommen können mit dem Ablehnungsgrad auch in Bezug auf diese Maßnahme. Wir sehen auf den ersten Blick nicht, was daran schlechter sein sollte als die Kerosinsteuer, auch wenn die wahren ökologischen und Klimakosten damit natürlich kaum bewältigt werden. Außerdem ist ja klar erkennbar, dass hier nur mit vielen kleinen Belastungen ein großes Haushaltsloch gestopft werden soll, eine ökologisch-strategische Bedeutung hat diese eher wenig zur Haushaltssanierung beitragende Maßnahme nicht.
Der Begleittext aus dem Civey-Newsletter
Die Abgabe für den Ausstoß von CO₂ beträgt derzeit 30 Euro pro Tonne. Der Preis sollte zum 1. Januar 2024 eigentlich auf 40 Euro steigen. Mit ihrer Haushaltseinigung hat die Bundesregierung am Mittwoch beschlossen, ihn auf 45 Euro anzuheben. Der CO₂-Preis wird bei Brennstoffen gezahlt, die beim Heizen und im Verkehr zum Einsatz kommen und dabei klimaschädliche Treibhausgase freisetzen. Somit müssen sich die Deutschen auf höhere Preise für Sprit und Heizöl einstellen, berichtete die Tagesschau.
Der ADAC kritisierte, dass der CO₂-Preis genutzt werde, um Lücken des Bundeshaushalts auszugleichen. „Gerade für Verbraucher mit niedrigem Einkommen muss diese Kompensation noch in dieser Legislaturperiode kommen, hieß es seitens des ADAC. Die Vorständin der Verbraucherzentrale Bundesverband, Ramona Pop, beklagt laut ARD ebenfalls, dass private Haushalte belastet werden, während die Industrie von einer Stromsteuersenkung profitiere. Deutschland wird als Wirtschaftsstandort nun „noch unattraktiver“, beklagte derweil AfD-Chef Tino Chrupalla laut ZDF.
Für Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sind die erwartbaren Mehrkosten für die Bevölkerung „vertretbar“. Im ZDF verwies er auf Entlastungen um „15 Milliarden Euro bei der Lohn- und bei der Einkommensteuer“ für 2024. Die geplante Erhöhung des CO₂-Preises schaffe indes nur eine Mehrbelastung von 1,3 Milliarden Euro. Der Chefökonom der Berenberg Bank, Holger Schmieding, begrüßt, dass die Ampel zeitnah für Klarheit gesorgt hat. Er geht laut WiWo davon aus, dass die Haushalte die Mehrbelastung „dank des Rückgangs der Marktpreise für Öl und Gas“ verkraften können.
In diesem Fall haben wir mit „eindeutig nein“ gestimmt. Schon die Erhöhung auf 40 Euro hätte ja für steigende Preise bei fossilen Energieträgern gesorgt, und dagegen können zum Beispiel Menschen, die in Mehrfamilienhäusern zur Miete wohnen, die mit Gas beheizt werden, nichts machen, außer natürlich statt wie bisher drei nun fünf Pullover übereinander ziehen. Wir haben deshalb klar mit „nein“ gestimmt, weil der versprochene Ausgleich in Form von Klimageld ausbleibt. Lindners Einkommensteueranpassung privilegiert nicht dieselben Gruppen, die von der CO₂-Steuererhöhung besonders belastet werden, sondern stellt in Wirklichkeit einen weiteren Schlag gegen Geringverdienende dar. Der ADAC hat das recht geschickt gemacht, mit seiner Einlassung: Er stellt sich nicht als Autofahrerlobby dar, sondern als Vertreter des sogenannten kleinen Mannes. Durch diese etwas durchsichtige Manipulation wird das Argument aber nicht falsch, sondern bleibt relevant.
TH
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