Sorgen Sie sich vor Naturkatastrophen? (Wegen des Klimawandels) (Umfrage + Kurzkommentar) | Briefing 396 | Klima, Umwelt, KER Klima-Energie-Report, Wirtschaft, Gesellschaft, Klimawandel

Briefing 396 Klimawandel, Flutkatastrophen, Dürren, Klima-Energie-Report, Wirtschaft, Gesellschaft, Demokratie

Grundsätzlich müsste es so sein. Wer sich um das Klima Gedanken macht und wegen der unbestreitbar im Eiltempo voranschreitenden Erderwärmung besorgt ist, der müsste sich wegen Naturkatastrophen, die daraus resultieren, Gedanken machen.

Es sei denn, er macht sich folgende Rechnung auf: Wo ich lebe, da sind solche Katastrophen nicht zu erwarten und ich  profitiere möglicherweise sogar von diesem Phänomen. Es gibt durchaus Regionen auf der Erde, die sich durch diese Veränderungen besser stehen werden. Leider trifft das auf die Mehrzahl der Staaten nicht zu. Auch nicht auf Deutschland, soweit man das bisher sehen und für die kommenden Jahre prognostizieren kann. Also ist die Abstimmung hierzulande auch eine Abstimmung darüber, ob man den Klimawandel als Faktum akzeptiert, ob man ihn für menschengemacht hält, also immer noch eine Dämpfungsmöglichkeit sieht, und ob man die Naturkatastrophen auf den Klimawandel zurückführt, die wir zuletzt häufiger gesehen haben.

Civey-Umfrage: Sorgen Sie sich vor möglichen Naturkatastrophen in Ihrer Umgebung (z.B. Hochwasser, Überschwemmungen)? – Civey

Begleittext aus dem Civey-Newsletter:

Bedingt durch den Klimawandel kommen Wetterextreme auch hierzulande häufiger vor. Dies beinhaltet häufigere Hitzewellen und Dürren, aber auch extreme Regenfälle und Stürme, berichtete der Spiegel Ende September. Laut einer Studie wird es Deutschland von 2050 bis zum Ende des Jahrhunderts vermehrt mit Trockenheit und Hitze zu tun bekommen. 

2021 sah sich Deutschland zuletzt mit den folgen nass-heißer Bedingungen konfrontiert. Damals trockneten hohe Temperaturen in einem regenarmen Sommer die Böden aus. Anschließend ergossen sich heftige Regenfälle. Im Ahrtal kam es zu Sturzfluten und heftigen Erdrutschen, bei denen Häuser weggespült wurden und mehr als 100 Menschen starben. 

Aktuell stehen wieder große Teile Deutschlands unter Wasser. Volle Talsperren und aufgeweichte Deiche sorgen seit den Weihnachtstagen in mehreren Bundesländern für Alarmzustände und Evakuierungen, wie die Zeit aktuell berichtet. In Lilienthal bei Bremen ist kürzlich ein Deich gerissen, die Okertalsperre ist so stark gefüllt, dass die Stadt Braunschweig sich aufgrund des abgelassenen Wassers auf eine Flutwelle vorbereiten muss.

Tatsächlich ist der Stand der Abstimmung kurz nach dem Start der Umfrage so, dass sich 54 Prozent derer, die sich beteiligt haben, eher wenig oder gar keine Sorgen machen. Der Wasserverlust in Deutschland, der uns im Nordosten besonders trifft, ist schon jetzt deutlich, ebenso die höhere Frequenz des Gegenteils, also von Überschwemmungen, im Westen. Jetzt wäre eine Abhandlung darüber angebracht, warum die menschliche Spezies zum Scheitern verurteilt ist. Es sei denn, die Mehrheitsmeinung wird nicht zum Maßstab für politisches Handeln gemacht und man sieht, auch im Sinne der Demokratie, den Klimaschutz auch als den Schutz von Grundrechten an, die in der Verfassung verankert sind. Der Klimaschutz selbst ist bisher dort nicht enthalten. Es gibt Argumente dafür und dagegen, das zu ändern. Nach unserer Ansicht kann man ihn auch im Erhalt anderer Grundrechte implizit verankern, wir hätten aber auch nichts gegen ein Staatsziel Klima- und Umwelt.

Wie so häufig, muss eine verantwortungsbewusste Minderheit dafür sorgen, dass es zu Regeln kommt, die alle einhalten müssen. Deswegen ist es gut, dass Demokratie nicht Terror der Mehrheit bedeutet, sondern auch den Schutz von Minderheiten und deren Lebensgrundlagen beinhaltet. Damit sind diejenigen gemeint, die unter dem Klimawandel leiden werden und, wie immer, diejenigen, die sich die Kostentragung der Folgen nicht leisten können. Dies wiederum wird die Mehrheit sein, wenn es Flutkatastrophen oder Trinkwasserknappheit kommt. Innerhalb dieser Mehrheit scheint es aber eine Mehrheit derer zu geben, die das Ganze nicht ernstnimmt. Die sich im Prinzip damit auch den Niedergang der persönlichen Lebensqualität durch die Folgen des Klimawandels verdient hätte. Aber auch das ist Demokratie und vorausschauende Politik: Sie schützt auch Menschen, die gar nicht geschützt werden wollen. Wegen des Schutzes der Allgemeinheit, der keine individuellen Unterscheidungen treffen kann, wer sich exakt wie zu einem Thema stellt oder sich sogar zivilgesellschaftlich daran beteiligt, die Zukunft zu sichern.

Wir haben für „eindeutig ja“ gestimmt, auch wenn man nicht Wetter und Klima verwechseln darf. Aktuell ist es übrigens mal wieder viel zu warm für Ende Dezember.

Wir hatten gestern an unserem Arbeitsplatz ein Gespräch mit einer betagten Dame, die sagt, vielen ihrer Freunde und Verwandten ginge es derzeit gesundheitlich nicht gut, weil sie die Wärme um diese Jahreszeit nicht gewöhnt seien. Aber es gebe keinen Klimawandel. Wir überlegten, wie wir es jetzt anstellen, die Frau nicht vor den Kopf zu stoßen und drucksten etwas herum, bis sie sagte: Das war ironisch gemeint.

TH


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