Filmfest 1038 Cinema
Footloose (engl.: Ungebunden) ist ein US-amerikanischer Tanzfilm von Regisseur Herbert Ross aus dem Jahr 1984.
Der Film entstand in einer Zeit, als der Teenie-Film und der Tanzfilm in den USA Erfolge feierten und am Ende das High-School-Musical dabei herauskam. Kein High-School-Musical ohne den Abschlussball, selbstverständlich. Ist „Footloose“ ein Prototyp oder ein Versuch, Erfolg durch die Zusammenlegung beider Genres zu erreichen? Ganz sicher ist er ein Mix aus „Flashdance“, „Fame“, „Dirty Dancing“ (der erst drei Jahre später kam) und den Michael Hughes-Jugendfilmen mit dem „Brat Pack“ (ebenfalls erst ab 1985) oder auch „Zurück in die Zukunft“ (ebenfalls 1985), aber auch von ernsteren Werken wie „Diner“ oder „The Outsiders“, die es zu dem Zeitpunkt schon gab, hat diese Tendenzen mit befördert, weil er tatsächlich Erfolg hatte. Und der Film ist ja auch nett. Nett ist die kleine Schwester von …? Kommt auf den Sprachgebrauch an. Wir klären das näher in der –> Rezension.
Handlung (1)
Der junge Ren MacCormack zieht mit seiner Mutter von Chicago in die spießige Kleinstadt Bomont. Hier hat Reverend Shaw Moore das Sagen. Dieser verlor einst einen Sohn bei einem Autounfall und glaubt, dass Rockmusik sowie der angeblich zwangsweise damit einher gehende Drogen- und Alkoholmissbrauch an dem tödlichen Unfall schuld waren. Von Moore angeführt erließ der Stadtrat daraufhin zahlreiche Verbote. So wurden unter anderem Rockmusik, Alkohol und Tanzen verboten. Der vom Tanzen und lauter Rockmusik begeisterte Großstadt-Teenager gerät deshalb schnell in Konflikt mit den konservativen Einwohnern der Stadt. Er hält die Verbote für unsinnig und will sich mit dieser Situation nicht abfinden.
Der durch die Auseinandersetzungen mit seiner Tochter verunsicherte Reverend merkt bald auch, dass die Verbote zu weit gehen, als einige Lehrer Klassiker der Literatur als „Schund“ verbrennen wollen, was er gerade noch verhindern kann. Ren beantragt bei der nächsten Stadtratssitzung die Aufhebung der Verbote, kann sich aber gegen die Entscheidungsträger nicht durchsetzen. Gegen alle Widerstände und mit ein wenig Hilfe eines Lagerhallenbesitzers, bei dem er sich zeitweise etwas Geld verdient, organisiert er einen Abschlussball für die Schüler der Highschool („Prom„) und schafft es letztendlich sogar, Reverend Moore davon zu überzeugen, dass dessen Tochter Ariel ihn zum Ball begleiten darf.
Rezension
Nett? Nüchtern kritisch betrachtet, stellt er nicht viel dar. Die Konflikte sind auf einer sehr einfachen Ebene abgehandelt, das Tanzen ist eher enttäuschend. Jugendliche an der High School darzustellen, ist in anderen Filmen, etwa den erwähnten Hughes-Produktionen mit Teenie-Stars wie Molly Ringwald besser gelungen, die Tanzszenen etwa im ein Jahr älteren „Flashdance“ sind weitaus anspruchsvoller und moderner, und als diese Tanzveranstaltung, der Höhepunkt, anfängt, dachte ich, ich sei wirklich irgendwo auf dem Land in den 1970ern, nicht bei einer Art institutionalisierten Rebellion Jugendlicher – und es handele sich um einen Highschool-Abschlussball.
Es ist ja tatsächlich einer, aber mindestens in der deutschen Sycnhronisation kommt das überhaupt nicht zum Ausdruck, es wird immer nur von einer Tanzveranstaltung gesprochen. Die übrigens nicht in Bomont, sondern knap hinter der Grenze zur nicht tanzfreien Nachbargemeinde veranstaltet werden muss, weil sich der Stadtrat von Bomont nicht zur Aufhebung eines Tanzverbotes durchringen kann. Erst ganz am Ende wird ein wenig offensiver und discomäßiger getanzt und es sind ein paar ganz sanfte Breakdance-Elemente drin. Also, wer sich von dem Film während des konservativen Rollbacks der 1980er angegriffen fühlte, musste wohl wirklich so bigott sein wie der Lehrer, der die Bücher verbrennen wollte.
Bücherverbrennung in den USA? Dass es Staaten in den USA gibt, in denen z. B. die Evolutionstheorie nicht gelehrt werden darf, weil sie der Bibel bzw. deren Worttext entgegensteht, das gibt es heute noch oder wieder. Warum also nicht eine solche Anspielung auf die Bücherverbrennung der Nazis und damit ein nicht für jeden jugendlichen Durchschnittszuschauer eines solchen Films erkennbaren Hint: Dass die Art, wie in Bomont Politik gemacht wird, faschistisch wirkt und dass man dabei auch die Kirche in Form des strengen, aber doch gutmütigen Reverend Moore einspannt – die sich auch leicht einspannen lässt, weil seine Predigten vor allem Angst machen vor Sünden beinhalten und jedweden Spaß als Sünde ansehen. Glaube an das Gute, Liebe, Hoffnung, spielen eine untergeordnete Rolle.
Wie sind die Figuren gezeichnet? Kevin Bacon spielt den Rebellen, der aus der Stadt kommt, aber er ist ein sehr sanfter Rebell, der, bis auf einen richtigen Redneck mit Pickup auch bald alle Mitschüler und Jugendlichen in der Umgebung für sich gewinnen kann. Die Mädels sind schon begeistert von ihm, da haben sie noch kein Wort mit ihm gesprochen. So auffällig hübsch finde ich ihn gar nicht, aber sympathisch und charmant, und wir sind in Hollywood. Er ist auch kein Rebell im klassischen Sinn, sondern eckt anfangs eher ungewollt an und versucht ja alles, um sich mit den Institutionen ins Benehmen zu setzen, damit seine Tanzveranstaltung durchgeführt werden kann. Ein Rebell handelt anders, auch wenn er mehr durch eine restriktive Umwelt in seine Rolle gedrängt wird. Einen etwas nerdmäßigen Sidekick gibt es für ihn natürlich auch, einen Jungen, der sich von Beginn an dem Newbie anschließt, dessen Geschichten mit offenem Mund lauscht und sich schließlich von Ren, dem Zugezogenen, das Tanzen beibringen lässt. Das kleine Einmaleins des Hollywood-Teenie-Films beherrscht natürlich auch „Footloose“.
Dass Konflikte wirklich eskalieren, passiert aber ausgerechnet bei der zarten Ariel (Lori Singer), dem Love Interest von Ren. Sie ist die Tochter des Reverends, nicht nur offensiver als Ren in sexuellen Dingen, sondern beschädigt in einer Szene den Pickup ihres Exfreundes und wird dafür von ihm zusammengeschlagen. Einmal erhält sie auch eine Ohrfeige von ihrem Vater, weil der „nicht mehr mit ihr fertig wird“. Über diese plötzlichen Gewaltausbrüche wundert man sich, weil nichts dafür steht. Es gibt keine richtige Eskalationsspirale, wie in den legendären Teenie-Klassikern seit „Denn sie wissen nicht, was sie tun“, von dem hier auch das eine oder andere Element übernommen wurde, auch der Charakter Ariels, der erkennbar auf dem von Judy (Natalie Wood) aus dem berühmten James Dean-Film basiert – während Ren eben nicht wie ein 1980er-Dean wirkt. Zumindest auf mich nicht, dazu ist er eben schon zu angepasst in Relation zu den Veränderungen der Gesellschaft, die sich seit den 1950ern ergeben hatten und die auch in der Reagan-Zeit nicht mehr zurückgedreht werden konnten.
Ist der Film also ein Zeitbild à la Hollywood? Das Hinterland Amerikas wird gar nicht so schlecht dargestellt, und es erhält sich ja auch bis heute und ist durch seine äußerst konservativen Moralvorstellungen gekennzeichnet. Außerdem liegt dem Film ein wahrer Fall zugrunde. In einer Stadt namens Elmore City gab es wirklich ein Tanzverbot wie im Film-Bomont, allerdings schon seit 1861, nicht erst seit 5 Jahren, gegen das sich erst 1980 Jugendliche erfolgreich zur Wehr setzten. Worauf dieses reale Verbot basierte, weiß ich nicht, aber im Film wird ja ein Unfall von Jugendlichen bei einem „Hasenfuß-Rennen“ als Grund angegeben, also eines Events, wie Ren und der Pickup-Fahrer es tatsächlich auf Treckern ausführen. Wenn man über diese Szene etwas mehr nachdenkt, muss man schmunzeln, denn bei dem Tempo, das diese Traktoren fahren, wäre ein Zusammenstoß wohl kaum tödlich für einen der beiden Fahrer. Aber es passt zur Ländlichkeit des Szenarios. Auch dieses Handlungselement stammt aus „Denn sie wissen nicht, was sie tun“ – dort verfängt sich eine Ärmelschlaufe des Dean-Konkurrenten in der Fensterkurbel und er kann nicht mehr aussteigen, stürzt mit seinem Auto in den Abgrund, hier verfangen sich die Schnürsenkel von Rens Sneakers in den Pedalen des Traktors und er gewinnt das Rennen nur, weil er dadurch nicht rechtzeitig vom Sitz springen kann, also nicht, weil er mutiger oder, nach meiner Ansicht, dümmer wäre als sein Gegenüber. Man merkt schon, dass sich Footloose vieler Elemente bedient, die einmal funktioniert haben und daher nicht schlecht sein können.
Aber nett ist nicht langweilig? Der Film ist 107 Minuten lang, ich hätte nach dem Anschauen eher auf ca. 95 Minuten getippt und hoffe, dass da nicht rausgekürzt wurde. Es würde einige etwas holprige Schnitte erklären, aber, nein, langweilig fand ich ihn nicht. Sicher kommt dabei ein besonderer Umstand hinzu. Ich habe die Originalmusik zum Film auf CD und war 1983 einer der ersten Schüler auf unserer Penne, die einen CD-Spieler hatten, sogar einen der hochwertigen mit 16Bit-Verfahren, und alles, was damals neu auf den Markt kam, wie Ravels Bolero, das Musical „Cats“, „Flashdance“, die Doppel-CD „Star Wars“ die Filmmusik zu „Es war einmal in Armerika“ oder eben „Footloose“, war ein Hype, innerhalb eines anfänglich recht überschaubaren Angebots an Silberscheiben, die zudem nicht ganz billig waren. Nach über 2000 Mark Anfangsinvestition für den CD-Spieler, nicht zum Geburtstag oder zu Weihnachten geschenkt, sondern durch Rückgriff auf Ersparnisse finanziert, konnte ich dann noch gerade eine Scheibe pro Monat kaufen. Den Film aber habe ich erst gestern erstmalig gesehen, vermutlich hat das Budget zu Kinobesuchen dann nicht mehr gereicht. Grundsätzlich stimmt das aber auch nicht, meine Freundin schleppte mich jedoch lieber mit ins Arthouse-Kino, in dem man mit Schülerausweis recht günstig Klassiker und aktuelle Festival-Filme anschauen konnte. Die Musik von „Footloose“ zu kennen und so viel später die Bilder, die viel harmloser sind, als man sie sich gemäß der Musik damals dachte, zu sehen, ist eben auch ein Rücksturz in die eigene Jugend und hin zu Figuren, die zu jener Zeit so alt waren wie ich selbst. Und der anfängliche Nichttänzer Willard hat mich schon sehr an meine ersten Discobesuche und die ersten Tanzstunden erinnert. Normalerweise können ja in amerikanischen Filmen die Kids immer automatisch tanzen, hier ist das nicht so.
Finale
Sicher ist meine Bewertung durch den dargestellten persönlichen Bezug positiv beeinflusst, aber ich finde, das ist so ein Feelgood-Film, der alle Spekulationen auf das, was doch diskutiert werden soll, beinhaltet, inklusive einer BH-frei gekleideten, sehr hübschen und superschlanken weiblichen Hauptdarstellerin, was ein wirklicher Vater-Reverend gewiss nicht zugelassen hätte, dem man seine vielen Spekulationen, Simplifikationen, das eher uninspirierte Filming verzeiht. Ich kann mich natürlich, wenn ich will, von fast allem, was er an Klischees zeigt, intellektuell distanzieren, aber manchmal ist es eben – nett, und zwar wirklich nett, sich einfach in das Zeitfeeling fallen zu lassen, das dieser Film bei mir mehr bedient als die meisten anderen Teenie-Movies seiner Ära, und es gab ja damals viele US-Streifen, die speziell für junges Publikum gemacht wurden.
69/100
© 2023 Der Wahlberliner, Thomas Hocke (Entwurf 2016)
| Regie | Herbert Ross |
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| Drehbuch | Dean Pitchford |
| Produktion | Lewis J. Rachmil, Daniel Melnick, Craig Zadan |
| Musik | Kenny Loggins |
| Kamera | Ric Waite |
| Schnitt | Paul Hirsch |
| Besetzung | |
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