Wahlwiederholung in Berlin – Ampel verliert | Briefing 440 | PPP Politik, Personen, Parteien, Berlin, Nachwahl Bundestagswahl 2021, Nachwahl 2024

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Es wäre ganz falsch, zur Teil-Wahlwiederholung der Bundestagswahl von 2021 in Berlin nichts zu schreiben, nur, weil man weiß, in welche Richtung es gegangen ist. Die komplette Wahlwiederholung der Wahl zum Berliner Abgeordnetenthaus, die gleichzeitig mit der Bundestagswahl 2021 stattfand, hatte uns die #Rückschrittskoalition eingebracht.

Solche dramatischen Folgen einer vergeigten Wahlorganisation hatte die Teilwiederholung der Bundestagswahl nicht, auch nicht auf Bundesebene, da nur in 455 von über 2.000 Wahlkiezen neu gewählt wurde. Die Verschiebungen sind ebenso signifikant wie erwartet.

Infografik: Wahlwiederholung in Berlin – Ampel verliert | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.

Weil es bei der Bundestagswahl 2021 in Berlin zu gravierenden Fehlern kam, entschied das Bundesverfassungsgericht diese in den 455 betroffenen Wahlbezirken wiederholen zu lassen. Die vorläufigen Ergebnisse dieser Neuwahl vom 11. Februar 2024 stehen nun fest und zeigen einen eindeutigen Verlierer – die Ampel-Regierung.

Laut Auswertung der Zweitstimmenanteile durch den Wahlleiter haben Grüne, SPD und FDP etwa 0,3 bis 1,2 Prozentpunkte verloren. Den stärksten Rückgang musste die SPD hinnehmen. Zuwächse gibt es bei CDU (+1,3 Prozentpunkte) und AfD (+1,0 Prozentpunkte).

Wie die Statista-Grafik zeigt, sind vor allem die Grünen und die CDU Favoriten der Wähler:innen in den betroffenen Wahlbezirken. Die SPD verliert in diesen einen Stimmenanteil von rund 7,8 Prozentpunkten.

Am Kräfteverhältnis der Parteien ändert die Wahlwiederholung jedoch kaum etwas: Die SPD bleibt mit 22,2 Prozent stärkste Partei vor den Grünen (22 Prozent) und der CDU (17,2 Prozent). Linke stehen bei 11,5 Prozent und die FDP (8,1 Prozent) rutscht hinter die AfD (9,4 Prozent).

Das deutschlandweite Ergebnis der Bundestagswahl 2021 ändert sich durch die Berliner Teilwiederholung nur minimal: Der Zweitstimmenanteil der AfD steigt, der von Grünen und FDP sinkt leicht.

Die Wahlergebnisse weichen natürlich von jenem der wiederholten Abgeordnetenhauswahl ab. Wäre aber in ganz Berlin für den Bundestag neu gewählt worden (unser Wahlkiez gehörte  nicht zu denen, in denen die Wahl wiederholt wurde), dann hätte es auch hier eine starke Verschiebung vor allem zulasten der SPD gegeben. Deswegen ist es schon ziemlich gewagt, dass auch die Kurzzeit-Bürgermeisterin Franziska Giffey sagt, die Berliner Regierung funktioniere eben gut. Dies, obwohl es sich nicht um eine Stadtwahl, sondern um eine Nachwahl zum nationalen Parlament handelt und obwohl die SPD bei einer kompletten Nach- oder Neuwahl auch komplett abgeschmiert wäre. Am Ende wird sogar für ein bundespolitisches Ergebnis Stadtregierungsexzellenz reklamiert. Aber was soll man von jemandem erwarten, der es nicht geschafft hat, anständig zu promovieren und von seiner Partei dennoch ins Rennen um das höchste Amt der größten Stadt in Deutschland geschickt wird?

An manchem, was bei ihr schiefläuft, ist die SPD auch wirklich selbst schuld, und es springt geradezu ins Auge. Wir müssen da aber etwas mehr bieten und deshalb erklären wir, warum zum Beispiel die Grünen in den „nachgewählten“ Bezirken auf fast 28 Prozent kommen und dennoch etwas verlieren, im Vergleich zu 2021. Die Bezirke, in denen nachgewählt wurde, sind offenbar traditionell Gegenden mit vielen Grünwähler:innen. Das heißt, bei der Nachwahl kam es dort zwar zum besten Ergebnis aller Parteien, aber es war eben 2021 noch etwas besser, sodass die Grünen stadtweit einen leichten Verlust zu verbuchen haben. Das ist deshalb wichtig zu wissen, weil alle anderen Parteien eine andere Balkensituation aufweisen: Wer bei der Nachwahl verloren hat, verliert auch insgesamt und umgekehrt.

Es ist aber deutlich zu erkennen, dass die Abstände zwischen den „Nachwahl-Balken“ und den „Berlin-Gesamt-Balken“ unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Die FDP steht zum Beispiel immer noch relativ gut, obwohl sie in den Nachwahlbezirken geradezu eine Klatsche bekommen hat, auf den ersten Blick jedenfalls. Sie dürfte in diesen Nachwahlbezirken aber schon 2021 relativ schlecht performt haben, da sie vor allem im Südwesten (Zehlendorf) stark ist und dort kaum nachgewählt wurde. Dass die Rechtsparteien CDU und AfD hinzugewonnen haben, dürfte angesichts der allgemeinen Tendenz bei der „Sonntagsfrage Bund“ nicht überraschen. Wenn man so will, handelt es sich um einen Rechtsruck en miniature, eine mittlerweile vertraute Erscheinung im politischen Zeitpanorama.

Interessant ist auch, wie die Parteien in Relation zur gleichzeitig stattfindenden Wahl zum Abgeordnetenhaus abgeschnitten haben und bei den Nachwahlen zum AGH 2023. Und da zeigt sich, dass die Grünen bei der Bundestagswahl besser lagen als bei der Wahl zum AGH, ebenso die SPD, nicht aber die CDU, die demnach einen kleinen stadtpolitischen Bonus hatte. Allerdings gab es auch dabei einen Zeitversatz, der schon eine Verschiebung nach rechts mit sich brachte, die bisher bundesweit einmalige Berliner Wahlmisere von 2021 macht Vergleiche auf aktueller Basis weniger aussagekräftig, als wenn alles regulär gelaufen wäre.

Auf die Bundespolitik hat dieses Nachwahlergebnis keinen großen Einfluss, es dürfte nur wenige Verschiebungen bei den Abgeordneten geben, die für Berlin im Bundestag sitzen.

Der Begriff Wahlbezirk hat nichts mit den zwölf Berliner Bezirken zu tun, Wahlbezirke sind wesentlich kleiner, werden bei uns deshalb auch häufig als „Wahlkieze“ mit einem einzigen Wahllokal bezeichnet. Diese Kleinheit lässt ein sehr detailliertes Bild darüber entstehen, wie jedes Quartier in der Stadt politisch tickt. Die Wahlkieze sind aber immer innerhalb eines Verwaltungsbezirks angesiedelt.

TH


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