Wenig Pressefreiheit = viel Korruption (Statista + Kommentar: gilt die Gleichung auch umgekehrt?) | Briefing 426 | PPP Politik, Personen, Parteien, Gesellschaft, Demokratie in Gefahr

Briefing 426 PPP, Korruption, Pressefreiheit, Demokratie in Gefahr, Lobbyismus

Viel Pressefreiheit = wenig Korruption. Das zumindest suggeriert die nachfolgende Grafik:

Infografik: Wenig Pressefreiheit = viel Korruption | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Staaten mit einer stark eingeschränkten Pressefreiheit haben mehrheitlich mit einem hohen Maß an Korruption zu kämpfen, wie die die Statista-Grafik zeigt. Die Länderpunkte im Diagramm sind dabei nach ihrem Abschneiden beim Korruptionswahrnehmungsindex für das Jahr 2023 (Corruption Perception Index, CPI) von Transparency International und dem Index der Pressefreiheit 2023 von Reporter ohne Grenzen sortiert. Ausgewählt wurden die 10 Staaten mit der höchsten Korruptionswahrnehmung und die 10 Staaten mit der niedrigsten Korruptionswahrnehmung. Das Ergebnis zeigt einen klaren Trend. So weisen die Länder Somalia und Südsudan etwa den weltweit schlechtesten Wert bei der wahrgenommenen Korruption auf: beide erreichen nur 11 bzw. 13 von 100 möglichen Indexpunkten. Niedrige Werte entsprechen hierbei einem hohen Maß an Korruption. Gleichzeitig schneiden beide Länder auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit mit einem Indexwert von 44 (Somalia) bzw. 51 (Südsudan) von 100 möglichen Punkten relativ schlecht ab. Bei diesem Index ist ein hoher Wert gleichbedeutend mit einem hohen Maß an Pressefreiheit.

Umgekehrt haben Dänemark und Finnland die weltweit geringste Korruptionswahrnehmung (90 bzw. 87 Indexpunkte) und erreichen zugleich mit 89 Punkten (Dänemark) bzw. 88 Punkten (Finnland) einen sehr guten Wert beim Index der Pressefreiheit. Deutschland liegt mit 78 Punkten beim CPI weltweit auf dem neunten Rang und schneidet zugleich mit 82 Punkten beim Index der Pressefreiheit relativ gut ab. Der südostasiatische Stadtstaat Singapur ist mit wenig Korruption und einem geringen Maß an Pressefreiheit ein Ausreißer. Dies liegt mutmaßlich daran, dass Korruption und Bestechung seit jeher streng geahndet werden. Hier müssen Verurteilte Straftäter vergleichsweise lange in Haft.

Zwischen dem Ausmaß der wahrgenommenen Korruption und dem Grad der Pressefreiheit in einem Land besteht demnach eine negative Korrelation. Bei einer negativen Korrelation gilt „je mehr Variable A… desto weniger Variable B“ bzw. umgekehrt. Korrelationen sind ein Hinweis, aber kein Beweis für Kausalitäten, also bewiesene Ursachen- und Wirkungszusammenhänge. Im vorliegenden Fall darf allerdings angenommen werden, dass eine freie, investigativ arbeitende Presse stark zur Eindämmung von Korruption beitragen kann. Darauf weisen sowohl wissenschaftliche Arbeiten als auch NGOs wie abgeordnetenwatch.de hin.

Der Index der Korruptionswahrnehmung bewertet für jedes der 180 untersuchten Länder die im öffentlichen Sektor wahrgenommene Korruption – bei Beamten und Politikern. Hierbei gilt ein Wert von „0“ als sehr korrupt sowie ein Wert von „100“ als sehr integer, also weitestgehend frei von Korruption. Beim Index der Pressefreiheit reichen die Punkte ebenfalls von 0 bis 100. Je höher der Indexwert ist, desto größer ist die Pressefreiheit im jeweiligen Land einzuschätzen. Der Indexwert wird auf Grundlage eines Fragebogens von Reporter ohne Grenzen gebildet, der jährlich von Hunderten Wissenschaftlern, Juristen, Journalisten und Mitgliedern des Korrespondentennetzwerkes von Reporter ohne Grenzen ausgefüllt wird. Zusätzlich fließt die quantitativ erfasste Anzahl von Übergriffen gegen Journalisten im jeweiligen Land in die Gesamtberechnung mit ein und kann den Indexwert des jeweiligen Landes erhöhen, jedoch niemals senken.

Man hätte die Grafik natürlich auch umgekehrt aufbauen können, nämlich die Pressefreiheit als Ausgangspunkt nehmen und damit die Korruption ausgleichen. Problem: Deutschland wäre nicht auf der Liste gewesen, weil es nur auf Rang 13 weltweit bei der Pressefreiheit steht. Eine Verschlechterung von zwei Plätzen übrigens gegenüber dem Jahr zuvor. Was die Beeinflussung des Staates durch private Akteure eingeht, ist in Deutschland außerdem nicht die direkte, mehr oder weniger plumpe Bestechung das Hauptproblem, sondern ausgefeilte Transaktionen und Bevorzugungen, die schwer zu belegen sind – dafür aber ganz eindeutig belegbar der massive Lobbyismus in diesem Land, dessen Akteure der Politik mehr oder weniger den Takt vorgeben. Besonders die Finanzindustrie ist berüchtigt für ihre umfassende Einflussnahme auf staatliches Handeln, während die Zivilgesellschaft schlechterdings nicht die Mittel hat, dagegenzuhalten. Das sollte sie im Grunde auch nicht tun müssen, in einer Demokratie.

Die relativ große Pressefreiheit wiederum macht es möglich, Skandale immer wieder aufzudecken und auf Gefahren für die Demokratie durch indirekte Korruption / Lobbyismus hinzuweisen. Wenn man das Influencertum von Verbänden des Großkapitals mitrechnet, würde Deutschland auch in Sachen Korruption nicht so relativ gut abschneiden (Rang 10 weltweit). Die große Pressefreiheit hat daran bisher nichts ändern können. Es ist also quasi der konträre Fall zu Singapur, wenn man dort nur die Korruption berechnet, die niedrig ist, nicht den Lobbyismus, den es natürlich auch dort gibt, wo aber gleichzeitig eine relativ geringe Pressefreiheit zu beklagen ist.

Natürlich, was sonst, sind insgesamt wieder die skandinavischen Länder weit vorne, während man sich bei manchen sogenannten großen Demokratien schon fragen muss, wie es passieren konnte, dass sie auf vergleichsweise niedrigen Rängen zu finden sind.

Wir haben schon mehrfach den Vorschlag gemacht, „Best Pratice“ einzuführen, um das Vertrauen der Menschen in die Politik in Deutschland zu stärken. Man schaut sich vorurteilsfrei die besten Länder auf allen Gebieten an und versucht, es ihnen nachzutun. Leider sind dafür Mut und Durchsetzungskraft notwendig, und daran fehlt es der hiesigen Politik, das Rückgrat gegenüber den wirklich Mächtigen im Land ist sehr schwach ausgeprägt, deshalb sind sie auch so mächtig. Die Presse darf das gern anprangern, erzielt damit aber keine Wirkung.

Das ist für die Demokratie ebenso gefährlich, als wenn die Korruption einen hohen Grad erreichen würde. Gerade NGOen wie „Abgeordnetenwatch“, die oben erwähnt werden, weisen darauf auch immer wieder hin. Sie gehören für uns zu den ganz wichtigen unabhängigen Informationsquellen bezüglich des tatsächlichen Standes der Demokratie in Deutschland (die anderen sind Lobbycontrol, Finanzwende, Frag den Staat). 

TH

 

 

 


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