Briefing 445 Geopolitik, Atomwaffen, Atomschlag, Atomkrieg, NATO, Atomstaaten
In den letzten Tagen haben wir bereits zweimal über die NATO, das Zwei-Prozent-Ziel, die Äußerungen von Donald Trump und die Konsequenzen für Europa berichtet:
Wie viele Staaten erfüllen das Zwei-Prozent-Ziel der NATO? (Statista + Zusatzinfos + Kommentar)
Es sind nicht die einzigen, aber die nach Trumps NATO-Verratabsicht geäußerten Beiträge zum Thema. Heute ergänzen wir diese Artikel mit einer interessanten neuen Statista-Grafik:
Infografik: Munich Security Index: Sinkende Sorge vor Atomschlägen | Statista

Diese Statista-Grafik wurde unter einer Lizenz CC BY-ND 4.0 Deed | Namensnennung-Keine Bearbeitung 4.0 International | Creative Commons erstellt und wir geben sie unter gleichen Bedingungen wieder. Folgend der Statista-Begleittext dazu, dann weiter mit unserem Kommentar.
Donald Trumps Aussage, bei seiner Wiederwahl nur NATO-Mitglieder verteidigen zu wollen, die genug in ihr Militär investieren, hat in Europa eine Debatte über EU-eigene Atomwaffen entfacht. Verteidigungsminister Pistorius sieht jedoch keinen Grund für eine solche Diskussion und verlässt sich weiterhin auf die Schutzgarantie der NATO-Partner. Zumal Frankreich und Großbritannien als NATO-Mitglieder und Atommächte zusammen schätzungsweise rund 500 nukleare Sprengköpfe besitzen.
Auch der aktuelle Munich Security Index 2024 zeigt, dass die Sorge vor einem Atomschlag durch einen Aggressor momentan deutlich geringer ist als noch im Vorjahr. Dennoch ist die Risikowahrnehmung in den meisten Ländern noch auf einem mittelhohen Niveau. In Deutschland erreicht der Indexwert 55 Punkte und ist damit rund zehn Zähler unter dem Level von 2023. Auch in den anderen im Index enthaltenen europäischen Ländern: Frankreich, Italien und Großbritannien sinkt die Risikowahrnehmung um sechs bis elf Punkte. Am höchsten ist die Sorge vor einem atomaren Angriff in Japan (66 Punkte), weniger Bedenken dahingehend haben die Menschen in China (39 Punkte).
Ob Länder selbst über Atomwaffen verfügen, wie Frankreich, Großbritannien und die USA oder nicht, wie Japan, Brasilien, Deutschland und Italien, spielt offenbar eine untergeordnete Rolle. Wenn über die Hälfte der Menschen in einem Land einen Atomschlag befürchtet, und dies sogar ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr ist, dann sollte man diese Bedenken ernst nehmen. Wir finden die Beschreibung „mittelhoch“ dafür etwas gewagt. Selbstverständlich beeinflussen derlei Werte bei Sorgen oder Befürchtungen den Zustand einer Gesellschaft, und das gilt für Atomwaffen schon seit langer Zeit.
Dass aus den USA Zeichen kommen, die man als ein Spiel mit diesen Ängsten bezeichnen kann und dass noch kein Atomstaat angegriffen wurde, hat aber zu Recht die Frage nach der „europäischen Atombombe“ ausgelöst. Die Reaktionen in der hiesigen Politik sind teilweise kurios, reichen bis hin zu der Ansicht, so etwas sollte nur geheim und nicht öffentlich diskutiert werden. Eine typisch antidemokratisch-lobbyistische Sichtweise.
Befürchtungen, Sorgen, Sicherheitsaspekte, geopolitische Entwicklungen, das ist ein großes Thema, gerade dieses Thema muss an die Öffentlichkeit. Bei solchen Themen ist immer schon eher unabhängig von der Öffentlichkeit entschieden worden, auch in Demokratien. Die Atomwaffen werden uns weiter beschäftigen, so viel ist sicher. Sie sind da, es werden tendenziell wieder mehr und es wird immer mehr Staaten geben, die sie besitzen und die Zahl der besonders unberechenbaren wird unter diesen Staaten zunehmen. Damit steigt auch die Gefahr eines Einsatzes von Atomwaffen unweigerlich.
Wir meinen, gerade deshalb ist es naiv, so zu tun, als ob es diese Bedrohungspotenziale nicht gäbe und wir glauben nicht, dass auf absehbare Zeit atomare Abrüstung wieder möglich sein wird. Es ist eben nicht mehr nur eine Sache weniger großer Staaten, diese Abrüstung anzugehen, außerdem sind diese Supermächte nicht gerade auf dem Weg der friedlichen Koexistenz unterwegs. Es gibt immer mehr Mitspieler, die Nicht-Atomstaaten immer mehr in die Defensive zwängen und bedrohen können. Wunsch und Wirklichkeit gehen in der Weltpolitik immer weiter auseinander. Zumindest mittelfristig sehen wir kaum eine andere Lösung, als durch die Stärkung der Abwehr auf diese Situation zu reagieren. Dass wir deswegen noch lange nicht für unbegrenzte Aufrüstung sind, ist in den beiden verlinkten Artikeln und in früheren dargelegt.
TH
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